2. Systematische Darstellung des bisherigen Prozessablaufs der papierbasierten Rechnungsbearbeitung 2.1 Prozesse des Rechnungsstellers In der Regel werden heutzutage Rechnungen über Enterprise Resource Planning Systems (ERP- System) erstellt. 1 Sie unterstützen eine große Bandbreite betriebswirtschaftlicher Geschäftsprozesse, wie Produktion, Vertrieb und Rechnungswesen. Kundendaten, wie Name und Anschrift, sowie Leistungsdaten, wie Artikelnummer, werden in spezialisierten Datenbanken abgelegt und verwaltet. Über das ERP- System werden die Rechnungsdaten erfasst und individuell, aber an gesetzliche Gegebenheiten angepasst, aufgesetzt und gedruckt. 2 Anschließend wird die erstellte Rechnung archiviert, was in elektronischer, als auch in Papierform erfolgen kann. 3 Hervorzuheben ist, dass die Prozesse des Rechnungsstellers von entscheidender Bedeutung sind, da hier bereits wesentliche Bedingungen für die Komplexität der Rechnungsbearbeitung beim Empfänger festgelegt werden. 4 Eine hohe Datenqualität unterstützt hierbei eine reibungslose Rechnungsprüfung und mindert das Risiko zeit- und kostenintensiver Klärungsvorgänge. Um die Authentizität und Unversehrtheit des Absenders von elektronischen Rechnungen zu gewährleisten, wird die gedruckte Rechnung handschriftlich signiert. Dies ist des Weiteren auch Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Vorsteuerabzug. Es ist nach 15, 15a UStG das Recht eines Unternehmers, von seiner Umsatzsteuerschuld die an Vorunternehmer oder Eingangszollstellen bzw. Finanzämter entrichtete Umsatzsteuer abzuziehen. 5 Je nach Unternehmensgröße, folgt abschließend in der Poststelle der zeitintensive Prozess des Falzens, Kuvertierens und Frankierens. Der Detaillierungsgrad der Prozessaufschlüsselung kann nach Belieben weiter fortgeführt werden. In der folgenden Ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK), werden die wichtigsten Prozesse grafisch modelliert. 1 Vgl. (Hühnlein & Korte, Grundlagen der elektronischen Signatur : Recht, Technik, Anwendung, 2006), S. 103 2 Vgl. 14 und 14a (UStG) 3 Vgl. (Hühnlein & Korte, Grundlagen der elektronischen Signatur : Recht, Technik, Anwendung, 2006), S.104 4 Siehe (Schömburg, 2011), S. 14 5 Siehe (Gabler Verlag (Herausgeber), 2011) 3
Abbildung 1: Prozesse bei papierbasierter Rechnungsstellung, ( Quelle: Eigene Darstellung ) 2.2 Prozesse des Rechnungsempfängers Nach einer Befragung der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover aus dem Jahr 2008, haben 87% der 50 befragten Unternehmen ihre Rechnungen per Post empfangen 6. Im Gegensatz zur Rechnungsstellung durchläuft eine eingegangene Rechnung ein breiteres Spektrum an Prozessen mit einem hohen Anteil manueller Prozessschritte. Generell folgt der Rechnungsempfang den folgenden Schritten 7 1. Rechnung erfassen & buchen 5. Zahlung verbuchen 2. Rechnung prüfen 6. Archivieren 3. Zahlung freigeben 4. Zahlung abwickeln 6 Vgl. (Schömburg, Hoppen, & Breitner, 2008), S. 25 7 Vgl. (Spann & Pfaff), S. 2 4
Bei der Rechnungserfassung ergeben sich mehrere Möglichkeiten, die sich im Automatisierungsgrad der Weiterverarbeitung unterscheiden. 2008 wurden 55% aller eingegangenen Rechnungen per Hand manuell erfasst und in ein ERP- System eingegeben. 8 Mit einem OCR- Scan, dem automatischen Erkennen gedruckter Zeichen mit Hilfe optischer Abtastung 9, können Rechnungsdaten automatisch in digitale Textdokumente umgewandelt werden und ersparen den zeitintensiven Prozess der manuellen Eingabe. Allerdings müssen die eingelesenen Dokumente anschließend noch einmal manuell auf Fehler kontrolliert werden, bevor die Daten in ein angeschlossenes EDV-System eingelesen und zur Buchung freigegeben werden können. 