Vorlesung Gesellschaftsrecht



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Transkript:

Vorlesung Gesellschaftsrecht Übung Einheit 11: Rechtliche Probleme bei wirtschaftlicher Krise der GmbH

Vorüberlegungen (1) Das Wesen der GmbH zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sich die Haftung auf das Vermögen der GmbH beschränkt und die Gesellschafter in der Regel nicht für die Gesellschaft haften. Vor diesem Hintergrund ist die Erhaltung des Kapitals der Gesellschaft von außerordentlicher Bedeutung. 2

Vorüberlegungen (2) 30 GmbHG (1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. (2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluss nach 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen. 3

Vorüberlegungen (3) 31 (1) Zahlungen, welche den Vorschriften des 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden.(2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt. 4

Vorüberlegungen (4) (4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden.(5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung.(6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung. 5

Vorüberlegung (5) Der Geschäftsführer einer GmbH haftet grundsätzlich auch nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Er hat jedoch gemäß 43 GmbH die Geschäfte ordentlich zu führen. Anderenfalls haftet er gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz.Gegenüber Gesellschaftsgläubigern haftet er für die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten. Hier kommt insbesondere Haftung in folgenden Fällen in Betracht: - Verletzung der Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals gem. 30 GmbHG - Bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht gemäß 64 Abs. 1 GmbHG 6

Vorüberlegungen (6) - aus den 823 Abs. 2 BGB, 283 StGB - bei Verletzung steuerlicher Pflichten - Bei Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen 7

Sachverhalt (Fall 1) Die ABC-GmbH - Gesellschafter A, B und C - wird geführt von dem Geschäftsführer D. Die Geschäfte laufen schon eine Weile nicht gut. Bereits im vergangenen Jahr wurde eine Unterbilanz von EUR 100.000 festgestellt. Verbindlichkeiten können bei Fälligkeit nicht bedient werden. Eine Besserung ist nicht in Sicht; Banken gewähren keine Kredite mehr. Zum Firmenvermögen gehört ein Firmenwagen mit einem Verkehrswert von EUR 50.000,00. A möchte den Wagen für sich und überredet den Geschäftsführer D ihm den Firmenwagen für EUR 10.000,00 zu verkaufen, da ohnehin ungewiß sei, wie lange es die Firma noch gebe. Ein halbes Jahr nach diesem Geschäft beantragt D die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ABC-GmbH. Das Verfahren wird eröffnet. 8

Fallfragen 1. Der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter verlangt von A Rückzahlung von EUR 40.000,00. Zu Recht? 2. Könnte A gegen den Zahlungsanspruch der GmbH aufrechnen mit Ansprüchen, die ihm gegen die Gesellschaft zustehen? 3. Welche Ansprüche kann die ABC-GmbH durch den Insolvenzverwalter gegen D geltend machen? 9

Lösung (Fall 1) 1. Fallfrage: Anspruch auf Zahlung von EUR 40.000,00? Anspruchsgrundlage? 80 Abs. 1 InsO ivm 31 Abs. 1, 30 Abs.1 GmbHG Voraussetzungen? - Auszahlung an Gesellschafter A von EUR 40.000,00? Nein, hier ist kein Geld, sondern ein Fahrzeug, also Sachwert, aus der GmbH an den Gesellschafter A übertragen worden. Aber: 30 I GmbHG hat den Zweck, das Stammkapital zu sichern und zu erhalten. Es kann also nicht darauf ankommen, ob Geldmittel oder Sachwerte aus dem Vermögen der Gesellschaft übertragen werden. Auszahlung ist daher weit auszulegen. 10

Lösung (Fall 1) - keine angemessene Gegenleistung des A? A hat EUR 10.000,00 an die Gesellschaft gezahlt. Ein Verstoß gegen 30 I GmbHG würde dann nicht vorliegen, wenn A eine angemessene Gegenleistung an die Gesellschaft erbracht hätte. Maßgebend: Hätte die Gesellschaft auch mit einem Dritten ein derartiges Geschäft getätigt? Hier (-). Verkehrswert des Pkw EUR 50.000,00, Kaufpreis EUR 10.000= zu krasses Missverhältnis! Zwischenergebnis: Auszahlung isv 30 Abs. 1 GmbHG (verdeckte Gewinnausschüttung) (+) 11

