Aktuelles zur Umsatzsteuer in der Insolvenz

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Transkript:

Aktuelles zur Umsatzsteuer in der Insolvenz Dr. Christoph Wäger November 2018 Vortrag in nicht dienstlicher Eigenschaft

I. Einzug von Altforderungen Verspätete Vereinnahmung Für U, der steuerpflichtige Umsätze ausführt, wird am 1.4. ein vorläufiger Verwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt und am 1.7. das Insolvenzverfahren eröffnet. (i) Für die Leistungen vor Bestellung des vorläufigen Verwalters wird das Entgelt nicht (Fall A1), durch vorläufigen Verwalter (Fall A2) oder erst im Insolvenzverfahren (Fall A3) vereinnahmt. (ii) Für die Leistungen im Eröffnungsverfahren wird das Entgelt nicht (Fall B1), durch den vorläufigen Verwalter (Fall B2) oder erst im Insolvenzverfahren (Fall B3) vereinnahmt. (iii) Für die Leistungen nach Insolvenzeröffnung wird zunächst nichts vereinnahmt (Fall C). 1

BFH v. 9.12.2010 (V R 22/10, BStBl II 2011, 996) (i) Entgelte für steuerpflichtige Leistungen werden gemäß 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn Insolvenzverfahren eröffnet wird. (ii) Durch die Verfahrenseröffnung geht das Recht des Schuldners, das Vermögen der Insolvenzmasse zu verwerten oder über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. (iii)der Unternehmer ist aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Entgeltforderungen rechtswirksam in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zu vereinnahmen, da die Vereinnahmung im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung erfolgt und damit zu Masseverbindlichkeiten i.s. von 55 Abs. 1 InsO führt. BFH v. 24.9.2014 (V R 48/13, BStBl II 2015): Ebenso im Eröffnungsverfahren mit Verwalter mit allg. Zustimmungsvorbehalt. 2

Bedeutung des Unionsrechts Art. 90 MwStSystRL ermöglicht eine Steuerberichtigung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen. Neu: BFH v. 27.9.2018 V R 45/16: (i) Bei der Einordnung in 38, 55 InsO besteht kein Grund, eine vom Insolvenzverwalter vereinnahmte Umsatzsteuer als Insolvenzforderung zu behandeln. 17 UStG belegt, dass auch bei der Sollbesteuerung eine vollständige Tatbestandsverwirklichung erst mit der Vereinnahmung vorliegt. Dies führt zur Berichtigung einer (zuvor vorgenommenen) Sollbesteuerung im Insolvenzbereich ( 38 InsO) und die spätere Berichtigung im Massebereich ( 55 InsO) mit Vereinnahmung. (ii) Das Unionsrecht verlangt nicht, eine erst vom Insolvenzverwalter vereinnahmte Umsatzsteuer nach nationalem Insolvenzrecht als Insolvenzforderung ( 38 InsO) zu behandeln. 3

Lösung des Beispielsfalls Leistung vor Bestellung des vorläufigen Verwalters nach Bestellung des vorläufigen Verwalters nach Insolvenzeröffnung nicht Fall A1: Steueranspruch u. erste Berichtigung heben sich auf Fall B1: Steueranspruch u. erste Berichtigung heben sich auf Fall C: 55 I InsO Entgeltvereinnahmung erfolgt durch vorläufigen Verwalter Fall A2: Zweite Berichtigung führt zu 55 IV InsO Fall B2: Zweite Berichtigung führt zu 55 IV InsO durch Insolvenzverwalter Fall A3: Zweite Berichtigung führt zu 55 I InsO Fall B3: Zweite Berichtigung führt zu 55 I InsO -- Fall C: 55 I InsO 4

