Fall 7: Das rosa Netbook Fall 8: Das rosa Netbook zum Frauentag Viola (V) 1.) 433 I, 929 S. 1 M-GmbH 2.) Werkvertrag, 631 (keine Übereignung, da dies nicht Wille der V war) II. Schmitz (S) 3.) 929 S.1, 930 Teil 2: 929 S. 1, 932 I 1 Ansprüche in der Übersicht Richard (R) I. Ansprüche in der Übersicht 985 III. Voraussetzungen 985 BGB* 1.) Anwendbarkeit (nach h.m. neben vertraglichen Ansprüchen) 2.) Eigentum des Anspruchsstellers 3.) Besitz des Anspruchsgegners (unmittelbarer oder mittelbarer) 4.) Kein Recht zum Besitz ( 986) 5.) Einreden ( 273, 1000 i.v.m 994ff.) * ohne nähere Angaben sind solche des BGB Seite 19 von 104
IV. Lösung Anspruch V gegen V gem. 985 Viola (V) könnte gegen Schmitz (S) einen Anspruch auf Herausgabe des Netbooks gem. 985 haben. Dann müsste V noch immer Eigentümerin des Netbooks sein. I. Anwendbarkeit des 985 Problem: Anwendbarkeit des 985 Fraglich ist zunächst, ob 985 Anwendung findet. Ein Konkurrenzverhältnis kann sich zu vertraglichen Herausgabeansprüchen ergeben. Hier haben V und S einen Werkvertrag geschlossen, der ebenfalls die vertragliche Pflicht beinhaltet, das Netbook nach Fertigstellung der wieder an V herauszugeben ( 241). Teilweise wird daher vertreten, dass sich die Herausgabe allein nach Vertragsrecht richte. Das Schuldverhältnis sei dabei eine Sonderrechtsbeziehung, der Vorrang vor dem Anspruch aus 985 zukomme (sog. Lehre vom Vorrang der Schuldverhältnisse). Demnach würde 985 keine Anwendung finden. Die Ansicht wird von der herrschenden Meinung allerdings abgelehnt (Theorie der echten Anspruchskonkurrenz). Die Sonderbeziehung sei bereits ausreichend durch 986 geschützt, der im Rahmen der Prüfung des 985 Berücksichtigung finde. Eine Subsidiarität liege daher nicht vor. Nach herrschender Ansicht ist 985 daher auch neben vertraglichen Ansprüchen anwendbar. Hier sprechen die besseren Argumente für die herrschende Meinung. 985 ist daher vorliegend anwendbar. Anm.: 985 steht auch zu dem possessorischen ( 861) und den petitorischen Ansprüchen ( 1007 I, I) in echter Anspruchskonkurrenz. Ein Herausgabeverlangen kann daher auf sowohl auf 985 als auch auf 861, 1007 gestützt werden. Ebenfalls besteht echte Anspruchskonkurrenz zu 812ff., und 823,249 I. Zur Lehre vom Vorrang der Schuldverhältnisse vgl. Raiser, JZ 1958, S. 681 (684); Baur/Stürner, 11, Rn. 30. Wichtig: Der Anspruch aus 985 ist für die Praxis sehr wichtig. Während 985 in der Insolvenz zu einem Aussonderungsrecht führt ( 47 InsO), begründen die anderen Herausgabeansprüche nur normale Insolvenzforderungen (die in der Praxis mit einer sog. Insolvenzqoute bedient werden). II. Besitz des Anspruchsgegeners Anm.: An dieser Stelle empfiehlt es sich das für die Prüfung völlig unproblematische kurz abzuhandeln und kurz festzustellen, wer Besitzer ist. Vorliegend ist S unmittelbarer Besitzer des Netbooks, 854 I. III. Eigentum der V als Anspruchssteller Weiterhin müsste V auch Eigentümerin des Netbooks sein. 1.) Ursprüngliche Eigentumslage Ursprünglich ist die M-GmbH Eigentümerin des Netbooks gewesen. 2.) Eigentumserwerb durch Übereignung gem. 929 S. 1 (M-GmbH an V ) Sie könnte ihr Eigentum allerdings durch Einigung und Übergabe gemäß 929 S.1 an V verloren haben. Seite 20 von 104
