Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit und gewerkschaftliche Anforderungen. Dr. Claudia Weinkopf

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Transkript:

Folien zum Vortrag Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen Kulturwissenschaftliches Institut Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Institut Arbeit und Technik Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit und gewerkschaftliche Anforderungen beim Betriebsräteforum Nordrhein Leiharbeit von der Ausnahme zur regulären Beschäftigungsform am 7. Dezember 2005 In Düsseldorf Dr. Claudia Weinkopf Wissenschaftszentrum NRW

Inhalt Umfang und Strukturen der Leiharbeit Quantitative Entwicklung Entleihbetriebe Leiharbeitskräfte Regulierung und aktuelle Veränderungen Neue Regelungen Equal pay und Tarifverträge Gewerkschaftliche Anforderungen Fazit

Umfang und Strukturen der Leiharbeit Mit einem Anteil von ca. 1,5 % hat Leiharbeit Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor einen eher geringen Stellenwert aber hohe Wachstumsraten in den vergangenen Jahren Anzahl der Leiharbeitskräfte im Juni 2004: 399.789 Beschäftigte Seit 1994 fast verdreifacht gegenüber Anfang der achtziger Jahre fast verachtfacht Extrem hohe Fluktuation: 227% pro Jahr (Gesamtwirtschaft: ca. 30 %)

Zahl der Leiharbeitskräfte in Deutschland (1980 2004) 1980-1990 nur Westdeutschland; 2003 und 2004 inkl. PSA Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Strukturelle Merkmale der Entleihbetriebe Konzentration auf gewerbliche Tätigkeiten im Produzierenden Gewerbe (75%) Dienstleistungstätigkeiten nach wie vor eher selten Inanspruchnahme von Leiharbeit durch Betriebe (mind. 1 Leiharbeitskraft Mitte 2002 - IAB-Untersuchung) Gewerbliche Betriebe: 4,8 % Dienstleistungsunternehmen: 1,5 % Erhebliche Unterschiede nach Betriebsgröße < 50 Beschäftigte: 1,6 % 50-499 Beschäftigte: 16,5 % 500 oder mehr Beschäftigte: 35,7 %

Strukturelle Merkmale von Leiharbeitskräften % Leiharbeit Gesamtwirtschaft Frauen 27,5 % 44,9 % 34 Jahre 52,5 % 36,7 % Status: Nicht-Facharbeiter 46,5 % 17,0 % Tätigkeit: Hilfsarbeiter 26,8 % 1,5 %

Regulierung und die aktuellen Änderungen Arbeitsvertrag Dauer des Verleihs Ausgenommene Branche Bezahlung Frühere Regelung i.d.r. unbefristet Synchronisationsverbot Max. 24 Monate 3 Monate Wartzeit vor erneutem Einsatz Baugewerbe Fast keine Vorgaben Neuregelung 2003/2004 Keine besonderen Restriktionen Fast keine Restriktionen Unter bestimmten Voraussetzungen möglich Equal pay Ausnahme: Tarifvertrag

Neuregelung der Vergütung Fast keine Bestimmungen vor 2003 Ausnahme (seit 2002): equal pay für Leiharbeitskräfte nach 12 Monaten Einsatz im selben Entleihbetrieb Nur wenige Haustarifverträge mit einzelnen Unternehmen Ergebnis: Durchschnittslöhne von Leiharbeitskräften 30-40 % niedriger als in der Gesamtwirtschaft (2002) Nun theoretisch: equal pay und equal treatment als Kompensation für Deregulierung In der Praxis: keine Umsetzung dieser Vorgaben aufgrund des Abschlusses mehrerer Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche

Tarifverträge in der Leiharbeit Abschluss eines ersten Tarifvertrags durch eine kleine christliche Gewerkschaft mit sehr niedrigen Löhnen Hoher Druck auf DGB-Gewerkschaften, ebenfalls Tarifverträge abzuschließen Mit zumindest etwas besseren Bedingungen bezogen auf Sonderzahlungen, Arbeitszeit etc. Tarifliches Lohnniveau jedoch insgesamt eher niedrig vor allem bei unteren Lohngruppen 5,20-6,85 als Einstiegsniveau = 40,8 47,1 % des nationalen Medianlohnes (Niedriglohn = weniger als zwei Drittel des Medians) Nur die oberste Lohngruppe in den DGB-Tarifverträgen liegt über dem nationalen Median

Traditionelle gewerkschaftliche Anforderungen... Bis mindestens Anfang der neunziger Jahre: generelles Verbot von Leiharbeit Hintergrund: Befürchtung, dass reguläre Beschäftigung durch Leiharbeit verdrängt wird Neuere Position: Sozialverträgliche Gestaltung (z.b. bei START-Modellprojekt) - d.h. z.b. Gleiche Löhne wie Stammbeschäftigte der Entleihbetriebe Qualifizierung in verleihfreien Zeiten Verleih mit dem Ziel der Wiedereingliederung in reguläre Beschäftigung betriebliche Interessenvertretung

... und was das für die heutige Situation bedeuten könnte Kooperation mit seriösen Leiharbeitsunternehmen Entlohnung Welcher Tarifvertrag wird angewendet? Welche Lohngruppe wird zugrunde gelegt? Wie groß sind die Unterschiede zu vergleichbaren Stammbeschäftigten im Entleihbetrieb? Wofür wird Leiharbeit im Betrieb eingesetzt? Zur Abdeckung von Ausfallzeiten von Stammbeschäftigten (Urlaub, Krankheit, Elternzeit u.ä.)? Zur Abdeckung von Zeiten hohen Arbeitsanfalls (z.b. saisonale Spitzen)? zur Erprobung neuer Arbeitskräfte? oder mehr oder weniger dauerhaft?

Fazit Leiharbeit gewinnt auf dem deutschen Arbeitsmarkt an Bedeutung das Image hat sich verbessert auch durch den Abschluss von Tarifverträgen tarifliche Entlohnung der Leiharbeitskräfte oft deutlich niedriger als in den Entleihbetrieben ggf. Anreiz zum verstärkten Einsatz von Leiharbeit (Kostensenkung) aus gewerkschaftlicher Sicht ist u.a. zu achten auf die Einsatzmotive (Dauereinsätze problematisch!) die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitskräfte Übernahmechancen