KSI. Krisen-, Sanierungsund. Insolvenzberatung Wirtschaft Recht Steuern. 9. Jahrgang November/Dezember 2013 Seiten 249 292. www.ksidigital.



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69037 06. 9. Jahrgang November/Dezember 2013 Seiten 249 292 www.ksidigital.de Herausgeber: Peter Depré, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator (cvm), Fachanwalt für Insolvenzrecht Dr. Lutz Mackebrandt, Unternehmensberater, Präsidiumsmitglied des BDU WP/StB Gerald Schwamberger, Vizepräsident der StBK Niedersachsen Herausgeberbeirat: Heinrich Dreyer, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsbeistand, Hannover Prof. Dr. Paul J. Groß, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln 13 KSI Krisen-, Sanierungsund Insolvenzberatung Wirtschaft Recht Steuern Strategien Analysen Empfehlungen Lizenziert für Herrn Prof. Dr. Diethard B. Simmert. Die Erkennbarkeit der Strategiekrise durch Organe der Kapitalgesellschaft und den Abschlussprüfer [Dr. Harald Krehl, 253] Insolvenzabhängige Lösungsklauseln im Visier des BGH [Tom Braegelmann, 259] Die Rechtsschutzversicherung des Schuldners im Insolvenzverfahren [Dr. Oliver Jenal / Heiko Schönsiegel, 264] WP/StB Prof. Dr. H.-Michael Korth, Präsident des StBV Niedersachsen/Sachsen- Anhalt e.v. Prof. Dr. Harald Krehl, DATEV eg, Nürnberg Prof. Dr. Jens Leker, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Rektor der Handelshochschule Leipzig (HHL) Dr. Wolfgang Schröder, Rechtsanwalt und Notar, Berlin Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Richter a. D., Honorarprofessor an der Universität zu Köln Udo Wittler, Vorstandsvorsitzender BAG Bankaktiengesellschaft, Hamm Praxisforum Fallstudien Arbeitshilfen Beilage Das neue Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung [Carmen Mausbach, 270] Der vorläufige Gläubigerausschuss ein Praxisbericht [Arnd Schienstock / Nicole Mentzer, 274] Möglichkeiten der Beschaffung von Eigenkapital zur Wachstumsfinanzierung [Prof. Dr. Diethard B. Simmert / Mark Niggemann, 278] Nachgefragt: ESUG-Instrumente in der Kritik zu Recht? [282] Jahresinhaltsverzeichnis 2013

KSI 6/13 278 Beschaffung von Eigenkapital Im Rahmen der globalen Wirtschaftskrise 2009 mussten Unternehmen z.t. dramati sche Auftragseingangs- und Umsatzrückgänge hinnehmen. Eine kurzfristige Anpassung der Kapazitäten ist in vielen Fällen nicht möglich gewesen. Die Folge waren hohe Verluste, die die Eigenkapitalquote in den Unternehmen deutlich reduzierten. Wachstum im Anschluss an Krisen führt i. d. R. zu großen Finanzierungsproblemen. Die Unternehmen erhalten aufgrund der ungünstigen Ergebnisund Vermögenssituation häufig kein zusätzliches Fremdkapital für die Finanzierung des Umlaufvermögens. Mögliches Wachstumspotenzial kann nicht umgesetzt werden. Instrumente zur Beschaffung von Eigenkapital für die Wachstumsfinanzierung Praxiserfahrungen zum Einsatz zwecks Krisenprävention und Krisenaufarbeitung Prof. Dr. Diethard B. Simmert / Mark Niggemann* Geschäftsrisiko: Das Risiko, welches sich aus der laufenden Geschäftstätigkeit ergibt, setzt den Rahmen für die Kapitalstrukturentscheidung. Lebenszyklus des Unternehmens: Je nach Lebenszyklus des Unternehmens stehen unterschiedliche Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung zur Verfügung. Unterschieden wird zwischen den einzelnen Fi nanzierungsphasen Early Stage, Expansion und Late Stage. Leverage-Effekt: Der Leverage-Effekt unterstellt, dass die Eigenkapitalverzinsung im Unternehmen höher ist als die Rate, die für Fremdkapital gezahlt werden muss. Wird daher Eigenkapital durch Fremdkapital ersetzt, erhöht sich die Eigenkapinicht nur zu verschärften Bedingungen im ohnehin schon krisengeprägtem Unter nehmens umfeld, sondern kann letztendlich auch für viele gesunde Unternehmen den erneuten Beginn einer Unternehmenskrise bedeuten. 