MERKBLATT Recht und Steuern DER AUSGLEICHSANSPRUCH DES HANDELSVERTRETERS Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses besteht häufig ein Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer. An welche Voraussetzungen ist dieser geknüpft? Wann und in welcher Höhe ist dieser geltend zu machen? Dieses Merkblatt gibt dazu einen ersten Überblick. DEFINITION, ABGRENZUNG UND RECHTSGRUNDLAGE: Der Ausgleichsanspruch ist ein zentrales Institut des deutschen Handelsvertreterrechts. Der Handelsvertreter kann soweit nicht bestimmte Ausnahmetatbestände erfüllt sind nach Beendigung des Vertragsverhältnisses von dem Unternehmer, dem er einen von ihm aufgebauten oder intensivierten Kundenstamm hinterlässt, gemäß 89 b des Handelsgesetzbuches (HGB) eine Ausgleichszahlung verlangen. Dies gilt allerdings nicht für Handelsvertreter im Nebenberuf, und nur mit Einschränkungen für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter (hier gibt es branchenspezifische Sonderregelungen). Anders ist die Rechtslage auch bei Vertretungen im Ausland, insbesondere außerhalb der EU und des EWR. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen ausschließlich den hauptberuflichen Warenvertreter, dessen Hauptniederlassung in Deutschland liegt. Ansprechpartner: Anna Klein, Tel: 089 / 5116 1315 Andrea Nützel, Tel. 089 / 5116 1318 E-Mail: anna.klein@muenchen.ihk.de andrea.nuetzel@muenchen.ihk.de Bearbeitet: Januar 2015 IHK-Service: Tel. 089 / 5116-0 Balanstr. 55-59, 81541 München Homepage: www.muenchen.ihk.de
Seite 2 von 9 GESETZLICHE VORAUSSETZUNGEN: Der Handelsvertreter kann vom Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich nach 89 b HGB verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat, und und die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Der Ausgleichsanspruch soll die Unternehmervorteile und die Provisionsverluste des Handelsvertreters ausgleichen, die sich daraus ergeben, dass der Unternehmer voraussichtlich für einige Zeit noch Folgegeschäfte mit Stamm- oder Mehrfachkunden abschließen wird. Stammkunden sind diejenigen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum mehr als nur ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder werden. Voraussetzung 1: Beendigung des Vertragsverhältnisses Die Beendigung des Vertragsverhältnisses ist gleichzeitig Voraussetzung und maßgeblicher Zeitpunkt für das Entstehen des Ausgleichsanspruchs. Beendigungstatbestände sind Kündigung durch den Unternehmer, einverständliche Vertragsaufhebung, Tod (dann Anspruch der Erben) und unter bestimmten Voraussetzungen (siehe Seite 7) auch Eigenkündigung des Handelsvertreters. Auch eine wesentliche Bereichsreduzierung kann als (Teil-) Beendigung ausgleichsbegründend sein. Es empfiehlt sich die Vertragsbeendigung aus Beweisgründen schriftlich vorzunehmen. Voraussetzung 2: Werbung neuer Kunden/ Intensivierung von Altkunden Der Ausgleichsanspruch knüpft an die Geschäftsverbindung mit neuen Kunden an, die der Handelsvertreter geworben hat. Neukunden sind Kunden, die bei Vertragsbeginn für den Unternehmer noch nicht existierten und während der Zusammenarbeit vom Handelsvertreter geworben wurden. Ausgleichspflichtig sind ausdrücklich auch sogenannte intensivierte Altkunden. Altkunden stehen neuen Kunden dann gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit ihnen so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines Neukunden entspricht. In der Regel ist davon auszugehen, wenn sich der Umsatz mit dem Altkunden während der Tätigkeit des Handelsvertreters im Jahresvergleich um 100 % (inflationsbereinigt) gesteigert hat.
