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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Dokumentation: 10 UZ 1061/06

Transkript:

VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR verkündet am 06.03.2012 gez.: Böge Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Verwaltungsstreitverfahren gegen der und K Grundstücksgesellschaft Arnstadt (GbR), vertreten durch die Gesellschafter, letztere wohnhaft: L, S Prozessbevollm.: Rechtsanwälte Dr. Bette und Brink, Große Bleiche 60-62, 55116 Mainz die Stadt Arnstadt, vertreten durch den Bürgermeister, Markt 1, 99310 Arnstadt - Beklagte - wegen Erschließungsbeiträgen hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Packroff als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2013 für Recht erkannt: 1. Die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 20.11.2007 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 30.11.2010 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Ilm-Kreis vom 16.05.2012 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist Grundstückseigentümerin des Grundstücks Flur a, Parzellen-Nr. b in Arnstadt. Unter dem Datum des 20.11.2007 erhielten die beiden Gesellschafter der Klägerin, Herr K und Frau K, von der Beklagten einen Erschließungsbeitragsbescheid, der einen Betrag von 67.644,05 festsetzte. In dem Bescheid sind Vorauszahlungen über 12.772,14 vermerkt, im Übrigen enthielt der Bescheid den Hinweis auf eine spätere Zahlungsaufforderung. Mit am 21.12.2007 eingegangenem Schreiben, das im Briefkopf die Klägerin auswies und von beiden Gesellschaftern unterschrieben war, wurde gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt, u.a. unter Hinweis auf die fehlende Adressierung an die Klägerin. Die Beklagte erließ unter dem Datum des 30.11.2011 zwei Änderungsbescheide an die Klägerin, in denen der Erschließungsbeitrag nunmehr neu auf 162.764,26 festgesetzt wurde. Auch im neuen Bescheid wurden Vorauszahlungen in gleicher Höhe vermerkt und eine spätere Zahlungsaufforderung angekündigt. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Widerspruch der Klägerin wurde dann durch Widerspruchsbescheid des Landratsamts Ilm-Kreis vom 16.05.2012, zugestellt am 21.05.2012, zurückgewiesen. Die angegriffenen Bescheide beruhten auf einer rechtswirksamen Beitragssatzung. Aufgrund der Widmung der Erschließungsanlagen erst im Jahre 2003 habe die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist erst Ende 2003 begonnen, die Beitragsforderung sei deshalb nicht wegen Verjährung erloschen. Herr und Frau Kessels hätten bei den Bescheiden von 2007 erkennen müssen, dass sie als Gesellschafter der Klägerin angeschrieben worden seien, da sie - die Gesellschafter - die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft zu erfüllen hätten. Mit am 20.06.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, die Erschließungsbeitragsbescheide richteten sich an den falschen Adressaten. Sie - die Gesellschaft bürgerlichen Rechts - sei Grundstückseigentümerin. Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29.01.2001 (II ZR 331/00) stehe auch fest, dass eine Gesellschaft 2