2. Grundsätzliche Aspekte im Zusammenhang mit Eigenkapitalstrategien Immerhin 19,7 % der Unternehmen meldeten einen restriktiven Zugang zu Bankkrediten laut dem ifo Konjunkturtest im September 2013 (s. Abb. 1). Die zusätzliche Mittelbindung in den Vorräten und Forderungen, die für eine Umsatzausweitung erforderlich ist, kann insbeson- dere nach einer überstandenen Unternehmenskrise letztlich nur durch Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel finanziert werden. Grundsätzlich stellt sich die Frage, welche Eigenkapitalstrategie verfolgt wird. Ziele wie Liquidität, Unabhängigkeit, Flexibilität und Kapitalkosten stehen häufig im Gegensatz zueinander. Maßnahmen, die z. B. die Erhöhung der Liquidität zur Folge haben, können sich negativ auf die Höhe der Kapitalkosten auswirken. Somit muss jeder Unternehmer für sich entscheiden, welche Aspekte für ihn von Wichtigkeit sind. Die nachfolgend erläuterten Aspekte sind für die Eigenkapitalstrategie von besonderer Bedeutung: 1. Einführung Kreditinstitute sind in ihrer Kreditvergabe deutlich restriktiver geworden als dies vor 2009 der Fall war. Grund hierfür sind auch die Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel III). Danach werden die Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute wesentlich erhöht. Diese Anforderungen werden dazu führen, dass die Risiko-Aktiva bei einzelnen Banken in nennenswertem Umfang abgebaut werden müssen. Die Folge wird sein, dass sich die Kreditinstitute in erster Linie auf Kreditnehmer mit guter Bonität konzentrieren. Unternehmen mit ungünstigem Rating werden es schwerer haben, überhaupt Fremdkapital aufzunehmen. Wenn dies trotzdem gelingt, werden die Konditionen ungünstig sein. Dies führt * Prof. Dr. Diethard B. Simmert ist Studiengangsleiter Corporate Finance an der International School of Management (ISM), Dortmund; Mark Niggemann ist Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Wirtschaftsberatung (IfW) in Meinerzhagen. Kredithürde Gewerbliche Wirtschaft Anteil in %* ifo Konjunkturtest September 2013 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 * Anteil der Unternehmen, die angeben, die Kreditvergabe sei restriktitiv. Quelle: ifo Konjunkturtest. 27/09/2013 Abb. 1: Restriktiverer Zugang zu Bankkrediten

Beschaffung von Eigenkapital KSI 6/13 279 talrentabilität. Dieser Aspekt führt zu einer höheren Verschuldung. Steuer-Effekt: Die Rendite für das Eigenkapital ermittelt sich aus dem Jahresüberschuss, also nach Steuern, im Verhältnis zum Eigenkapital. Die Kosten für Fremdkapital (Zinsen) sind als Betriebsaufwand steuerlich absetzbar. Zu beachten ist bei der Abzugsfähigkeit, ob die Zinsaufwendungen teilweise dem Abzugsverbot nach der sog. Zinsschranke unterliegen. Die grundsätzliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen spricht für einen höheren Fremdkapitalanteil. Flexibilitätsgewinn und -verlust: Unternehmen mit hohen Eigenkapitalquoten haben i. d. R. kein Problem, zusätzliche Fi nanzierungsmittel aufzunehmen, um Marktchancen zu nutzen. Das Unternehmen kann somit flexibel auf sich bietende Chancen reagieren. Bei Unternehmen mit einer geringen Eigenkapitalquote sind die Möglichkeiten, neue Finanzierungsmittel aufzunehmen, nur sehr eingeschränkt vorhanden. Bonität/Ratingeinstufung: Hohe Eigenkapitalquoten und positive Ergebnisse führen zu einer hohen Bonität und einem guten Rating. Dies wiederum führt zu günstigen Konditionen bei der Aufnahme von Fremdkapital. Insolvenzkosten-Effekt: Das Insolvenzrisiko hoch verschuldeter Unternehmen ist deutlich größer als bei Unternehmen mit hohen Eigenkapitalquoten. Die Erhöhung des Eigenkapitals führt in einem ersten Schritt dazu, dass sich wesentliche Kennzahlen für das Unternehmens rating deutlich verbessern und eine banken unabhängige Finanzierungsstruktur ermög lichen. Das potenzielle Risiko einer finanzwirtschaftlich getriebenen Krise wird hier durch reduziert. Gelingt hierdurch das geplante ertragreiche Wachs tum, stehen in der Folge auch wieder Fremdfinanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung, um weiteres Wachstum zu finan zieren. Eine