Seite 3 von 9 Voraussetzung 3: Erhebliche Unternehmervorteile Dem Unternehmer müssen Geschäftsverbindungen verbleiben, welche die Aussicht auf weitere Abschlüsse (Nachbestellungen) in einem überschaubaren Zeitraum begründen. In Betracht kommen nur Kunden, die der Handelsvertreter neu geworben oder mit denen er eine vorhandene Geschäftsverbindung wesentlich erweitert hat (siehe Voraussetzung 2). Entscheidend ist, dass die Kunden mehr als nur ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben und auch künftig abschließen werden, sogenannte Stamm- oder Mehrfachkunden). Die Aussicht auf weitere Abschlüsse ist aus Sicht des Stichtages (Beendigung des Vertragsverhältnisses) zu bewerten, und zwar anhand der Abschlüsse mit den betreffenden Kunden innerhalb der letzten 12 Monate des Vertragsverhältnisses, wobei bei langlebigen Wirtschaftsgütern, die vom Kunden erst nach mehreren Jahren nachbestellt zu werden pflegen, auch ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden kann. Der Handelsvertreter muss darlegen, welcher Anteil seiner Provisionseinnahmen des letzten Vertragsjahres auf Folgegeschäfte mit von ihm geworbenen Stamm-/Mehrfachkunden entfällt. Dazu muss er vortragen, wann durch seine Vermittlung erstmals ein Vertrag mit dem jeweiligen Kunden zustande gekommen ist und welche Folgegeschäfte der Kunde anschließend getätigt hat. Voraussetzung 4: Billigkeitsprüfung Der Ausgleichsanspruch kann beim Vorliegen besonderer Umstände erhöht, vermindert oder gar ausgeschlossen sein. Gründe für eine Verminderung können zum Beispiel die Sogwirkung des besonderen Bekanntheitsgrades eines Markenartikels, Leistungen des Unternehmers zur Altersversorgung des Handelsvertreters, außergewöhnliche Beiträge des Unternehmers zum Absatz des Vertreters mittels Werbeetat oder Zuschüssen zu den Unkosten, die Ersparnis von Kosten (wenn die Unkosten im Zusammenhang mit der Vertretung besonders hoch waren, also mehr als 50 %), die Möglichkeit der Weiternutzung des Kundenstammes durch den Handelsvertreter bei Übernahme einer Konkurrenzvertretung, aber auch besondere Umstände der Vertragsbeendigung (z.b. grob schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters) sein. Ausgleichserhöhende Faktoren im Rahmen der Billigkeitskontrolle können z.b. sein die langjährige erfolgreiche Tätigkeit des Handelsvertreters und dessen besonders schwierige und aufwendige Bemühung zur Kundengewinnung, unter Umständen auch eine Einstandszahlung bei Übernahme der Vertretung, oder ein besonders vertragswidriges Verhalten des Unternehmers, das zum Auseinandergehen führte. Im Rahmen der Prüfung, ob und in welcher Höhe der Ausgleichsanspruch der Billigkeit entspricht, ist zu berücksichtigen, ob und in welcher Höhe dem Handelsvertreter Provisionen entgehen, die er bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für künftig zustande kommende Geschäfte mit dem neu geworbenen oder intensivierten Kundenkreis erzielt hätte. Bei der Prognose kommt es grundsätzlich auf die Betrachtung des letzten 12- Monats-Zeitraumes der Zusammenarbeit an, wobei die letzten 12 Monate der ungehinder-
Seite 4 von 9 ten Tätigkeit des Handelsvertreters bzw. des typischen Verlaufs der Zusammenarbeit maßgeblich sind. Der Ausgleichsanspruch ist nicht durch die entgangenen Provisionen nach oben begrenzt. Stattdessen kann der Ausgleichsanspruch die aufgrund des Vertragsendes entstehenden Provisionsverluste übersteigen, wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind. Dies wirkt sich unter Umständen für solche Handelsvertreter positiv aus, die Rahmenverträge oder Dauerschuldverhältnisse vermitteln und nach ihrem Provisionssystem nur Einmalprovisionen für die Erstgeschäfte oder für Folgegeschäfte nur weitaus geringere Provisionssätze erhalten. HÖHE DES AUSGLEICHSANSPRUCHS: 1. ROHAUSGLEICH: Für die Ermittlung der Anspruchshöhe ist zunächst der Rohausgleich zu ermitteln. Das ist derjenige rechnerische Betrag, der