Prof. em. Dr. rer. pol. Norbert Konegen downloads: www.p8-management.de/universitaet konegen@uni-muenster.de Europäische Geldpolitik auf dem Prüfstand: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen Outright Monetary Transactions (OMT-Programm) vom Juni 2015: Chancen und Risiken für das Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Zum Widerstreit vom Primat der Politik (Zeit kaufen) und ökonomischer Ratio in der Euro-Zone (funktionsfähiger Ordnungsrahmen)
Agenda / Lerneinheiten I. Einführung II. Sozio-ökonomische Fehlentscheidungen in den Krisenländern ein Rückblick III. Rettungspolitiken im Verlauf der Eurokrise eine Übersicht IV. Die Europäische Zentralbank im Grenzbereich von Geld- und Finanzpolitik eine Bestandsaufnahme V. Das Bundesverfassungsgericht und die verfassungsrechtliche Position Deutschlands im Rahmen der EU-Verträge VI. Die aktuellen Grundsatzurteile des EuGH und des BVerfG VII. Der Fall Griechenland und die Stabilität der Währungsunion Wichtiger Anhang für Klausurteilnehmer 2.2.2015, Chard 30! Quelle: konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 2
Agenda / Lerneinheiten 1. Griechenland im Euroraum ökonomische Basisdaten 2. Die bisherigen Rettungsprogramme a) Die Hilfsprogramme I + II b) Die Schuldenschnitte I + II (verdeckt) c) Der Überbrückungskredit d) Das Hilfsprogramm III 3. Aktuelle Schuldenstände Griechenlands ohne Hilfspaket III von 86 Mrd. 4. Haftungsstruktur ohne Hilfsprogramm III von 86 Mrd. 5. Stabilitätsgrundlagen einer Währungsunion 6. Literaturhinweise Quelle: konegen, ifpol uni münster WS 15/16 3
1. Griechenland im Euroraum ökonomische Basisdaten 1) Real zum Vorquartal. 2) saisonbereinigt. 4) Harmonisierter Verbraucherpreisindex. Zum Vorjahresmonat. 6) Harmonisierte Basis, in % der Erwerbspersonen Quelle: FAZ 1.12.20115 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 4
noch 1... Wahlergebnisse. Syriza (145 Sitze) + ANEL (10 Sitze) von 300 Sitzen 9/2015 Quelle: FAZ 22.9.15 konegen, ifpol uni münster WS 15/16 5
a) Die Hilfsprogramme I + II All das, was das Land in die Krise geführt habe, müsse geändert werden (griech. Ministerpräsident). Griechische Übel als Teile der politischen Kultur des Landes. Systematische Steuerhinterziehung, Aufgeblähte, ineffiziente Verwaltung, Korruption + Klientelismus in der Politik. Die Antwort der Gläubiger darf aus den bisherigen Erfahrungen in ihrer Glaubwürdigkeit bezweifelt werden (Pyrrussiege für alle?): Hilfsprogramme nur gegen konditionierte Reformauflagen Quelle: konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 6
a) Die Hilfsprogramme I + II Quelle: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/rettungspakete-101.html Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 7
b) Die Schuldenschnitte I + II (verdeckt) Schuldenschnitt I 3/2012: freiwilliger Verzicht seiner damals noch überwiegend privaten Gläubiger, griechische Staatsanleihen im Nominalwert von ca. 200 Mrd. wurden in neue Titel getauscht, griechische + viele europäische Banken sowie die staatliche KfW verzichteten auf 53,5% des Nennwertes ihrer Forderungen, sie erhielten neue, garantierte Anleihen mit längerer Laufzeit + einer niedrigeren Verzinsung von 3,65%. Nominale Schuld Griechenlands sinkt um 105 Mrd.. Schuldenschnitt II 11/2012 (verdeckt) durch Euro- Finanzminister: Kreditfinanzierter Schuldenrückkauf aus EFSF, Quelle: P-Plickert, FAZ 26.1.15 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 8