Lösung (Fall 1) - Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen beeinträchtigt? Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn die Auszahlung zu einer Unterbilanz der Gesellschaft geführt oder eine bereits bestehende Unterbilanz weiter verschärft hat. Hier: Es bestand vor der Veräußerung des Firmenwagens an A bereits Unterbilanz, diese wurde durch Auszahlung verschärft. - Ausschluss nach 31 II GmbHG? (-) A war bösgläubig. Rechtsfolge? Zahlungen sind der Gesellschaft zu erstatten. Anspruch geht auf Wiederherstellung der Vermögenslage, wie sie vor verbotener Auszahlung bestand. Geschuldet ist Beseitigung der durch die verbotene Auszahlung herbeigeführte oder verschärfte Unterbilanz. Ergebnis: A kann auch den PKW zurückgeben; ist ihm dies nicht mehr möglich, hat er die Unterbilanz in Geld auszugleichen. 12

Lösung (Fall 1) 2. Fallfrage: Kann A aufrechnen? Nein, Aufrechnung unzulässig, Rechtsgedanke aus 19 Abs. 2 GmbHG. Eine Aufrechnung würde dem Zweck der 30,31 GmbHG zuwiderlaufen. 13

Lösung (Fall 1) 3. Fallfrage: Ansprüche der GmbH gegen D? Der Insolvenzverwalter könnte gemäß 80 I InsO ivm 43 II, III GmbHG Schadensersatz von D verlangen. D hat als Geschäftsführer entgegen 30 GmbHG das Fahrzeug an A veräußert und ist der Gesellschaft daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens (EUR 40.000,00) verpflichtet. 14

Sachverhalt (Fall 2) Ergänzung des Fall 1: Der D hat nicht nur an A das Fahrzeug veräußert. Auf einem anderen, nicht im Soll befindlichen Konto der Gesellschaft geht eine Vergütungszahlung eines Kunden von 50.000,00 ein. Diese überweist D an einen befreundeten Lieferanten, der längst überfällige Forderungen gegen die Gesellschaft hat. Im letzten Monat wurden Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer nicht bezahlt. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge wurden schon seit drei Monaten nicht gezahlt. Einen eingehenden Kundenscheck über 40.000,00 reicht D bei der Hausbank zur Einlösung auf dem Geschäftskonto ein. Einige Tage später bestellt D bei Lieferant L Material zum Preis von 20.000,00 gegen Rechnung. Das Material wird geliefert. Zwei Tage später meldet D Insolvenz an. Welche Ansprüche bestehen gegen D? 15

Lösung (Fall 2) Übersicht Gläubiger Arbeitnehmer Lieferant L Finanzamt D Sozialversicherungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) 16

Lösung (Fall 2) Grundsätze Ersatzansprüche gegen GmbH-Geschäftsführer Innenverhältnis GF schuldet der GmbH SE Außenverhältnis Vertragliche Ansprüche Bsp. 280 BGB ausgeschlossen Deliktische Ansprüche Bsp. 823, 826 BGB möglich und insbesondere im Insolvenzfall relevant 17

Arbeitnehmer Finanzamt Lösung (Fall 2) Ansprüche Arbeitnehmer Rechtliche Beziehung der Arbeitnehmer Zur GmbH? o Arbeitsvertrag o Anspruch auf Gehaltszahlung Zum Geschäftsführer D? o Kein Vertrag mit D, der die GmbH vertreten hat o Deliktische Ansprüche? o 823 BGB? Kein Rechtsgut (Eigentum o.ä.) der AN betroffen o 826 BGB? Bloße Nichtzahlung ist keine sittenwidrige Schädigung Ergebnis: Keine Ansprüche der AN gegen D D Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Lieferant L Sozialversiche rungsträger 18

