Stundenprotokoll vom

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Transkript:

Universität Koblenz-Landau Abteilung Koblenz Institut für Schulpädagogik/ Allgemeine Didaktik Wintersemester 2012/ 2013 Veranstaltung: Lebensproblemzentrierter Unterricht Dozent: Dr. Jutta Lütjen Stundenprotokoll vom 22.11.2012 Thema der Stunde: Ursachen von Lebensproblemen nach Arnulf Hopf und Kooperationsmodelle als Lösungsansätze von Andreas Hinz und Saskia Schuppener Protokollant: Galic, Anton agalic@uni-koblenz.de M.Ed. Ethik, Deutsch Mat.-Nr.: 208110365

Arnulf Hopf: Lebensprobleme und Lernprobleme von Schülern (2001), Neuwied: Luchterhand-Verlag In dem Abschnitt 1.1. Kurze Kennzeichnung der Entstehung und Struktur von Lebensproblemen seiner Einführung beschreibt Arnulf Hopf, wie Lebensprobleme vor allem in den Umwälzungen des sozialen Gefüges unserer Zeit ihren Ursprung finden. Diese Lebensprobleme sind Grundlage für den Anstieg der als auffällig bezeichneten Kinder und Jugendlichen. Als typische Formen dieses Gesellschaftswandels führt Arnulf neun Beispiele auf, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und als Erklärungsmuster dienen können: 1. Enttraditionalisierungsprozesse 2. Individualisierung der Lebensführung 3. Spannung zwischen Vielfalt und Selbstentscheidungszwängen 4. Vieldeutigkeit von Orientierungspunkten und Maßstäben von Erziehung 5. Familie und Nachbarschaft sind brüchiger geworden 6. Sinnstiftung und Wertevermittlung durch Großorganisationen hat nachgelassen 7. Allgemeine Verunsicherung 8. Alltägliche Verzichtleistungen 9. Schüler sind oft verunsichert und haben soziale Probleme Als Lösung für die aus diesen Phänomenen entstehenden Lebensprobleme sieht Hopf die sozialpädagogische Funktionserweiterung der Schule, welche somit als erweiterte Sozialisationshilfe dienen kann. Da die oben genannten Lebensprobleme in allen Gesellschaftsschichten auftreten, muss sich die Schule als pädagogische Institution durch Weiterbildung und Personalausbau darauf ausrichten. Sie muss Antworten geben können auf Themen wie zum Beispiel: Brutalisierung von Auseinandersetzungen, Hilfe für desorganisierte Familien, Drogenprobleme, Vandalismus, Kinderkriminalität und die Integration von Schülern und Familien anderer Kulturen. Um dies leisten zu können, sollte Schule sich auf die Kenntnisse der Sozialpädagogik berufen, die die Entwicklung der Identität und das Finden des Selbst als Zentrale Ziele benennen und damit eine Grundlage für die Bewältigung der Lebensprobleme schaffen kann. Dieses Konzept sollte Schulart-übergreifend eingesetzt werden und muss von Schule geleistet werden, da vielen Schülerinnen und Schülern eine Unterstützung von familiärer Seite nicht mehr gesichert ist. Somit wird die Schule zu einem Haus des Lehrens und Lernens, welches sowohl Unterrichtsstätte als auch Lebens- und Erfahrungsort ist. 1

UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 24 Dass von der Bundesregierung am 30. März 2007 unterzeichnete Übereinkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen wurde am 21. Dezember 2008 in Deutschland durch den Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates als Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz sieht in seinem Artikel 24 eine Reglung für den Bildungsbereich vor, die die Inklusion von behinderten Menschen in alle Schularten und durch alle sozialen Schichten hindurch verlangt. Artikel 24 Bildung (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken; b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen; c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen. (2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden; b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben; c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden; d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern; e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden. (3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu erleichtern. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen; unter anderem a) erleichtern sie das Erlernen von Brailleschrift, alternativer Schrift, ergänzenden und alternativen Formen, Mitteln und Formaten der Kommunikation, den Erwerb von Orientierungs- und Mobilitätsfertigkeiten sowie die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen und das Mentoring; b) erleichtern sie das Erlernen der Gebärdensprache und die Förderung der sprachlichen Identität der Gehörlosen; c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen oder taubblinden Menschen, insbesondere Kindern, Bildung in den Sprachen und Kommunikationsformen und mit den 2

Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in einem Umfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet. (4) Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Bildungswesens. Diese Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen und die Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein. (5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden. 1 Diesen hohen Ansprüchen der Behindertenrechtskonvention kann das deutsche Bildungssystem bisher nicht gerecht werden. Zusammenfassend lässt sich der Artikel in zwei große Thesen fassen. Zum einen sollen behinderte Menschen an einem integrativen Bildungssystem auf allen Ebenen Teilnehmen können und zum anderen sollen behinderte Menschen eine individuelle Förderung erhalten, die ihnen diese Teilhabe erleichtert. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, Georg Feuser zu betrachten, dessen Forschungsgegenstand die Inklusion von Behinderten in Schule und Gesellschaft ist. Dies soll über eine Individualbetrachtung und Individualförderung der Schülerinnen und Schüler mittels Schülerkooperation geschehen. Dazu entwickelte Feuser das Baummodell (Abb. 1) 2, welches einen gemeinsamen Gegenstand des Lernens vorsieht, an dem je nach individuellen Möglichkeiten und Interessen Lernziele erarbeitet werden können. Dieses Modell wurde durch Dominik Dilcher zum Konzept der didaktischen Kernideen weiterentwickelt. Abbildung 1: Baummodell integrativer Pädagogik nach Feuser 1 http://www.un.org/depts/german/uebereinkommen/ar61106-dbgbl.pdf (27.11.12) 2 http://bidok.uibk.ac.at/library/feuser-didaktik.html (27.11.12) 3