Schuldenschnitt II verdeckt Senkung der Zinsen für Hilfskredite + Streckung ihrer Laufzeiten um 15 auf 30 Jahre, letzte Rückzahlungen an die europäischen Kreditgeber werden 2044 fällig, Zinsen sinken auf Euribor-Zinssatz plus 0,5%. Reale Verluste für europäische Steuerzahler: K. Regling, Chef des EFSF: EFSF verzichtet durch Zinssenkungen + Laufzeitverlängerungen auf 40% seiner Forderungen s. d. Barwert: Heutiger Wert zukünftiger Zahlungen unter Annahme bestimmter Laufzeiten + Verzinsung). Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster 9
c) Der Überbrückungskredit 7/2015 einigten sich Eurostaaten mit Griechenland auf Verhandlungen über ein 3. Hilfsprogramm. Bis zum Inkrafttreten des Programms hat Athen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem IWF + der EZB, die mit dem Überbrückungskredit abgelöst werden sollen. 7/2015: Athen erhält 7,16 Mrd. aus dem EFSM (finanziert aus EU-Haushalt + damit allen 28 Mitgliedstaaten), rückzahlbar spätestens nach 3 Monaten. Neue Regeln für den EFSM eingeführt: Tritt der Haftungsfall ein, trifft er nur die Euro-Staaten d.h. für Deutschland 1,6 Mrd.. Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster 10
) p g p Stabilisierungs-Mechanismus (ESM). Stimmen die Voraussetzungen? Quelle: FAZ 9.7.15 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 11
d) Das Hilfsprogramm III von 86 Mrd. finanziert aus dem ESM Die Vorgaben: Milliardenhilfen Athen erhält für die nächsten 3 Jahre max. 86 Mrd.. Summe könnte sich verringern, wenn sich der IWF beteiligt. Berücksichtigt: bis 2018 Haushaltsprimärüberschuss (?) (Überschuss vor Zinszahlungen) von 2 Mrd. ; Einnahmen aus Privatisierung von Staatsvermögen (?) von 6,2Mrd. Damit Finanzierungsmöglichkeiten bis zu 94 Mrd.. Wohin fließt das Geld? 8/2015: 13 Mrd. für Staatshaushalt 11/2015: 10 Mrd. an Griechenlands Bankenrettungsfonds für Rekapitalisierung der Banken (FAZ 26.11.15) 11/2015: 2 Mrd. für Staatshaushalt (FAZ 23.11.15) G. darf unangenehme Reformen verschieben (FAZ 28.11.15) Quelle: H. Kafsack, FAZ 19.8.15 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 12
Quelle: FAZ 17.7.15 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 13
Hilfsprogramm III die Vorgaben Haushaltsziele Erst 2016 Primärüberschuss von 0,5 des BIP; 2017 auf 1,75% des BIP; 2018 auf 3,5 des BIP. Rolle des IWF Zunächst keine Beteiligung. Entscheidung im Herbst nach Prüfung der Institutionen + damit Frage der Schuldentragfähigkeit. Mögliche Beteiligung mit 16 Mrd.. Schuldentragfähigkeit Tragbar, wenn Schuldenstand bis 2020 112% des BIP. Erwartet werden 175% des BIP. Schuldenschnitt: Erscheint unumgänglich. Bundesregierung lehnt klassischen Schuldenschnitt aus innenpolitischen Gründen ab. Quelle:a.a.O. konegen, ifpol uni münster 14
Hilfsprogramm III die Vorgaben Im Gespräch: Laufzeiten von 60 Jahren + zinslose Kredite für 10 Jahre. Faktisch ein klassischer Schuldenschnitt: Barwert (heutiger Wert zukünftiger Zahlungen unter Annahme bestimmter Laufzeiten + Verzinsung) von z.z. ausstehenden Hilfskrediten von 184 Mrd. beträgt je nach Laufzeiten + Verzinsung im Extremfall 30 Mrd. (IfW Kiel FAZ 18.9.15) Privatisierungen Verpflichtung Athens: Errichtung eines Fonds zur Privatisierung von Staatsvermögen. Im Laufe kommender Jahre bis zu 50 Mrd. erzielen!! In jedem Fall 25 Mrd. aus Einnahmen für Rückzahlung zur Ablösung der für die Bankenrekapitalisierung gewährten Kredite reserviert. Darüber hinaus gehende Einnahmen sollen jeweils zur Hälfte für Tilgung von Staatsschulden + Investitionen in Griechenland fließen. Festschreibung konkreter Privatisierungsprojekte durch Euro- Finanzminister (u.a. der Betrieb von 14 Flughäfen durch Fraport. Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 15