hohe Eigenkapitalausstattung hat somit eine große Bedeutung, wie in Abb. 2 anhand der dort aufgeführten Einzelheiten für vier Bereiche veranschaulicht ist. 3. Instrumente zur Beeinflussung der Eigenkapitalquote Die Möglichkeiten, das Eigenkapital zu erhöhen und somit insbesondere auch einer Optimale Finanzierungsstruktur Eigenkapital bildet die Basis für Fremdkapitalaufnahme Bilanzstrukturmanagement Sicherung der Unternehmensentwicklung Haftungsbasis Verlustausgleichspolster Quelle: Schulte, C., Corporate Finance, 2006, S. 89 Abb. 2: Eigenkapitalfinanzierung als Grundlage unternehmerischer Entwicklungswege potenziellen oder latenten finanzwirtschaftlichen Unternehmenskrise vorzubeugen, sind vielfältig. Abb. 3 zeigt die Instrumente, die je nach Unternehmenssituation verfügbar sind. Bei den Möglichkeiten der indirekten Eigenkapitalerhöhung handelt es sich i. d. R. um die Optimierung betrieblicher Abläufe und Strukturen. Eine unmittelbare Kapitalzuführung erfolgt nicht. Die Maßnahmen wirken eher mittel- bis langfristig. Eine Veränderung in der Gesellschafterstruktur ergibt sich ebenso nicht. Derartige Gestaltungen werden auch als Bilanzsummenmanagement bezeichnet und führen zu einer Erhöhung der Liquidität und Verbesserung wesentlicher Kennzahlen wie Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad. Erfolgt eine direkte Mittelzuführung im Wege einer Kapitalerhöhung, ergibt sich mit Erhöhung der EK-Quote Indirekte Erhöhung Direkte Erhöhung Ziel Angemessene Eigenkapitalausstattung Abb. 3: Instrumente zur Beeinflussung der Eigenkapitalquote Basis für Wachstum und Innovation Chancenkapital Solide Eigenkapitalquote Dauerhafte Stabilität (Stakeholder Value) Höhere Bonität für Marktpartner (z. B. Lieferanten, Kunden und Banken) Liquiditätsschonung in Verlustjahren Ausnahme von Mezzanine-Finanzierungen eine Veränderung der Gesellschafterstruktur. Die sich mit dem(n) neuen Gesellschafter(n) ergebenden Auswirkungen können je nach Interessen und Motiven bei den potenziellen Beteiligungsinteressenten individuell sehr unterschiedlich sein. 4. Alternativen der Kapitalzuführung im Wege von Beteiligungen 4.1 Grundsätzliche Fragestellungen Welcher Partner für eine Beteiligung geeignet ist, hängt letztlich von den Überlegungen der Altgesellschafter ab. Die Ziele, die durch eine Kapitalerhöhung erreicht werden sollen, müssen im Vorfeld festgelegt und sodann auch entsprechend kommuniziert werden. Dabei stehen beispielsweise folgende Überlegungen an: Bilanzsummenmanagement Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens Sale-and-lease-back für Anlagevermögen Vorratsabbau durch Debitorenmanagement Vorderungsabbau durch Debitorenmanagement Off-Balance-Finanzierungen, z. B. für Patente, Markenrechte, Projekte Verkauf von Geschäftsbereichen oder Beteiligungen Leasing/Mietkauf Factoring/Forfaitierung Asset Backed Securities Einlage der Gesellschafter Gesellschafterdarlehen Thesaurierung von Gewinnen Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung Führungskräftebeteiligung Finanzinvestor (Private, Beteiligungsgesellschaften) strategische Partner Börsengang (IPO) Mezzanine-Kapital (Nachrangdarlehen, typisch und atypisch stille Beteiligung, Genussrecht, Wandel-/Optionsanleihe)

KSI 6/13 280 Beschaffung von Eigenkapital Wertschöpfung MaWi Logistik Verwaltung F & E Abb. 4: Realisierung von Zusatznutzen In welchem Umfang soll ein neuer Gesellschafter mit aufgenommen werden? Kann ein neuer Gesellschafter lediglich eine Interessens- oder Minderheitsbeteiligung übernehmen oder besteht die Bereitschaft zu einer Mehrheitsbeteiligung bzw. einer qualifizierten Mehrheit oder soll auch der Verkauf des gesamten Unternehmens in Betracht gezogen werden? In welcher Höhe ist eine Kapitalerhöhung erforderlich, damit die gewünschten Ziele erreicht werden können? Entspricht diese Größenordnung der vorab definierten Beteiligungshöhe? Diese Frage kann letztlich nur gemeinschaftlich mit dem neuen Gesellschafter gelöst werden und setzt voraus, dass über die Unternehmensbewertung Einigkeit erzielt wird. Anders ist die Situation, wenn anstatt einer Kapitalerhöhung die Aufnahme von Mezzanine- Kapital erfolgt. In diesem Fall bedarf es nicht der häufig schwierigen Diskussion über den Unternehmenswert. Soll einem neuen Gesellschafter auch die Möglichkeit geboten werden, operative Funktionen wahrzunehmen oder zumindest in operative Entscheidungen eingebunden zu werden? Je nach Zielsetzung bieten sich unterschiedliche Partner an, deren Interessenlagen nachfolgend skizziert werden. 