Übereignunstatbestand des 929 S.1 b) Übergabe aa) vollständiger Besitzverlust auf Veräußererseite bb) irgendein Besitzgewinn auf Erwerberseite cc) auf Veranlassung des Veräußerers c) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe (vgl. 929 S.1 sind ) Dann müssten sich V und die M-GmbH wirksam und unter Berücksichtigung der sachenrechtlichen Grundsätze geeinigt haben, 145, 147. Die Willenserklärung der M-GmbH wird durch den Geschäftsführer abgegeben, 35 GmbHG. Von einer dinglichen Einigung zwischen V und der M-GmbH vertreten durch deren Geschäftsführer, kann vorliegend ausgegangen werden. Anm.: Die Vertretung kann auch anderweitig erfolgt sein (bspw. rechtsgeschäftlich, 56 HGB u.a.). Hier kam es darauf nicht an. b) Die Übergabe an V erfolgte ebenfalls unproblematisch. c) Ein Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe (arg. 929 S.1 sind ) liegt vor. Ferner war die M-GmbH als Eigentümerin des Netbooks ( 1006) auch zur Übertragung des Eigentums berechtigt. V wurde daher Eigentümerin des Netbooks gem. 929 S.1. 3.) Verlust des Eigentums durch Übereignung gem. 929 S. 1 (V an S) Sie könnte allerdings das Eigentum am Netbook wieder verloren haben. In Betracht kommt ein Eigentumsverlust durch Einigung und Übergabe von V an Computerhändler S, 929, 145, 147. Vorliegend fehlt es jedoch an einer wirksamen Willenserklärung seitens der V, das Eigentum auf S übertragen zu wollen. Vielmehr war ihre Willenserklärung einzig auf den Abschluss eines Werkvertrages gerichtet, 631, 145, 147. Ein Eigentumsverlust durch Übereignung an S gem. 929 S.1 liegt daher nicht vor. Folglich ist V weiterhin Eigentümerin des Netbooks. 4.) Eigentumserwerb durch Übereignung gem. 929 S. 1, 930 (S an R ) In Betracht kommt allerdings ein Verlust des Eigentums der V, durch Einigung und Übergabe von S und R, gem. 929 S.1, 930. Anm.: Hier hätte auch kurz auf eine Übereignung zwischen S und R gem. 929 S.1 eingegangen werden können. Wegen fehlender Übergabe als notwendige Voraussetzung für 929 S.1, kommt eine Ü- bereignung nach 929 S.1 nicht zustande. Es liegt keine vollständige Besitzaufgabe seitens des S vor. Vielmehr war er weiterhin im Besitz des Netbooks. Übereignunstatbestand des 929 S.1, 930 b) Übergabesurrogat: Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses aa) Besitzmittlungsverhältnisses (BMV) bb) Fremdbesitzerwille des unmittelbaren Besitzers cc) Herausgabeanspruch c) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe (vgl. 929 S.1 sind ) Seite 21 von 104
Eine dingliche Einigung, die auf die zwischen S und R liegt, unter Berücksichtigung sachenrechtlicher Grundsätze, vor 145, 147 liegt vor. b) Übergabesurrogat: Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, 930 aa) Besitzmittlungsverhältnis (BMV) Weiterhin müsste ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen S und R vereinbart worden sein ( 868), dass die Übergabe im Rahmen des 929 S.1 ersetzt (daher: Übergabesurrogat). Ein solches kann sich zum einen aus dem schuldrechtlichen Sicherungsvertrag selbst ergeben (Sicherungsabrede), aber auch aus einem (zum Darlehensvertrag) zusätzlich vereinbarten Rechtsverhältnis. Hier kommt als ein solches Rechtsverhältnis ein Leihvertrag ( 598) in Betracht, da S und R ausdrücklich die unentgeltliche Nutzung des Netbooks vereinbarten. bb) Fremdbesitzerwille des unmittelbaren Besitzers Weiterhin muss S Fremdbesitzerwillen haben. Dies bedeutet, dass er für den R besitzen muss und somit Oberbesitz des R anerkennt. Davon kann vorliegend ausgegangen werden. Anm.: An dieser Stelle kommt es noch nicht auf die Problematik des sog. Nebenbesitzes an. Dies spielt erst im Rahmen von 929 S. 1, 931, 934 eine Rolle. Ferner kämen sowohl die den Nebenbesitz ablehnende herrschende Meinung, als auch die Befürworter des Nebenbesitzes zu dem Ergebnis, dass ein Fremdbesitzerwille vorliegt. cc) Ein Herausgabeanspruch des R besteht ebenfalls gem. 604. Ein wirksames Besitzmittlungsverhältnis liegt daher vor. c) Auch liegt ein Einigsein zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Besitzmittlungsverhältnisses