Migrationshintergrund vs. Chancenlosigkeit = Kausalzusammenhang? Fachtag: Bildungsgerechtigkeit herstellen aber wie? Heidelberg,

Ähnliche Dokumente
Bildungspolitik und Integration eine unendliche Geschichte. Melanie Köhler, parlamentarische Beraterin für Bildung. Hohenheim,

Übergänge von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Ausbildung

eines Integrationsmonitorings

Bildung Individualisierung der Bildungsbiografie. Tagung Entsicherte Kindheit Erfurt,

Menschen mit Migrationshintergrund in Rheinland-Pfalz

Willkommenskultur in der Ganztagsschule: auf dem Weg zur interkulturellen Bildung

Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der amtlichen Statistik

Segregation in den Städten Konsequenzen für die lokale Bildung. Hartmut Häussermann

Inhalt. Prof. Dr. Ahmet Toprak

Schulerfolg von Kindern mit Migrationshintergrund in Erlangen

Die Rolle von primären und sekundären Herkunftseffekten für Bildungschancen von Migranten im deutschen Schulsystem

Daten und Fakten zur Hauptschule (Teil1)

Marion Queck-Boetzkes und Alexandra Marsall Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ)

Zuwanderung und Integration in den ostdeutschen Ländern Ergebnisse des Mikrozensus

Schule und Migration in Österreich. Wie ein veraltetes Schulsystem veränderten gesellschaftlichen Veränderungen hinterherhinkt

Bildung, Betreuung und Erziehung. kommunale Bildungsplanung in der Landeshauptstadt Hannover

Erwachsen werden Bedingungen des Aufwachsens Jugendlicher in Deutschland

MigrantInnen werden älter: Wer pflegt sie?

Allgemeinbildende Schule und nonformale Lernwelten im Schulalter - Befunde und Problemlagen

Integration durch Partizipation Wahlplattform der AGABY und des DGB Bayern zu Migration und Integration

IV 212 Ingo Röske-Wagner 13. Juni 2013

Aktuelle Daten zur Gesellschaft Christoph Huth und Robert Römer. VSOP-Jahrestagung Erfurt,

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund: Frühkindliche Bildung und Allgemeinbildende Schulen

Forum Bildung als Integrationsaufgabe

Die Folgen des Geburtenrückgangs werden sichtbar

Cornelia Sylla. Bildungschancen und Migration

Daten zu frühem Schulabbruch auf Basis der Vorgaben der EU in Bezug auf die Benchmark Early School Leaving 1

Bevölkerung mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung in den Bundesländern. Bevölkerung mit MH an der Gesamtbevölkerung 2013

ohne berufsqualifizierenden Bildungsabschluss ohne Schulabschluss 3,8 Bevölkerung 9,2 7,4 10,9 1,6 1,8 1,4 insgesamt Männer Frauen

Kindertageseinrichtungen Insgesamt Genehmigte Plätze Betreute Kinder Betreute Kinder mit Eingliederungshilfe nach SGB XII/ SGB VIII

Befragung der Eltern von Kindern in den 3. und 4. Klassen

I. Zusammenfassende Ergebnisse des Bildungsmonitorings 2012

VIELFALT ALS NORMALITÄT

5. Sächsischer Datensalon: Migration bedingt Integration. Bildung als Basis für Integration von Migrantinnen und Migranten

Bildung und Migration Stillstand oder Veränderung? Dominique Rauch

Schule als Sackgasse? Jugendliche Flüchtlinge an segregierten Schulen. Zentrale Studienergebnisse

Schule und Migration in Österreich. Wie ein veraltetes Schulsystem veränderten gesellschaftlichen Veränderungen hinterherhinkt

Alltag Migration. Ein Kommentar aus der Praxis

Der Vielfalt gerecht werden Interkulturelle Kompetenz in der Schule. Claudia Schanz Nds. Kultusministerium