4.2 Finanzinvestoren Finanzinvestoren haben als Primärziel die Wertsteigerung und Renditemaximierung. Ansatzpunkte für strategische Beteiligungen Markt Marktanteil (Erweiterung) Vertriebskanäle Produktionsprozesse Qualitätsmanagement Kundenstammbindung Marke (Attraktivität) Strategischer Ansatz Zusatznutzen und Synergie Technologie Umfass. Produktsortiment Know-how- Vorsprung Patentschutz Time-to-Market (Verkürzung) Kompatibilität Problemlösungsfähigkeit Personal Qualifizierte Mitarbeiter langjähr. Branchen-Know-how Führungsqualifikation Entwicklungspotenzial Motivation und Loyalität I. d. R. erfolgt keine Einmischung in das operative Geschäft. Eine Kontrolle der Beteiligung erfolgt über ein geeignetes regelmäßi ges Berichtswesen und die Mitwirkung in einem Beirat/Aufsichtsrat. Operative Synergien, wie z. B. neue Absatzwege, günstigere Beschaffungsmöglichkeiten oder auch Unterstützung bei neuen Technologien bzw. Innovationen, können nicht erwartet werden. Anders kann die Situation sein, wenn der Finanzinvestor bereits eine Beteiligung an einem vergleichbaren Unternehmen hält und das Know-how mit einbringt. Gleiches gilt auch für vermögende Familien, die oft in Branchenunternehmen investieren, zu denen bereits Erfahrungswerte und Kontakte bestehen. Häufig werden die Beteiligungen für einen zeitlich begrenzten Investmenthorizont von 3 7 Jahren eingegangen. Dies gilt i. d. R. für Private-Equity-Gesellschaften, die über Fonds mit einer festen Laufzeit investieren. Es gibt aber auch eine nennenswerte Anzahl von Private-Equity-Gesellschaften, die eigenes Geld anlegen und somit keine festen Laufzeiten haben. Gleiches gilt i. d. R. auch für Investitionen von vermögenden Familien. Hier erfolgt die Beteiligung ebenfalls mit eigenem Geld und unterliegt letztlich keiner Beschränkung. 4.3 Strategische Partner Integration Diversifikation Technologie: vorh. Markt: neu Technologie: neu Markt: neu Technologie: vorh. Markt: vorh. Technologie: neu Markt: vorh. vor-/nachgelagerte Ws-Stufe Ziel strategischer Partner ist die Stärkung des eigenen Unternehmens. Hierzu gehören die Realisierung von Synergien und die Nut- zung von Skaleneffekten und Kosteneinsparungspotenzialen. Um diese Ziele zu erreichen, mischt sich ein strategischer Partner regelmäßig in das operative Geschäft ein. Für die Altgesellschafter führt dies zumindest zu einer teilweisen Einschränkung ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Das Know-how des Neugesellschafters wirkt sich häufig positiv auf das übernommene Unternehmen aus. Die Absatzwege des neuen Gesellschafters und auch die Beschaffungsmöglichkeiten können genutzt werden, um die Ertragsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu stärken. In vielen den Verfassern bekannten Fällen ist es auch gelungen, die Produkte des neuen Gesellschafters über die eigenen Vertriebswege zu vertreiben und somit einen Zusatznutzen zu generieren. Je nach technischer Ausstattung von Produktionsunternehmen können sich ebenso in diesem Bereich nennenswerte Synergien und Optimierungsmöglichkeiten ergeben, von denen beide Partner profitieren. Der Zusatznutzen, den der Partner erreichen kann, ist deutlich höher als bei Finanzinvestoren. Bei Diskussionen um den Unternehmenswert lassen viele strategische Partner diesen höheren Zusatznutzen in ihre Überlegungen mit einfließen. Die Unternehmensbewertung führt i. d. R. zu deutlich höheren Werten als bei Finanzinvestoren (vgl. Abb. 4). 