Aufgabe 1 (10 Punkte) a) Erläutern Sie den Satz von Smith für die Versicherungsnachfrage verbal und graphisch!



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Deutsche Aktuar-Akademie GmbH Klausur Herbst 2011 Umfang der Klausur: 3 Seiten max. 90 Punkte Teil 1: Aufgabe 1 (10 Punkte) a) Erläutern Sie den Satz von Smith für die Versicherungsnachfrage verbal und graphisch! b) Erläutern Sie die Gründe, warum Katastrophenrisiken schwer versicherbar sind! Lösungsskizze: a) Satz von Smith besagt: Bei fairer Prämie = voller Versicherungsschutz Bei positiven Kostenzuschlägen ist es für den Versicherungsnehmer optimal, sich nicht voll zu versichern. v 2 v 1 = v 2 v a L B v a - L C A v a v 1 b) Gründe, warum Katastrophenrisiken schwer versicherbar sind beschränkte Zufälligkeit beschränkte Schätzbarkeit 1

beschränkte Unabhängigkeit unbeherrschbarer Höchstschaden zu hoher Risikozuschlag = keine angemessene Prämie (vgl. hierzu die Erläuterungen im Skript) Aufgabe 2 (20 Punkte) Ein Juwelier betreibt ein Schmuckgeschäft am Hauptbahnhof. In seinem Schaufenster werden Schmuckstücke (Diamanten, Edelsteine, Markenuhren usw.) im Wert von insgesamt 1.000.000 ausgestellt. Dieses Schaufenster kann durch Vandalismus und Diebstahl beschädigt werden. Der dabei entstehende Schaden beträgt 800.000. Die Wahrscheinlichkeit p, dass ein solcher Diebstahl innerhalb eines Jahres eintritt, beträgt 50%. Wir nehmen an, der Juwelier besitze die folgende Nutzenfunktion u(v) = 10 ln(v), wobei v das Endvermögen darstellt. a) Berechnen Sie den erwarteten Nutzenwert, falls der Juwelier keine Versicherung gegen Vandalismus und Diebstahl abschließt! b) Durch den Einbau von Sicherheitsmaßnahmen (Sicherheitsschlösser, Panzerglas, Videoüberwachung) lässt sich die Schadenwahrscheinlichkeit von 50% auf 20% reduzieren. Diese Sicherheitsmaßnahmen verursachen jedoch Kosten i. H. v. 100.000. Wird der Juwelier diese Maßnahmen durchführen? c) Nach Installation der Sicherheitsmaßnahmen kann sich der Juwelier durch Abschluss eines Versicherungsvertrags gegen das Restrisiko absichern. Ein Versicherungsunternehmen bietet eine Vandalismus- und Diebstahlversicherung zu fairer Prämie an. Berechnen Sie den optimalen Deckungsgrad sowie den zugehörigen Erwartungsnutzen! d) Um seine Verwaltungskosten zu decken, erhebt der Versicherer einen proportionalen Kostenzuschlag in Höhe 30% der Nettoprämie. Wie hoch ist der optimale Deckungsgrad? e) Wir nehmen nun an, dass der Versicherer nicht beobachten kann, ob der Juwelier Sicherheitsmaßnahmen durchführt. Der Juwelier wird nach Abschluss des Versicherungsvertrags (zu fairer Prämie) die Sicherheitsmaßnahmen auf Null reduzieren. Nach anfänglichen Verlusten realisiert der Versicherer die neue Schadenwahrscheinlichkeit und passt seine faire Prämie entsprechend an. Außerdem verlangt der Versicherer einen fixen Kostenzuschlag in Höhe von 50.000? Kommt ein Versicherungsvertrag noch zustande? f) Diskutieren Sie anhand geeigneter Graphiken, warum das Moral-Hazard-Verhalten zum Zusammenbruch der Versicherungsmärkte führen kann! 2