Eigenverwaltung Im Insolvenzverfahren kommt es zur Eigenverwaltung. Der Schuldner vereinnahmt Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen. Abwandlung: Zur Eigenverwaltung kommt es bereits im Eröffnungsverfahren. Der Schuldner vereinnahmt Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen. Neu: BFH v. 27.9.2018 V R 45/16: (i) Die Vereinnahmung von Entgelten nach Insolvenzeröffnung für zuvor Leistungen führt auch bei der Eigenverwaltung zu einer Masseverbindlichkeit. (ii) Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird auf den Schuldner als Amtswalter neu übertragen. Er behält nicht seine "alte", vor Verfahrenseröffnung bestehende Verfügungsmacht über sein Vermögen, da er nur so die dem Insolvenzverwalter zugewiesenen Rechte wahrnehmen kann. 5

II. 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO beim Vorsteuerabzug 1. Vorsteuerabzug Schuldigwerden A erbringt an B Leistungen, die aufgrund einer Organschaft als nichtsteuerbar angesehen werden. Nach Verfahrenseröffnung bei B wird das Fehlen der Organschaft festgestellt. A erteilt für die vor der Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen berichtigte Rechnungen mit Steuerausweis (teilweise 9 UStG). Aufgrund dieser Rechnungen macht der Insolvenzverwalter einen Vergütungsanspruch geltend, dem das FA zustimmt. Das FA erklärt die Aufrechnung mit Umsatzsteueransprüchen aus der vorinsolvenzrechtlichen Umsatztätigkeit des B. Abwandlung: Der Insolvenzverwalter nimmt den Vorsteuerabzug aus der nach Verfahrenseröffnung erteilten Rechnung des vorläufigen Verwalters vor. 6

a) Vergütungsanspruch im Umsatzsteuerrecht Ein Vorsteuerabzug besteht wohl nur eingeschränkt: (i) Belastet A im Wege einer Preiserhöhung Umsatzsteuer nach, wird der Insolvenzverwalter auf vorinsolvenzrechtliche Leistungsbezüge wohl keine zusätzliche Zahlung leisten. (ii) Ein Vorsteuerabzug aufgrund einer Rechnungsberichtigung kommt daher nur insoweit in Betracht, als Umsatzsteuer aus dem ursprünglichen Preis herausgerechnet wird. b) Geänderte Rspr. zu 96 Nr. 1 InsO bei Berichtigungen seit 2012 (i) Alt: Maßgeblich ist das Bestehen des ursprünglichen Anspruchs, auf den sich die Berichtigung bezieht. (ii) Seit 2012: Maßgeblich sind die materiellen Voraussetzungen des Berichtigungstatbestandes. 7

c) Neu: BFH v. 12.6.2018 VII R 19/16 Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht materiellrechtlich bereits, wenn die Leistung erbracht wird. Daher kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung des Erstattungsanspruchs auf den Besitz der Rechnung nicht an. Dies gilt für den Verzicht nach 9 UStG. d) Bewertung (i) Für den Vorsteuerabzug sind nach der EuGH- Rechtsprechung materielle und formelle Voraussetzungen zu erfüllen. Die Rechnung ist danach eine formelle Ausübungsvoraussetzungen. (ii) Die hm berücksichtigt weiter den Vorsteuerabzug erst für den VZ, in dem die Rechnung erstmals vorliegt. (iii) Folge für Abwandlung: Vorsteuerabzug aus der Rechnung des vorläufigen Verwalters mindert Masseverbindlichkeit. (iv) Folge Grundfall: Aufrechnungsverbot greift me ein. 8

2. Rechnungsberichtigung Rechnungsberichtigung U erteilte Rechnungen mit Steuerausweis über steuerfreie und nicht erbrachte Leistungen. Nach Insolvenzeröffnung berichtigt der Insolvenzverwalter in 02 und 03 den Steuerausweis. Ob es aufgrund der Berichtigung zu Rückzahlungsansprüchen kommt, ist zivilrechtlich unklar. Das FA stimmt einer Vergütung für 02 aufgrund der Rechnungsberichtigung zu ( 168 S. 2 AO) und erklärt die Aufrechnung mit vorinsolvenzrechtlichen Steueransprüchen. Abwandlung: Für 03 ist dem FA unklar, wie es verfahren soll. U hatte die aufgrund der Rechnungserteilung in 01 geschuldete Steuer zwar angemeldet, aber nicht gezahlt. 9

