Standortbestimmung Kernenergie - Auswirkungen auf den Kanton Aargau



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Transkript:

Regierungsrat Standortbestimmung Kernenergie - Auswirkungen auf den Kanton Aargau Aarau, 15. Juni 2011 1. Ausgangslage Als Folge des starken Erdbebens in Japan und der Havarie in Fukushima hat der Bundesrat am 25. Mai 2011 seine neue Stromversorgungsstrategie mit einem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie veröffentlicht. Die Strategie zeigt ein Energieszenarium für das Jahr 2050 auf, verzichtet aber auf ein konkretes Energieversorgungsszenarium für die kritischen Jahre 2020 bis 2035, wenn die Kernkraftwerke schrittweise vom Netz genommen werden sollen. Dies erschwert eine sachliche Analyse der aufgezeigten Stromversorgungsstrategie. Der Regierungsrat wird die bundesrätliche Strategie mit der eigenen Analyse der Ereignisse von Japan sowie der bisherigen kantonalen Energie- und Klimastrategie vergleichen und die Abweichungen sorgfältig bewerten. Es ist für den Regierungsrat wichtig, Änderungen in der Stromversorgungsstrategie des Bundes in der ganzen Konsequenz aufzuzeigen. Der Regierungsrat gibt deshalb eine vorläufige Stellungnahme zum Entscheid von Bundesrat und Nationalrat ab, auf den Ersatz von Kernkraftwerken zu verzichten; dies im Bewusstsein, dass noch viele Fragen zu klären sind. Der Regierungsrat hat sich bei der Entwicklung seiner e- nergiepolitischen Strategie seit längerem mit verschiedenen Szenarien befasst. Im vom Kanton Aargau 2007 initiierten Energie Trialog Schweiz ist das Potenzial bezüglich Energieeffizienz, erneuerbarer Energien und Reduktion des CO 2 -Ausstosses im Detail und auf wissenschaftlicher Basis abgeklärt und publiziert worden. Dabei sind auch Optionen ohne Kernenergie geprüft und deren Konsequenzen abgeschätzt worden. Diese Überlegungen sind nach der Katastrophe von Japan intensiviert worden. Der Regierungsrat geht davon aus, dass aufgrund der grundlegend veränderten Rahmenbedingungen infolge der Ereignisse in Fukushima nachhaltige Auswirkungen auf die Schweizer Energiepolitik zu erwarten sind. Diese absehbaren Veränderungen will der Regierungsrat als Chance wahrnehmen und den Aargau auch in den nächsten Jahrzehnten als Energiekanton positionieren, der Schrittmacher der Erneuerung ist. Dazu werden entsprechende Strategien entwickelt wie die Hightech-Strategie. Dazu bedarf es aber auch begleitender regionalpolitischer Massnahmen durch den Bund, um die Strukturentwicklung erfolgreich realisieren zu können.

- 2-2. Zielorientierung Der Regierungsrat orientiert seine Bewertung an der Analyse der Ereignisse von Japan sowie an der kantonalen Energie- und Klimastrategie. Oberstes Ziel ist die Gewährleistung der Betriebssicherheit der heutigen Kernkraftwerke bis zum Zeitpunkt einer Stilllegung. Die kantonale Energie- und Klimastrategie hat zum Ziel: a) eine zuverlässige und wirtschaftliche Energieversorgung für die Bevölkerung und die Wirtschaft sicherzustellen, b) die Energieeffizienz in der Energieanwendung zu erhöhen, c) die Nutzung erneuerbarer Energien und von Abwärme zu fördern, d) eine sichere und effiziente Energieverteilung zu unterstützen, e) zweckmässige Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Energieproduktion zu schaffen, f) die Umweltbelastung zu verringern und den Klimaschutz zu verbessern, g) die Abhängigkeit von einzelnen Energieträgern zu vermindern. Diese Ziele stimmen mit den Beschlüssen des Grossen Rats in der ersten Beratung des Entwurfs des Energiegesetzes des Kantons Aargau überein. 3. Bewertung der Strategie des Bundes Der Regierungsrat beurteilt die Stromversorgungsstrategie des Bundesrats sowohl als chancen- wie auch risikoreich und erachtet sie als eine sehr hohe Herausforderung im heutigen politischen Umfeld. Er ist klar der Meinung, dass der Verzicht auf den Ersatz der heutigen Kernkraftwerke eine schnelle und konsequente Entscheidung erfordert, denn jahrelange Diskussionen über allfällige neue Kernkraftwerke zu führen verhindert zeitgerechtes Handeln und erhöht die Risiken, dass viele Chancen in der Zwischenzeit verpasst werden. Der Bundesrat hat somit zu Recht rasch Grundsatzentscheide zu seiner künftigen Stromversorgungsstrategie getroffen. Der Regierungsrat macht folgende Feststellungen: 1. Der Regierungsrat stellt fest, dass sich mit den Ereignissen in Fukushima die Haltung eines grossen Teils der Schweizer Bevölkerung, aber auch von Parteien und Organisationen zur Frage des Ersatzes der schweizerischen Kernkraftwerke grundlegend geändert hat. Insbesondere der Umstand, dass es in einer der weltweit höchstentwickelten Nationen wie Japan zu schweren Schadensereignissen gekommen ist, hat dem Vertrauen in die heutige Technologie der Kernkraftwerke tiefgreifend geschadet. Auch wenn damit gerechnet werden kann, dass die Ursachen, welche in Japan zu den Schadenereignissen geführt haben, in unserem Land nicht in der gleichen oder einer ähnlichen Art und Weise auftreten werden, führte Fu-