Sekundarschule Remscheid Bildungsperspektiven ermöglichen

Zweiter Integrationsindikatorenbericht

Mit Lampenfieber zu mehr Gerechtigkeit? Der Ganztag als Ort der Bildung, Förderung und Erziehung

BILDUNGSSITUATION IN BILLSTEDT

Interkulturelle Elternarbeit. Donnerstag, Uhr Uhr Referentin: Julia Fübbeker, HÖB Papenburg

Modul 22: Sozialraum und Gemeinwesen in interkulturellen Handlungsfeldern Seminar: Zwischen Partizipation und Diskriminierung - Migration und

Bildungschancen vor Ort Vorstellung der Caritas-Studie über Jugendliche ohne Schulabschluss

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Auskunft über die Beschäftigung in Baden-Württemberg

Übergangsmonitoring 2016 der Stadt Dortmund

Lesekompetenz bei PISA und IGLU

Wodurch wird sich der Unterricht an einer Gemeinschaftsschule auszeichnen?

Sonntagsgespräch 18. Mai 2008

4. Elternforum OWL Herzlich Willkommen. im Themenforum 3 Bildung für alle

STATISTISCHES LANDESAMT KOMMUNALDATENPROFIL. Stand: 03/2017. Gebietsstand: 1. Januar Bildung. Landkreis Alzey-Worms

ALLGEMEINBILDENDE SCHULEN

Fatma Ceri Die Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund

Freiwilliges Engagement von Personen mit Migrationshintergrund Statement zu Befunden des Deutschen Freiwilligensurveys 2014

Zunehmende Vielfalt in den Schulen Demografischer Wandel und Schulwahlverhalten bedingen Regionale Schulentwicklung Bildungsniveau steigt weiter an

Inklusive Ganztagsgesamtschule Vortrag auf 116. Landesdelegiertenkonferenz der LandesschülerInnenvertretung NRW am 19. Februar 2016 in Dortmund

Kulturdolmetscherinnen und -dolmetscher. Lehrer, Eltern und Schüler

An Berufsbildenden Schulen erworbene Schulabschlüsse nach Schulformen und Kreisen für die Schuljahre 2012/13 bis 2014/15

Sprachliche Initiativen Österreichs für r Zuwanderer und Personen mit Migrationshintergrund

Die Integration jüngerer Zugewanderter durch Bildung und die Kosten ihrer Nicht- Integration von von Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz, Essen

Entwicklungen im Ganztag Impulse aus aktuellen Studien

Erstellung einer Hausarbeit

Bildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund

Qualifikation und Erwerbsbeteiligung von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte

1/5. Junge Menschen mit Migrationshintergrund bleiben häufiger ohne beruflichen Abschluss

Integrationsprofil Kreis Düren. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Integrationsprofil Kreis Borken. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Freiheit versus Gleichheit?

Integrationsprofil Kreis Recklinghausen. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Integrationsprofil Kreis Höxter. Daten zu Zuwanderung und Integration.

Das Regierungs- Baden-Württemberg leben

Integrationsprofil Kreis Wesel. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Sozialberichterstattung NRW. Kurzanalyse 2/ Bildung und Armut

Migration und Bildungswege im deutschen Ausbildungssystem

davon Übergänge auf Stadtkreis Landkreis Region Regierungsbezirk Land Schülerinnen und Schüler in Klassenstufe 4 zum Zeitpunkt der GSE-Vergabe

Integrationsprofil Kreis Minden-Lübbecke. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

MIGRATION UND ARBEITSMARKT

Ergebnisse der Elternbefragung von Grundschülern/-innen der Jahrgangsstufen 1 bis 3 zum Übergang in weiterführende Schulen 2013

Go-In. Go-In-Erstberatungsstelle. Projektskizze: Schulische und sprachliche Integration von neu zugewanderten Kindern & Jugendlichen

Übergänge von Grundschulen in Baden-Württemberg auf weiterführende Schulen seit dem Schuljahr 1995/96 nach Schularten