Grundfall: BFH v. 8.11.2016 (VII R 34/15, BStBl II 2017, 496) Für 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist bei einer Steuerberichtigung nach 14c Abs. 2 UStG entscheidend, wann die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Steuerberichtigung wirkt insolvenzrechtlich nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung zurück Aufgrund der Zustimmung des FA zur Steuervergütung hatte der BFH nicht über das steuerrechtliche Entstehen des Vergütungsanspruchs und die Voraussetzungen hierfür zu entscheiden. 10

Abwandlung: Steuerrechtliche Berichtigungsbedingungen Neu: BFH v. 16.5.2018 (XI R 28/16, BFHE 261, 451): Die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags nach 14c Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 UStG erfordert grundsätzlich, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat. Der BFH begründet dies damit, dass es sonst zu einer ungerechtfertigten Bereicherung beim Rechnungsaussteller käme. Folgefragen: (i) Gilt das auch im Insolvenzverfahren? (ii) Gilt das auch, wenn zivilrechtlich gar keine Rückzahlungspflicht besteht? (iii) Liegt eine Änderung der Rspr (V R 112/91, V R 41/94) vor? 11

III. Bauträger Fehlbeurteilung Die Bauträger-GmbH (GmbH) liefert in 2012 von ihr errichtete Wohnungen steuerfrei ( 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Für die Errichtung der Gebäude bezieht sie Bauleistungen von im Inland ansässigen Bauunternehmern, die mit der GmbH davon ausgehen, dass die GmbH als Leistungsempfänger Steuerschuldner sei, und Rechnungen ohne Steuerausweis erteilen. Die GmbH beantragt in 2014, diese Besteuerung rückgängig zu machen, da die Voraussetzungen für eine in ihrer Person entstandenen Steuerschuld nicht vorliegen. Die Bauunternehmer erlangen hiervon in 2014 Kenntnis und treten in 2018 ab. Abwandlung: Über das Vermögen des Bauunternehmers (alternativ: beim Bauträger) wird das Insolvenzverfahren eröffnet. 12

1. 2004: Einführung des 13b UStG für Bauleistungen (i) Mit Wirkung ab 1.4.2004 wird eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung eingeführt. (ii) Ziel ist die Zusammenführung von Steuerschuld und Vorsteuerabzug bei einer der am Leistungsaustausch beteiligten Personen. (iii) Gilt auch für Bauleistungen, die Bauunternehmer beziehen. 2. 2010: Einbeziehung der Bauträger durch BMF (i) Klarstellung durch BMF v. 11.3.2010, BStBl I 2010, 254. (ii) Bauträger werden Steuerschuldner für von ihnen bezogene Bauleistungen, wenn sie zu mindestens 10 % Wohnhäuser oder Wohnungen bereits in der Bauphase verkaufen. 13

3. 2013: Verwaltungsauffassung scheitert am BFH (i) BFH v. 22.8.2013 V R 37/10, BStBl II 2014, 128. (ii) Der BFH verneint die Anwendung von 13b UStG auf Bauleistungen, die Bauträger zur steuerfreien Grundstückslieferung beziehen. 4. 2014: Schadensbegrenzungsmaßnahmen (i) BMF v. 5.2.2014, BStBl I 2014, 233 folgt BFH mit Stichtag 15.2.2014. (ii) 27 Abs. 19 UStG schließt 176 AO für Bauunternehmer aus und berechtigt Bauunternehmer zur Abtretung des Nachforderungsanspruchs an FA. 5. 2017: BFH billigt Nacherhebung beim Bauunternehmer (i) BFH v. 23.2.2017 V R 16, 24/16, BStBl II 2017, 760. (ii) BFH schränkt 27 Abs. 19 UStG dahingehend ein, dass eine Nachforderung bei diesem das Bestehen eines Nachforderungsanspruchs voraussetzt. 14

