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Transkript:

F I N A N Z G E R I C H T B E R L I N - B R A N D E N B U R G IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 K 3278/14 In dem Rechtsstreit A, Klägerin, Bevollmächtigte: gegen Finanzamt, Beklagter, wegen Einkommensteuer 2011 hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 3. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Juni 2017 durch den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter für Recht erkannt: Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 15.08.2013, geändert mit Bescheid vom 11.11.2014 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2014, wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 5.563 abgezogen werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. - 2 -

- 2 - T a t b e s t a n d : Die Beteiligten streiten um die Abziehbarkeit von Kosten für das Vorhalten einer Wohnung in B als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Streitjahr 2011. I. Die 1967 geborene Klägerin war seit 1998 als Augenärztin (Oberärztin) an einer ehemals städtischen Klinik, inzwischen C GmbH, in B tätig, spätestens seit 2000 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag (FG-A Bl. 72). Ebenfalls seit 1998 bewohnte die Klägerin eine 2½-Zimmer-Wohnung, 65 m², zur Miete, zuletzt für monatlich warm 760,62. Am TT.MM.2010 brachte sie ihre Tochter D zur Welt. Am 02.06.2010 beantragte sie Elternzeit für den Zeitraum 27.07.2010 bis 21.03.2012 (FG-A Bl. 68). Am 30.12.2011 beantragte sie Verlängerung der Elternzeit bis 21.03.2013 (FG-A Bl. 75). Nach der Geburt zog sie zu ihrem Lebensgefährten E, der in F arbeitete und wohnte, kündigte die B Wohnung jedoch nicht. Ende 2010 ging sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten nach G, wo dieser eine J -Stelle gefunden hatte. An der dortigen Augenklinik nahm sie eine Teilzeitstelle als Augenärztin in dem während der Elternzeit möglichen Umfang an und beendete ihre Habilitation. Die Planung der Familie war die, dass der Familienwohnsitz mit dem Kind in G bleiben sollte und die Klägerin nach dem Ende der Elternzeit wieder auf ihrer Vollzeitstelle in B arbeiten würde. Die Klägerin hoffte darüber hinaus, in B Chefärztin werden zu können (was sich allerdings nicht verwirklichte, da der Vertrag ihres bisherigen Chefs mehrfach, letztlich bis fast zur Vollendung von dessen 70. Lebensjahr, verlängert wurde). Da in B ein starker Wohnungsmangel herrscht, die bisherige Wohnung der Klägerin aufgrund des alten Mietvertrages preisgünstig war und ein Auszug und eine spätere Wohnungssuche mit erneutem Einzug mit erheblichem finanziellem wie organisatorischem Aufwand verbunden gewesen wäre, behielt die Klägerin die B Wohnung während des Aufenthalts in G weiter bei. Um die Kosten jedoch gering zu halten, vermiete sie die B Wohnung teilweise unter. Von September 2010 bis April 2012 waren nacheinander zwei Untermieter (vgl. FG-A Bl. 82) mit in der Wohnung, die ein Zimmer mit Mitbenutzung von Bad und Küche bei der Klägerin gemietet hatten. Die Klägerin war selbst nur selten in der B Woh- - 3 -

- 3 - nung, sie musste in B noch ein zu Ende gehendes Forschungsprojekt betreuen, was einen Aufenthalt in B von im Streitjahr ca. 2 Tagen pro Monat erforderlich machte. Sie hatten in dem nicht untervermieteten Zimmer jedoch weiterhin ihre Möbel stehen. Für die B Wohnung wendete die Klägerin im Streitjahr 2011 unstreitig 5.563,30 auf, wobei in diesem Betrag die Einnahmen aus der Untervermietung bereits mindernd berücksichtigt sind. Inzwischen taten sich für die Klägerin jedoch andere berufliche Möglichkeiten auf, so dass der ursprüngliche Plan, die Arbeit in B wieder aufzunehmen, von ihr aufgegeben wurde. Am 28.03.2012 schloss sie mit der H Klinik in I einen Arbeitsvertrag (FG-A Bl. 54-56) über eine Vollzeitstelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin ab 01.04.2012 (Probezeit: 6 Monate). Am 22.04.2012 kündigte sie ihre B Wohnung (FG-A Bl. 57). Im Dezember 2012 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis in B zum Ablauf der Elternzeit am 21.03.2013 (Kündigungsbestätigung FG-A Bl. 70-71). Im Laufe des Jahres 2013 verlegte sie mit ihrem Lebensgefährten die gemeinsame Familienwohnung nach I, so dass jetzt dieser seine berufliche Zweitwohnung in G hat. II. Mit der am 27.12.2012 beim seinerzeit zuständigen Finanzamt FA G eingegangenen ESt-Erklärung 2011 machte die Klägerin Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung am Beschäftigungsort B in Höhe von 5.563 geltend. Mit ESt-Bescheid 2011 vom 15.08.2013 erkannte das FA G diese Aufwendungen nicht an, da sich sowohl der Lebensmittelpunkt als auch die Arbeitsstätte der Klägerin in G befanden. Die Klägerin legte am 29.08.2013 Einspruch ein. Mit Bescheid vom 11.11.2014 des zwischenzeitlich zuständig gewordenen beklagten FA I wurde die Festsetzung aus anderen Gründen teilweise geändert. Mit Einspruchsentscheidung vom 12.11.2014 wies dieses FA den Einspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung im Sinne des EStG nicht vorgelegen hätten. III. Hiergegen richtet sich die am 13.12.2014 eingegangene Klage. Die Beteiligten vertieften zunächst wechselseitig ihre Rechtsansichten, warum eine doppelte Haushaltsführung gegeben bzw. nicht gegeben sei. Der Berichterstatter wies darauf - 4 -