- 3 - kushima in unserem Land offenkundig zu einer veränderten Gewichtung zwischen den Risiken der heutigen Nutzung der Kernenergie und einer möglichen Gefährdung der Versorgungssicherheit. Die Stromversorgung der Schweiz muss langfristig auf Technologien abgestützt sein, welche von der Bevölkerung in der Mehrheit akzeptiert werden. Der Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke durch neue Anlagen mit der heutigen Technologie ist aufgrund der Erfahrungen aus Fukushima nicht mehr mehrheitsfähig. Kommt dazu, dass das Bewilligungsverfahren nach der Schweizer Gesetzgebung Jahrzehnte dauert und sehr grosse Hürden mit Volksentscheiden und weitgehenden Einsprachemöglichkeiten enthält. Ein zeitgerechter Ersatz ist damit nicht sichergestellt, und die Schweiz ist darauf angewiesen, eine Strategie mit wesentlich weniger Kernenergie zu entwickeln. Unabhängig von der Einschätzung der Risiken aus Kernkraftwerken beurteilt es deshalb der Regierungsrat als zu risikoreich und nicht zielführend, die Stromversorgungssicherheit langfristig auf den Ersatz der heutigen Kernenergieanlagen abzustützen, da die Inbetriebnahme neuer Kernkraftwerke sowohl vom Grundsatz als auch vom Zeitpunkt her völlig unsicher wäre. Allerdings stellt der Regierungsrat fest, dass in vielen Ländern, die heute ihre Stromversorgung auf die Kernkraft abstützen (mit Ausnahme von Deutschland), kein Ausstieg aus der Kernenergie geplant ist. Dies wird dazu führen, dass sich die Nutzung der Kernenergie weiter entwickeln wird mit dem Ziel, eine inhärente Sicherheit der neuen Generation von Kernenergieanlagen zu erreichen. Es wäre deshalb nach Ansicht des Regierungsrats falsch, die nukleare Technologie auch langfristig auszuschliessen, zumal entsprechende gesetzliche Verbote vor dem Hintergrund neuer technischer Erkenntnisse jederzeit wieder revidiert werden könnten. Der Regierungsrat unterstützt die Strategie, die Stromversorgung der Schweiz ohne Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke sicherzustellen. Ein gesetzliches Verbot der nuklearen Technologie auch für die ferne Zukunft lehnt der Regierungsrat vor dem Hintergrund möglicher technologischer Fortschritte jedoch ab. 2. Der Weiterbetrieb der heutigen Kernkraftwerke erfordert aus Gründen der Sicherheit und des geplanten Unterhalts, dass die Anlagen regelmässig nachgerüstet werden. Für den Regierungsrat ist eine hohe Betriebssicherheit vorrangiges Ziel, das nicht aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen in Frage gestellt werden darf. Eine Stilllegung bestehender Kernkraftwerke soll deshalb nicht aufgrund des Kriteriums Betriebsdauer (zum Beispiel 50 Jahre) erfolgen, sondern auf der Basis der Beurteilung der konkreten Sicherheitsstandards und des Life- Cycle der Nachrüstungen. Die Kernkraftwerke unterstehen der Kontrolle des ENSI, das die erforderlichen Nachrüstungen verlangen kann. Es ist Sache der Betreiber der Kernkraftwerke, inwieweit sie die Nach-

