Prof. Dr. Wolfgang Donsbach Dr. Silvia Knobloch Volkswirtschaftliche Bedeutung von Kommunikation und Medien Entwicklungen Der volkswirtschaftliche Hintergrund, vor dem sich die Kommunikations- und Informationsleistungen entwickeln, ist durch einen erdrutschartigen Wandel in der Struktur der Beschäftigung charakterisiert. Die Zahl der Menschen, deren Haupttätigkeit darin besteht, Informationen zu erzeugen, zu verarbeiten, zu übermitteln und zu empfangen, wächst nach den Erkenntnissen der OECD seit einigen Jahrzehnten drastisch an. Auch in Deutschland hat sie damit schon lange die Erwerbstätigkeit in der Produktion überholt (Schaubild). Aufteilung der Erwerbstätigkeit in Deutschland % 6 5 4 3 2 1 35 14 15 38 22 18 4 41 29 31 24 23 8 5 51 53 25 21 21 23 Information 55 23 21 3 3 2 197 195 197 1985 1995 2 21 Landwirtschaft 35 22 8 5 3 3 2 Produktion 35 38 4 31 25 23 21 Dienstleist. 15 22 24 23 21 21 23 Information 14 18 29 41 51 53 55 Landwirtschaft Produktion Dienstleist. Information Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Quelle: Dostal 1995 c:\verans\redukt\charts\arb_prog.pr s Dazu zählen natürlich auch Berufsbereiche, für die die kommunikationswissenschaftlichen Studiengänge in Deutschland nicht ausbilden. Wie die nachfolgende Grafik 1
aber zeigt, machen die Arbeitsplätze in den Medien darin einen erheblichen Anteil aus. Nicht eingerechnet ist dabei unter anderem der stetig wachsende Bereich Öffentlichkeitsarbeit, der sich vor allem im gestiegenen Bedarf nach Spezialisten in Unternehmenskommunikation zeigt. Ursachen Es gibt verschiedene ökonomische und soziale Gründe für die Verschiebungen in der Beschäftigtenstruktur war. Zunächst hat es eine anhaltende Produktivitätssteigerung in der Herstellung von landwirtschaftlichen und industriellen Gütern bei anhaltendem Wirtschaftswachstum gegeben. Mit immer weniger Menschen können immer mehr Produkte produziert werden, so dass die volkswirtschaftliche Bedeutung der Güterproduktion relativ sinkt. Zweitens verlangt die zunehmende Komplexität moderner Gesellschaften nach validen und jederzeit verfügbaren Informationen und Kommunikationswegen. Das gilt sowohl für die staatliche Verwaltung als auch für Wirtschaftsbezie- 2
hungen (weltweit zusammenwachsende Wirtschaft als Folge der Liberalisierung der Märkte). In einer zunehmend komplexen Wirtschaft gewinnt drittens Werbung an Bedeutung, denn sie führt Angebot und Nachfrage zusammen. Bei der bestehenden Informationsflut ist die Aufmerksamkeit des Publikums ein knappes Gut, so dass immer mehr Aufwand betrieben werden muss, um potenzielle Käufer zu erreichen. Dies schlägt sich in Deutschland in einem regelrechten Werbeboom nieder: Alle Werbeträger, und dies sind überwiegend die Massenmedien, konnten das Jahr 2 mit Rekordumsätzen abschließen. Mit einem Bruttowerbevolumen von über 35 Mrd DM in den klassischen Medien (Tageszeitungen, Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften, Plakat, Radio und Fernsehen) steigerte die werbungtreibende Wirtschaft ihre Ausgaben um 11,9 Prozent gegenüber 6,2 Prozent im Vorjahr. Das nachfolgende Schaubild des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger zeigt, wie sich dieses Werbeaufkommen auf die einzelnen Werbeträger verteilt. Werbeaufwendungen in der Bundesrepublik Deutschland 1989-1999 Marktanteile der Medien in Mrd. DM 3
Wegen der wachsenden Komplexität der Medienstruktur in Deutschland sind viertens Medienexperten zunehmend gefragt. Laut regelmäßiger Analyse der Stellenangebote durch den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) sind die Arbeitsplatzangebote im Jahr 2 um 2 Prozent gestiegen und erreichten damit den höchsten Stand seit Einführung der Erhebung 1978. Die Werbeinvestoren entdecken zunehmend, dass sie als werbende Firmen Personal mit Spezialwissen für Mediaplanung benötigen, um die Effizienz von Werbung zu steigern und Kosten zu senken. Neben der stark gestiegenen Werbeinvestitionen ist auch die Menge der Medien als Anbieter relevant. Sie hat sich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Beispielsweise gibt es heute in Deutschland 847 Publikumszeitschriften gegenüber noch 56 im Jahr 199. Ebenso breiteten sich die elektronischen Medien Hörfunk (von 12 198 auf 236) und Fernsehen (von 1 auf 17 Anbieter) sowie jetzt zusätzlich das Internet aus. Der Wettbewerb innerhalb der einzelnen Mediengattungen und die Konkurrenz unter den Rezipienten und Werbeträgergruppen um die Werbeetats der Wirtschaft erfordern gleichfalls medienkundliches und kommunikationswissenschaftliches Wissen bei den Betreibern. In einer komplexen Informationsgesellschaft kommt es immer mehr darauf an, sich das richtige Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen, wenn man seine eigenen institutionellen Ziele erfolgreich verfolgen will. Als Folge ist der gesamte Bereich der Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren immens gewachsen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Unternehmenskommunikation (siehe Schaubild). Bereits heute finden fast ebenso viele Absolventen unseres Faches Berufe in der PR wie im klassischen Journalismus. Nicht zuletzt ist die Bedeutung von Kommunikation und Medien im persönlichen Bereich zu nennen. Die Deutschen verbringen im Durchschnitt 8 Stunden und 22 Minuten täglich mit Massenmedien, also mehr als ein Drittel des Tages und etwa die Hälfte der aktiv genutzten Tageszeit (hinzu kommen Medien der interpersonellen Kommunikation). In den letzten 2 Jahren ist damit eine Steigerung des persönlichen Medienzeitbudgets von gut 6 Prozent zu verzeichnen (Schaubild). 4
PR-Aktivitäten von Unternehmen heute Frage: Was gehört zu den den PR-Aktivitäten Ihres Hauses? 1 85 84 84 in Prozent 8 71 7 67 6 4 2 Presse- Medienarbeit Internet- Auftritt staltungen Basis: PR-Verantwortliche aus 251 mittelständischen Unternehmen (5-65 Beschäftigte), Quelle: IPSOS, zitiert nach Medienspiegel vom 13. März 2 Kundenmailings Zeitschriften/ Broschüren Interne Kommunikation Organisation von Veran- Schaubild 1.1: Medienkonsum 1964-1999 2 Minuten/Tag 15 135 154 146 139 156 154 156 146 147 149 17 162 178 178 179 169 169 168 167 169 168 173 172 182 179 1 89 7 125 73 113 125 121 Tageszeitung Radio Fernsehen Online** 71 76 82 5 38 38 35 35 33 3 31 64 7 74 8 85 87 88 89 9 91 92 93 94 95 96 97 98 99 * ab 1992 inkl. neue Bundesländer; ** werktags, Basis: Online-Nutzer Quelle: Media Perspektiven, Basisdaten 1999 5