- 4 - hin, dass die Aufwendungen zwar möglicherweise nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der doppelten Haushaltsführung, aber als Werbungskosten anderer Art (Vorhalten einer Wohnung zur späteren Benutzung als Wohnung am Beschäftigungsort) abziehbar sein könnten. Die Klägerin führte darauf aus, dass der Hauptgrund für das Vorhalten der Wohnung in B der dort schwierige Wohnungsmarkt verbunden mit ihrer Absicht, nach der Elternzeit dort wieder zu arbeiten, gewesen sei. Lediglich ergänzend sei es um die Ersparnis von Hotelkosten für die ca. 2 Tage pro Monat gegangen, an denen sie sich für das Forschungsprojekt noch habe nach B begeben müssen. Für spätere familiäre Zwecke wäre die Wohnung sowieso zu klein gewesen. Das Arbeitsverhältnis in B sei unbefristet gewesen, so dass die Klägerin nach Ende der Elternzeit dort ohne weiteres wieder hätte arbeiten können. Der zeitliche Abstand zwischen dem Abschluss des Arbeitsvertrages in I (28.03.2012) und der Kündigung des B Wohnungsmietverhältnisses (22.04.2012), also dreieinhalb Wochen, sei dadurch begründet gewesen, dass allerlei zu regeln gewesen sei und die Kündigung auch mit der Untermieterin habe abgesprochen werden müssen. Im Kündigungsschreiben habe sie aber der Vermieterin angeboten, die Wohnung schon im Laufe des Monats Mai zu räumen. Mit der Kündigung des B Arbeitsverhältnisses habe sie rein vorsorglich gewartet, bis die Probezeit in I abgelaufen gewesen sein. Die Klägerin beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 15.08.2013, geändert mit Bescheid vom 11.11.2014 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2014, dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 5.563 abgezogen werden. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die B Wohnung sei nicht der Ort der Tätigkeit der Klägerin gewesen, so dass eine doppelte Haushaltsführung im steuerrechtlichen Sinne schon begrifflich ausscheide. Aufwendungen für das Vorhalten einer Wohnung seien grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar, denn dies gehöre zum Bereich der privaten Lebensführung. Jedenfalls wären die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge nicht trennbar. - 5 -

- 5 - IV.1. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 01.06.2017 die Klägerin persönlich gehört. 2. Die ESt-Akten Bd. 3 und 4 lagen vor. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten ( 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung FGO ). I. Die Aufwendungen für das Vorhalten der Wohnung in B sind zwar keine Kosten für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung ( 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG), da die Klägerin in dieser Wohnung im Streitzeitraum gar keinen Haushalt geführt, sich kaum darin aufgehalten hat. Sie sind jedoch als Werbungskosten anderer Art ( 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehbar. 1. Das Gericht ist zunächst in tatsächlicher Hinsicht davon überzeugt, dass das Vorhalten der Wohnung in B ausschließlich aus beruflichen Gründen erfolgt ist und denkbare andere, private Gründe entweder gar nicht vorlagen oder allenfalls völlig geringfügig und untergeordnet waren. Zwar ist bei dieser Überzeugungsbildung ein strenger Maßstab anzulegen. Denn es sind vielfach denkbare private Gründe in Betracht zu ziehen. So könnte sich die Klägerin die Wohnung z. B. auch vorgehalten haben für den Fall, dass sich das Zusammenleben mit ihrem Lebensgefährten und der Tochter als schwierig erweist, um ggf. einen Rückzugsort unproblematisch zur Verfügung zu haben. Im Übrigen halten sich in großen Städten mit - 6 -