Lösungsskizze: a) Im Fall ohne Sicherheitsmaßnahmen beträgt die Schadenwahrscheinlichkeit p = 0,5. Für den erwarteten Nutzen gilt E(U) = 0,5 10 ln(1.000.000) + 0,5 10 ln(200.000) = 130,12 b) Durch den Einbau von Sicherheitsmaßnahmen i. H. v. 100.000 lässt sich die Schadenwahrscheinlichkeit von 50% auf 20% reduzieren. Der neue Erwartungsnutzen beträgt: E(U) = 0,8 10. ln(900.000) + 0,2 10 ln(100.000) = 132,71 Der Juwelier wird Sicherheitsmaßnahmen in Höhe von 100.000 durchführen. c) Die faire Jahresprämie beträgt: P = 0,2 800.000 = 160.000. Bei einer fairen Prämie wird sich der Unternehmer voll versichern (α = 1): E(U) = 10 ln (1.000.000 100.000 160.000) = 135,14 Der Juwelier soll den Versicherungsvertrag abschließen. d) Mit dem proportionalen Kostenzuschlag von 30 % der Nettoprämie gilt P = 0,26 800.000 α= 208.000 α E(U) = 0,8 10 ln(1.000.000 100.000 208.000 α) + 0,2 10 ln(1.000.000 100.000 208.000 α (1-α) 800.000) E(U) = 0,8 10 ln(900.000 208.000 α) + 0,2 10 ln(100.000 + 592.000 α) Aus de(u)/dα = 0 folgt α = 0,73025 e) Durch die Unterlassung von Sicherheitsmaßnahmen steigt die Schadenwahrscheinlichkeit auf 0,5. Die faire Jahresprämie beträgt in diesem Fall P = 0,5 800.000 = 400.000. Für den zugehörigen Erwartungsnutzen gilt: E(U) = 10 ln(1.000.000 400.000 50.000) = 132,17 Es ist nicht vorteilhaft, Versicherungsschutz nachzufragen. Der Juwelier soll auf Versicherungsschutz verzichten und selbst Schadenverhütungsmaßnahmen durchführen. 3

f) Graphik (siehe Erläuterungen im Skript) v 2 v 1 = v 2 T D B E A L(0) C e e A e C T 0 v 1 4

Teil 2: Aufgabe 3 (10 Punkte) Grenzen Sie Individual- und Sozialversicherung anhand fünf geeigneter Kriterien material und formal voneinander ab. Lösungsskizze: Individual-/Privat- Versicherung Prinzip der Freiwilligkeit, grundsätzlich sämtliche (versicherbaren ) Risiken, individuelle Risikogerechtigkeit (Äquivalenzprinzip) Kriterium material Vertragsverhältnis Versicherte Risiken Prämienbemessung Sozialversicherung Pflicht- bzw. Zwangsversicherung, definierte Grundrisiken, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ( Solidaritätsprinzip ) Finanzierung Kapitalbildung Umlagesystem und Steuerfinanzierung formal Trägerschaft Sozialversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung private Versicherungsunternehmen, öffentlich-rechtliche Region, AOKs, Ersatzkassen, Bundesanstalt für Versicherer (Körperschaften) Arbeit, Berufsgenossenschaften), Rechtsquellen Gerichtsbarkeit BGB, HGB, AGBG, VVG, VAG, u.a ordentliche (Zivil-) Gerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch (SGB VI und SGB V), Reichsversicherungsordnung (RVO), u.a. Sozialgerichtsbarkeit Aufgabe 4 (10 Punkte) Nennen und erläutern Sie die Entstehungsgründe und Komponenten des versicherungstechnischen Risikos. 5

