Die betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst Ein Buch mit 7 Siegeln? Hochschule Bochum, 28.4.2015 Peter Neubauer Tarifpolitik Öffentlicher Dienst
Überblick (Betriebliche) Altersversorgung allgemein Zusatzversorgung im öd: Systemwechsel 2001 Warum? Rentennah/Rentenfern? Neues Modell Aktuelle Änderungen Ausstieg zum Nulltarif?! - Gegenwerte Probleme: Biometrie/Rechnungszins Ausblick
(Betriebliche) Altersversorgung - allgemein -
Zweck und Gegenstand der Altersversorgung Soziale Absicherung für die Zeit, in der der Lebensunterhalt nicht mehr (voll) aus Erwerbstätigkeit bestritten werden kann gilt für das Alter (wird ab der gesetzlichen Regelaltersgrenze unterstellt) die Erwerbsminderung den Tod des Arbeitnehmers
Die gesetzliche Rente ist für Arbeitnehmer die wichtigste Quelle ihres Alterseinkommens reicht aber in der Regel für die Lebensstandardsicherung nicht aus deshalb war stets Zusatzversorgung erforderlich siehe betriebliche Versorgungswerke in der Wirtschaft, VBL/ZVK im ÖD, aber auch DGB-UK Lage verschärft sich und Bedarf an BAV nimmt zu. Warum? Gesetzgeber hat Weichen auf ein sinkendes Rentenniveau gestellt: die Nettorenten sinken zusätzlich: Rentenverluste bei vorgezogener Altersrente für langjährig Versicherte grv früher: Lohnersatzfunktion; heute: Basisabsicherung
Gesetzliches Renteniveau (Eckrentner 45 VJ) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 letztes Netto 2000 2001 2030 (?) Rentenniveau: 43 %
Erste Säule Zweite Säule Dritte Säule Gesetzliche Rentenversicherung Betriebliche Altersvorsorge Private Vorsorge
Betriebliche Altersversorgung BAV ist durch das BetrAVG offizieller Bestandteil des Alterssicherungssystems der Bundesrepublik Deutschland Spielt nach der gesetzlichen Rente die wesentlichste Rolle bei der Alterssicherung Zweck: Lebensstandard-Sicherung
Betriebliche Altersversorgung - im öffentlichen Dienst -
Grundlage der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst (ATV / ATV-K) Leistungen sind tarifvertraglich bestimmt Versorgungsverschaffungsanspruch Träger: VBL, ZVK Finanzierung und Eigenbeteiligung ist tarifvertraglich bestimmt Konkretisierung erfolgt durch jeweilige Satzung (unterschiedlich VBL / ZVK)
Betriebliche Altersversorgung Versorgungsverschaffungsanspruch Betrieb Versorgungszusage Arbeitnehmerin Umlagen incl. Eigenanteil Anspruch Leistung Träger ZVK/VBL
Altersvorsorge-Tarifvertrag ATV Abschluss am 1. März 2002 Schließung der Gesamtversorgung zum 31.12.2000 Umstellung auf ein Punktesystem bis 2000 erworbene Anwartschaften in Versorgungspunkte umgerechnet ( Startgutschrift ) Einfrieren des Umlagesatzes bei der VBL (VBL West: 6,45 % Arbeitgeber, 1,41 % Arbeitnehmer KVK: 5,85 % Arbeitgeber, 0,65 % Arbeitnehmer) Defizitdeckung über Sanierungsgelder (vom Arbeitgeber allein zu tragen, steuer- und sozialversicherungsfrei)
Einzelheiten Wartezeit: 60 Monate Leistungszusage: wenn eine Gesamt- Beitragsleistung von 4 % vollständig in ein kaptalgedecktes System eingezahlt würde. Pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente werden Abschläge in Höhe von 0,3% erhoben, höchstens 10,8%. Dynamisierung 1% jährlich am 1.7. Die bis zum 31.12.2001 erworbenen Anwartschaften werden nach Maßgabe besonderer Vorschriften in das Punktemodell überführt.