liegt vor (Voraussetzung aus arg. 929 S.1 sind ). Problemtisch ist allerdings, ob S berechtigt gewesen ist, dass Eigentum an R zu übertragen. Berechtigt sind grundsätzlich der verfügungsberechtigte Eigentümer, der gem. 185 Ermächtigte sowie der kraft Gesetzes legitimierte Verfügungsberechtigte (bspw. Insolvenzverwalter, 80 InsO). Hier war S weder Eigentümer des Netbooks (ein Eigenumserwerb von V an S hat nicht statt gefunden, vgl. oben), noch anderweitig verfügungsberechtigt. Eine Berechtigung des S liegt daher nicht vor. Grundsätzlich konnte daher S nicht wirksam das Eigentum auf R übertragen. d) Überwindung der Nicht-Berechtigung gem. 929 S.1, 930, 933 In Betracht kommt aber die Überwindung der Nichtberechtigung des S gem. 933. Überwindung der Nichtberechtigung, 932, 933, 934 Alt. 1,2 1.) Rechtsgeschäft i.s.e. Verkehrsgeschäftes 2.) Rechtsscheintatbestand ( 932, 933, 934 Alt. 1, 2) 3.) Guter Glaube, 932 II (Bezugspunkt = Eigentum) 4.) Kein Abhandenkommen, 935 aa) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes Seite 22 von 104
Dann müsste es sich zunächst um ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes handeln. Verkehrsgeschäft meint dabei, dass es keine Personenidentität auf Veräußerer- und Erwerberseite geben darf. Dies bedeutet, dass Veräußerer und Erwerber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise personenverschieden sein müssen. Mit Rechtsgeschäft ist einzig das dingliche Rechtsgeschäft gemeint. Vorliegend sind S und R personenverschieden. Ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes liegt daher vor. Anm.: Ferner sind Rechtsgeschäfte, die eine Vorwegnahme der Erbfolge darstellen keine Verkehrsgeschäfte. b) Rechtsscheintatbestand des 933 Weiterhin müsste der Rechtsscheintatbestand des 933 erfüllt sein. Um gutgläubig Eigentum zu erwerben, ist im Rahmen von 933 die Übergabe der Sache notwendig. Vorliegend hat R aber das Netbook nicht übergeben bekommen. Vielmehr bliebt S im Besitz. Eine Überwindung der Nichtberechtigung gem. 929 S.1, 930, 933 scheitert daher an der fehlenden Übergabe des Netbooks an R. Folglich hat V das Eigentum nicht durch Übereignung des S an R gem. 929 S.1, 930, 933 verloren. V hat daher gegen S einen Anspruch auf Herausgabe gem. 985. Fall 8: Lösung des Falls: Das rosa Netbook zum Frauentag Wie wäre es, wenn Richard (R) aufgrund des bevorstehenden Geburtstages seiner Frau, auf der Suche nach einem solchen rosa Netbook gewesen ist und er dieses von Schmitz (S) kauft und sofort mitnimmt. Ist die Klage der Viola (V) gegen Richard (R) dann noch immer begründet? Prüfen Sie bitte auch hier den Anspruch der V ausschließlich aus 985! Anspruch V gegen R gem. 985 V könnte gegen R einen Anspruch auf Herausgabe des Netbooks gemäß 985 haben. Dann müsste V noch immer Eigentümerin des Netbooks sein. I. Anwendbarkeit des 985 985 ist vorliegend anwendbar. Anm.: Sofern dies, wie hier unproblematisch ist, sollte es in der Klausur gänzlich weggelassen werden. Der hier gewählte Aufbau dient lediglich der Klarheit für die AG-Teilnehmer. II. Besitz des R als Anspruchsgegener Vorliegend ist R unmittelbarer Besitzer des Netbooks, 854 I. III. Eigentum der V als Anspruchssteller Weiterhin müsste V auch Eigentümerin des Netbooks sein. 1.) Ursprüngliche Eigentumslage Ursprünglich ist die V Eigentümerin des Netbooks gewesen (vgl. dazu schon oben) Sie könnte ihr Eigentum allerdings durch Übereignung verloren haben, 929ff. a) Verlust gem. 929 S. 1 (V an S) Vorliegend fehlt es jedoch an einer wirksamen Willenserklärung seitens der V, das Eigentum auf S übertragen zu wollen (s.o.). Vielmehr war ihre Willenserklärung einzig auf den Abschluss eines Seite 23 von 104