10 Die Zahlungsfreigabe ist aus Sicherheitsgründen, je nach Rechnungshöhe an bestimmte Personen gebunden, welches häufig durch das Vier bzw. Sechs Augenprinzip umgesetzt wird 11. Die weitere Zahlungsabwicklung unterscheidet sich nicht von der elektronischen Rechnungsverarbeitung, da hier bereits vollständig mit digitalisierten Daten gearbeitet wird. Anzumerken ist, dass zu Beginn der papiergebundenen Rechnungserstellung, wie auch am Endpunkt des Rechnungsempfangs, die Daten in digitaler Form vorliegen. Die abschließende Archivierung kann in elektronischer oder in Papierform erfolgen. 12 Die elektronische Vorgehensweise unterscheidet sich im Zeitpunkt des Scannens. Bei der späten Archivierung durchläuft eine Rechnung den Gesamtprozess zunächst noch in Papierform, bis zur Archivierung, bei der sie gescannt und revisionssicher digitalisiert wird. 13 Analog wird bei der,,frühen Archivierung der Digitalisierungsprozess bereits bei Rechnungseingang vollzogen. Für die elektronische, wie auch für die papiergebundene Version, gelten dieselben rechtlichen Regelungen zur 10- jährigen Aufbewahrungsfrist und sicheren Verwahrung 14. Zur grafischen Veranschaulichung ist der Rechnungsempfang abschließend als EPK dargestellt. 8 Vgl. (Schömburg, Hoppen, & Breitner, 2008), S. 25 9 Vgl. (OCR- Systeme GmbH, 2011) 10 Vgl. (Schömburg & Breitner, 2008), S. 25 11 Vgl. (Schömburg & Breitner, 2008), S. 8 12 Vgl. (Hühnlein, 2006), S. 4 13 Vgl. (Richter-von Hage & Wolffried, 2004), S. 175 14 Siehe 239, 257 (HGB, 2011) 5
Abbildung 2: Prozesse bei papierbasiertem Rechnungseingang, ( Quelle: Eigene Darstellung ) 6
2.3 Bewertung Unternehmen, die heute mit der papierbasierten Rechnungsverarbeitung arbeiten, haben den Ablauf der dortigen Geschäftsprozesse weitgehend optimiert. Ein höherer Automatisierungsgrad lässt sich vor allem durch die resultierenden Medienbrüche nicht umsetzten. So dauert in einem durchschnittlichen Unternehmen die Bearbeitung einer Rechnung von der Erstellung bis zur Zahlungsfreigabe bis zu 12 Tagen 15. Mal abgesehen von dem zeitlichen Aufwand des Kuvertieren, Druckens und Versendens, entstehen dabei nicht zu verachtende Kosten pro Rechnung die zwischen circa 4 Euro bis über 30 Euro tendieren. 16 Ein Nachweis der erfolgten Zustellung ist nur durch kostenaufwändige Zusatzleistungen, wie Einschreiben möglich. Auf Seiten des Rechnungsempfängers werden zusätzliche Mitarbeiterkapazitäten notwendig, um die Daten der Papierrechnung in das EDV- System zu übernehmen bzw. eingescannte OCR- Daten zu kontrollieren. Dennoch ist dieser manuelle Übernahmeprozess stark fehleranfällig. So gehen allein 0,5 % aller Papierrechnungen bei der Bearbeitung verloren. 17 Durch Nachforderungen ausgelöste Verzögerungen, können eventuelle Skonti Vergünstigungen nicht wahrgenommen werden. Weiterhin gestaltet sich eine papierbasierte Archivierung langfristig sehr aufwendig. Dies gilt insbesondere im Falle von Reklamationen und Prüfungen der internen Revision oder externen Finanzverwaltung, welche i. d. R. Eine zeitaufwendige Recherche erfordern. 18 Es lässt sich mithin festhalten, dass papierbasierte Rechnungsverarbeitung auf Seiten des Rechnungsstellers, wie auch Empfängers, weitreichende Ineffizienzen aufweist, die sich in erster Linie in den Durchlaufzeiten und Kosten widerspiegeln. Dies erschwert es Unternehmen im internationalen Wettbewerb und dem daraus resultierenden Kostendruck konkurrenzfähig zu bleiben. 15 Vgl. (Spann & Pfaff), S. 3 16 Vgl. (Breitner & Schömburg, 2011) 17 Vgl. (Schömburg & Breitner, 2008) 18 Siehe (Spann & Paff, 2001), S. 509 7