bürgerlichen Rechts teilrechtsfähig sei. Die Beitragsforderung sei auch verjährt. Bei der Widmungsverfügung handele es sich ausschließlich um einen rechtlichen Aspekt, die letzte Unternehmerrechnung stamme vom November 1999. Jedenfalls seien gemäß 231 Abs. 4 Abgabenordnung - AO - die Forderungen, die über den Bescheid vom 20.11.2007 hinausgingen, verjährt. Ferner seien die von ihr - der Klägerin - aufgrund des Kaufvertrages vom 06.01.1993 zwischen den Beteiligten tatsächlich gezahlten Vorauszahlungen von 207.178,20 DM = 105.928,53 (vereinbart: 271.225,00 DM) nicht berücksichtigt worden. Die Zahlung von 183.943,60 DM ergebe sich aus einem Überweisungsträger vom 30.08.1994. Aus einem Schreiben der Beklagten vom 10.04.1997 ergebe sich die Anrechnung weiterer 23.234,60 DM auf die Erschließungskosten. Zudem habe sie ihr Leistungsbestimmungsrecht auf dem Überweisungsträger ausgeübt. Vorsorglich werde mit einem Schadensersatzanspruch wegen nicht entfernten Bodenauftrag aufgerechnet. Die Klägerin beantragt, die Bescheide über einen Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlagen im Gewerbegebiet Nord der Beklagten vom 20.11.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30.11.2011 sowie des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2012 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie trägt vor, die von der Klägerseite angesprochenen diversen Beitragsbescheide des Wasser- /Abwasserzweckverbandes Arnstadt und Umgebung wiesen keine Verbindung zu ihren Erschließungsbeitragsbescheiden auf. Ihr Schreiben vom 03.08.2001 gebe nur den - letztlich gescheiterten - Versuch wieder, die Problematik der Anschlussbeiträge für das Gewerbegebiet Nord durch Ablösevereinbarungen abzuwickeln. Hinsichtlich der Adressierung der Beitragsbescheide werde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Ein Erlöschen der Beitragsforderung wegen Verwirkung sei nicht feststellbar, die Beitragsforderung sei nicht verzichtbar, zudem habe sie - die Beklagte - keinen Vertrauenstatbestand gesetzt. Eine Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Vorliegend sei auch keine Verjährungsunterbrechung nach 231 AO einschlägig, sondern eine Verjährungshemmung nach 171 AO. Die Vorauszahlungen der Klägerin seien zutreffend berücksichtigt worden. Die im Kaufvertrag vereinbarten Vor- 3

ausleitungen seien auch als Kostenbeteiligungen für leitungsgebundene Einrichtungen verwendet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen. Entscheidungsgründe Die zulässige 1 Klage ist auch begründet. Die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 20.11.2007 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 30.11.2010 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Ilm-Kreis vom 16.05.2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, sie sind deshalb aufzuheben ( 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die ursprünglichen Erschließungsbeitragsbescheide aus dem Jahre 2007 ergingen gegen den falschen Adressaten, nämlich die Gesellschafter des Beitragschuldners, nicht gegen den Beitragsschuldner selbst (1.). Dieser Fehler wurde dann zwar durch die Änderungsbescheide aus dem Jahr 2011, die deshalb als sog. unechte Änderungsbescheide einzustufen sind, geheilt, zu diesem Zeitpunkt war dann aber die gesetzliche vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen (2.). Im Einzelnen: 1. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung überreichten Grundbuchauszuges ist die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, seit dem Jahr 1996 als Eigentümer der beitragspflichtigen Parzelle b (Flur a, Gemarkung Arnstadt - A -B -Straße ) im Grundbuch eingetragen. Damit ist - nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29.01.2001 (II ZR 331/00, JURIS) zur partiellen Rechtsfähigkeit einer nach außen in Erscheinung tretenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.s. des 705 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach 134 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch der persönlich Beitragspflichtige der Erschließungsbeitragsschuld (vgl. nur Bay. VGH, Urteil vom 22.10.2010-6 BV 09.1363 - JURIS Rdnr. 27 m.w.n., VG Gera, Urteil vom 27.03.2003-4 K 429/02.GE - JURIS, Rdnr. 16.f. [zum Ausbaubeitragsrecht]; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, 24 Rdnr. 4). Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist indessen - wie auch eine juristische Person - nur durch die als ihre Vertreter handelnden natürlichen Personen handlungsfähig. Vertreter einer Gesellschaft bürgerlichen 1 der in der mündlichen Verhandlung abgeschlossene Vergleich wurde von der Klägerin fristgerecht widerrufen 4