- 6 - hohem Freizeitwert Personen oft eine Zweitwohnung, weil sie gerne die Wochenenden dort verbringen, gerade wenn sie die Wohnung schon seit langer Zeit aufgrund eines alten Mietvertrags mit relativ geringer Miete innehaben. Eine rein berufliche Veranlassung für das Vorhalten einer Wohnung darf daher nicht leichtfertig angenommen werden. a) Entscheidend für das Gericht war zum einen der Umstand, dass die Klägerin in B nicht lediglich eine vage Aussicht auf ein Arbeitsverhältnis hatte oder gar nur die Absicht, sich dort zu bewerben, sondern ein unbefristetes und ungekündigtes Arbeitsverhältnis, lediglich unterbrochen durch Mutterschutzzeit und Elternzeit, vorlag. Die Klägerin hätte daher, hätte sie nicht noch etwas Besseres bzw. Passenderes gefunden, ohne weiteres nach Ende der Elternzeit in B wieder arbeiten können. Ab dann hätte auch gar kein Zweifel bestanden, dass mit der Familienwohnung in G eine doppelte Haushaltsführung am Beschäftigungsort B vorgelegen hätte (Wegverlegungsfall). b) Zum anderen war für das Gericht besonders bedeutsam, dass die Kündigung der (vorgehaltenen) B Wohnung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Begründung des I Arbeitsverhältnisses und damit der beruflichen Umorientierung der Klägerin erfolgt ist. Denn wenn der ausschließliche Grund für das Vorhalten der B Wohnung darin lag, bei Wiederaufnahme der Arbeit in B dort wohnen zu können, dann ist dieser Grund in dem Moment weggefallen, als die Klägerin sich entschieden hatte, die Arbeit in B nicht mehr aufzunehmen, sich also stattdessen für die Stelle in I entschieden hatte. Aus den Umständen der Beendigung lassen sich Rückschlüsse auf die Gründe für das zunächst gegebene Vorhalten ziehen. Hätte die Klägerin die B Wohnung gekündigt, bevor sie den Arbeitsvertrag in I geschlossen hätte, oder hätte sie die B Wohnung auch noch nach dessen Abschluss über längere Zeit, Monate oder gar Jahre, beibehalten, hätte dies Zweifel wecken müssen, ob die geplante Wiederaufnahme der Arbeit in B wirklich der ausschließliche Grund für das Vorhalten der Wohnung war und nicht doch andere Gründe zumindest mit ursächlich. Hier aber hat die Klägerin die Wohnung in B rund dreieinhalb Wochen gekündigt, nachdem sie den Arbeitsvertrag in I unterzeichnet hatte. Dieser (kurze) Zeitraum erklärt sich aus technischen Gründen, insbesondere mussten mit der Untermieterin Absprachen zur Be- - 7 -

- 7 - endigung getroffen werden. Außerdem hat die Klägerin die Wohnung anlässlich der Kündigung ihrer Vermieterin zur kurzfristigen Rückgabe angeboten. Der kausale Zusammenhang zwischen der Aufgabe der Absicht, wieder in B zu arbeiten, und der Beendigung des Vorhaltens der B Wohnung, wird durch diesen engen zeitlichen Zusammenhang besonders deutlich. c) Bei alldem kommt im Hintergrund hinzu, dass der Mietwohnungsmarkt in B, wie dem Gericht amtsbekannt, stark belastet ist. Es ist für Mietinteressenten extrem schwierig, überhaupt eine passende Wohnung zu finden. Außerdem ist jeder Wohnungswechsel in der Regel mit einer höheren Miete verbunden, von den Kosten und Unannehmlichkeiten von Auszug, Wohnungssuche und erneutem Einzug ganz zu schweigen. Es ist daher bei einem absehbaren Bedürfnis nach einer Wohnung nur vernünftig und ratsam, eine bisherige Wohnung beizubehalten, auch wenn sie vorübergehend gar nicht benötigt wird. Ginge es um eine Stadt oder eine Gemeinde in einem Kreis mit entspanntem Wohnungsmarkt, wäre ein Vorhalten einer Wohnung aus beruflichen Gründen über längere Zeit kaum denkbar, weil dann bei Bedarf unschwer eine neue Wohnung ohne Mietsteigerung gefunden werden könnte und die Kosten des Vorhaltens die Kosten des Aus- und Wiedereinzugs schnell übersteigen würden, da keine Kosten für eine künftig dauerhaft höhere Miete hinzukämen. 2. Für Werbungskosten gibt es keine abschließende Kategorisierung ( 9 Abs. 1 Satz 3 EStG: Werbungskosten sind auch ). Auch wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen, können daher Werbungkosten gegeben sein, denn darunter fallen rechtlich alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Daher fallen Aufwendungen, die nicht durch die Nutzung einer Wohnung am derzeitigen Beschäftigungsort entstehen, sondern durch das bloße Vorhalten einer (praktisch kaum bewohnten) Wohnung am zukünftigen Beschäftigungsort, unter den Werbungskostenbegriff, wenn, wie hier, die Erwerbssphäre bei wertender Betrachtung das auslösende Moment ist. Es handelt sich um Kosten der eigenen Kategorie Vorhalten einer Wohnung aus ausschließlich beruflichen Gründen. - 8 -

- 8 - II.1. Die Übertragung der Berechnung auf das FA fußt auf 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. 2.a) Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO. b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 151 FGO in Verbindung mit 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-. 3. Gründe für die Zulassung der Revision, 115 Abs. 2 FGO, sind nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung mit dem Schwerpunkt im Tatsächlichen. Rechtsmittelbelehrung Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch B e s c h w e r- de angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb e i n e s M o n a t s nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von z w e i M o n a t e n nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann. Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb e i n e s M o n a t s nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen. Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201. Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite www.egvp.de lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach - 9 -

- 9 - der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist. - -