Lösungsskizze: Entstehungsgründe: Vorauszahlung der Prämie (beachte: ex post Prämienkorrektive) Zufallsbestimmtheit der Schadenzahlungen (individuell und kollektiv) Eintritt, Zeitpunkt und/oder Entschädigungshöhe eines Versicherungsfalls sind stochastisch Das versicherungstechnische Risiko besteht aus den Komponenten Zufallsrisiko und Irrtumsrisiko. Das Irrtumsrisiko resultiert aus der Unvollständigkeit der Informationen über die wahre Zufallsgesetzmäßigkeit der Schäden und zerfällt in die Bestandteile des Diagnose- und des Prognoserisikos. Das Diagnoserisiko besteht in der Gefahr, die in der Vergangenheit gültige Zufallsgesetzmäßigkeit der versicherungstechnischen Einheit nicht richtig zu identifizieren, also im Rückschluss von empirischen Daten auf die ihnen zugrunde liegenden Zufallsgesetzmäßigkeit. Mögliche Ursachen liegen in einer fehlerhaften Modellauswahl und spezifizierung sowie in der Unvollständigkeit der verwendeten Daten (statistische Inferenz). Schadendaten unterliegen Zufallsschwankungen, die ggfs. verstärkt werden durch zugrunde liegende rechtsschiefe Verteilungen und das Auftreten von Großschäden. Darüber hinaus beinhalten Schadendaten i.d.r. Schätzungen für eingetretene aber noch nicht vollständig regulierte Schäden. Das Prognoserisiko (statistische Prognose) resultiert aus der ex ante prinzipiell nicht bestätigbaren Hypothese über die Stabilität bzw. konkrete Entwicklung der inferierten Gesetzmäßigkeit. Selbst bei angenommener fehlerfreier Diagnose besteht die Unsicherheit, ob die in der Vergangenheit festgestellte Schadengesetzmäßigkeit auch in der Zukunft gültig ist. Das Zufallsrisiko beschreibt die zweite Komponente des versicherungstechnischen Risikos, da auch bei vollständiger Kenntnis der wahren Schadengesetzmäßigkeit die Realisation a priori unbekannt bleibt. Es verbleibt stets eine positive (Rest-) Wahrscheinlichkeit, dass die tatsächlich zu entrichtenden Auszahlungen für Versicherungsleistungen nicht aus dem Gesamtbetrag der zur Risikodeckung regelmäßig vorhandenen Vermögenswerte finanziert werden können. Modelltheoretisch wird das Irrtumsrisiko mit Methoden der Statistik, das Zufallsrisiko mit Modellen der Wahrscheinlichkeitstheorie beschrieben. Aufgabe 5 (10 Punkte) a) Für welche Schäden sind am Bilanzstichtag Schadenrückstellungen zu bilden? Erläutern Sie jeweils den Stand des Schadenabwicklungsprozesses. Wie entstehen Abwicklungsgewinne und Abwicklungsverluste? b) Warum wird zusätzlich zur Schadenrückstellung auch eine Schwankungsrückstellung benötigt? 6

Lösungsskizze: a) RBNS: Schaden ist: eingetreten, dem VN bekannt, dem VU bekannt, nicht reguliert, nicht bezahlt. Aufwand für Schadenrückstellung, Auszahlung erfolgt später. IBNR: Schaden ist: eingetreten, dem VN evtl. bekannt, dem VU unbekannt, nicht reguliert, nicht bezahlt. Spätschadenrückstellung (IBNR Reserve) Abwicklungsgewinn: Schadenrückstellung > Schadenregulierung Abwicklungsverlust: Schadenrückstellung < Schadenregulierung b) Zufallsschwankungen der Schadenrealisationen Unter- und Überschäden Ausgleich via Schwankungsrückstellung Glättung der Gewinnsituation Erhöhung der Verlustverrechnungsfähigkeit Ausgleichs- und Sicherungsfunktion Risikoausgleich in der Zeit Berechnung nur für Kollektiv möglich Teil 3: Aufgabe 6 (18 Punkte) Die Primavera Versicherungsgruppe will sich strategisch neu orientieren. Bisher war sie mit einem sehr breiten Produktsortiment am Markt vertreten, das in mehreren, weitgehend unabhängig agierenden strategischen Geschäftseinheiten entwickelt, verwaltet und vertrieben wurde. Individuelle Arbeitsprozesse und wenig Standardisierung haben aber nach Einschätzung der Geschäftsleitung zu geringer Arbeitseffizienz und zu einer nicht mehr akzeptablen Kostensituation geführt. Es besteht die Befürchtung, dass man in der Zukunft im Markt nicht mehr wird bestehen können und zudem den regulatorischen Anforderungen (z.b. Solvency II, IFRS) nicht mehr gewachsen sein könnte. Deshalb soll nun die Anzahl der strategischen Geschäftsfelder deutlich verringert werden und diese sollen bei stark standardisierten Arbeitsprozessen in einer gemeinsamen Organisation betrieben werden. a) Beschreiben Sie kurz die Auswirkung dieser Entscheidung auf das Führungssystem der Primavera. 7

