Sonderausgabe: Die Europäische Aktiengesellschaft Societas Europaea (SE) Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie vielleicht der Presse entnommen haben, ist vor wenigen Tagen die Verordnung über die Europäische Aktiengesellschaft (SE) in Kraft getreten. Damit steht eine neue Gesellschaftsrechtsform zur Verfügung, die insbesondere das grenzüberschreitende Tätigwerden in der Europäischen Union bzw. im EWR erleichtern soll. Trotz des Anspruchs einer europaweit einheitlichen Regelung für die Societas Europaea (SE) wird die SE jeweils auch eigenständigen nationalen Regelungen unterfallen; das deutsche Ausführungsgesetz zur SE ist noch nicht verabschiedet. Viele Fragen der Besteuerung der SE sind bis jetzt noch ungeklärt und auch die Ausgestaltung der Arbeitnehmerbeteiligung ist für viele Mitgliedsstaaten eine Novum. Die SE als neues Element in der gesellschaftsrechtlichen Landschaft wird derzeit kontrovers diskutiert. Taylor Wessing hat die als Anlage beigefügte Information für Sie vorbereitet, die Ihnen einen etwas vertiefteren Einblick ermöglichen soll. Wir werden auch in unserer nächsten Ausgabe des Newsletter Corporate darauf zurückkommen. Mit freundlichen Grüßen Taylor Wessing Practice Department Corporate e-mail der Redaktion: Newslettercorporate@taylorwessing.com
Die am 8. Oktober 2004 in Kraft getretene Verordnung über die Europäische Aktiengesellschaft ermöglicht es Unternehmen, Gesellschaften zu gründen, die europaweit einem einheitlichen Rechtsrahmen unterliegen. Die SE bietet den Unternehmen viele Vorteile, hat aber aufgrund vielschichtiger Regelungen und noch offener Fragen, wie im Bereich der Besteuerung, auch Nachteile. Einführung Seit dem 8. Oktober 2004 steht den Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft eine neue supranationale Gesellschaftsform zur Verfügung. Mit Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) bietet die Europäische Gemeinschaft allen Unternehmen die Möglichkeit, sich von den rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten, die sich aus einem Tätigwerden über Tochtergesellschaften in den 25 verschiedenen Rechtssystemen innerhalb der EU nach dem jeweiligen Landesrecht ergibt, zu befreien und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Zusätzlich wird die SE auch in den weiteren Mitgliedstaaten des EWR (Island, Liechtenstein und Norwegen) übernommen. Nach mehr als 30 Jahren Verhandlung wurde die der SE zugrunde liegende Verordnung (SE-VO) im Ministerrat der EU am 8. Oktober 2001 verabschiedet. Die SE-VO regelt allerdings das Statut der SE nicht vollumfänglich, sondern überlässt den Mitgliedstaaten zu mehr als 30 Aspekten Optionsmöglichkeiten, die in nationalen Ausführungsgesetzen geregelt werden müssen. Neben der SE-VO hat man sich über die dazugehörige Richtlinie über die Arbeitnehmerbeteiligung in der SE (SE-RL) geeinigt, die ebenfalls in nationales Recht umgesetzt werden muss. Beide Rechtsakte bilden neben den jeweiligen nationalen Ausführungsgesetzen und den nationalen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften die Grundlage für die Gründung einer SE. In Deutschland liegt seit dem Mai 2004 der Entwurf der Bundesregierung für das SE- Ausführungsgesetz und das SE-Beteiligungsgesetz vor, beide werden im Bundestag beraten. Gründung einer SE Die SE-VO sieht vier verschiedene Möglichkeiten für die Gründung einer SE vor: durch Verschmelzung von zwei oder mehr Aktiengesellschaften aus mindestens zwei Mitgliedstaaten; durch Gründung als Holding SE durch zwei oder mehr Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern mindestens zwei von ihnen entweder dem Recht unterschiedlicher Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben; durch Gründung einer Tochter-SE durch zwei oder mehr Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung unter ansonsten gleichen Voraussetzungen wie bei der Holding-SE ; durch Umwandlung einer Aktiengesellschaft, die seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat hat. Natürliche Personen und Personengesellschaften sind als Gründungsgesellschafter einer SE nicht zugelassen. Sie können jedoch Aktionäre einer bestehenden SE werden, wenn sie Anteile an einer SE nach deren Gründung übertragen bekommen. Ein Unternehmen mit Hauptsitz außerhalb der EU kann sich an einer SE beteiligen, wenn es nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurde, seinen Sitz in diesem Mitgliedstaat hat und tatsächliche und dauerhafte Wirtschaftsverbindungen mit dem Mitgliedstaat vorweisen kann.