Wie geht man mit Störenfrieden in der Klasse um? Im alltäglichen Schulleben muss sich ein Lehrender immer wieder mit Konflikten und so genannten Störenfrieden befassen und Konzepte im Umgang mit auffälligen Schülerinnen und Schülern entwickeln. Grundlage hierfür ist das Verständnis, dass dieses Schülerverhalten aus der Perspektive der Schülerin oder des Schülers begründet ist, ob nun bewusst oder unbewusst. Diese Begründung stellt oftmals ein Lebensproblem dar, welches nicht in direktem Zusammenhang mit dem Schulleben stehen muss. So suchen viele Schülerinnen und Schüler in der Schule die Aufmerksamkeit, die ihnen zum Beispiel im familiären Umfeld versagt wird. Der Lehrer hat in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, Störenfriede mit besonderen Aufgaben zu betrauen und sie damit in eine exponierte Rolle des Experten zu bringen, was die Schülerin oder den Schüler bei seiner Suche nach ihrem oder seinem eigenen Platz im Schulleben und im Leben allgemein bestärken kann. Eine negative Verstärkung durch Bestrafung hat meist einen gegenteiligen Effekt, da vielen Schülerinnen und Schülern eine negative Aufmerksamkeit wichtiger ist als keine Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang hat sich aktuell ein neuer Prototyp des Störenfrieds entwickelt, das ADHS-Kind. Schülerinnen und Schüler die unter dem Aufmerksamkeits-Defizit- Hyperaktivitäts-Syndrom leiden, bedürfen eines speziellen Umgangs und Unterrichts. Sie brauchen klare Strukturen und Grenzen im Unterricht, um sich darin bewegen zu können. Dies kann jedoch auch für den Unterricht von Kindern gelten, bei denen keine Störung festgestellt wurde. Daher ist eine Stigmatisierung der Schülerinnen und Schüler mit ADHS nicht zielführend und nicht nötig. Bei der Frage, ob ADHS eine Krankheit darstellt oder nicht, muss man eine differenzierte Sichtweise einnehmen. Zwar ist es international als Krankheitsbild anerkannt, jedoch gibt es zahlreiche Studien, die die biologische Nachweisbarkeit von ADHS bezweifeln, beziehungsweise Widersprüche aufzeigen. Es ist sinnvoller eine systemische Sichtweise einzunehmen, wenn man den Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten Jugendlicher auf den Grund gehen möchte. Dabei müssen körperliche Ursachen ebenso betrachtet werden wie das soziale Umfeld in Familie, Freundeskreis, Verein und Schule. Wenn dieser Hintergrund der Lebenswelt bekannt ist, kann es gelingen, Ursachen für bestimmtes Verhalten auszumachen. 4

Im Schulalltag diesen Lebenshintergrund zu erfahren, stellt sich oft als problematisch dar, da Schülerinnen und Schüler diesen meist nicht von allein preisgeben, oder Eltern die Kommunikation verweigern. Andreas Hinz hat in diesem Zusammenhang eine Vorgehensweise entwickelt, die er MAP (Making Action Plan) nennt (Abb. 2) 3. Dieses Kooperationsmodell geht von einzelnen Abschnitten aus, die Schrittweise zusammen gegangen werden, um als Ziel einen Plan für den Weg der Schülerin oder des Schülers zu entwickeln. Ein weiteres Modell von Saskia Schuppener sieht das Einbinden des Umfelds der Schülerin oder des Schülers in das Gespräch vor, um möglichst viele Perspektiven für die Entscheidungsfindung zu haben. Bei diesen Kontaktaufnahmen mit dem Umfeld der Schülerin oder des Schülers ist auch immer ein vorsichtiges Herantasten gefragt, da es schnell zu Grenzüberschreitungen kommen kann. Abbildung 2: MAP Making Action Plan Umfeld/ Bezugsperson Aktuelle Situation Lebensbedürfnisse Förderbedarf Schülerin/ Schüler Aktualität in verschiedenen Entwicklungsbereichen Abbildung 4: Kooperationsmodell nach Schuppener Biographische Aspekte individuelle Kompetenzen persönliche Interessen Paulo Freire (1921 1997) Paulo Freire war ein aus Brasilien stammender Pädagoge der auch Rechtswissenschaften studierte und die Pädagogik der Unterdrückten entwickelte. Er stammte aus einer Mittelschichtfamilie und bekam den Hunger und Niedergang während der Weltwirtschaftskrise mit. 1961 beschäftigte er sich intensiv mit dem Problem der Alphabetisierung in seinem Heimatland und entwickelte einen Ansatz zur Bekämpfung der Analphabetisierung. Im Jahre 3 http://bidok.uibk.ac.at/library/beh4-99-konferenz.html#idp2454544 (27.11.12) 5

1980 wurde Freire zum Erziehungsminister in Sao Paulo ernannt. Mit seiner Alphabetisierungskampagne wollte er die schweigende Mehrheit zum eigenen Handeln veranlassen und so dem einzelnen Menschen die Gelegenheit geben, vom Objekt zum Subjekt der Geschichte zu werden, sich von der Objekt-Person zur Subjekt-Person zu entwickeln. Grundlage für die nächste Sitzung: Freies Menschenbild (Lütjen-Menk 2004) Grundzüge der Pädagogik der Unterdrückten` (Lütjen-Menk 2004) 6