Veränderungen der Erwerbsformen am Beispiel der Neuen Selbständigkeit - Herausforderungen für die Prävention

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1/6 79,8 51,7 33,7 30,7 25,9 23,1 24,0 23,5 24,0 22,3 20,2 18,0 16,6 17,0 15,5 15,1 17,3 18,0 21,1 24,5 28,8 39,4 60,3 74,6 84,8 5,5 5,5 5,9

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Transkript:

8. Tag der Arbeitsmedizin Wiesbaden 2010 Veränderungen der Erwerbsformen am Beispiel der Neuen Selbständigkeit - Herausforderungen für die Prävention Ingra Freigang-Bauer RKW Kompetenzzentrum Eschborn RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 1

Gliederung 1. Veränderungsbereiche Relevanz der Sektoren (Wirtschaftszweige) Arbeits- und Beschäftigungsmarkt (älter, bunter, weiblicher) Kompetenz- und Anforderungsprofile der Arbeit die Erwerbsformen 2. Chancen und Risiken selbständiger Arbeit 3. Anforderungen an gesundheitliche Prävention RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 2

Sektoraler Wandel Wirtschaftszweige 2003-2010-2020, Alte Länder RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 Bonin et al. (2007): Perspektiven von Arbeitskräftebedarf und -angebot bis 2020 3

Arbeitsmarkt: Zunahme Frauenerwerbstätigkeit - insbesondere als Teilzeitarbeit RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 4

Höhere Qualifikationsanforderungen Welchen Fachkräftebedarf gibt es? Trend zur höheren Qualifizierung Bonin et al. (2007): Perspektiven von Arbeitskräftebedarf und -angebot bis 2020 RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 5

Verschiebungen der Erwerbsformen Ergebnisse des Mikrozensus Mithelfende Familie Zunahme Solo-Selbständige Selbständige mit AN Zunahme Atypisch Beschäftigte Abnahme Normal Arbeitnehmer RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 Quelle: Wingerter, Wirtschaft und Statistik 11/2009 6

Atypische Beschäftigung: Beispiel Zunahme Mini-Jobs RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 7

Zunahme: Zahl der Selbständigen RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 8

Zur Selbständigkeit Erwerbsform mit vielen Facetten - Gesundheit - Einkommen - Soziale Absicherung RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 9

Zuwachs an selbständigen Erwerbsformen insbesondere im Dienstleistungssektor, dort wachsender Frauenanteil (2/3 der Selbständigkeiten im DL-Bereich, oft einfache DL) Solo-Selbständigkeit und Kleingründungen dominieren, vor allem bei Frauen Auch in traditionellen Produktionssektoren finden sich Beispiele der Verkleinbetrieblichung : Weniger Erwerbstätige in Bauberufen aber Solo-Selbstständige dort auf dem Vormarsch RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 10

Veränderte Selbständigkeit Zunahme der Solisten RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 11

Selbständige nach Alter (Mikrozensus 2008) Auffallend: Hohes Durchschnitts Alter der Selbständigen Quelle: Kelleter, Wirtschaft und Statistik, 12/2009 RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 12

Gesundheit der Selbständigen Solide statistische Quellen zum Gesundheitszustand Selbständiger sind rar: Nach Mikrozensus 2005 gaben 9 % der Erwerbstätigen an, in den letzten vier Wochen vor der Befragung krank oder unfallverletzt gewesen zu sein. Am häufigsten erklärten dies Arbeiterinnen oder Arbeiter (10 %) und Beamtinnen oder Beamte (10 %). Am seltensten gaben Selbstständige und mithelfende Familienangehörige Krankheitstage an (7 %). Der gemeldete Krankenstand von Selbständigen liegt (Basis verschiedene Privatversicherungen) unter dem der abhängig Beschäftigten (evtl. Underreporting oder Präsentismus). RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 13

Gesundheitliche Chancen und Risiken: Arbeitszeit Ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit ist deutlich höher als abhängig Beschäftigen. 38% der Selbständigen mit Beschäftigten arbeiten mehr als 55 Stunden (Mikrozensus 2008). Selbständige und Mithelfende Familienangehörige arbeiten deutlich häufiger abends, an den Wochenenden und Feiertagen als Arbeitnehmer (Mikrozensus 2008, SUGA Bericht 2007). Insbesondere aus dem IT Freelancer-Bereich werden extensive, überlange Arbeitszeiten mit starkem Termindruck berichtet. In einer aktuellen Studie (www.pragdis.de) berichten sie über MSE Beschwerden (65%) und psychische Probleme (52%). RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 14

