Ressourcenorientiertes Gesundheitsmanagement in Veränderungsprozessen Titel Prof. Dr. Kh. Sonntag Arbeits- und Organisationspsychologie Universität Heidelberg Gesundheitscoaching Helm Stierlin Institut, Heidelberg 07.-09. März 2007
Ressourcenorientiertes Change Management - Wege einer beanspruchungsoptimalen Gestaltung von Veränderungen - 1. Veränderungen in Organisationen: alltäglich aber leistungskritisch 2. Ressourcen: Erfolgsfaktoren in Veränderungsprozessen 3. Ressourcenorientiertes Change Management 2
πάντα ρει [ Alles fließt Heraklit, 544 484 v. Chr.] 3
Veränderungskritische Einflussfaktoren für Unternehmen Wettbewerber -Globalagierende Player -Optimierte Wertschöpfungstiefe -Konsolidierungsdruck durch M&A Umfelddynamik -Technologische Innovation -Deregulierung und Privatisierung Unternehmen Organisation Mensch Kunden -Qualität -Preise -Geschwindigkeit Technik Kapitalmärkte -Hohe Profitabilität -Wachstumserwartungen -Effiziente Restrukturierungsprogramme 4
Change Management Konzepte Business Reengineering Lean Management TOP (DaimlerChrysler, Siemens, BOSCH, Trumpf) KVP P/3S (Phoenix) Noch-besser-Prinzip (HypoBank) KVP² IMPULSE (Universität Heidelberg) Total Quality Management 5
Strategien von Veränderungsprozessen Strategie des Bombenwurfs Veränderungsprozess Strategie des Ressourcenorientierten Change Management 6
Ressourcenorientiertes Change Management - Wege einer beanspruchungsoptimalen Gestaltung von Veränderungen - 1. Veränderungen in Organisationen: alltäglich aber leistungskritisch 2. Ressourcen: Erfolgsfaktoren in Veränderungsprozessen 3. Ressourcenorientiertes Change Management 7
Beispiel 1: OE-/PE-Maßnahmen bei Prozessgestaltung Ziele: Ermittlung veränderungsförderlicher und hemmender Faktoren bei Reorganisationsvorhaben Analyse der Bewältigungs- und Handlungsstrategien von Führungskräften (Ebene 2 bis 5) bei Veränderungsprozessen Entwicklung und Implementierung bedarfsgerechter Maßnahmen, um Führungskräfte und Mitarbeiter bei Veränderungen zu unterstützen Bedeutung von Ressourcen für Motivation, Wohlbefinden und Veränderungsbereitschaft Produkt: Toolbox bestehend aus Checklisten und Instrumenten zur Organisations- und Personalentwicklung im Veränderungsprozess 8
Stolpersteine in Veränderungsprozessen (1) SERO-Studie, Sonntag & Spellenberg, 2005 Angemessene Bearbeitung Hohe Veränderungsdynamik erlaubt angemessene Bearbeitung 17 22 62 Abgestimmtheit Veränderungsprozesse sind gut aufeinander abgestimmt 8 31 61 Menge Es gibt nicht zu viele Veränderungsprozesse 18 21 61 Kommunikation Veränderungsprozesse werden gut kommuniziert 32 40 28 Zeit Zur Umsetzung steht genügend Zeit zur Verfügung 20 34 47 0 25 50 75 100 N = 1150 Manager Zustimmung Teilweise Zustimmung Ablehnung 9
Stolpersteine in Veränderungsprozessen (2) SERO-Studie, Sonntag & Spellenberg, 2005 Sinnhaftigkeit Sinn und Nutzen der Veränderung sind für mich erkennbar 47 40 14 Partizipation Mitgestaltungsmöglichkeiten bei Veränderungen sind gegeben 30 39 31 Konsistenz und Nachhaltigkeit Veränderung wird verbindlich und konsequent umgesetzt 38 43 19 0 20 40 60 80 100 120 N = 1150 Manager Zustimmung Teilweise Zustimmung Ablehnung 10
Typisches Stimmungsbild in Veränderungsprozessen: Change Management Stolpersteine differenziert nach Führungsebenen Sinnhaftigkeit Sinn und Nutzen der Veränderung sind für mich erkennbar 47 Partizipation Mitgestaltungsmöglichkeiten bei Veränderungen sind gegeben 30 Konsistenz und Nachhaltigkeit Veränderung wird verbindlich und konsequent umgesetzt 38 N = 1150 Manager 0 20 40 60 80 100 Zustimmung von Werksleitung Bereichsleitung Zustimmung Abteilungsleitung gesamt Teamleitung Meister 11
Welche Ressourcen unterstützen den Veränderungsprozess? (Ergebnisse der Experteninterviews) Ressourcen in der Führung Mitwirkung/Einbeziehung (92,5%) Wohlwollen/Loyalität (92%) Unterstützung (88,5%) Offene und ehrliche Kommunikation (80,8%) Kompetenz (53,8%) Konsistenz (46,3%) Ressourcen in Kultur und Struktur Sinnhaftigkeit von Veränderungsprozessen (92,3%) Information und Kommunikation (80,8%) Konsequenz und Nachhaltigkeit (76,9%) Berufliche Ressourcen Qualifikationspotential (77%) Angemessene Aufgabendichte (76%) Herausfordernde Aufgaben (69,2%) Handlungsspielraum (61,5%) Geld (53,8) Status (50%) 12