- 4 - rüstungen umsetzen oder die Anlagen vorzeitig stilllegen wollen. Der Betriebssicherheit muss in jedem Fall auch für die Restlaufdauer höchste Priorität eingeräumt werden. Die Sicherheit ist nicht teilbar. Eine Stilllegung bestehender Kernkraftwerke soll nicht aufgrund des Kriteriums Betriebsdauer (zum Beispiel 50 Jahre) erfolgen, sondern auf der Basis der Beurteilung der konkreten Sicherheitsstandards. Insbesondere sind die zur Gewährleistung der Betriebssicherheit während der Restlaufdauer zu tätigenden Nachrüstungen bei der Festlegung des Stilllegungszeitpunkts zu berücksichtigen. 3. Eine sichere Stromversorgung ist für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes von zentraler Bedeutung. Deshalb darf der Fokus für den Umbau nicht nur langfristig betrachtet werden. Der schrittweise Wegfall der inländischen Kernkraft hat wesentlichen Einfluss auf die mittelfristige Stromversorgungssicherheit und erfordert zielführende und zeitgerecht wirksame Massnahmen, deren Umsetzung regelmässig zu überprüfen ist. Diese Massnahmen sind in einem vom Bund zusammen mit den Kantonen zu erarbeitenden Masterplan zusammenzufassen. Sie müssen darauf ausgerichtet werden, dass die Stromversorgung der Schweiz auch in der Periode sichergestellt ist, in der die bestehenden Kernkraftwerke tatsächlich vom Netz gehen und die Bezugsrechte auslaufen. Dies wird voraussichtlich zwischen 2020 und 2035 der Fall sein. Deshalb muss der Fokus auch auf diesen besonders kritischen Zeitraum ausgerichtet werden und nicht ausschliesslich langfristig auf 2050 oder sogar später. Der Energie Trialog Schweiz hat aufgezeigt, dass es für eine Stromversorgungssicherheit ohne Kernenergie grosse Investitionen und starke Massnahmen braucht, zumal wenn die internationalen Klimaziele effektiv erreicht werden sollen. Die Konsequenzen der neuen Stromversorgungsstrategie des Bundes sind weit reichend. Im Masterplan sind unter anderem auch folgende Fragestellungen aufzuarbeiten: Preisentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Stromversorgung Anforderungen an die Leitungsnetze der verschiedenen Spannungsebenen bei dezentraler Stromproduktion Konsequenzen für die Klima- und Umweltpolitik Schweizer Stromversorgung mit Fokus auf Stromimporte aus Europa und Entwicklungen am europäischen Strommarkt Bewertung der vorgesehenen Massnahmen des Bundes (u.a. Lenkungsabgaben auf Strom, Neuausrichtung der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, erforderliche Verschärfung gesetzlicher Regelungen etc.). Auf kantonaler Ebene ist der 2006 erstelle Planungsbericht Energie Aargau zu überarbeiten. Dabei sind unter anderem auch folgende Fragen zu klären:

- 5 - Stellung der kantonalen, regionalen und kommunalen Versorgungsunternehmen Konsequenzen für die kantonale Strategie für die Vergabe von Konzessionen Konsequenzen für die Eigentümerstrategien der Kantone Auswirkungen auf die Staatshaushalte der Kantone Der Regierungsrat verlangt vom Bundesrat, in Zusammenarbeit mit den Kantonen einen Masterplan "Stromversorgung" auszuarbeiten, der klima-, umwelt-, wirtschaftund gesellschaftspolitisch verträgliche Massnahmen zur Sicherstellung der Stromversorgung beim Wegfall der bestehenden Kernkraftwerke aufzeigt. Dieser Masterplan ist vorab auf die kritischen Jahre bis 2035 auszurichten und nicht ausschliesslich langfristig auf das Jahr 2050 oder sogar auf einen noch späteren Zeitraum. 4. Die drei Kernkraftwerke Beznau I, Beznau II und Leibstadt weisen heute rund 1050 Arbeitsplätze auf; gesamthaft hängen im Aargau 2000 bis 3000 Arbeitsplätze direkt mit der Kernenergie zusammen. Die schrittweise Stilllegung der Kernkraftwerke im unteren Aaretal führt zum Wegfall von Arbeitsplätzen. Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass dies zu wesentlichen Veränderungen in der im Aargau - und besonders im unteren Aaretal - volkswirtschaftlich bedeutenden Energiebranche führen wird, allerdings nicht kurz- und mittelfristig. Durch die auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz ausgerichtete Bundesstrategie kann jedoch mit positiven Effekten für die Wirtschaftsentwicklung und die Arbeitsplätze im Kanton gerechnet werden, wenn der Aargau die sich ihm bietenden Chancen konsequent nutzt. Der Regierungsrat erwartet, dass der Bund den Kanton Aargau bei der regionalen Umsetzung des Cleantech-Masterplans und seiner Innovations- und Forschungspolitik prioritär berücksichtigt, damit optimal auf die Veränderungen in den betroffenen Regionen reagiert werden kann. Mit seiner starken Energiebranche (Cluster) hat der Kanton Aargau dafür hervorragende Voraussetzungen. Diese sind im Rahmen der neuen Bundesstrategie zu stärken. Der Regierungsrat hat in den vergangenen Monaten verschiedene Instrumente und Programme entwickelt, um positiv auf Veränderungen im Energiebereich reagieren zu können. So hat er insbesondere wichtige Elemente des Cleantech-Masterplans in seine Hightech- Strategie integriert, welche in Kürze in die öffentliche Anhörung gegeben werden soll. Mit einer konsequenten Förderung und Vernetzung des Forschungszentrums Paul Scherrer Institut PSI wie auch durch eine noch bessere verkehrliche Anbindung können die Nachteile im unteren Aaretal mittelfristig aufgefangen und neue Chancen genutzt werden. Der Kanton Aargau wird seine Verantwortung als Energiekanton der Schweiz auch im Rahmen der Neuausrichtung der schweizerischen Energiepolitik wahrnehmen. Der Energiecluster Aargau soll im Hinblick auf die erforderliche Steigerung der Energieeffizienz sowie neue Technologien bei der Energieproduktion und -verteilung gestärkt

- 6 - werden und gesamtschweizerisch die Spitzenposition einnehmen. Die Vernetzung der Aargauer Wirtschaft mit den Forschungsinstitutionen, namentlich PSI und FHNW, soll unterstützt und gefördert werden. Die Hightech-Strategie soll massgeblich dazu beitragen, den anstehenden Strukturwandel im Energiebereich positiv zu unterstützen. 5. Die Stromversorgungsstrategie des Bundes erfordert gesetzgeberische Anpassungen mit neuen Vorschriften bis hin zu Eingriffen in die Eigentumsfreiheit. Die Kantone werden speziell in ihrem Kompetenzbereich "Gebäude" weitere Verschärfungen bezüglich der Erhöhung der Energieeffizienz und der Anwendung der erneuerbaren Energien umsetzen müssen. Eine erste Analyse der vom Bund publizierten Massnahmen zeigt, dass der Entwurf des E- nergiegesetzes eine gute Grundlage ist, um zusätzliche Massnahmen, sofern sie vom Bund eingeführt werden, umzusetzen. Ein Zuwarten mit der Verabschiedung des kantonalen E- nergiegesetzes bis zum Erlass eines neuen eidgenössischen Energiegesetzes, das frühestens um 2014 rechtskräftig werden könnte, ist daher nicht erforderlich. Vorbehalten bleiben selbstverständlich Änderungen im kantonalen Energiegesetz, je nach Ausgestaltung der Bundesgesetzgebung. Mit dem neuen Energiegesetz hat der Kanton Aargau die Grundlage, um die Erhöhung der Energieeffizienz, die Anwendung der erneuerbaren Energien und der dezentralen Energieproduktion zu unterstützen. Die zweite Beratung des Entwurfs des kantonalen Energiegesetzes ist daher auch vor dem Erlass eines neuen eidgenössischen Energiegesetzes sinnvoll.