Rechts sind grundsätzlich ihre Gesellschafter ( 709 Abs. 1 BGB). Ein (rechtmäßiger) Beitragsbescheid an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss deshalb zwischen dem Inhaltsadressaten, der Gesellschaft, und dem Bekanntgabeadressaten, dem Gesellschafter, unterscheiden (vgl. grundsätzlich zur Differenzierung zwischen Inhalts- und Bekanntgabeadressat: Thür. OVG, Beschluss vom 29.11.1999-4 ZEO 545/99 - JURIS, Rdnr. 7). In den beiden Ausgangsbescheiden vom 20.11.2007 fehlt es an einer solchen Differenzierung. Die Klägerin, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist in den Bescheiden 2007 mit keinem Wort erwähnt. Als alleiniger Adressat sind jeweils nur Herr K und Frau K benannt, es gibt keine Anhaltspunkte für ein Auseinanderfallen von Inhalts- und Bekanntgabeadressat (vgl. zu einem ersichtlich parallelen Fall die bereits zitierte Entscheidung des Bay. VGH a.a.o. Rdnr. 31). Die im Widerspruch zitierte Vorschrift des 34 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - ist hier unbehelflich, sie betrifft die steuerliche Handlungspflicht der Gesellschafter für die Gesellschaft, also damit ggfs. die Pflicht zur Entgegennahme des Abgabenbescheides und zur Bezahlung der Abgabenschuld (vgl. die Beispiele von Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 9. Auflage, 34 Rdnr. 13). Eine fehlende Benennung der Gesellschaft als Inhaltsadressatin/Beitragsschuldnerin in der Abgabenfestsetzung vermag sie nicht zu heilen. 2. Den Fehler der falschen Inhaltsadressierung der Beitragsbescheide hat die Beklagte dann zwar durch die Änderungsbescheide vom 30.11.2011 geheilt. Diese sind zwar weiterhin an Herrn K und Frau K adressiert, enthalten aber den Zusatz "für: und K Grundstücksgesellschaft Arnstadt". Damit ist ausreichend klargestellt, dass die Klägerin Inhaltsadressatin/Beitragsschuldnerin der nunmehrigen Erschließungsbeitragsbescheide sein soll. Diese sind damit als sog. unechte Änderungsbescheide 2 einzustufen, also als in Wirklichkeit neue Beitragsbescheide, die die alten Beitragsbescheide in allen Regelungspunkten ersetzen. Eine solche Auslegung ist auch ohne weiteres möglich, da die Änderungsbescheide vom inhaltlichen Aufbau den ursprünglichen Bescheiden komplett entsprechen, teilweise sogar darüber hinausgehen. Sie ist angesichts der Änderung des Inhaltsadressats sogar zwingend, da eine Auswechslung (Richtigstellung) des Abgabenschuldners im weiteren Verfahren (des ursprünglichen benannten Schuldners) nicht möglich ist (vgl. BFH, Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05 - JURIS, Rdnr. 15; BFH, Beschluss vom 25.11.2003 - II B 4/02 - JURIS, Rdnr. 6, beide m.w.n.). Bei Erlass der (unechten) Änderungsbescheide, nunmehr erstmals 2 ein echter Änderungsbescheid liegt nur vor, wenn der in Bezug genommene Ausgangsbescheid teilweise aufrechterhalten und durch den Änderungsbescheid nur modifiziert wird, so dass letztlich die Regelungen beider Verwaltungsakte (Ausgangs- und Änderungsbescheid) wechselseitig ineinander greifen (vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 09.11.2011-4 EO 39/11 - JURIS, Rdnr. 54; ebenso schon etwa: VG Weimar, Urteil vom 01.04.2009-3 K 329/08 We -; beide unter Hinweis auf: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.08.1998-3 B 2621/95 - JURIS). 5