Das Punktemodell
Die Rentenformel des Punktemodells 1/12 Jahresentgelt wird durch ein Referenzentgelt von 1.000 geteilt Multiplikation mit einem Altersfaktor ergibt Versorgungspunkte Aus (fiktiven) Überschüssen werden Bonuspunkte gewährt Rente = Versorgungspunkte x Messbetrag (4 ) Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme; Zurechnung bei voller Erwerbsminderung
Von den Versorgungspunkten zur Rente 1/12 J-Entgelt Referenzentgelt = Altersfaktor Ergebnis x = Versorgungspunkte Summe der Versorgungspunkte x Messbetrag = Monatliche Betriebsrente
Die Messgrößen im Punktemodell Die Altersfaktorentabelle, das Referenzentgelt (1.000 ) und der Messbetrag (4 ) sind im Tarifvertrag ( 8) festgelegt. Die Altersfaktoren 3,1 [im Alter 17] bis 0,8 [ab Alter 62] berücksichtigen den Zinseffekt. (3,25% / 5,25%) Der Messbetrag (4 ) bestimmt den Wert der Versorgungspunkte. <Der Messbetrag beträgt 0,4% des Referenzentgelts.>
Altersfaktoren 8 ATV / ATV-K x Tab x x Tab x x Tab x x Tab x 17 3,1 29 2,1 41 1,5 53 1,0 18 3,0 30 2,0 42 1,4 54 1,0 19 2,9 31 2,0 43 1,4 55 1,0 20 2,8 32 1,9 44 1,3 56 1,0 21 2,7 33 1,9 45 1,3 57 0,9 22 2,6 34 1,8 46 1,3 58 0,9 23 2,5 35 1,7 47 1,2 59 0,9 24 2,4 36 1,7 48 1,2 60 0,9 25 2,4 37 1,6 49 1,2 61 0,9 26 2,3 38 1,6 50 1,1 62 0,8 27 2,2 39 1,6 51 1,1 63 0,8 28 2,2 40 1,5 52 1,1 64 u. älter 0,8
Konstruktionselemente der Altersfaktorentabelle Beitrag muss (gerade) ausreichen, um alle künftigen Versorgungsleistungen auszufinanzieren Berücksichtigung von Zeitpunkt, Höhe und Wahrscheinlichkeit der Zahlungen Altersgrenze 65 Richttafeln Heubeck 1998 (Sterblichkeit/Invalidität/Verheiratungsrisiko - Hinterbliebene) Verzinsung: 3,25 Anwartschaft (DeckungsrückstellungsVO 2000; derzeit 1,75%) 5,25 Rentenphase Pauschale Einrechnung 2% Verwaltungskosten
Konstruktionselemente der Altersfaktorentabelle Keine Berücksichtigung von: Rentenanpassung: 1 % Abschlägen wegen vorzeitigem Bezug 0,3 % pro Monat, max. 10,8 % Sozialen Komponenten Mutterschutz/Elternzeit Erwerbsunfähigkeit Bonuspunkten
Exkurs :Soziale Komponenten Zusätzliche Leistungen, die nicht aus Beiträgen der Arbeitgeber finanziert werden, sondern aus Überschüssen Elternzeit: Erwerbsminderung: Zurechung aktueller Anspruch heute fikt. 60. Lj
Von den Versorgungspunkten zur Rente Jahresentgelt 12.000 1/12 des Jahresentgelts 1.000 Alter im Zeitpunkt der Beitragsentrichtung 20 Jahre Altersfaktor lt. Tabelle 2,8 Ermittlung der Versorgungspunkte 1.000 (Entgelt) : 1.000 (Referenzentgelt) = 1 1 x 2,8 (Altersfaktor) = 2,80 Versorgungspunkte Ermittlung der Rente 2,80 x 4 (Messbetrag) = 11,20
