Bewertungsfragen gemäss FER 26: Schwankungsreserven Amt für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht des Kantons Bern: BVG-Seminar 2005 Dr. Andreas Reichlin, Partner PPCmetrics AG Financial Consulting, Controlling & Research Herbst 2005
2 Inhalt Seite(n) Grundlagen 3-7 Berechnungsmethoden 8-18 Problematik 19-25
3 Schwankungsreserven: Ausgangslage BVV 2 Art. 47 und 48 Jahresrechnung und Bewertung gemäss Swiss GAAP FER 26 Art. 48e Regeln zur Bildung von Rückstellungen und Reserven festlegen; Grundsatz der Stetigkeit beachten. Art. 49a und 50 Schwankungsreserve als Instrument der finanziellen Führung. Swiss GAAP FER 26 Ziff. 15.4 Bestimmung der notwendigen Schwankungsreserven basiert auf finanzökonomischen Überlegungen und aktuellen Gegebenheiten.
4 Schwankungsreserven: Grundlagen (1) Vorsorgeeinrichtungen besitzen meist fixe Verpflichtungen, deren Nominalwert garantiert ist. Die BVG-Guthaben müssen pro Jahr zum BVG-Zinssatz verzinst werden. Die Deckungskapitalien werden mit einem technischen Zins berechnet. Anlagerisiken haben zur Folge, dass die Vermögensrendite in einem gegebenen Jahr unter dem BVG-Zinssatz bzw. dem technischen Zinssatz liegt resp. sogar negativ sein kann. Vorsorgeeinrichtungen müssen unter einer Fortführungsoptik dieses Risiko abfedern können resp. eine Anlagestrategie verfolgen, welche ihnen den BVG-Zinssatz bzw. den technischen Zins mit hinreichend grosser Wahrscheinlichkeit gewährleistet. Abfederungsmasse = Schwankungsreserven
Schwankungsreserven: Grundlagen (2) Rendite Obligation (10 Jahre) BVG Mindestzins Technischer Zins (4%) 6.00% 5.00% 4.00% 3.00% 2.00% 1.00% 0.00% 5 Dez 94 Jun 95 Dez 95 Jun 96 Dez 96 Jun 97 Dez 97 Jun 98 Dez 98 Jun 99 Dez 99 Jun 00 Dez 00 Jun 01 Dez 01 Jun 02 Dez 02 Jun 03 Dez 03 Jun 04 Dez 04 Jun 05 Rendite
6 Schwankungsreserven in Bilanz: Offen passiviert (Swiss GAAP FER 26) Vermögen zum Marktwert Vorsorgekapital offene WSR
7 Schwankungsreserven in % der Verpflichtungen In diesem Beispiel 15% Vermögen zum Marktwert 115 Verpflichtungen 100 WSR 15
8 Methoden zur Bestimmung der Höhe der Schwankungsreserven Praktikermethode (Pauschalreserven) Finanzökonomische Methode (VaR) Garantiekosten
9 Praktikermethode (1) Reserven in %-Punkten pro Anlagekategorie Beispiel: Anlagekategorie A Anlagestrategie B Kursschwankungsreserve in % der Anlagekategorie C = A x B Kursschwankungsreserve in % des Vermögen Obligationen CHF 40% 7.5% 3.0% Obligationen Fremdwährung 10% 10.0% 1.0% Aktien Schweiz 15% 20.0% 3.0% Aktien Ausland 15% 25.0% 3.8% Hypotheken 5% 2.5% 0.1% Immobilien 15% 10.0% 1.5% Total 100% 12.4% In Mio. CHF 500 61.9
10 Praktikermethode (2) Vorteile Einfaches Verfahren Nachteile Fokussierung auf die Aktivseite Keine Berücksichtigung von Diversifikationseffekten Zersplitterung der Reserven Fazit Möglich, aber nicht state of the art
11 Finanzökonomische Methode Ziel Ausgleich von Wertschwankungen der Aktivseite und Gewährleistung der notwendigen Verzinsung der Verpflichtungen Berechnung Value at Risk der Anlagestrategie im Rahmen des Asset & Liability Managements Resultat Zielgrösse für Schwankungsreserve in Prozenten der Verpflichtungen
12 Finanzökonomische Methode: Vorgehen Bei der finanzökonomischen Methode wird... anhand der Rendite- und Risikoeigenschaften der Anlagestrategie die Schwankungsreserve ermittelt, welche mit hinreichender Sicherheit die geforderte Minimalverzinsung der Verpflichtungen über einen bestimmten Zeithorizont gewährleistet. Vorgehen Rendite, Risiko und Korrelationen der Anlagekategorien schätzen. Geforderte Mindestrendite definieren. Verlangtes Sicherheitsniveau definieren. Anlagezeithorizont definieren.
13 Finanzökonomische Methode: Beispiel Anlagekategorie Strategie Obligationen CHF 40.0% Hypotheken 5.0% Obligationen Welt 10.0% Aktien Schweiz 15.0% Aktien Welt 15.0% Immobilien Schweiz 15.0% Total 100.0% Erwartete Rendite p.a. 4.46% Volatilität = Risiko 6.48% Schwankungsbreite der Jahres-Rendite min. 12.8% in 9 von 10 Jahren (97.5% Vertrauensintervall) max. -8.2% Schwankungsreserve zur Sicherstellung von Minimalrendite 2.90% mit einer Sicherheit von 95.0% 9.6% mit einer Sicherheit von 97.5% 11.9% mit einer Sicherheit von 99.0% 14.5% Schwankungsreserve zur Sicherstellung von Minimalrendite 4.50% mit einer Sicherheit von 95.0% 11.3% mit einer Sicherheit von 97.5% 13.6% mit einer Sicherheit von 99.0% 16.3% Beispiel: Renditeannahmen Obligationen CHF: 3% Obligationen Welt: 3.5% Aktien Schweiz: 7% Aktien Welt: 7.25% Hypotheken: 3.5% Immobilien: 4% Interpretation: Falls WSR = 11.9%, sind negative Renditen bis -8.2% über ein Jahr tolerierbar, ohne dass Minimalverzinsung verfehlt wird. Wahrscheinlichkeit, dass Rendite > -8.2% = 97.5%
14 Der Bedarf an Schwankungsreserven ist umso grösser, je... kleiner das Renditepotential der Anlagestrategie ist. grösser die Schwankungsrisiken der Anlagestrategie sind. grösser die notwendige Mindestrendite ist. grösser das Sicherheitsniveau ist. länger der Zeithorizont ist.