Werkvertrages gerichtet, 631, 145, 147. Ein Eigentumsverlust durch Übereignung an S gem. 929 S.1 liegt daher nicht vor. Folglich ist V weiterhin Eigentümerin des Netbooks. b) Verlust gem. 929 S. 1 (S an R) Sie könnte ihre Eigentum allerdings durch Übereignung des S an R verloren haben, 929 S.1. Dann müssten sich S und R wirksam und unter Berücksichtigung der sachenrechtlichen Grundsätze (insb. Bestimmtheitsgrundsatz) geeinigt haben, 145, 147. Von einer dinglichen Einigung zwischen S und R kann vorliegend ausgegangen werden. b) Die Übergabe an R erfolgte ebenfalls unproblematisch. S verblieb keinerlei Besitz. c) Ein Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe (arg. 929 S.1 sind ) liegt vor. Problemtisch ist allerdings, ob S berechtigt gewesen ist, dass Eigentum an R zu übertragen. Berechtigt sind grundsätzlich der verfügungsberechtigte Eigentümer, der gem. 185 Ermächtigte sowie der kraft Gesetzes legitimierte Verfügungsberechtigte (bspw. Insolvenzverwalter, 80 InsO, Testamentsvollstrecker). Hier war S weder Eigentümer des Netbooks (ein Eigentumserwerb von V an S hat nicht statt gefunden, vgl. oben), noch anderweitig verfügungsberechtigt. Eine Berechtigung des S liegt daher nicht vor. Grundsätzlich konnte daher S nicht wirksam das Eigentum auf R übertragen. e) Überwindung der Nicht-Berechtigung gem. 929 S.1, 932 I In Betracht kommt aber die Überwindung der Nichtberechtigung des S gem. 932 I. aa) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes Dann müsste es sich zunächst um ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes handeln. Ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes liegt hier daher vor, da S und R wirtschaftlich nicht identisch sind. bb) Rechtsscheintatbestand des 932 I Der Rechtsscheintatbestand im Rahmen des 932 I ist der Besitz. Hier war S im Besitz des Netbooks, 932 I, 1006. I cc) Guter Glaube Weiterhin müsste R gutgläubig sein. Die Gutgläubigkeit richtet sich nach 932 II. Das bedeutet, dass R weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung des S hatte. Aufgrund der negativen Formulierung des Gesetzes ( es sei denn ) wird die Gutgläubigkeit des Erwerbers vermutet. Die gesetzliche Vermutung findet mangels weiterer Angaben Anwendung. R war daher gutgläubig. dd) Überwindung der Nichtberechtigung, 932 I 1.) Rechtsgeschäft i.s.e. Verkehrsgeschäftes 2.) Rechtsscheintatbestand (bei 932 ist das der Besitz) 3.) Guter Glaube, 932 II (Bezugspunkt = Eigentum) 4.) Kein Abhandenkommen, 935 Kein Abhandenkommen, 935 I Seite 24 von 104
Ferner darf das Netbook nicht abhanden gekommen sein. Abhandenkommen bedeutet der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes. Hier erfolgte sowohl eine freiwillige Besitzübertragung der V an S als auch eine solche des S an R. Ein Abhandenkommen liegt somit nicht vor. Anm: Der unfreiwillige Verlust des mittelbaren Besitzes der V genügt für 935 nicht. Folglich wurde die Nichtberechtigung des S, das Eigentum am Netbook zu übertragen, gem. 929 S. 1, 932 überwunden. Dementsprechend ist nunmehr R Eigentümer des Netbooks. V das Eigentum am Netbook durch Übereignung des S an R gem. 929 S.1, 932 verloren. Sie hat daher gegen S keinen Anspruch auf Herausgabe gem. 985. Fazit und wesentliche Probleme des Falles Voraussetzungen, 985 Anwendbarkeit des 985 neben vertraglichen Ansprüchen Erwerbstatbestand 929 S. 1 Erwerbstatbestand 929 S. 1, 930 Voraussetzungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten ( 929 S. 1, 932 I S.1) Voraussetzungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten ( 929 S. 1, 930, 933) Seite 25 von 104