4.4 Führungskräfte (intern/extern) Viele Führungskräfte sind an unternehmerischen Beteiligungen interessiert. Dies können sowohl Führungskräfte aus dem Unternehmen (Management-Buy-Out) oder auch externe Führungskräfte (Management-Buy- In) sein. (1) Wird eine Führungskraft des eigenen Unternehmens mit eingebunden, besteht nicht das Risiko des Ausforschens. Gegenüber den Mitarbeitern wird Unternehmenskontinuität sichergestellt, was zu einer höheren Mitarbeitermotivation führen kann. Die finanzwirtschaftlichen Möglichkeiten eigener Führungskräfte sind allerdings i. d. R. begrenzt, können jedoch durch Existenzgründungsmittel gefördert werden. Ein Engagement in 7-stelliger Größenordnung ist keine Seltenheit. (2) Werden externe Führungskräfte mit eingebunden, besteht die Chance, dass diese auch neue Impulse und Ideen mit einbrin-

Beschaffung von Eigenkapital KSI 6/13 281 gen. Gerade branchenerfahrene Führungskräfte können ihre bisherigen Erfahrungen und Kontakte nutzen, um ggf. erforderliche Veränderungen umzusetzen. Mögliche personelle Maßnahmen können leichter durchgeführt werden, da keine langjährige Beziehung besteht. Organisatorische Umstrukturierungen können ohne das Risiko der Betriebsblindheit, wie dies bei internen Führungskräften besteht, einfacher kommuniziert und umgesetzt werden. 4.5 Mezzanine-Kapital Im Gegensatz zu den vorab dargestellten Alternativen besteht bei Einsatz von Mezzanine-Kapital nicht in jedem Fall die Notwendigkeit einer Unternehmenswertermittlung. Mezzanine-Kapital wird in einer bestimmten Höhe zu einem bestimmten Zinssatz mit einer festen Laufzeitvereinbarung zur Verfügung gestellt. Die Höhe ist nicht abhängig von konkreten Unternehmensbewertungs ergebnissen und führt auch nicht zu einer Beteiligung am gesellschaftsrechtlichen Kapital. Mezzanine- Geber lassen sich i. d. R. bestimmte Informations- und Kontrollrechte einräumen. Eine Ein- mischung ins operative Geschäft erfolgt nicht. Mezzanine-Kapital gibt es in unterschiedlichen Formen. Häufig angewendet werden Nachrangdarlehen (ausgestattet mit einem qualifizierten Rangrücktritt im Insolvenzfall), typisch und atypisch stille Beteiligungen sowie Genussrechte. In allen Fällen fließen dem Unternehmen neue Mittel zu. Unter Ratingaspekten ist darauf zu achten, dass das Mezzanine-Kapital auch dem Eigenkapital zugerechnet wird. Die un terschiedli chen Möglichkeiten, Mezzanine- Kapital aufzunehmen, werden je nach Gestaltung als Eigen- oder Fremdkapital behandelt. Bis 2008 konnten sog. Standard-Mezzanine-Programme in Anspruch genommen werden. Die Programme wurden über Vertriebsorganisationen verkauft, anschließend zusammengefasst und an den Wertpapiermärkten an dritte Anleger veräußert. Heute stehen diese Standard-Programme nicht mehr zur Verfügung. Mezzanine-Kapital wird letztlich nur noch als Individual Mezzanine angeboten. Je nach gewählter Form der Eigenkapitalzuführung sind die Renditeerwartungen un- terschiedlich. Die Renditeerwartung für echtes Eigenkapital liegt bei 20 25 %. Für Mezzanine-Kapital liegen die Renditeerwartungen je nach Gestaltung zwischen 10 % und 18 %. Demgegenüber steht Fremdkapital, welches bei den aktuellen Marktbedingungen i. d. R. deutlich günstiger ist, allerdings durch Risikozuschläge eine Größenordnung von bis zu 8 % erreichen kann. 5. Fazit Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Mittel aufzunehmen. Maßgeblich für die Wahl eines geeigneten Partners bzw. die Entscheidung für Mezzanine-Kapital ist die jeweilige Zielsetzung, die mit der Eigenkapitalerhöhung verbunden wird. Für die einzelnen Alternativen gibt es unterschiedliche Partner, die in bestimmten Situationen investieren und häu fig auch interessante Gestaltungen zulassen. Gelingt es, plausibel darzustellen, dass das Geschäftsmodell mit dem angestrebten Wachstum ertragreich geführt werden kann, gibt es auch für krisengeschüttelte Unternehmen den passenden Partner.