6. 2018: BFH bestätigt Entlastung beim Bauträger (i) Neu: BFH v. 27.9.2018 V R 49/17. (ii) Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht (entgegen BMF v. 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a). 7. 2019: BFH entscheidet über Verzinsung beim Bauträger Die Frage der Verzinsung wird voraussichtlich in den Verfahren V R 3/18 und V R 7/18 entscheidungserheblich sein. 15

IV. Organschaft 1. Einbeziehung von Personengesellschaften Anforderungen an die Organgesellschaft Gesellschafter der A-KG sind der Kommanditist U und eine Komplementär-GmbH ohne Kapitalanteil. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag liegt nicht vor. Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Alleingesellschafter der GmbH ist U. U hat ein Grundstück an die KG vermietet. Abwandlung 1: Neben U ist noch ein zweiter Kommanditist mit 10 % beteiligt. Es besteht ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag, nach dem die Entscheidungen entsprechend den Kapitalanteilen zu treffen sind. Abwandlung 2: Bei der KG handelt es sich um eine GbR. 16

Meinungsstreit über den Umfang, in dem die Organschaft auf Tochterpersonengesellschaften zu erweitern ist (i) BFH v. 2.12.2015 (V R 25/13, BStBl II 2017, 547): Organschaft besteht im Grundfall, nicht in der Abwandlung 1. Maßgeblich sind die Besonderheiten der Personengesellschaft: Einstimmigkeitsprinzip, Möglichkeit formloser Vereinbarungen. (ii) BFH v. 19.1.2016 (XI R 38/12, BStBl II 2017, 567): Organschaft besteht in der Abwandlung 1. Maßgeblich ist die Rechtsformneutralität. (iii) Denkbar: Alternative Voraussetzungen für Eingliederung als Personengesellschaft. (iv)keine Entscheidung zur Möglichkeit einer Organ-GbR. 17

Fehlbeurteilung Gesellschafter der A-KG sind U und eine Komplementär-GmbH ohne Kapitalanteil. Bei der KG besteht ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag mit Entscheidungsfindung nach Mehrheitsprinzip. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist U, der ein Grundstück an die KG vermietet hat. Die Umsätze der KG sind nach 6a UStG steuerfrei. Die für die KG bestehenden Steuerfestsetzungen führten bislang aufgrund von Vorsteuerbeträgen zu Steuervergütungen. Die Steuerbescheide stehen unter Nachprüfungsvorbehalt. U beantragt die Änderung seiner Steuerfestsetzungen, damit die Vorsteuerbeträge der KG bei ihm steuermindernd erfasst werden. Die KG teilt dem FA mit, dass sie sich gegenüber bei ihr geänderten Steuerbescheiden auf 176 AO berufen wird. 18

Lösungsmöglichkeiten (i) Verfahrensrechtliche Sichtweise: Die KG wendet sich gegen eine Änderung ihrer Steuerfestsetzungen nicht in ihrer Eigenschaft als Organgesellschaft, sondern als rechtlich eigenständige Gesellschaft, die Steuervergütungen erhalten hat. (ii) Berücksichtigung materiell-rechtlicher Aspekte: Die KG ist materiell-steuerrechtlich Organgesellschaft. Macht ihr Organträger geltend, dass die Umsätze der KG bei ihm zu erfassen sind, steht ihr kein Vertrauensschutz nach 176 AO zu, da ihr aufgrund der organschaftlichen Verbindung das Handeln des Organträgers zuzurechnen ist. (iii)bfh v. 12.2.2015 (V R 28/14, BStBl II 2017, 10) zu 174 AO: Organträger und Organgesellschaft sind Drittbeteiligte. 19