Rahmenbedingungen Die SE muss nach der SE-VO ein gezeichnetes Mindestkapital von EUR 120.000 aufweisen. Ein höheres gezeichnetes Mindestkapital kann für bestimmte Fälle nach nationalem Recht vorgesehen werden. Der Sitz der SE muss sich innerhalb der Gemeinschaft und im selben Mitgliedstaat wie die Hauptverwaltung befinden. Ob Sitz und Ort der Hauptverwaltung identisch sein müssen, regelt wiederum das nationale Recht. Der Sitz der SE kann allerdings jederzeit unter bestimmten Voraussetzungen in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden, ohne dass die Gesellschaft aufgelöst und eine neue Gesellschaft gegründet werden muss. Dies kann zu erheblichen Zeit- und Kostenersparnissen führen. Den Gläubigerschutz bei einer Sitzverlegung überlässt die SE-VO der nationalen Ausgestaltung. Die Rechtsvorschriften des Sitzstaates bestimmen ebenfalls die Voraussetzungen für die Aufstellung des Jahresabschlusses einschließlich des dazugehörigen Lageberichts. Die Ausgestaltung der Organstruktur der SE kann nach zwei Systemen erfolgen. Neben der Hauptversammlung muss die SE entweder über ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan (dualistisches System) oder über ein Verwaltungsorgan (monistisches System) verfügen. Das dualistische System entspricht dem deutschen Aktienrecht, während das monistische System dem angloamerikanischen Boardsystem gleicht. Die Anzahl der Mitglieder in den einzelnen Organen bestimmt wiederum das jeweilige nationale Recht. Arbeitnehmerbeteiligung Die Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung in der SE gehen weit über die existierenden Rechtsvorschriften hinaus und sind teilweise sehr komplex. Für viele Mitgliedstaaten handelt es sich zudem um eine völlig neue Materie. Bereits bei der Vorbereitung der Gründung einer SE müssen mit den Arbeitnehmervertretern Verhandlungen über die spätere Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE geführt werden (besonderes Verhandlungsgremium). Zu diesen Verhandlungen können auch externe Gewerkschaftsvertreter hinzugezogen werden. Gibt es keine Einigung über die zukünftige Arbeitnehmerbeteiligung, kann das Verhandlungsgremium die Gespräche für gescheitert erklären. In diesem Fall wird auf die bereits existierenden Regelungen der Arbeitnehmerbeteiligung am Sitz der SE zurückgegriffen oder es greifen nach einer Verhandlungsdauer von mindestens sechs Monaten sogenannte Standardvorschriften für die Arbeitnehmerbeteiligung ein, die in der SE-RL als Auffangtatbestand geregelt sind. Die Standardvorschriften der Arbeitnehmerbeteiligung verpflichten die Unternehmensleitung, regelmäßig über die wichtigsten Unternehmensvorgänge zu berichten. Dazu gehören Geschäftspläne, Produktionsund Verkaufszahlen, Änderungen in der Geschäftsleitung, anstehende Fusionen oder Veräußerungen von Unternehmensteilen sowie mögliche Schließungen und Entlassungen. Die Arbeitnehmervertretung ist auf Grundlage dieser Berichte zu unterrichten und zu konsultieren. Die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer hängen auch davon ab, welche Form der Gründung einer SE gewählt wird. So werden bei einer Umwandlung einer nationalen Gesellschaft in eine SE die Vorschriften für die Arbeitnehmerbeteiligung aus der nationalen Gesellschaft übernommen. Bei einer Verschmelzung oder der Gründung einer Holding-SE kommt es darauf an, ob die Mehrheit der Arbeitnehmer bereits vor der Gründung der SE ein Mitspracherecht in den Unternehmen hatte. Ist dies der Fall und gibt es keine Einigung über ein Beteiligungsmodell, müssen die Standardvorschriften übernommen werden. Sämtliche Kosten für die Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums und die Verhandlungen selbst sind von den
an der SE beteiligten Unternehmen, d.h. den Gründern, den verschmolzenen oder den umgewandelten Gesellschaftern, zu tragen. Steuerliche Regelungen Die SE-VO regelt ausdrücklich keine steuerrechtlichen Fragen. Aus diesem Grund sind vorerst die nationalen Steuerregelungen am Sitz der SE oder ihrer Zweigniederlassungen einschlägig. Dies bedeutet, dass die Gründung einer SE aus steuerlicher Sicht nicht zwingend einen Vorteil darstellen muss und die nationalen Steuerregelungen einen wesentlichen Entscheidungsfaktor bei der Frage nach dem Sitz der SE spielen werden. Die Kommission hat allerdings bereits eine Änderung der steuerrechtlichen Fusionsrichtlinie (RL 90/434/EWG) vorgeschlagen, um die SE in diese einzubeziehen. Damit könnte zukünftig eine Harmonisierung der Besteuerung der Gründung einer SE und deren Sitzverlegung erfolgen. Eine Verabschiedung der Änderungen wird aber nicht vor 2005 erfolgen. Die so genannte Mutter- Tochter-Richtlinie wurde bereits im Hinblick auf die SE abgeändert (RL 90/435/EWG). Damit greifen die Ausnahmen für die Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen auch für die Mutter- und Tochtergesellschaften einer SE. Fazit Die SE ermöglicht Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, auf der Grundlage der SE-VO zu fusionieren und aus einer einzigen Gesellschaft heraus überall in der Europäischen Union tätig zu werden. Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, Konzernierungsvorgänge und Unternehmenskooperationen werden damit erleichtert. Dies kann den bisher erforderlichen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand für die Verwaltung einer Vielzahl von nationalen Tochtergesellschaften beträchtlich verringern. Zudem bietet die SE die Möglichkeit, Unternehmen und Unternehmensgruppen schnell und problemlos umstrukturieren zu können - zum Beispiel, wenn es aufgrund sich ändernder Geschäftsbedingungen erforderlich ist, die Verlegung eines Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat ohne Liquidation des Unternehmens vorzunehmen. Die relativ komplexen Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung könnten sich für die SE als Nachteil erweisen, zumindest bei der Beteiligung von Gesellschaften aus Ländern mit ausgeprägten nationalen Mitbestimmungsregelungen wie Deutschland. Auch steuerrechtlich gibt es bis jetzt wenig Anreiz, eine SE zu gründen dies könnte sich allerdings ändern, wenn die von der Gemeinschaft geplanten Regelungen in der Fusionsrichtlinie einmal verabschiedet sind und umgesetzt. Es ist nicht zu verkennen, dass trotz der jetzt einheitlichen europäischen Regelung noch viele nationale Differenzierungen erhalten bleiben. Bei der Gründung einer SE spielt es daher für die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterhin eine erhebliche Rolle, in welchem Land die SE ihren Sitz hat. Die Vor- und Nachteile sind jeweils abzuwägen und für die individuellen Ansprüche des Unternehmens im Einzelfall genau zu prüfen. Die Praxis wird zeigen, ob die SE angenommen werden wird und praktikabel ist. Der Erfolg der SE gegenüber bereits heute möglichen Gestaltungen wird maßgeblich davon abhängen, ob die Mitgliedstaaten bereit sind, nationale Eigenheiten zugunsten einer einheitlichen europäischen Rechtsform zurückzustellen. Weitere Informationen Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Dr. Marco Hartmann-Rüppel (mhr@taylorwessing.com), Dr. Achim Glade (a.glade@taylorwessing.com) oder an Franziska Wagner, LL.M. (fr.wagner@taylorwessing.com).
Rechtliche Rahmenbedingungen Sitz der SE Eintragung Die SE in Deutschland SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Aktiengesetz Umwandlungsgesetz In Deutschland müssen Sitz und Ort der Hauptverwaltung einer SE identisch sein. Die Eintragung der SE erfolgt im Handelsregister. Mindestkapital EUR 120.000,00 Gründung Durch Verschmelzung von zwei oder mehr Aktiengesellschaften aus mindestens zwei verschiedene Mitgliedstaaten; Durch Gründung als Holding SE durch zwei oder mehr Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern mindestens zwei von ihnen entweder dem Recht unterschiedlicher Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben; Durch Gründung einer Tochter-SE durch zwei oder mehr Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung unter ansonsten gleichen Voraussetzungen wie bei der Holding-SE; Durch Umwandlung einer Aktiengesellschaft, die seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat hat. Dualistisches System Monistisches System Leitungsorgan - Bei einem Grundkapital von mehr als EUR 3 Mio. sollte das Leitungsorgan grundsätzlich aus mindestens zwei Personen bestehen. Aufsichtsorgan - Das Aufsichtsorgan besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine höhere Zahl festsetzen. Die SE-VO setzt jedoch Höchstzahlen in Bezug auf die Mitglieder fest. Verwaltungsrat - Der Verwaltungsrat besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine abweichende Zahl festsetzen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mindestens EUR 3 Mio. muss er zwingend mindestens drei Mitglieder haben. Die SE-VO setzt zudem Höchstzahlen in Bezug auf die Mitglieder fest. Leserservice Sie brauchen detailliertere Informationen? Sie hätten gerne ein persönliches Gespräch zu Themen dieser Ausgabe? E-mail der Redaktion: Newslettercorporate@taylorwessing.com Wir freuen uns, wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen. Berlin Brussels Cambridge Düsseldorf Frankfurt Hamburg London Munich Paris Representative offices: Alicante Shanghai www.taylorwessing.com
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