gegenüber der Klägerin als Inhaltsadressatin, im Jahre 2011 war indessen die auch im Erschließungsbeitragsrecht anwendbare Festsetzungsfrist (vgl. Driehaus a.a.o. 19 Rdnr. 37) abgelaufen. Zwar enthält das Baugesetzbuch selbst keine Verjährungsvorschriften, über 1 Abs. 3 ThürKAG finden indessen die Vorschriften des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und damit der dortige Verweis auf die Vorschriften der Abgabenordnung ( 15 Abs. 1 Thür- KAG) auch im Erschließungsbeitragsrecht Anwendung (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. das Urteil vom 29.08.2012-3 K 69/12 We - sowie VG Meiningen, Urteil vom 21.04.2004-1 K 631/99.Me - JURIS, Rdnr. 70). Der Ablauf der Festsetzungsverjährungfrist schließt eine (rechtmäßige) Abgabenfestsetzung aus ( 169 Abs. 1 Satz 1 AO i.v.m. 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Unterbuchstabe bb ThürKAG), er führt zum Erlöschen des Abgabenschuldverhältnisses ( 47 AO i.v.m. 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b ThürKAG). Dies ist - anders als die Verjährung im Zivilrecht - von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Festsetzungsverjährung begann hier - die tatsächliche Fertigstellung der Erschließungsanlagen einschließlich des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung war unstreitig bereits früher erfolgt - mit der Widmung der neu hergestellten Erschließungsstraßen durch die Beklagte im Jahre 2003 (vgl. zum Beginn der Festsetzungsverjährung nicht vor der Widmung: BVerwG, Beschluss vom 29.10.1997-8 B 194/97 - JURIS, Rdnr. 3; Driehaus a.a.o. 19 Rdnr. 16), aufgrund der Vorschrift des 170 Abs. 1 AO (i.v.m. 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Unterbuchstabe cc ThürKAG) mit Ablauf des 31.12.2003. Sie endete nach vier Jahren ( 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) am 31.12.2007, mithin kurz nach Erlass der ursprünglichen Beitragsbescheide. Die Festsetzungsfrist wurde gegenüber der Klägerin durch den Widerspruch gegen den ursprünglichen Bescheid auch nicht nach 171 Abs. 3a Satz 1 AO (i.v.m. 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Unterbuchstabe dd ThürKAG; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Norm im kommunalen Abgabenrecht: ThürOVG, Beschluss vom 09.11.2011-4 EO 39/11 - JURIS, Rdnr. 48) gehemmt. Die Hemmung nach 171 Abs. 3a Satz 1 AO wirkte nur personenbezogen, also im Verhältnis zwischen den damaligen im Bescheid angesprochenen Beitragschuldnern, den Gesellschaftern der Klägerin, und der Beklagten (vgl. BFH, Urteil vom 23.09.1999 - IV R 59/98 - JURIS, Rdnr. 42; VG Greifswald, Urteil vom 07.09.2011-3 A 821/10 - JURIS, Rdnr. 16; VG Halle, Urteil vom 30.06.2004-4 A 334/02 - JURIS, Rdnr. 18 m.w.n.; Kruse in Tipke/Kruse, AO, Kommentar, Stand: November 2012, 171 Rdnr. 30; Cöster in Pahlke/Koenig, AO, Kommentar, 171 Rdnr. 52), sie wirkte damit nicht im Verhältnis zur Klägerin. 6

Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung aus 167 VwGO, 709 Zivilprozessordnung. Die Berufung zum Thüringer Oberverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da ein Grund für die Zulassung gem. 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO i.v.m. 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vorliegt. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar zu stellen. Der Zulassungsantrag ist innerhalb zweier Monate nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist - wenn sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag erfolgt - beim Thüringer Oberverwaltungsgericht, Kaufstraße 2-4, 99423 Weimar einzureichen. Hinweis: Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang nach Maßgabe des 67 Abs. 2 und 4 VwGO; dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Packroff Beschluss Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 162.764,26 festgesetzt ( 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz). Rechtsmittelbelehrung Gegen den Streitwertbeschluss steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar einzulegen. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Packroff 7