b) Diskutieren Sie die Chancen und Risiken dieser Entscheidung, indem Sie die Charakteristika der beiden entgegen gesetzten Führungsprinzipien Center- Steuerung und Zentralistische Führung skizzieren jeweils (mindestens zwei) Argumente nennen, die für das eine oder das andere Führungsprinzip sprechen eine Empfehlung für das weitere Vorgehen der Primavera hinsichtlich des Führungssystems geben c) Die Zukunftsfähigkeit im Hinblick auf Solvency II und IFRS ist für die Primavera ein besonders wichtiges Ziel. Beschreiben Sie die Herausforderungen an die betriebliche Organisation, die aus Solvency II einerseits und der internationalen Rechnungslegung andererseits resultieren. Lösungsskizze: a) Das bisher praktizierte System der Center-Steuerung wird nicht weiter geführt werden können. Da die strategischen Geschäftsfelder gemeinsam in einer vernetzten Organisation bearbeitet werden sollen, sind zentralistische Regelungen und der Übergang zu einer eher zentralistischen Organisation unumgänglich. b) System Center Steuerung Center = Organisationseinheit mit erweitertem Handlungsspielraum nicht nur Profit-Center, Differenzierung nach Aufgabenschwerpunkt Kernidee: konsequente Führung mit Zielen (eigenverantwortliche Selbststeuerung) Führungskraft := Kosten- und LeistungsMANAGER Zentralistisches System zentrale Entwicklung von Arbeitsrichtlinien und Regelwerken Geschäftsprozesse werden unternehmensweit festgelegt und für die dezentralen Einheiten vorgegeben hohe Bedeutung von Funktionen wie z.b. Betriebsorganisation Handlungsspielraum und Verantwortlichkeit der Organisationseinheiten eingeschränkt hoher Grad an Einheitlichkeit und Standardisierung Argumente für Center Steuerung das dezentrale Know-how wird stärker genutzt kürzere Entscheidungswege ermöglichen schnellere Entscheidungen Sinn und Nutzen von Entscheidungen und Verhaltensweisen treten an Stelle von Regelkonformität in den Vordergrund 8

es besteht weniger die Möglichkeit, Verantwortung zu teilen oder in diverse Gremien zu verlagern Erfolg der Organisationseinheit wird in stärkerem Maße zum persönlichen Anliegen Argumente für zentralistisches System generelle Entwicklungsgeschwindigkeit zwingt zu häufiger Umstrukturierung, notwendige Erneuerungsprozesse lassen sich nur Center-übergreifend durchführen steigender Vernetzungsgrad lässt Denken in isolierten Funktionseinheiten nicht zu übergreifende Prozessorientierung und Standardisierung ist wichtiger als lokale Optimierung Kostenvorteile nur bei systematischer, unternehmenseinheitlicher Vorgehensweise Empfehlung Die Primavera sollte versuchen, die Balance zu halten zwischen bisheriger dezentraler Verantwortlichkeit und den künftig notwendigen zentralen Standards die Vorteile der Zentralisierung und Standardisierung zu nutzen und dabei die Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter nur so weit wie nötig einschränken, um deren Motivation so weit wie möglich zu erhalten c) Auswirkung von Solvency II auf betriebliche Organisation: umfassend zu lösende Kooperationsaufgabe für weite Teile des Unternehmens, insbesondere für Bereiche Kapitalanlage, Aktuariat, Rechnungswesen, Controlling, Revision, Betriebsorganisation. Einrichten der Funktion unabhängiges Risikocontrolling, Rollenverteilung Risk Owner (Fachkompetenz) Risk Controller (Methodenkompetenz) Audit (Prozessüberwachung). Erhöhter Zwang zu Effizienz und Professionalität (wertorientierte Steuerung) durch erhöhte Kapitalanforderungen Weiterer Druck entsteht durch Pflicht zur Offenlegung (Säule 3). Auswirkung der internationalen Rechnungslegung auf betriebliche Organisation: erheblich gestiegener Arbeitsaufwand, im Prinzip Verdoppelung der Rechnungslegung, Mehraufwand muss in hohem Maße durch Prozessverbesserung aufgefangen werden unterjährige Abschlüsse zwingen zu grundlegender Erneuerung der Buchhaltungsprozesse: sinnvolle unterjährige Abgrenzungen definieren und buchen, genereller Zwang zur Automatisierung 9

