Drop-outs in der Schule Quantitative und qualitative Analysen. Erna Nairz-Wirth

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Transkript:

Abteilung für Bildungswissenschaft Drop-outs in der Schule Quantitative und qualitative Analysen Erna Nairz-Wirth SEITE 1

Begriffsklärung und Aufbau des Vortrages Drop-outs: wechseln Ausbildungsform oder verlassen das Bildungssystem ganz Frühe Schulabgänger/innen: Dropouts, zwischen 18 und 24 Jahre alt; kein Abschluss auf Sekundarstufe II (ab ISCED-Level 3b), Schullaufbahn zumindest vorläufig beendet, aktuell nicht in Ausbildung Bildungsarmut - Kompetenzarmut: z.b. funktionaler Analphabetismus - Zertifikatsarmut: frühe Schulabgänger/-innen Aufbau des Vortrages - Zertifikatsarmuts- und Arbeitslosigkeitsrisiko - Gesellschaftliche Positionierung von Zertifikatsarmen - Ursachen von Schulabbruch - Bewältigungsstrategien von Schulabbruch - Präventive Maßnahmen gegen Schulabbruch SEITE 2

Ungleich verteiltes Risiko für Early School Leaving in Österreich 35,00% 30,00% 30,00% 25,00% 20,00% 25,40% 19,60% 20,80% ESL-Quoten 15,00% 13,60% 10,00% 5,00% 7,90% 7,00% 3,90% 7,10% 4,50% 0,00% SEITE 3 Quelle: Steiner 2009 Land Urbanität Stadt beschäftigt arbeitslos Arbeitsmarkt- Status Eltern hoch mittel niedrig Bildungsstand Eltern Österreich 2. Generation Herkunft Nicht-EU15-Geburtsland

Bildungsarmut ist relativ: das unterste Quintil Bildungsstand der Bevölkerung im Zeitverlauf in % (im Alter von 24-65 Jahren) 70,0 60,0 57,8 50,0 40,0 30,0 46,0 31,0 37,0 34,2 39,4 36,9 25,9 26,2 20,0 10,0 0,0 19,5 15,8 14,4 12,5 13,1 7,5 11,2 11,5 10,6 9,4 7,3 7,5 6,0 5,3 3,9 2,8 0 0,7 1,6 2,3 2,8 1 2 3 4 5 1971 1981 1991 2001 2008 SEITE 4 Quelle: STATISTIK AUSTRIA 2011, eigene Darstellung.

Bildungsarmut und Erwerbslosigkeit (OECD) 20-24-Jährige ohne Abschluss Sekundarstufe II (nicht in Ausbildung) (in % der Altersgruppe ) SEITE 5 Quelle: OECD, Education at a Glance 2010, S. 354f., eigene Darstellung

Erwerbslos und nicht in Ausbildung: 20-24-Jährige nach Bildungsstand (in % der Altersgruppe) 16 14 13,4 14,2 13,2 12 11,1 10 8 6 5 3 3 5,0 4,9 2 5,6 Ausbildung unterhalb Sekundarbereich II 4 2 2,8 Abschluss im Sekundarbereich II/ postsekundar, nicht tertiären Bereich 0 SEITE 6 Quelle: OECD, Education at a Glance 2010, S. 354, eigene Darstellung

Erklärungen für die schwache Positionierung von Zertifikatsarmen im gesellschaftlichen Raum Globalisierung Umstrukturierung der Arbeitswelt (Wissensgesellschaft) Bildungsexpansion Stigmatisierungsprozesse SEITE 7

Gesellschaftliche und individuelle Folgerisiken von Bildungsarmut Gesellschaftliche Folgerisiken (Auswahl) Gefährdung der sozialen Kohäsion Auswirkungen auf politische Partizipation und Demokratiebewusstsein Reduzierte(s) Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen Erhöhte Sozial-, Reparatur- und Kompensationskosten Reproduktion von Armut Delinquenz Individuelle Folgerisiken (Auswahl) SEITE 8 Arbeitslosigkeit Krankheit Psychische Erkrankung (Depression ) Beeinträchtigung der sozialen Beziehungen Stigmatisierungserfahrungen

Ursachen für frühen Schulabbruch (traditioneller versus aktueller Forschungszugang) individuelle/ soziale Faktoren vorschulische und schulische Faktoren systemische Faktoren schulische Leistung Schulkultur Einstellungen/ Verhalten sozioökonomische Merkmale Peers Schulwechsel Schulressourcen (Lerngruppengröße und Betreuung) Professionalität und Qualität der Organisation Unterrichtsgestaltung Klassenwiederholung Schulübergangsgestaltung Curriculum Halb- und Ganztagsschulen Schulgröße SEITE 9

Bewältigungsstrategien nach einem Schulabbruch Eine Typologie von SchulabbrecherInnen ambitioniert orientierungslos unangepasst statusorientiert stigmatisierende Erfahrungen realitätsflüchtig resigniert SEITE 10

Präventive Strategien zur Vermeidung von Schulabbruch schulintern erfolgreiche präventive Maßnahmen systemisch außerhalb der Schule SEITE 11 Quelle: Lyche C. (OECD 2010), eigene Übersetzung und Darstellung.

Präventive Strategien zur Vermeidung von Schulabbruch - interprofessionelle Teamarbeit - Frühwarnsystem - frühe Diagnose - Förderung positiver sozialer Bindungen (kooperatives Lernen) - innerschulische TutorInnen und MentorInnenprogramme - Elternarbeit - vertrauensvolles Schulklima - distributed leadership - strukturierte Nachmittagsbetreuung - Repetitionen vermeiden - qualitativ hochwertige vorschulische Ausbildung - Schulübergangsgestaltung - Ganztagsschule - klientenorientiertes Curriculum - Evaluierung von Maßnahmen (Datenlage!) - u.v.m. - u.v.m. - aufsuchende Elternarbeit - Außerschulische TutorInnen- und MentorInnenprogramme - Gestaltung außerschulischer Peer-Beziehungen - Familiengruppentreffen - Vernetzung mit Organisationen im Bezirk - u.v.m. SEITE 12

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ao. Univ.-Prof. Dr. Erna Nairz-Wirth Wirtschaftsuniversität Wien Abteilung für Bildungswissenschaften Education Sciences Group WU Augasse 2-6, 1090 Wien Tel: + 43-1-31336-4677 Mobile: +43-676-8213-4677 www.wu.ac.at/bildungswissenschaft erna.nairz-wirth@wu.ac.at