Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik



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Transkript:

Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Sommersemester 2014 Kapitel 6: Theorie der Zinsstruktur und Quantitative Easing

6.1 Theorie der Zinsen Mishkin, Kap. 4 6 Gischer/Herz/Menkhoff, Kap. 3 und 4 Zinssätze so bedeutsam, weil sie Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpfen Ausgangspunkt: Ein Euro heute hat einen höheren Wert als ein Euro morgen (in einem Jahr) Grund: der Euro heute kann verzinslich angelegt werden, sein Wert steigert sich auf 1 (1+i) Konsequenz: Zukünftige Zahlungen müssen abdiskontiert werden, Ermittlung des Gegenwartswerts (1) P B t = PV 0 = C 0 + C 1 1+i + C 2 (1+i) 2 + C 3 (1+i) 3 +... + C r (1+i) r mit i = Jahreszins Gegenwartswert eines Zahlungsstroms = Wert eines Bonds = heutiger Kurs eines WP 2

Achtung: Kurs und Rendite eines Wertpapiers stets gegenläufig! Beispiel: Kauf eines WP (Bond B) mit einjähriger Restlaufzeit, nach Ablauf des Jahres erhält man den Nennwert 100 sowie eine Nominalverzinsung von (2) Effektivverzinsung = Rendite R = 100 1+i nom P B P B Kurs P B = 100 R = 110 100 100 = 0,1 Kurs P B = 105 R = 110 105 105 = 0,048 Kurs P B = 80 R = 110 80 80 = 0,375 3

umgeformt nach dem Kurs: (3) P B = Nennwert(1+i nom) 1+R Kurs und Rendite eines WP stets gegenläufig analoges gilt für erwarteten Kurs und erwarteter Rendite, d.h. es gilt: (4) erwarteter Kurs P B e = Nennwert(1+i nom) 1+R e Wird ein WP vor Ende der Laufzeit verkauft, so berechnet sich die Rendite wie folgt: (5) R = C+[P B t+1 P B t ] P B (t) = C + P B t+1 P B P B (t) P B (t) Mit i c = C P B (t) als Zinsertrag und g = P B t+1 P B (t) P B (t) als Kursgewinn(-verlust) resultiert: 4

(6) R = i c + g Rendite = Summe aus Zinsertrag und Kursgewinn(-verlust) Wie reagiert die Rendite, wenn beispielsweise die Geldpolitik den Jahreszins (überraschend) erhöht? Gemäß (1) sinkt der Kurs des WP, Kurssenkung umso stärker, je länger die Laufzeit des Papiers Kursverluste senken die Rendite, die ggf. sogar negativ sein kann Zinsänderungsrisiko Zinsänderungsrisiko tritt nicht auf, wenn WP bis zum Ende der Laufzeit gehalten wird. 5

6.2 Die Interdependenz der Zinssätze: Theorie der Zinsstruktur Wir haben bisher immer von dem Zinssatz gesprochen. Allerdings gibt es Zinssätze auf Anlageformen mit unterschiedlicher Fristigkeit, also bspw. Zinsen auf langfristige Anlagen und auf kurzfristige Anlagen. Investitionsentscheidungen und Kauf dauerhafter Konsumgüter werden typischerweise von Langfristzinsen bestimmt, während die Opportunitätskosten der Geldhaltung kurzfristiger Natur sind. Die Kurzfristzinsen sind das Instrument der ZB, allerdings sind diese Zinsen direkt gar nicht so relevant für die meisten ökonomischen Entscheidungen. Der Zusammenhang zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen wird auch Zinsstruktur (term structure, yield curve) genannt. 6

R invers normal Abb. 1: Yield curves Restlaufzeit 7

Abb. 2: Zinsen auf US-Staatsanleihen 8

Erwartungstheorie der Zinsstruktur Hypothese: die Langfristzinsen hängen von den Erwartungen über die kurzfristigen Zinsen ab. Anlagestrategie bei Anlagezeitraum von zwei Jahren: R (2) = Rendite der 2jährigen Anlage pro Jahr (Jahreszins einer 2jährigen Anlage) R (1) = Rendite eines 1-Jahres-Papiers Annahme: Anleger sind risikoneutral, d.h. sie maximieren erwartete Rendite (keine Risikoprämie) Arbitrage-Gedanke: Die erwartete Rendite sollte unabhängig von der Art des WP sein, d.h. es sollte keine Rolle spielen, ob man heute das zweijährige Papier kauft oder heute ein einjähriges und in einem Jahr wiederum ein einjähriges Papier. 9