Hilfsprogramm III die Vorgaben Strukturreformen im Gegenzug für Hilfen U.a. Renteneintrittsalter für alle Rentner auf 67 Jahre, Höhe der Renten senken, effektive Steuereintreibung, Strafen für Nichtausstellung oder falsche Ausstellungen von Quittungen (wg. MWST), bis 2017 alle Immobilien in Grundbüchern erfasst. Zwangsversteigerungen von Immobilien, deren Hypotheken nicht bezahlt wurden Investitionspaket Von Juncker + Schäuble beworbenes 35-Mrd.-Paket nicht Teil des Beschlusses. Vielmehr handelt es sich um Gelder für die Jahre 2014-2020 aus dem EU Struktur- und Agrarfonds, von denen Athen schon einen beträchtlichen Anteil erhalten hat. Kein einziges fundamentales Problem des Landes ist auch nur ansatzweise gelöst (FAZ 17.12.2015) Quelle: a.a.o. konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 16
noch Kernpunkte der Konditionen vom 9.7.2015 Quelle: Stuttg. Zeitung 14.7.15 konegen, ifpol uni münster WS 15/16 17
3. Aktuelle Schuldenstände Griechenlands ohne Hilfspaket III (86 Mrd. ) Quelle: FAZ 11.7.15 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 18
4. Haftungsstruktur ohne Hilfsprogramm III von 86 Mrd. T-Bills = kurzfristige Rückkaufvereinbarungen Quelle: FAZ 3.7.15 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 19
5. Stabilitätsgrundlagen einer Währungsunion Ziele der EWU: Förderung der wirtschaftlichen Stabilität, des Wachstums + der Integration der Mitgliedstaaten. Die wirtschaftlichen Vorteile eines tiefer integrierten Güter- und Finanzmarkts, die den Wettbewerb bei niedrigen Transaktionskosten ohne Wechselkursrisiko fördern bedingen dass die Mitgliedstaaten ihre eigene Geldpolitik aufgeben. D.h. Verzicht auf einen Anpassungsmechanismus (Abwertung) + damit Ausschluss zur Gewinnung preislicher Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus eingeschränkte Möglichkeiten Schuldenlasten durch Inflation zu reduzieren. Herstellung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit + Schuldentragfähigkeit durch Anpassung von Löhnen + Preisen (interne Abwertung). Je regider Güter- und Faktormärkten um so länger dauert interne Abwertung verbunden mit erschwertem Abbau der Arbeitslosigkeit. Quelle:SVR 7/2015: 7ff. konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 20
Stabilitätsgrundlagen Ohne nationale Geldpolitik konzentriert sich die wirtschaftspolitische Steuerungsfähigkeit auf nationaler Ebene besonders auf die Finanzpolitik. Liegen Haftung + Kontrolle dabei nicht in einer Hand entstehen Fehlanreize (Moral Hazard), wenn auf europäischer Ebene gemeinschaftliche Haftung für die Fiskalpolitik einzelner Mitgliedstaaten übernommen wird. Bedingung für die Stabilität eines gemeinsamen Währungsraums: In einer politischen Union treten die Mitglieder die Souveränität über ihre Fiskalpolitik an die Gemeinschaft ab. Im Gegenzug haftet die Gemeinschaft für die gemeinsame Staatsverschuldung. Aktuell: Fiskalische Hoheit + Haftung verbleiben auf nationaler Ebene. Bedingung: Glaubwürdiger Ausschluss einer Haftungsverlagerung auf andere Mitgliedsstaaten (Nicht-Beistandsklausel Art. 125 AEUV) - als Voraussetzung für Disziplinierungsfunktion der Finanzmärkte: höhere Risikoprämien auf Staatsanleihen fordern fiskalische Disziplin der Mitglieder ein. Quelle: a.a.o.:7 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 21