Gesundheitliche Chancen/ Risiken: Subjektive Bewertung der Situation Stress und die Arbeitsemotionen werden bei den befragten Freelancer/innen aber nicht nur negativ eingeschätzt. Ein Viertel von Ihnen fühlt sich nicht erschöpft oder regenerationsunfähig. Zwei Drittel der Alleinselbständigen nennen eine starke oder sehr starke positive Leistungsorientierung (empfinden den beruflichen Stress als angenehm, fühlen sich verantwortlich, haben Spaß an der Arbeit und sind stolz auf ihre Leistungen). Bei den abhängig Beschäftigten sind dies weniger als die Hälfte (43%). ( siehe www.pragdis.de) RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 15

Selbständig und gesund? 2 Seiten einer Medaille Hohe Autonomie bei Entscheidungen aber auch hohe Anforderungen an eigene Fach- und Selbstkompetenzen Erfolgsmöglichkeiten, auch finanziell aber auch Unsicherheiten und das Risiko zu scheitern Individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen aber auch permanenter Druck zur Eigenqualifizierung und individuellen Selbstvermarktung Keine Abhängigkeit von einem Arbeitgeber aber dafür oft von Auftraggebern, Kunden und evtl. Mitarbeitern Selbständige Arbeit hat Potentiale für die eigene Gesundheit Gesundheit ist aber auch zentrale Voraussetzung für die wirtschaftliche Existenz RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 16 Bildquelle: http://skichallenge.files.wordpress.com/2009/11/medaille.gif

Hohe Anforderungen an Gesundheits- und Selbstkompetenz Selbstorganisation und Zeitmanagement Selbstmotivierung, Emotionsregulation, Selbstachtsamkeit Dienstleistungsorientierung, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit Emotionale Belastbarkeit (ökonomische Unsicherheit, soziale Isolation etc.) Entscheidungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen Strategische Entwicklung des eigenen sozialen Kapitals Selbstvermarktung und Selbstinszenierung Selbstorganisierte Qualifizierung Social networking mit Kunden und Kooperationspartnern RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 17

Herausforderungen Einkommen der Selbständigen Hohe Einkommensspreizung auch zwischen Branchen RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 18

Herausforderungen Soziale Absicherung RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 19

Herausforderung Armutsrisiko Quelle: Wingerter, Wirtschaft und Statistik 11/2009 RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 20

Gesundheitliche Prävention neuer Selbständigkeit Probleme: Mehr Prekäre Selbstbeschäftigung Sicherungssysteme sind hingegen orientiert am Bild des traditionellen Freiberuflers oder Unternehmers mit Existenz sicherndem Einkommen (mit staatlichen Sondersystemen für ausgewählte Gruppen) Transitorische Selbständigkeit oft überbrückende oder ergänzende Erwerbsform, Systemwechsel schwierig Selbständigkeit ohne Einbindung wie z.b. bei verkammerten Berufen in korporatistische Strukturen; keine direkte Einbeziehung in die Informations- und Beratungsstrukturen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 21

Herausforderung Flexibilität der Erwerbsformen - Inflexibles soziales Sicherungssystem Probleme der sozialen Absicherung bei Wechsel des Erwerbsstatus RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 22

Prävention- Was hilft bei der Bewältigung der Anforderungen?...allen Selbständigen auf ihre Situation zugeschnittenes Informations- und Beratungsangebot (was bieten die Arbeitsmedizin, die AGS Institutionen?) Unterstützung bei ihrer Kompetenzentwicklung (sozial, fachlich, Selbstführungs- und Gesundheitskompetenz)...bei Selbständigen mit Mitarbeitern außerdem Führungskompetenz...insbesondere bei Solo-Selbständigen Zugang zu beruflichen und informellen Netzwerken Soziale Grundsicherung RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 23

Vielen Dank! RKW Kompetenzzentrum 29.05.2010 24