INFORMATIONSABEND WEITERFÜHRENDE SCHULE. Herzlich willkommen!!! Ablauf Vortrag Zwischenfragen möglich und erwünscht Aussprache, Fragen, Diskussion

Vorstellen der einzelnen Schulformen

Integration durch Bildung

Ausländer und Aussiedler in Bielefeld im Spiegel der amtlichen Statistik

Die bayerische Mittelschule Ausbildung Abschlüsse Anschlüsse

Dr. Reiner Klingholz Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung

ALLGEMEINBILDENDE SCHULEN

Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg

Online-Kompetenz für Migrantinnen und Migranten in Deutschland. 1. Statistisches Bundesamt definiert eine neue Bevölkerungsgruppe

Hessisches Kultusministerium. Mein Kind kommt in die 5. Klasse Informationen zum Übergang in die weiterführende Schule

Integrationsprofil Duisburg. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Integrationsprofil Kreis Kleve. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Integrationsprofil Kreis Recklinghausen. Daten zu Zuwanderung und Integration. Ausgabe

Tag der Mädchen Bevölkerung und Bildungsbeteiligung

Transkript:

Migrationshintergrund vs. Chancenlosigkeit = Kausalzusammenhang? Fachtag: Bildungsgerechtigkeit herstellen aber wie? Heidelberg, 18.11.2008

Frage: Sind SchülerInnen mit Migrationshintergrund dümmer als ihre MitschülerInnen?

WAS BEDEUTET MIGRATIONSHINTERGRUND? Definition Migrationshintergrund (MH) - Alle nach 1949 Zugewanderten - Alle in Deutschland geborenen AusländerInnen - Alle in Deutschland Geborenen mit mind. einem zugewanderten oder als AusländerIn in Deutschland geborenen Elternteil (Mikrozensus 2006) In Baden-Württemberg haben einen Migrationshintergrund: - 25% der Bevölkerung - Ein Drittel der unter 18-Jährigen (Mikrozensus 2006)

LÄSST SICH MEHR SchülerInnenzahlen in Klasse 7 in Baden-Württemberg ohne MH mit MH mit MH 66% der 28,2% der 4,8% Ausländer Aussiedler - Integrierte 2,4% 1,0% 0,7% Schulformen - Gymnasium: 38,8% 13,5% 13,2% - Realschule: 36,5% 25,2% 24,9% - Hauptschule: 22,3% 60,0% 61,2% (Schulstatistik 2007/2008)

LÄSST SICH MEHR SchülerInnenzahlen in Klasse 7 in Baden-Württemberg 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% Hauptschule Realschule Gymnasium Integrierte Schulformen 30% 20% 10% 0% ohne MH mit MH "Ausländer" mit MH "Aussiedler" (Schulstatistik 2007/2008)

Schulabschlüsse der 1. gegenüber der 2. und 3. Generation in der Kategorie Ausländer zwischen 25 und 34 Jahren Deutsche Ausländer Ausländer ohne MH 1. Generation 2. + 3. Generation - (Fach-) Hochschulreife: 41% 31% 22% - Mittlere Reife: 35% 16% 23% - Mit u. ohne Hauptschulabschluss: 23% 53% 54% (Statistisches Landesamt BW: Mikrozensus 2006) Die Pisastudie 2006 belegt, dass sich im Vergleich von 15 westlichen Industriestaaten nur in den Niederlanden, in Deutschland und in Österreich die Kinder und Kindeskinder der Zuwanderer verschlechtern.

Frage: Sind SchülerInnen mit Migrationshintergrund dümmer als ihre MitschülerInnen?

Schnittstellen, die Schlüsselfunktion haben: - der Kindergarten - die Einschulung - die Grundschulempfehlung - der Schultypus - die Schulform - das Umfeld

Der Kindergarten: 2004 gingen im Alter von 4 Jahren 89% der deutschen und 84% der ausländischen Kinder in den Kindergarten. - Personalschlüssel > Wie individuell ist die Betreuung? - Mischverhältnis > Wie hoch ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund? - Öffnungszeiten > Wie lange können die Kinder betreut werden? - Elterliches Engagement > Wie stark engagieren sich die Eltern? - Personal > Wie gut ist das Personal für die Bedürfnisse der Kinder qualifiziert?