herauskommt, wenn man die Unternehmervorteile ermittelt hat und die Billigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Provisionsverluste des Handelsvertreters durchgeführt ist. 1.1 Unternehmervorteile Die Unternehmervorteile sind aus Geschäftsverbindungen mit Kunden zu ermitteln, die der Handelsvertreter neu geworben oder mit denen er die Geschäftsbeziehungen intensiviert hat, und die voraussichtlich auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses weiterhin Geschäfte mit dem Unternehmer abschließen werden. Um zu beurteilen, ob die Kunden auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses noch in Geschäftsverbindung stehen werden, ist eine Prognose anzustellen. Wenn schon zum Stichtag bekannt ist, dass Kunden z.b. wegen Insolvenz oder aus anderen Gründen in Zukunft ausfallen, sind sie in die Prognose nicht mit einzubeziehen. Im Standardfall wird davon ausgegangen, dass die dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, die der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet (vgl. BGH Urt. Vom 19.01.2011, VIII ZR 168/09). Zur Ermittlung der Provisionsverluste legt man zunächst die Summe der Provisionen zugrunde, die der Handelsvertreter während der letzten 12 Monate seiner ungehinderten vertraglichen Tätigkeit (sog. Basisjahr ) aus Geschäften mit solchen Kunden verdient hat, die er während des
Seite 5 von 9 Vertragsverhältnisses neu geworben oder aktiviert hat. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass diese Kunden je nach Branche für die Dauer von in der Regel 3 bis 5 Jahren weiter bestellen werden und während dieses Prognosezeitraums in der Regel zwischen 10 % und 30 % der Kunden jährlich verloren gehen ( Abwanderungsquote ) wenn nicht zum Stichtag schon bekannt ist, dass sie in Zukunft ganz ausfallen. Es kann im Einzelfall aber auch eine andere Abwanderungsquote anzusetzen sein. 1.2 Billigkeitsgesichtspunkte In einem zweiten Schritt sind nun Billigkeitsgesichtspunkte (Beispiele in Voraussetzung 4 auf Seite 3) zu berücksichtigen, deren Vorliegen in der Regel zu einem prozentualen Abschlag von der Forderung führt. Dabei spielen insbesondere die zu erwartenden Provisionsverluste eine Rolle, begrenzen die Summe der prognostizierten Unternehmervorteile im Gegensatz zur früheren Rechtslage- aber nicht. Welche Billigkeitsaspekte zu einer Kürzung oder gar zum Entfallen des Ausgleichsanspruchs führen können, ist eine Frage des Einzelfalles und lässt sich nicht abschließend und schematisch darstellen. Der nach der Billigkeitsüberprüfung verbleibende Ausgleichsbetrag ist abzuzinsen, da dem Handelsvertreter mit dem Ausgleich eine Zahlung sofort zufließt, die er ohne Beendigung des Vertragsverhältnisses in Form von Provisionsverdiensten erst über einen längeren Zeitraum verteilt erzielt hätte. Die Abzinsung kann nach pauschalen Prozentsätzen oder nach mathematischen Grundsätzen erfolgen. Mit dem abgezinsten Ausgleichsbetrag hat man den Rohausgleich ermittelt. 2. OBERGRENZE: In einer weiteren Stufe ist die Obergrenze zu ermitteln. Das Gesetz sieht in 89 b Absatz 2 HGB vor, dass der Ausgleichsbetrag nicht höher sein darf als eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung, wobei bei kürzerer Zusammenarbeit der Durchschnitt während der Dauer der tatsächlichen Tätigkeit maßgebend ist. Zur Feststellung dieser Obergrenze sind alle Vergütungen mit Ausnahme von Aufwendungsersatzzahlungen hoch zu addieren. Dazu gehören also auch alle Verwaltungsprovisionen und Provisionen aus Geschäften mit Alt- und Bezirkskunden. Aus diesen Vergütungen ist dann der Jahresdurchschnitt zu errechnen. Damit kann nun der Ausgleichsanspruch endgültig beziffert werden. Liegt der Rohausgleich unter der Obergrenze, bleibt es beim Rohausgleichsbetrag. Ist wie in der Regel-