15 Finanzökonomische Methode: Fazit Vorteile Diversifikationseffekte berücksichtigt Basiert auf dem sog. Value at Risk (VaR) Integraler Bestandteil einer A&L-Analyse Nachteile Komplexität Sensitiv bzgl. der Annahmen Fazit Empfohlen, state of the art
16 Weitere Methode: Garantiekosten (1) Beispiel: Die Pensionskasse muss Verpflichtungen bzw. deren Verzinsung mit 4% garantieren. Wie gross sind die Kosten dieser Garantie? Die Garantiekosten sind abhängig von Zielrendite aktuellem Zinsniveau Risiko der Anlagestrategie Zeithorizont Wachstum der Verbindlichkeiten
17 Weitere Methode: Garantiekosten (2) Anwendung Berechnung des Wertes der Staatsgarantie bei einer öffentlichrechtlichen PK Grundsätzlich für alle PK s einsetzbar Ergebnisse sind ähnlich wie bei der finanzökonomischen Methode. Vorteile Weniger Annahmen notwendig (u.a. keine Renditeannahmen) Nachteile Komplexität (Optionsbewertungsmodelle), Zeithorizont
18 Methoden für Schwankungsreserven Fazit Die ersten beiden Methoden sind weit verbreitet. Das Garantiekosten-Modell im Einzelfall im Einsatz Konstanz bei Methode und Politik für Schwankungsreserven Bildung Schwankungsreserven im Anlagereglement regeln.
19 Problematik Schwankungsreserven (1) Die Berechnungen basieren auf Annahmen über die erwartete Rendite, die damit verbundene Volatilität und die Korrelationen unter den Anlagen. Weitergehende Risiken, beispielsweise Liquiditätsrisiken, werden meist nicht berücksichtigt. Sicherheitsniveau festlegen: 95% bis 99% Stressszenarien einbauen und testen!
20 Problematik Schwankungsreserven (2) Nur für 1 Jahreszeithorizont berechnet. Beispiel: Rendite 6%, Volatilität 8.25%, Sicherheitsniveau 97.5%, Mindestzins 4% Bedarf WSR über 1 Jahr: 15% Bedarf WSR über 2 Jahre: 21% Bedarf WSR über 3 Jahre: 25% Bedarf WSR über 4 Jahre: 27% Bedarf WSR über 5 Jahre: 30%
21 Problematik Schwankungsreserven (3) A B Schwankungsreserven: 10% 10% Aktuelles Zinsniveau: 1% 4% Technischer Zins: 4% 4% Differenz aktuelles Zinsniveau technischer Zins / BVG-Zins berücksichtigen.
Problematik Schwankungsreserven (4) Klassische vs. kapitalmarktbasierte Analyse Technischer und Ökonomischer Deckungsgrad 120% 115% Risikofähigkeit stabil? Deckungsgrad >100% Das Schlimmste überstanden? 110% 105% 100% 95% 90% 85% Rendite 1999: 7.7% Ausschütten oder Reserven äufnen? 80% 75% Dez 98 Mrz 99 Jun 99 Sep 99 Dez 99 Mrz 00 Jun 00 Sep 00 Dez 00 Mrz 01 Jun 01 Sep 01 Dez 01 Mrz 02 Jun 02 Sep 02 Dez 02 Mrz 03 Jun 03 Sep 03 Dez 03 Mrz 04 Jun 04 Sep 04 Dez 04 Mrz 05 Jun 05 Sep 05 Ökonomischer Deckungsgrad Technischer Deckungsgrad 22
23 Problematik Schwankungsreserven (5) Wie realistisch ist es, dass die Schwankungsreserven in den nächsten Jahren aufgebaut werden können? Anlagestrategie - Minimalrendite 4%, Aktienanteil 28% 75.00% Optimistisch Erwartet Pessimistisch 50.00% 25.00% 0.00% 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015-25.00% -50.00%
24 Problematik Schwankungsreserven (6) Problemkreis Schwankungsreserven und Teilliquidation Gesetzgeber Im Prinzip Weitergabe, wenn Kollektivaustritt aber nicht zwingend bei Weitergabe der Aktiven in Form liquider Mittel Ökonomie Weitergabe zwingend
25 Problematik Schwankungsreserven (7) Aber: Austretender Versichertenbestand muss nicht dem Durchschnitt aller Versicherten entsprechen (bspw. Rentner bleiben). Sind alle Verpflichtungen ökonomisch korrekt bewertet? Risikofähigkeit der beiden Populationen unterscheiden sich andere Bedürfnisse bezüglich Schwankungsreserven. Aber: Besondere Anlagerisiken verbleiben oft bei abgebender Pensionskasse (insbesondere Liquiditätsrisiken, Immobilien, Private Equity). Ökonomisch korrekte Lösung anspruchsvoll.