Übereinstimmung der erwarteten Renditen: (7) 1 + R 2 1 + R 2 = (1 + R 1 )(1 + E t R 1 t+1 ) (1) Mit E t R t+1 = zum Zeitpunkt t erwartete Rendite eines 1jährigen Papiers, das in t+1 gekauft wird wenn >, dann verstärkte Käufe 2jähriger Papiere, Kurs, R (2) wenn <, dann verstärkte Käufe 1jähriger Papiere, Kurs, R (1) linearisieren: (8) r (2) 1 2 r (1) 2 (2) (1) (1) log(1 R ) log(1 R ) log(1 E t R t 1) E t r (1) t 1 (2) r (1) r E t (1) r t 1 t 10

Umgeformt: (1) (9) E t r t+1 = 2r (2) r (1) Aus der Differenz zwischen langfristigem und kurzfristigem Zins lassen sich Erwartungen über zukünftige Zinsen ablesen! Beispiel: r (2) = 10% r (1) (1) = 5% E t r t+1 = 2 10% 5% = 15% positiver Zinsspread = Erwartung steigender kurzfristiger Zinsen Erwarten die Wirtschaftssubjekte steigende kurzfristige Zinsen, so wird die Anlagestrategie einer laufenden Revolvierung attraktiver im Vergleich zum Kauf eines langfristigen Papiers. Es gilt dann (8) 1 + R 2 2 < (1 + R 1 )(1 + E t R 1 t+1 ) 11

Die Anleger werden die zweijährigen Papiere verkaufen, was deren Kurs senkt und deren Rendite R (2) steigert. Der zusätzliche Kauf einjähriger Papiere erhöht deren Kurs und senkt deren Rendite R (1). Quintessenz: R (1), R 2 positiver Zinsspread negativer Zinsspread = Erwartung fallender kurzfristiger Zinsen Erwarten die Anleger sinkende kurzfristige Zinsen, so wird die Anlagestrategie einer laufenden Revolvierung unattraktiv im Vergleich zum Kauf des langfristigen Papiers. Es gilt dann 1 + R 2 2 > (1 + R 1 )(1 + E t R 1 t+1 ) Die Anleger werden die zweijährigen Papiere kaufen, deren Kurs steigt, ihre Rendite R (2) sinkt. Der Verkauf der einjährigen Papiere senkt deren Kurs und erhöht deren Rendite R (1). 12

Quintessenz: R 1, R 2 negativer Zinsspread Sofern der Zins keinen systematischen Trend im Zeitverlauf aufweist, sollten normale und inverse Zinsstruktur annähernd gleich häufig sein. Aber: Langfristige Papiere haben einen Liquiditätsnachteil. Je länger die Restlaufzeit des WP, desto größer das Risiko, dass das WP vor Fälligkeit zu u.u. ungünstigen Kursen verkauft werden muss. Für dieses Risiko verlangen (risikoaverse) Anleger eine Liquiditäts- bzw. eine Risikoprämie in Form einer höheren Verzinsung des langfristigen Papiers. positiver Zinsspread dominiert Liquiditätsprämientheorie 13

Wie wirkt Geldpolitik auf den langfristigen Zins? Bei einer zweijährigen Anlage gilt (siehe (8)): r (2) = 1 (r 1 + E 2 t r 1 t+1 ) Für eine dreijährige Anlage lässt sich zeigen: r (3) = 1 3 r 1 2 + E t r t+1 = 1 3 (r 1 + E t r 1 t+1 + E t r 1 t+2 ) allgemein gilt: langfristiger Zins = gewichteter Durchschnitt der erwarteten kurzfristigen Zinsen 14

Expansive Geldpolitik: M kurzfristiger Zins sinkt: r (1) r 2 > 1 r 1 1 + E 2 t r t+1 r (2) Kurzfristiges Revolvieren wird weniger attraktiv, verkaufe kurzfristige Papiere und kaufe langfristige Papiere. Letzteres senkt den langfristigen Zins. erwartete kurzfristige Zinsen sinken: E t r 1 t+1, E t r 1 t+2 Umschichtung von kurzfristigen zu langfristigen Papieren: r (2) Erwartungsbildung wird beeinflusst maßgeblich von Transparenz und Kommunikation der Geldpolitik 15

Quintessenz: Bei einer expansiven Geldpolitik macht die ZB die kurzfristigen Anlagen weniger attraktiv. Es erfolgt eine Umschichtung zugunsten langfristiger Anlagen. Dies impliziert insbesondere eine Reduktion des langfristigen Zinssatzes. Rückgang des langfristigen Zinssatzes entscheidend von der Erwartung der Akteure abhängig, ob Reduktion des kurzfristigen Zinssatzes als transitorisch oder dauerhaft anzusehen ist. Kommunikationspolitik seitens der Geldpolitik rückt in den Mittelpunkt Woodford: not only do expectations about policy matter, but, at least under current conditions, very little else matters" 16