Fast Close zwingt zu grundlegender Erneuerung der Abschlussprozesse: Beschleunigung, Automatisierung, Schätzverfahren /True Up, sorgfältige Terminplanung/Abstimmung mit allen Beteiligten (Zulieferer des Rechnungswesens, DV, Entscheidungsgremien, ), effizientes Prozesscontrolling Aufgabe 7 (12 Punkte): Der Vorstand der Gloria Lebensversicherung hat beschlossen, die Effizienz bei der Abwicklung von Projekten im Unternehmen deutlich zu steigern und sowohl für das Einzelprojektmanagement als auch für das Multiprojektmanagement möglichst einfache aber wirkungsvolle Regeln und Prozesse festzulegen. a) Grenzen Sie die Begriffe Einzelprojektmanagement und Multiprojektmanagement voneinander ab indem Sie jeweils drei wichtige Klärungspunkte beschreiben. b) Legen Sie das prinzipielle Vorgehen im Einzelprojektmanagement fest, indem Sie grob die drei Phasen bei der Abwicklung eines Projekts skizzieren. c) Zur Planung und Steuerung der einzelnen Projekte soll die Balkendiagrammtechnik eingesetzt werden. Erklären Sie die Vorteile dieser Methode, erläutern Sie aber auch deren Nachteile und Grenzen und nennen Sie einen weitergehenden Ansatz zur Projektsteuerung. Lösungsskizze: a) Festgelegt werden beim Einzelprojektmanagement die Regeln / Systeme zur Planung und Überwachung der Durchführung des einzelnen Projekts, beim Multiprojektmanagement die Regeln / Systeme und Gremien zur übergreifenden Koordination eines Projektportfolios. Klärungspunkte zum Einzelprojektmanagement: Grundfragen, die sich aus dem Projektbegriff ergeben Wer verantwortet das Projekt, wer gibt den Anstoß? Wer ist interessiert am Ergebnis? Wer organisiert die Planung und die Durchführung? Welches Verfahren kommt bei der Planung zum Einsatz? Wer stellt Arbeitskapazitäten zur Verfügung? Wer bezahlt Wie vermeidet man Kollisionen von Projekt- und Linienorganisation? Diese Fragen müssen abhängig von der Größe des Projekts unterschiedlich beantwortet werden 10

Wie definiert man Projektgröße? Wie legt man Größenklassen geeignet fest, um die Projekte einer Klasse organisatorisch gleich zu behandeln? Klärungspunkte zum Multiprojektmanagement: Welche zusätzlichen Probleme entstehen, wenn mehrere (verschieden große) Projekte im Unternehmen gleichzeitig abgewickelt werden sollen? Wie verteilt man knappe Ressourcen auf die Projekte? Wie priorisiert man bei Kapazitätsengpässen? Wer entscheidet und verantwortet in diesem Falle? Wie verschafft man sich einen Überblick über das gesamte Projektportfolio? Wie wird die Ableitung der Entscheidungen im Projektmanagement aus den strategischen Zielen des Unternehmens sichergestellt? Wie vermeidet man Kollisionen von Projektorganisation und Linienorganisation? b) Die drei Phasen der Projektabwicklung: Planung: Projektanstoß durch Auftraggeber, Erstellung des Projektplans, Vorkalkulation, Freigabe Projektstart Durchführung: Festlegung der Steuerungs- und Reportingverfahren, Vereinbarung von Meilensteinterminen, Projektabschlussbericht und Übergabe an Auftraggeber Nachkalkulation: Überprüfung des Projekterfolgs, Wiederholung der Rechnungen der Vorkalkulation mit den inzwischen vorliegenden IST-Werten anstelle der PLAN-Werte. c) Balkendiagramm: auf der horizontalen Achse wird die Zeit dargestellt, auf der vertikalen Achse werden die Vorgänge des Projekts dargestellt Vorteil: einfaches Verfahren, anschauliche Projektdarstellung, durch unterscheidbare Darstellung von geplanten Abläufen und wirklich erfolgten Abläufen auch als Kontrollinstrument des Arbeitsablaufes einsetzbar Nachteil: Abhängigkeiten zwischen den Vorgängen, Reihenfolge-beziehungen usw. lassen sich nicht oder nur eingeschränkt darstellen, Alternative bietet Netzplantechnik: Darstellung des Projekts und seiner logischen Struktur als Graph mit Knoten und Kanten und Einsatz von Methoden der Graphentheorie. 11