Seite 6 von 9 die Obergrenze niedriger als der Rohausgleich, so besteht eine Ausgleichsforderung in Höhe der Obergrenze. Beispielsrechnung für Ausgleichsanspruch: 1. Rohausgleich: Bei einer zu berücksichtigenden Provision in den letzten 12 Monaten der ungehinderten vertraglichen Zusammenarbeit (Vertriebsgegenstand ist ein bekannter Markenartikel) in Höhe von 60.000,-, einem Prognosezeitraum von 4 Jahren, einer jährlichen Abwanderungsquote von 20 % und einer Abzinsung von 5 % ergibt sich Folgendes: Basisjahr 60.000,- Provisionen 1. Prognosejahr 60.000,-./. 20 % = 48.000,- 2. Prognosejahr 48.000,-./. 20 % = 38.400,- 3. Prognosejahr 38.400,-./. 20 % = 30.720,- 4. Prognosejahr 30.720,-./. 20 % = 24.576,- Summe 141.696,- hiervon Billigkeitsabzug z.b. von 25 % wegen Sogwirkung der Marke, verbleiben 106.272.- Abzinsung 5 % (DATEV-Kapitalabzinsungstabelle Faktor 0,823) 87.462,- = Rohausgleich 2. Obergrenze: Der Handelsvertreter hatte in den letzten fünf Vertragsjahren (Vertragsende 31.10.2008) mit dem Unternehmen folgende Gesamtprovisionszahlungen aus dem Geschäft mit Alt- und Neukunden erzielt: Zeitraum 01.11.2007 bis 31.10.2008: 50.000,- Zeitraum 01.11.2008 bis 31.10.2009: 60.000,- Zeitraum 01.11.2009 bis 31.10.2010: 65.000,- Zeitraum 01.11.2010 bis 31.10.2011: 75.000,- Zeitraum 01.11.2011 bis 31.10.2012: 60.000,- Summe daraus 310.000,- Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Jahresprovision in Höhe von 62.000,-
Seite 7 von 9 Da dieser Betrag niedriger ist als der oben ermittelte Rohausgleich, besteht ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Obergrenze von 62.000. Bitte verstehen Sie dieses Beispiel nur als einen Versuch, die Berechnung schematisch darzustellen. In der Praxis ist eine Berechnung des Ausgleichsanspruchs häufig mit Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen verbunden. Wir empfehlen die Beratung durch einen Rechtsanwalt. Möglicherweise eignet sich auch ein Mediationsverfahren zur Einigung über die Höhe des Ausgleichsanspruchs. Vgl. Sie hierzu unsere Informationen unter www.muenchen.ihk.de - Rubrik Recht & Steuern Mediation/ Schiedsgericht. ENTFALLEN DES AUSGLEICHSANSPRUCHS: Ein Ausgleichsanspruch besteht nicht ( 89 b Absatz 3 HGB), wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis selbst gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gab oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen Krankheit oder Alters (beispielsweise mit Erreichen des Pensionsalters) nicht zugemutet werden kann. Ebenso wenig besteht der Anspruch, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis ordentlich oder außerordentlich gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag. Wer ausdrücklich nur als Handelsvertreter im Nebenberuf beauftragt ist hat ebenfalls keinen Ausgleichsanspruch ( 92 b HGB). Ein Anspruch besteht auch dann nicht, wenn aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter, die nach Vertragsende getroffen wurde, ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt. ZWINGENDES RECHT: Der Ausgleichsanspruch kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden, er ist unabdingbar ( 89 b Absatz 4 S. 1 HGB). Teilweise wird versucht, die gesetzlichen Verpflichtungen durch Vertragsklauseln zu umgehen, wie beispielsweise die Vereinbarung der Zahlung eines Einstands für die Übernahme der Handelsvertretung oder die Klausel, dass in der vereinbarten Provision ein angeblicher Zuschlag von x % enthalten ist, der über die branchenüblichen Provisionssätze hinaus gewährt wird, oder auch die Fiktion, dass ein Teil der laufenden Provisionszahlungen als Darlehen an den Handelsvertreter gewährt wird, das mit einem späteren Ausgleichsanspruch zu verrechnen ist. Diese Versuche scheitern in aller Regel, da solche
