Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit im Verein (BT-Drs. 17/5713) erarbeitet durch den Ausschuss Gesellschaftsrecht Mitglieder: Rechtsanwalt Dr. Fritz-Eckehard Kempter, München (Vorsitzender) Rechtsanwalt Rolf Koerfer, Köln Rechtsanwalt Dr. Hans-Joachim Fritz, Frankfurt Rechtsanwalt Dr. Dietrich Max, Düsseldorf Rechtsanwalt und Notar Wulf Meinecke, Hannover Rechtsanwalt Rüdiger Ludwig, Hamburg Rechtsanwalt Jürgen Wagner LL.M., Konstanz (Berichterstatter) Rechtsanwalt Dr. Stephan Zilles, Essen Rechtsanwalt Johannes Keller, Bundesrechtsanwaltskammer, Berlin November 2011 BRAK-Stellungnahme-Nr. 62/2011 Die Stellungnahme ist im Internet unter www.brak.de/stellungnahmen einzusehen.
- 2 - Verteiler: Bundesministerium der Justiz Landesjustizminister/ Justizsenatoren der Länder Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Arbeitskreis Recht der Bundestagsfraktionen Rechtsanwaltskammern Bundesnotarkammer Bundessteuerberaterkammer Steuerberaterverband Wirtschaftsprüferkammer Deutscher Anwaltverein Deutscher Richterbund Deutsche Rechtspflegervereinigung Deutscher Juristinnenbund Deutscher Notarverein Bundesvorstand Neue Richtervereinigung Bundesverband der Freien Berufe Institut der Wirtschaftsprüfer Redaktion Neue Juristische Wochenschrift ZAP Verlag Redaktion Anwaltsblatt Beck aktuell Lexis Nexis Rechtsnews OVS Freie Berufe Jurion Expertenbriefing juris Nachrichten Redaktion Juristenzeitung Redaktion Monatsschrift für Deutsches Recht Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG
- 3 - Die Bundesrechtsanwaltskammer ist als Dachorganisation der 27 regionalen deutschen Rechtsanwaltskammern und der Rechtsanwaltskammer beim BGH die gesetzliche Vertretung der ca. 157.000 in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Sie tritt für die wirtschaftlichen und rechtlichen Belange der Anwaltschaft ein. I. Das vom Bundesrat initiierte Gesetzgebungsvorhaben umfasst 1. eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches um einen neu zu schaffenden 31 b BGB mit dem Ziel einer Haftungserleichterung der für einen Verein handelnden Personen, 2. eine Änderung des Beurkundungsgesetzes und der Kostenordnung sowie 3. in einer Entschließung zum Gesetzentwurf eine Mustersatzung für die Vereinsgründung. In ihrer Stellungnahme lehnt die Bundesregierung die Änderung der Kostenordnung, des Beurkundungsgesetzes und den Vorschlag einer Mustersatzung ab. Lediglich die Änderung des BGB wird begrüßt. Die Bundesrechtsanwaltskammer schließt sich der Auffassung der Bundesregierung mit der Maßgabe der nachfolgenden Anmerkungen, konzentriert auf die vorgesehenen Änderungen im BGB, an. II. 1. Haftungserleichterung für ehrenamtliche Vereinsmitglieder Das für den Verein geltende Haftungssystem ist ausgewogen und bedarf keiner Änderung. Die für den Ausschluss der Haftung für einfache Fahrlässigkeit vorgetragenen Erwägungen überzeugen nicht: Im Gegenteil: a) Es mag sein, dass der Verein nicht besser gestellt werden soll, als eine natürliche Person, die einen Haftungstatbestand erfüllt (Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Köln 2010, RN 3482, 3495 m.w.n.). Warum aber eine natürliche Person, die einen Haftungstatbestand erfüllt hat, wesentlich gegenüber dem Verein als solchem
- 4 - bevorzugt werden soll, erschließt sich ebenfalls nicht. Der Verein als Rechtsform wäre in solchen Fällen bloße Haftungsmasse. b) Die vorgeschlagene Haftungserleichterung kann ferner einen negativen Effekt auf die anzuwendende Sorgfalt der handelnden Personen haben. Gerade das Restrisiko einer persönlichen Haftung hält die Handelnden in Vereinen oftmals an, größere Sorgfalt an den Tag zu legen und sich in heiklen Situationen auch geeigneten Rechtsrat einzuholen. Nicht umsonst ist der moderne Haftungsmaßstab durch die business judgement rule analog in 93 Abs. 1 Satz 2 AktG abgebildet. Danach entfällt die Haftung natürlicher Personen als Handelnde für juristische Personen (erst) wenn sie darlegen und nachweisen können, dass sie bei einer unternehmerischen Entscheidung, voll informiert, ohne eigene Interessen, im Interesse der Gesellschaft und ohne existenzgefährdende Risiken handeln, gleichgültig ob das Geschäft gelingt oder scheitert und gleichgültig, ob Gewinn oder Verlust erzielt wird (vgl. Lutter, NZG 2010, 602 m.w.n.). c) Fiele diese Haftung weg, so würde ein weiterer (falscher) Anreiz gesetzt, ggf. die Rechtsform eingetragener Verein missbrauchen zu können. Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre hat, um diesen Missbrauch zu unterbinden, bereits die Haftung der Mitglieder eines Vereins wegen Rechtsformverfehlung angedacht (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2007 - II ZR 239/05 = BGHZ 175, 12; Vorinstanz OLG Dresden, Urteil vom 09.08.2005-2 U 897/04 Kolpingwerk ). Ähnlich weit ist die derzeit geltende Haftung des Vereinsvorstandes im Besteuerungsverfahren. Schlug damit das Pendel in die eine Richtung aus, so schwingt es mit dem Entwurf des Bundesrates nun zurück. 2. Beglaubigungszuständigkeit der Amtsgerichte Neue Gründe für eine Wiedereinführung von gerichtlichen Beglaubigungszuständigkeiten für Erklärungen zum Vereinsregister sind für die Bundesrechtsanwaltskammer nicht ersichtlich. 3. Mustersatzung Hinsichtlich der Einführung einer Mustersatzung bei der Gründung von Vereinen folgt die Bundesrechtsanwaltskammer der Bundesregierung.
- 5 - Gerade 40 BGB gibt den Vereinen eine weitgehende Flexibilisierung an die Hand, die in der Praxis oftmals schon durch Verweise auf Vereinsrechtshandbücher eingeschränkt wird. Darüber hinaus wird kritisch angemerkt, dass die rechtliche Qualifikation der bei den Vereinsregistern tätigen Rechtspfleger dringend der Verbesserung bedarf. Es sei daran erinnert, dass diese bundesweit für ca. 540.000 Vereine zuständig sind und vertiefte Kenntnisse der steuerlichen Bezüge des Vereinsrechts oder des Verbandsrechts oft gänzlich fehlen. III. Das geltende Haftungssystem im Vereinsrecht ist ausgewogen und bedarf daher keiner gesetzgeberischen Korrektur. ***