Zusammenhänge zwischen vorhandenen Ressourcen und Veränderungsbereitschaft Ressource Kultur/ Struktur: Partizipation (.60), Sinnhaftigkeit (.58) N = 1150 Führungskräfte Ressource Führung: Vertrauen (.40) Veränderungsbereitschaft Berufliche Ressourcen: IST-Zustand: Handlungsspielraum (.43), Qualifikationspotenzial (.39) Erwartete Veränderung: Handlungsspielraum (.52), Qualifikationspotenzial (.46) Es wurden nur die höchsten Korrelationen in die Darstellung aufgenommen (p <.01 ) 13
SERO-Tools zur Verbesserung von Kommunikation und Partizipation bei Veränderungsprozessen Vorbereitungsund Reflexionsworkshop -Identifikation kritischer Erfolgsfaktoren und wichtiger Ressourcen -Abstimmung mit anderen Veränderungsprozessen -Wissensmanagement und Transfer sicherstellen Führungskraft Mitarbeiter Selbstmanagement-Training und Coaching -Umgang mit Belastungen optimieren -Erweiterung und Anwendung von Bewältigungsstrategien -Steigerung der Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft Prozess Teamentwicklung mit dem Runden Tisch -Eigenverantwortung und Selbstbefähigung fördern -Konfliktverhalten und Umgang mit Aufgabendichte verbessern 14
Beispiel 2: Belastungs-/Beanspruchungsdiagnostik in neuen Arbeits- und Organisationsformen (GESINA) Ziele: Entwicklung und Erprobung handhabbarer Methoden zur Belastungs- / Beanspruchungsdiagnostik bei der Einführung neuer Arbeits- und Organisationsformen Analyse und Bewertung von Ressourcen und Kompetenzen Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter, Führungskräfte und Sicherheitsakteure Produkt: Gefährdungsanalyse, Belastungs-/Beanspruchungsanalyse, Workshops, Trainings Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse 15
Design zur Belastungs- und Ressourcendiagnostik Pufferwirkung Aufgaben. + Anforderungen Stressoren Gefährdungen Ressourcen Gesundheit Arbeitssicherheit Motivation Wie variabel und komplex sind die Arbeitsaufgaben? Was beeinträchtigt die Gesundheit? Was führt zu Unfällen und sicherheitskritischem Verhalten? Was fördert die Gesundheit? Was verhindert Unfälle und fördert sicherheitsgerechtes Verhalten? Wie ausgeprägt sind physisches und psychisches Wohlbefinden und Motivation, sowie sicherheitsgerechtes Verhalten? 16
Ressourcen: Definition und Formen Personale Ressourcen Kompetenzen, Selbstkonzept, Situationskontrolle, Copingstile, Einstellungen, etc. Ressourcen Komponenten der Beanspruchungsoptimierung, die es ermöglichen, Situationen zu beeinflussen und stressverursachende Auswirkungen zu verhindern Organisationale Ressourcen Anforderungsvielfalt, Partizipation, Tätigkeitsspielraum Soziale Ressourcen Unterstützung durch Vorgesetzte, Kollegen, Lebenspartner, etc. 17
Erfolgsfaktoren in Veränderungsprozessen Motivation Veränderungskompetenz Prozessgestaltung Gesundheit Wirtschaftliche Ziele 18
Kompetenzerwartung und Veränderungen - Effekte auf die Gesundheit - hoch 4,2 4,1 Wohlbefinden 4 3,9 3,8 3,7 niedrige Kompetenzerwartung hohe Kompetenzerwartung 3,6 3,5 niedrig 3,4 nein ja Veränderung der Arbeitsaufgaben - Zunahme von Umfang, Vielfalt, Schwierigkeit - N = 90 19
Ressourcen als Erfolgsfaktoren in Veränderungsprozessen Beteiligung Prozessgestaltung Information Wirtschaftliche Ziele Veränderungskompetenz Soziale Unterstützung Führung 20
1 2 Einflussmöglichkeiten und ihre Effekte auf Gesundheit und Motivation hoch 5 4,2 ** 4 3,6 3,4 ** 3 2 2,8 Einflussmöglichkeiten wenig vorhanden (N = 79) Einflussmöglichkeiten vorhanden (N = 42) ** p <.01 niedrig 1 Wohlbefinden Identifikation mit der Arbeitstätigkeit 21
Ressourcenorientiertes Change Management - Wege einer beanspruchungsoptimalen Gestaltung von Veränderungen - 1. Veränderungen in Organisationen: alltäglich aber leistungskritisch 2. Ressourcen: Erfolgsfaktoren in Veränderungsprozessen 3. Ressourcenorientiertes Change Management 22
Ressourcenorientiertes Change Management Bedeutung der Arbeit Transfer Inhalt Struktur Veränderungen in der Arbeitswelt 23