Seite 8 von 9 Umgehungen unwirksam sind, soweit nicht ein ernsthafter wirtschaftlicher Hintergrund vorhanden ist. AUSSCHLUSSFRIST UND VERJÄHRUNG: Der Ausgleichsanspruch ist vom Handelsvertreter innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist ist ein Anspruch ausgeschlossen ( 89 b Absatz 4 S. 2 HGB). Formlose Geltendmachung auch ohne genaue Bezifferung genügt, muss aber im Streitfall nachweisbar sein. Für die Klageerhebung gilt, soweit nichts anderes vertraglich vereinbart wurde, eine Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Handelsvertreter von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (i.d.r. bei Ende des Vertragsverhältnisses). Der Anspruch kann zwischen Geltendmachung und Verjährung verwirken, wenn er lange Zeit nicht weiter verfolgt wird und weitere Umstände hinzutreten. TIPPS: Für den Unternehmer: Es empfiehlt sich, eine Software vorzuhalten, die es ermöglicht, auf alle Fragen betreffend die Provision sämtlicher beschäftigter Handelsvertreter und Bezirke Auskunft zu erteilen, und zwar nach Gruppen (Arten der Provisionen), Kunden (sowohl einzeln als auch nach Kategorien als auch in der Gesamtheit) und Zeiträumen (beliebig verschiebbare Monats-, Jahres- und 5-Jahres-Zeiträume). Diese ist nicht nur bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs, sondern auch im Rahmen der Erstellung eines Buchauszuges etc. mehr als hilfreich. Nach dem Urteil des EuGH werden künftig wohl auch die auf die Tätigkeit des jeweiligen Handelsvertreters bezogenen Unternehmervorteile erfasst werden müssen, z.b. in Form des im Gebiet des Vertreters mit dessen ausgleichspflichtigen Kunden erwirtschafteten Deckungsbeitrages. Für den Handelsvertreter: Zeichnet sich die Notwendigkeit einer Eigenkündigung aus Krankheitsgründen ab, sollten nach dem Auftreten der Erkrankung ärztliche Atteste, die sich insbesondere auch auf die Zumutbarkeit der Fortführung der konkreten Handelsvertretertätigkeit beziehen, eingeholt und aufbewahrt werden. Werden Erkrankung und Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit nachher im Prozess bestritten, ist der Gesundheitszustand anderenfalls rückwirkend nur sehr schwer nachzuweisen.
Seite 9 von 9 Bei Zahlung einer Ablöse an seinen Vorgänger sollte sich der Handelsvertreter vom Unternehmen vertraglich festschreiben lassen, dass die Altkunden, für die er den Einstand gezahlt hat, im Fall der Beendigung seines eigenen Vertrages ausgleichsrechtlich als neu geworben gelten. Vorsicht bei Auszahlung des Ausgleichs in Raten. Möglicherweise können dadurch Tarifvergünstigungen bei der Einkommensbesteuerung des Ausgleichs entfallen. Bitte holen Sie sich hierzu den Rat eines Steuerberaters ein. Für beide Vertragspartner: Wir empfehlen, zum Beginn der Tätigkeit ein Altkundenverzeichnis mit den aktuellen Jahresumsätzen der vorhandenen Kunden anzufertigen, um damit bereits im Vorfeld einen späteren Streit und Beweisschwierigkeiten bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs bestmöglich zu minimieren. Alternative/Außergerichtliche Konfliktlösung: Neben der gerichtlichen spielt die außergerichtliche Konfliktlösung (ADR) eine zunehmende Rolle im Wirtschaftsverkehr, da hier in relativ kurzer Zeit mit geringem Kapitaleinsatz Lösungen gefunden werden können. Da das erklärte Ziel der ADR im Konsens der Parteien liegt, kann auch nach Abschluss des Verfahrens die Geschäftsbeziehung erhalten bleiben. Als mögliche zeit- und kostensparende Alternativen zum Gerichtsverfahren kommen die Wirtschaftsmediation, die Anrufung eines Schiedsgerichts oder die Beauftragung eines Schiedsgutachters in Betracht. Die IHK empfiehlt bereits bei Vertragsschluss eine entsprechende Mediations- oder Schiedsgerichtsklausel zu vereinbaren. Mustertexte hält das Mediationszentrum für Sie bereit. Ausführliche Informationen finden Sie unter https://www.muenchen.ihk.de/de/recht/aussergerichtliche-konfliktloesung-adr/. Hinweis: Die Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK München für Ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es kann eine anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. (Teilweise Abdruck mit freundlicher Genehmigung der IHK Schwaben und des Verfassers, Herrn Rechtsanwalt Dr. Friedhelm Lemor, Augsburg. Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verfassers.)