Arbeitnehmer Lösung (Fall 2) Ansprüche Lieferant L Finanzamt Grundsätzlich nur Anspruch gegen GmbH auf Zahlung Lieferant L D Sozialversiche rungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Haftung des Geschäftsführers Verletzung eines Schutzgesetzes, 823 Abs. 2 BGB Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, 826 BGB 19

Arbeitnehmer Lösung (Fall 2) Ansprüche Lieferant L Finanzamt Schutzgesetzverletzung, 823 Abs. 2 BGB Lieferant L D Sozialversiche rungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Betrug, 263 Strafgesetzbuch o Möglicherweise vorsätzliche Täuschung des L durch D, wenn dieser wusste, dass die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, aber trotzdem Ware bestellt o Enge zeitliche Nähe zwischen Bestellung und Insolvenzantrag spricht dafür Insolvenzverschleppung, 15a Abs. 1 InsO o Verpflichtung des Geschäftsführers, bei Zahlungsunfähigkeit unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen; strafbar gemäß 15a Abs. 4 InsO o Hier nicht geschehen Grundsätzlich: D schuldet Schadensersatz 20

Arbeitnehmer Lösung (Fall 2) Ansprüche Lieferant L Finanzamt Nachweis der Kausalität des Schadens bei Insolvenzverschleppung Lieferant L D Sozialversiche rungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Schwierig, wenn Auftrag vor Insolvenzreife (drohende Zahlungsunfähigkeit) erteilt wurde: es müsste bewiesen werden, dass wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung sich die eigene Insolvenzquote verringert hat. Typisches Beispiel für solche Altgläubiger : Arbeitnehmer In der Regel anzunehmen, wenn Auftrag nach Insolvenzreife erteilt wurde (sog. Neugläubiger): hätte Lieferant von der Zahlungsunfähigkeit gewusst, hätte er die Leistung gar nicht mehr erbracht! 21

Arbeitnehmer Finanzamt Lösung (Fall 2) Anspr. Sozialversicherungsträger Lieferant L D Sozialversich erungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Schutzgesetzverletzung, 823 Abs. 2 BGB Insolvenzverschleppung, 15a InsO? (-) weil Altgläubiger 266a Strafgesetzbuch Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. o Dieser Pflicht ist D nicht nachgekommen und haftet deshalb nach 823 Abs. 2 BGB i.v.m. 266a StGB 22

Lösung (Fall 2) Ansprüche Finanzamt Arbeitnehmer Finanzamt Lieferant L D Sozialversiche rungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) 34, 69 Abgabenordnung 34 Abgabenordnung: Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter (1) 1Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. 2Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. 69 Abgabenordnung: Haftung der Vertreter Die in den 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ( 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. 23

Arbeitnehmer Finanzamt Lösung (Fall 2) Ansprüche Insolvenzverwalter Lieferant L D Sozialversiche rungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Anspruchsinhalt: Rückzahlung der an den befreundeten Lieferanten geleisteten Zahlungen an die Gesellschaft Anspruchsgrundlage: 64 S. 1 GmbHG Hintergrund: Einzelne Gläubiger sollen nicht bevorzugt werden; Haftungskapital muss allen zur Verfügung stehen Zum Zeitpunkt der Zahlung war die Gesellschaft zahlungsunfähig Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 50.000 gegeben. Ausnahme z.b. bei Bargeschäften, wenn Gesellschaftsvermögen durch ein Geschäft nicht verringert wird 24

Arbeitnehmer Finanzamt Lösung (Fall 2) Ansprüche Insolvenzverwalter Lieferant L D Sozialversiche rungsträger Insolvenzverwalter (ABC-GmbH) Anspruchsinhalt: Zahlung von 40.000 Anspruchsgrundlage: 64 S. 1 GmbHG Einlösung des Schecks als Zahlung im Sinne von 64 S. 1 GmbHG? Überlegung: Durch Gutschrift auf dem debitorischen Konto, dessen Kreditlinie überschritten ist, wird nur die Bank befriedigt Betrag steht den übrigen Gläubigern nicht mehr zur Verfügung Ersatzpflicht nach 64 S. 1 GmbHG 25