Stabilitätsgrundlagen Prinzip fiskalischer Souveränität der Nationalstaaten (keine politische Union!) ist Vertragsgrundlage (Maastricht 2/1992). Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) sollte Nicht-Beistandsklausel wirksam in fiskalpolitischen Entscheidungen verankern: Sanktionsmechanismen kaum realisiert. 1999 2007 34 Überschreitungen des 3%-Grenzwertes. In keinem Fall wurde ein Verfahren auf höchster Sanktionsstufe abgeschlossen. Besondere Signalwirkungen hatten Regelverstöße Deutschlands + Frankreichs. Folge: Weder SWP noch Finanzmärkte disziplinieren ausreichend die nationalen Fiskalpolitiken. Kriterium für Schuldentragfähigkeit im Fall Griechenland geändert: nicht mehr Verhältnis Staatsschuld zu BIP sondern Bruttofinanzbedarf (Höhe der jährlichen Zins- und Tilgungszahlungen, FAZ 17.9.15). Quelle: a.a.o.f. konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 22
Stabilitätsgrundlagen Quelle: SVR 7/2015: 8 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 23
Stabilitätsgrundlagen Zur Verlässlichkeit von Prognosen der öffentlichen Finanzen der Euro-Länder Quelle: Monatsbericht 5/15:76 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 24
Stabilitätsgrundlagen zur Verlässlichkeit von Prognosen der öffentlichen Finanzen der Euro-Länder Quelle: DIE ZEIT 12.11.15 konegen, ifpol uni münster 25
Stabilitätsgrundlagen Obwohl sich die Mitgliedsstaaten makroökonomisch + fiskalpolitisch augenfällig unterschieden, hatten sie in den Jahren 2001 2007 beim Zugang zu den Finanzmärkten nahezu gleiche Zinskosten. Grund: Sowohl in den Refinanzierungsgeschäften der EZB + in der Eigenkapitalregulierung der Banken wurden die Staatsanleihen der Mitgliedstaaten gleich behandelt. Damit fehlte der Anreiz für eine konservative Finanzpolitik. Als die globale Finanzkrise den Euro-Raum erreichte (ab 2008), hatten viele Mitgliedsstaaten keinen ausreichenden fiskalischen Spielraum bei fehlendem Krisenmechanismus zur Bekämpfung der systemischen Krise. Dieser wurde schrittweise + in Teilen nach Krisenbeginn geschaffen. 7/2012 gelang der EZB eine Beruhigung der Finanzmärkte. Allerdings geriet die EZB durch OMT + seine Anbindung an die Programmkonditionalität des ESM in das Spannungsfeld zwischen Geldund Fiskalpolitik Quelle:a.a.O; SVR 2013: 143-150 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 26
Stabilitätsgrundlagen. Renditen langfristiger Staatsanleihen (1) Quelle: SVR 7/15: 9 konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 27
und eine gute Nachricht: VW hat geholfen Quelle: FAZ 25.9.15 konegen, ifpol uni münster 28
6. Literaturhinweise Die EZB im Graubereich zwischen Geld- und Finanzpolitik in: Jahresgutachten 2013/14 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) vom 15.11.2013: 143-150. Zur weiteren Schwächung der Regelbindung der Fiskalregeln in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 5/2015: 73-77. Zu einem dritten Hilfsprogramm für Griechenland in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 8/2015: 65-69. Ulf-Dieter Klemm u.a. (Hg.): Die Krise in Griechenland. Ursprünge, Verlauf, Folgen. Campus Verlag, Frankfurt 2015, 29,90. Sehr Empfehlenswert zum Verständnis der griechischen Krise. Die griechische Tragödie, Sonderausgabe 29.5.2015, ifo Institut. http://docs.dpaq.de/9100- sd_mai_2015_sonderausgabe.pdf Quelle: konegen, ifpol uni münster, WS 15/16 *** 29
Wichtiger Anhang für Klausurteilnehmer 2.2.2015! 1. Die Klausur findet am 2.2.2016 im SCH2 statt. 2. Zeit: 14.00 Uhr s.t. 15.45 Uhr. 3. Zur Vorbereitung empfehle ich die aktualisierte ppt Lerneinheit IV. 4. Erlaubte Hilfsmittel: Vertrag über die Europäische Union (EUV); Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV); Protokoll Nr.4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank vom 7.2.1992. 5. Form der Klausur: Darstellung und Kritik eines Sachverhaltes auf der Grundlage einer Ihnen vorgelegten Stellungnahme. Quelle: Konegen konegen, ifpol uni münster WS 15/16 30