6.3 Geldpolitik in turbolenten Zeiten: Quantitative Easing Geldpolitik in vielen Ländern an Null-Zins-Untergrenze angelangt 2,500 2,000 1,500 1,000 0,500 Eurozone Großbritannien Japan Kanada Schweiz USA Tschechien Schweden Dänemark 0,000 Jan 09 Apr 09 Jul 09 Okt 09 Jan 10 Apr 10 Jul 10 Okt 10 Jan 11 Apr 11 Jul 11 Okt 11 Jan 12 Apr 12 Jul 12 Okt 12 Jan 13 Apr 13 Jul 13 Okt 13 Jan 14 Apr 14 17

6.3 Geldpolitik in turbolenten Zeiten: Quantitative Easing Geldpolitik in vielen Ländern an Null-Zins-Untergrenze angelangt Land/Region Aktueller Zinssatz Vorheriger Zinssatz Änderungsdatum Tschechien 0,050 % 0,250 % 01.11.2012 Japan 0,100 % 0,100 % 05.10.2010 Dänemark 0,200 % 0,300 % 02.05.2013 Vereinigte Staaten 0,250 % 1,000 % 16.12.2008 Schweiz 0,250 % 0,500 % 12.03.2009 Großbritannien 0,500 % 1,000 % 05.03.2009 Europa 0,250 % 0,500 % 07.11.2013 Kanada 1,000 % 0,750 % 08.09.2010 Schweden 1,000 % 1,250 % 18.12.2012 18

Warum ist Null eine Zins-Untergrenze? Normalfall positiver Leitzins: GB leiht bei der ZB 1000 Euro und zahlt bspw. 1050 Euro zurück. Die 1000 Euro werden als Kredit weiterverliehen an Unternehmen, die an GB bspw. 1100 zurückzahlen müssen. Angenommen, der Leitzins ist minus 5 Prozent. Dann leiht eine GB bei der ZB 1000 Euro und zahlt rund 950 Euro zurück Für GB sind Spareinlagen meist der privaten Haushalte eine alternative Finanzierungsform. Wenn Refinanzierung bei ZB nichts kostet, werden GB nicht bereit sein, den Sparern einen positiven Zins zu zahlen. Konsequenz: Anreiz für negative Verzinsung der Spareinlagen 19

Sparer werden negative Verzinsung nicht akzeptieren, sie wandeln Spareinlagen komplett um in Bargeld, denn Bargeld ist liquider und hat zumindest Verzinsung von null Negative Leitzinsen führen zu Hortung von Bargeld Allg.: negative Leitzinsen führen zu kaum prognostizierbaren Veränderungen im Finanzgebaren der Akteure, potentiell starke Verwerfungen auf den Finanzmärkten Mankiw (2009), Buiter (2009), Rogoff (2014) negative Leitzinsen möglich Stempelsteuer (Schwundgeld a la Silvio Gesell) unerforschtes Terrain! 20

Möglichkeiten der Geldpolitik an der ZLB Bowdler, Christopher und Amar Radia (2012): Unconventional Monetary Policy: the Assessment, Oxford Review of Economic Policy 28(4): 603-621. Geldpolitik möchte langfristigen Zins beeinflussen. Genauer: Sie möchte den langfristigen Realzins reduzieren, um Ökonomie aus Rezession zu bewegen Realzins = Nominalzins erwartete Inflationsrate Zwei Möglichkeiten: 1. Nominalzins für langfristige Anlagen reduzieren 2. Inflationserwartungen schüren! 21

Instrumente: Kauf von langfristigen Papieren (Bilanzverlängerung) Fed: langfristige Staatsschuldpapiere und Mortgage Backed Securities (MBS) EZB: mittlerweile auch Staatsschuldpapiere Inflationserwartungen schüren (Beispiel Japan: Ankündigung, bis 2015 das umlaufende Bargeld zu verdoppeln = Abenomics) Schaffung von Inflationserwartungen = Spiel mit dem Feuer; Konflikt mit Ziel der Preisniveaustabilität vorprogrammiert Exit-Strategien glaubwürdig kommunizieren; m.e. irreal 22

Transmissionskanäle des QE 23

Ohne Zinseffekte sind die realen Auswirkungen der Geldpolitik sehr, sehr begrenzt Eggertson und Woodford (2003): QE völlig irrelevant Kauft Zentralbank bspw. MBS, so verlagert sich Risiko vom privaten Sektor auf Zentralbank, aber beim Ausfall von Forderungen sinkt ZB-Gewinn Steuerzahler als Eigentümer der ZB trägt das Risiko, also letztlich doch der private Sektor (Spielart von Modigliani-Miller bzw. dem Ricardianischen Äquivalenztheorem) Forschungsbedarf! 24