V. Verwertung von Sicherheiten mit Dreifachumsätzen 1. Ausgangslage Verwertung von Grundstücken Unternehmer U erhält ein Darlehen i.h.v. 1,1 Mio. und bestellt als Sicherheit ein Grundpfandrecht an einem Unternehmensgrundstück. U zahlt die Zinsen, kann aber das Darlehen nicht zurückzahlen. Die Bank kündigt das Darlehen und stellt Insolvenzantrag. Unmittelbar nach Insolvenzeröffnung vereinbaren die Bank und der Insolvenzverwalter I, das Grundstück freihändig zu veräußern. Falls der Veräußerungserlös für die Tilgung des Darlehensanspruchs nicht ausreicht, soll I berechtigt sein, 5 % des Kaufpreises als Massekostenbeitrag für die Mühen der Veräußerung einzubehalten. I verkauft das Grundstück umgehend für 1 Mio. und behält 50 T ein. 20

BFH v. 28.7.2011 V R 28/09, BStBl II 2014, 406 (i) Veräußert ein Insolvenzverwalter ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen "Massekostenbeitrag" zugunsten der Masse einbehalten darf. Dem steht nicht entgegen, dass die Veräußerung für Rechnung des Schuldners (Grundstückseigentümers) erfolgt. (ii) Eine steuerbare Leistung liegt auch bei der freihändigen Verwertung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vor (Änderung der Rechtsprechung). 21

2. Verwertung durch die Bank Doppelumsatz Bei einer Sicherungsübereignung vereinbaren der Unternehmer (Sicherungsgeber) und die Bank (Sicherungsnehmer) eine Verwertung durch (im Namen) der Bank. (i) Die zivilrechtliche Sicherungsübereignung führt umsatzsteuerrechtlich noch nicht zu einer Lieferung. Zur Lieferung kommt es mit der Verwertung. Bis zum Verwertungsfall kann der Sicherungsnehmer ausgetauscht werden, ohne dass es zu einer Lieferung des Sicherungsguts kommt. (ii) Entgelt richtet sich nach der Schuldbefreiung. 22

3. Verwertung durch den Schuldner a) Rechtsprechung Dreifachumsatz I Bei einer Sicherungsübereignung vereinbaren U (Sicherungsgeber) und die Bank (Sicherungsnehmer) eine Verwertung durch U, der an den Erwerber E liefert. (i) U führt die Lieferung an den Erwerber aus. (ii) Wie beim Doppelumsatz soll die Sicherungsübereignung durch die Verwertung zu einer Lieferung an die Bank erstarken. (iii) Erfolgt die Lieferung an den Erwerber durch U, nicht aber durch die Bank, muss es zu einer weiteren Lieferung der Bank an U kommen (Rücklieferung). 23

b) Kritik (i) Begründung des BFH: Kommissionsverhältnis (a) U handelt bei der Lieferung an den Erwerber auf Rechnung der Bank, da er mit dieser Lieferung seine Verbindlichkeit bei der Bank tilgen will. (b) Der Unternehmer sei daher wie ein Verkaufskommissionär für die Bank als Verkaufskommittent tätig. Wie bei 3 Abs. 3 UStG führe die Lieferung durch U an den Erwerber daher auch zu einer Lieferung der Bank an den Unternehmer. (ii) Aber: BFH v. 28.7.2011 V R 28/09, BStBl II 2014, 406 (a) Grundpfandverwertung erfolgt auf eigene Rechnung des Grundstückseigentümers. (b) BFH lässt ausdrücklich offen, ob bei Verwertung Sicherungseigentum in der Insolvenz Dreifachumsatz oder Geschäftsbesorgungsleistung vorliegt. 24

Dreifachumsatz II U hat Gegenstände an die Banken B1 und B2 zur Sicherheit zivilrechtlich wirksam übereignet. Nach Insolvenzeröffnung soll die Verwertung durch den Verwalter erfolgen. Es lässt sich feststellen, dass die noch vorhandenen Gegenstände an die beiden Banken übereignet worden sind. Unklar ist aber, welche der Gegenstände welcher Bank gehören. Der Verwalter und die Banken vereinbaren eine Veräußerung durch den Verwalter. B1 und B2 sollen entsprechend dem Verhältnis ihrer Forderungen befriedigt werden. (i) Liegen die Voraussetzungen für den Dreifachumsatz vor? (ii) Ist am Dreifachumsatz festzuhalten? 25