Beispiel: Berechnung der Betriebsrente Annahmen: Entgelt 2.500 Eintrittsalter 30 Jahre Beschäftigung 10 Jahre Höhe der Anwartschaft auf monatliche Rente nach 10jähriger Beschäftigung im Alter 65 (ohne Bonuspunkte) 44,50 VP x 4 = 178,00 Errechnung der VP: [2.500:1.000 = 2,5] 30 Jahre AF 2,0 x 2,5 = 5,00 VP 31 Jahre AF 2,0 x 2,5 = 5,00 VP 32 Jahre AF 1,9 x 2,5 = 4,75 VP 33 Jahre AF 1,9 x 2,5 = 4,75 VP 34 Jahre AF 1,8 x 2,5 = 4,50 VP 35 Jahre AF 1,7 x 2,5 = 4,25 VP 36 Jahre AF 1,7 x 2,5 = 4,25 VP 37 Jahre AF 1,6 x 2,5 = 4,00 VP 38 Jahre AF 1,6 x 2,5 = 4,00 VP 39 Jahre AF 1,6 x 2,5 = 4,00 VP Summe 44,50VP
Eintritt des Rentenfalls Bei Eintritt des Rentenfalls werden die Versorgungspunkte addiert und mit dem Messbetrag vervielfältigt (Versicherungsnachweise beachten). Das Produkt ist die monatliche Rente. Beispiel: Versorgungspunkte 100 Messbetrag 4 Rentenleistung = 100 x 4 = 400 monatlich. (Bei teilweiser Erwerbsminderung wird nur die Hälfte des Betrages gezahlt!)
Die Finanzierung
Finanzierung der Zusatzversorgung Umlage: dient der Finanzierung der laufenden Leistungen, wird also nicht für die spätere Rentenleistung des Versicherten angespart (Pflicht-)Beitrag: wird in ein kapitalgedecktes System eingezahlt und für die spätere Rentenleistung des Versicherten angespart (wird bei schon kapitalgedeckten Kassen erhoben) Zusatzbeitrag: dient bei gemischtfinanzierten Kassen (Umlage + Zusatzbeitrag) dem Aufbau des Kapitalstocks, um letztendlich die Kasse in eine Kapitaldeckung zu führen. Wird also wie der Pflichtbeitrag für die Versicherten angespart Sanierungsgeld: dient nicht der Finanzierung von Leistungen, sondern deckt den zusätzlichen Finanzierungsbedarf der Kasse ab, der durch die Systemumstellung notwendig wird Eigenbeteiligung: hierdurch werden Beschäftigte an der Finanzierung beteiligt. Eigenbeteiligung ist sowohl an einer Umlage als auch an einem (Zusatz-)Beitrag möglich
Sanierungsgeld
Beitragssätze Umlagefinanzierung VBL West: 6,45 % Arbeitgeber, 2% San-Geld,1,41 % Arbeitnehmer RZVK: 4,25% Arbeitgeber, 3,5 % Sanierungsgeld KZKWestfalen-Lippe:4,5 % Arbeitgeber, 3,0 % Sanierungsgeld Kapitaldeckung KZVK: 4,4 % AG (2011/2012) Abrechnungsverband II BayZVK: 4,8 % RZVK: 4,8 % Mischfinanzierung BayZVK: Stadt Köln: Brandenburg: 4,75 % Umlage, 4,0 % Zusatzbeitrag 5,8 % Umlage, 3,2% Zusatzbeitrag (0,3% AN) 1,1 % Umlage, 4,0 % Kapital, (Problemfall) 2,0% AN (ohne Zuordnung) VBL Ost: je 2,0% AG/AN Kapitaldeckung; 1 % Umlage AG
Beteiligung der Beschäftigten Umlagefinanzierung Wenn bei Systemumstellung bereits Eigenbeitrag erfolgte. Eigenbeitrag bei Umlage über 5,2 % Beiträge zur Zusatzversorgung im Umlageverfahren sind jedoch steuer- und sozialversicherungspflichtig Kapitaldeckung 18 ATV/ATV-K: AG muss Beiträge bis 4,0 % tragen 37a TG Ost: 2001: 0,25 % AN-Anteil ab 2010: 2,0 %
Lebenspartnerschaften Hinterbliebene, die mit Versicherten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gelebt haben, werden bezüglich der Hinterbliebenenabsicherung Witwern und Witwen gleichgestellt.