Die Einschulung: Von den Eltern mit Migrationshintergrund, die selbst nicht lange die Schule besucht haben, besteht nach wie vor ein großer Aufklärungsbedarf über das Thema wie Schule hier funktioniert. - Sprachkompetenz des Kindes > Beherrscht das Kind Deutsch? Muss es in eine Förderschule, oder gibt es andere Lösungen? - Zusammenarbeit mit der Schule > Was wird von den Eltern erwartet? / Was wird von den LehrerInnen erwartet? - Klassenschlüssel und Mischverhältnis > siehe vorherige Seite - Qualifikation der LehrerInnen > Wie kommt man an Eltern ran, die nicht kommen?

Die Grundschulempfehlung: Kinder im 4. Grundschuljahr erhalten bei gleichem Notenstand nicht immer dieselbe Empfehlung in die weiterführende Schule. Die PISA-Studie 2006 zeigt hier eine eklatante Diskriminierung der Kinder mit Migrationshintergrund gegenüber denjenigen ohne. - Engagement der Eltern > Starkes Kriterium für die Entscheidung bei der Weiterempfehlung der Kinder? - Engagement der Schule > Was tut die Schule, um diese Eltern zu erreichen? - Pädagogik der Schule > Werden integrierende Methoden im Unterricht angewandt? - Deutsches Kind > Was passiert, wenn die Eltern sich nicht engagieren? Ist der Migrationshintergrund ein ungerechtes Vorurteil?

Der Schultypus: Durchschnittlich 60% der Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg besuchen die Hauptschule. Nur etwa 13,5% besuchen das Gymnasium. - Selektives Schulsystem > Segregation durch Dreigliederung: Sag' mir welche Schule Du besuchst und ich sage Dir, wer Du bist. Die Schulform: Die Ganztagsschule gewinnt zunehmend an Bedeutung und an Reputation. - Schule bildungs- statt leistungsorientiert > Wissen und Sozialkompetenz - Kooperation mit Jugendhilfeträgern vor Ort > Öffnung der Schulen - Kinder werden nachmittags pädagogisch betreut > ganzheitliches Lernen

Das Umfeld: Christopher Jencks hat in seinem Buch "Chancengleichheit" zu Bedenken gegeben: "Erfolgreiche Eltern werden versuchen, ihre Vorteile an die Kinder weiter zu geben, erfolglose Eltern können gar nicht anders, als einige ihrer Benachteiligungen zu vererben. Sind 60% der Eltern mit Migrationshintergrund in Deutschland erfolglos? - Bildungsferne Eltern kennen das System nicht > Frühzeitige Informationspolitik durch Behörden, soziale Einrichtungen und Schulen - Zugang zu Eltern schaffen > Vereine und Religionsgemeinschaften von MitbürgerInnen mit Migrationshintergrund existieren in jedem Kreis - Zugang in die Gesellschaft schaffen > Interkulturelle Öffnung von Kindergärten, Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Behörden sowie Städten und Gemeinden

Gesamtschau: - Strukturelle Veränderungen durch Reformierung des Bildungssystems - Gemeinsamen Zugang für alle Beteiligten schaffen, der nicht beim multikulturellen Kalender endet, sondern anfängt - Radikales Umdenken weg von den Vorurteilen: Kopftuch, Gewalt, Macho, Alkohol, Wirtschaftsflüchtling, Desinteresse an eigenen Kindern, u.s.w., hin zu offener Akzeptanz dem Individuum und seinen Eltern gegenüber > Eigene Haltung verändern, Interkulturelle Trainings und Workshops Frage: Sind SchülerInnen mit Migrationshintergrund dümmer als ihre MitschülerInnen?

DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Marlene Seckler M.A., Referentin für Migration