Auflösung von Raum, Zeit und Struktur in der Arbeitswelt Arbeite am fixen Ort zur festen Zeit! Arbeite wo und wann Du willst! Hierarchische Organisationen Starre Abteilungsstrukturen Zeitorientierung Kontrolle Trennung von Arbeit und Freizeit Raum mobil Neue Arbeitsformen flexibel Zeit Heterarchische Organisationen Flexible Teams Projektarbeit Ergebnisorientierung Selbstverantwortung Zusammenwachsen von Arbeit und Freizeit dezentral Struktur 24
Ressourcenorientiertes Change Management Inhalt Bedeutung der Arbeit Potenzial von Gesundheit Transfer Struktur Veränderungen in der Arbeitswelt 25
Definition von Krankheit und Gesundheit (Badura, 2000) Krankheit ist nicht nur als körperliche Fehlfunktion oder Schädigung zu verstehen, sondern auch als Beschädigung der Identität oder länger anhaltender negativer Gefühle der Angst oder Hilflosigkeit mit ungünstigen Rückwirkungen auf Denken und Handeln. Gesundheit ist die Fähigkeit zur Problemlösung und Gefühlsregulierung durch ein positives seelisches und körperliches Befinden insbesondere ein positives Selbstwertgefühl und ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen. 26
Ressourcenorientiertes Change Management Inhalt Bedeutung der Arbeit Potenzial von Gesundheit Nachhaltigkeit von Human Performance Transfer Struktur Veränderungen in der Arbeitswelt 27
Beispiel 3: Benchmarking in einem Gesundheitsnetzwerk (BIG) Nachhaltiges Gesundheitsmanagement als Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen Ziele: Konzeption eines Modells der gesunden Organisation Entwicklung eines Instruments zur Messung der gesunden Organisation (Gesundheitsindex) Ableitung eines alters- und geschlechtsdifferenzierten Gestaltungsmodells für gesunde Unternehmen Benchmarking mit Firmen in einem Gesundheitsnetzwerk Bestimmung des ökonomischen und mitarbeiterbezogenen Nutzens der gesunden Organisation 28
Beispiel 3: Benchmarking in einem Gesundheitsnetzwerk (BIG) Nachhaltiges Gesundheitsmanagement als Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen Führung Kommunikation Soziales Umfeld Gesunde Organisation Arbeitsfähigkeit des Individuums Unternehmenskultur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens Unternehmen 1 Unternehmen 2 Gesundheitsindex Unternehmen 4 Unternehmen 3 Maßnahmen Gestaltungsmodell gesunde Organisation Modellanpassung 29
Ressourcenorientiertes Change Management Inhalt Bedeutung der Arbeit Potenzial von Gesundheit Nachhaltigkeit von Human Performance Struktur Integrative Dienstleistungsstrukturen Professionalisierung Transfer Bildung von Funktionsketten Veränderungen in der Arbeitswelt 30
Taking Care of People is Good Business Harvard School of Public Health, 1998 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 31
Zunahme psychischer Erkrankungen: AU-Fälle (Index in %) aus Fehlzeitenreport, 2003 Verletzungen Muskel/Skelett Verdauung Atemwege Herz/Kreislauf Psyche 200 180 160 140 120 100 80 60 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 32
Forschungs- und Gestaltungsansatz zur Nachhaltigkeit von Human Performance Situation/ Prognosen in der Arbeitswelt: Hohe Veränderungsdynamik Zunahme höher qualifizierter Tätigkeit (> Wissensarbeit im Büro) Alterung der Belegschaft (> Verlängerung der Lebensarbeitszeit) Aktionsfelder: Kompetenzmanagement Anforderungs- und Potentialanalysen Ressourcenoptimierung Psychische Belastung/ Beanspruchung Arbeitsgestaltung Innovative Bürogestaltung Organisationsentwicklung/ Prozessgestaltung Methodik: Analyse Bewertung/Konzeption Gestaltung Evaluation 33
Psychology of turnarounds auf der Basis von Erfahrungen bei Gilette, BBC und Invensys (nach Moss Kanter, 2003) Dynamik des Niedergangs Heimlichkeiten & Leugnen Interventionen des turnaround leaders Vertrauen & Glaubwürdigkeit wieder herstellen: Dialog und Transparenz anstelle von Leugnen und Heimlichkeiten Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Verachtung Respekt anstelle von Schuldzuweisungen und Zynismus Vermeidung & Isolierung Kollaboration anstelle von Isolation Passivität & Hilflosigkeit Initiative statt Hilflosigkeit und Passivität 34