Neue (?) Probleme: Biometrie und Rechnungszins
Aktuelle Ergebnisse der Tarifverhandlungen mit den Ländern zur betrieblichen Altersversorgung Problemlage: Niedrigzinsphase belastet kapitalgedeckte Systeme. Während der Anwartschaftsphase wird zz. mit einem Zins von 3,25 % gerechnet und in der Rentenphase mit 5,25 %! Bei der betrieblichen Altersversorgung des öffentlichen Dienstes handelt es sich allerdings um ein Umlageverfahren, wie es auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist. Lebenserwartung steigt. Grundlagen der Altersfaktoren haben sich geändert. Bei der Systemumstellung in 2001 wurden so genannte Sterbetafeln aus 1998 verwendet. Seit dem ist die durchschnittliche Lebenserwartung um knapp 2 Jahre gestiegen, d.h. Betriebsrenten müssen für einen längeren Zeitraum gezahlt werden.
Tarifverhandlungen mit den Ländern im Jahre 2015 Die Arbeitgeber verlangten vor Aufnahme der Tarifverhandlungen massive Einschnitte ins so genannte Leistungsrecht (Kürzung der Betriebsrenten). Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag wäre dadurch für neu eingestellte Beschäftigte um rund 20 Prozent gesunken. Die geltenden Altersversorgungstarifverträge (ATV für die VBL und ATV-K für die kommunalen Zusatzversorgungskassen) haben die Arbeitgeber zwar nicht gekündigt, aber die TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) wollte ein Angebot zur Tabellenerhöhung nur abgeben, wenn eine Einigung in der Frage der Zusatzversorgung bei der VBL erzielt wird.
Ergebnis der Tarifverhandlungen: Mit der Tarifeinigung wird die Zusatzversorgung bei der VBL durch zusätzliche Finanzierungsbeiträge der Beschäftigten und der Arbeitgeber gesichert, ohne dass in das Leistungsrecht der VBL eingegriffen wird. Sie gelten nur für die Beschäftigten im Bereich der TdL und werden durch einen eigenständigen Zusatztarifvertrag zum Altersversorgungstarifvertrag ATV umgesetzt. Im umlagefinanzierten Abrechnungsverband West der VBL wird von den Beschäftigten neben dem bisherigen Eigenbeitrag zur Umlage von 1,41 Prozent des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts ein zusätzlicher Arbeitnehmerbeitrag zur Umlage erhoben. Er wird zu-nächst angespart und dient dem Ziel, die biometrischen Risiken, d.h. die Mehraufwendungen der VBL aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung, teilweise abzudecken.
Der Zusatzbeitrag beträgt ab 1. Juli 2015 0,2 Prozent, ab 1. Juli 2016 0,3 Prozent und ab 1. Juli 2017 0,4 Prozent des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Neben den Zusatzbeiträgen der Beschäftigten tragen auch die Arbeitgeber grundsätzlich paritätisch ebenfalls durch zusätzliche Finanzierungsbeiträge zur Stabilisierung der Zusatzversorgung bei der VBL bei. Sie betragen im Abrechnungsverband West der VBL 6,45 bis zu 6,85 Prozent des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (wird in der VBL-Satzung fixiert). Durch diese Regelungen wird auch ausgeschlossen, dass die Arbeitgeber die zusätzlichen Beiträge der Beschäftigten zur Absenkung ihrer Beiträge missbrauchen können. Um den Kompromiss zur Stabilisierung der Zusatzversorgung für einen langen Zeitraum abzusichern, wurde vereinbart, dass der Altersversorgungstarifvertrag (ATV) für den Bereich der TdL frühestens zum 31. Dezember 2024 mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden kann.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!