Finanzierungssituation im Einzelhandel und Vorschläge zur Verbesserung I. Zum Hintergrund: allgemeine Situation im Handel Der deutsche Einzelhandel ist traditionell mittelständisch geprägt. Er hat, vor allem im Vergleich zu anderen Branchen, aufgrund seiner besonderen Struktur schon immer größere Schwierigkeiten gehabt, Bankkredite zu bekommen. Entweder wurden sie gar nicht erst gewährt oder aber die Konditionen und geforderten Sicherheiten waren deutlich höher als im Vergleich zu anderen Branchen im Durchschnitt. Viele, auch sehr erfolgreiche Einzelhandelsunternehmen, wurden häufig ohne einen Euro Bankkredit aufgebaut. Gerade für Existenzgründer ist dies eine große Hürde auf dem Weg in die Selbständigkeit. Krisenzeiten wie die aktuelle verschärfen bzw. potenzieren diese negativen Auswirkungen für den Handel. Für den Handel ist problematisch, dass die Vergabe von Darlehen an das Hausbankprinzip gekoppelt ist, da die Haubanken äußerst restriktiv und risikoavers agieren. In der jetzigen Krise macht sich dies besonders bemerkbar. Auch die öffentlichen Fördermöglichkeiten helfen hier kaum. Die Banken informieren und agieren hier sehr zurückhaltend. Unternehmen berichten davon, dass die Kreditinstitute eine nahezu 100prozentige Absicherung von Darlehen fordern. Das macht Investitionen so gut wie unmöglich. Die Warenlager werden zur Besicherung abgelehnt, Haftungsfreistellungen werden selten als Alternative herangezogen und Kreditablehnungen werden so vage formuliert, dass der Kaufmann kaum Möglichkeiten zur Nachbesserung hat. Der Finanzbedarf eines Einzelhändlers zum Errichten und Betreiben seines Geschäftes ist vergleichsweise hoch. Hier schlagen vor allem die Kosten für die Immobilie, die Markteinrichtung und den Warenbestand zu Buche. Bei einem durchschnittlichen Lebensmittelhändler mit einem Markt von etwa 1.500 Quadratmetern kommt hier schnell ein Betrag von über einer Million zusammen. Eine Immobilie von 1.500 qm x 12 pro m² x 12 Monate entspricht 216.000 Euro p.a. Eine Einrichtung von 450 pro m² entspricht 675.000 Euro p.a. Ein Warenbestand von 250 pro m² entspricht 375.000 Euro p.a. Im Textil- und vor allem im Bekleidungseinzelhandel liegen diese Werte im Durchschnitt noch weit höher. In keinem Fall werden diese Unternehmenswerte von den Banken als Sicherheit akzeptiert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gewinnmargen im Handel, vor allem im Lebensmitteleinzelhandel, sehr niedrig sind. Außerdem geht der hohe Finanzierungsbedarf in den meisten Fällen mit einer eher geringen Eigenkapitalausstattung einher. Weil er von den Verbrauchern, also der Binnenwirtschaft, abhängig ist, ist der Einzelhandel im Vergleich zu anderen Branchen ein Spätzünder im konjunkturellen Zyklus. Auch das ist ein Grund, warum der Handel differenzierter beurteilt werden sollte. In der letzten - 1 -
wirtschaftlichen Krise hat die Branche enorme Anstrengungen unternommen, um Kosten zu senken und sich für die Zukunft fit zu machen. Diese Anstrengungen machen sich aktuell positiv bemerkbar. Der konjunkturelle Einbruch hat dem Handel bisher weit weniger zugesetzt als anderen. Viele Branchen würden mit ähnlichen knapp bemessenen Ressourcen und Rahmenbedingungen, wie sie der Handel hat, nicht klar kommen. Dass sich auf dem deutschen Einzelhandelsmarkt kaum ausländische Handelsunternehmen bewähren, gilt hierfür immer wieder als Beleg. Bei der Beurteilung der Bonität durch die Banken wird diesen und anderen Besonderheiten des Handels zu wenig Rechnung getragen. In den Ratings und Bankeneinschätzungen rangiert der Einzelhandel als Risikobranche. Die Diskussion um Basel II und die Notwendigkeit von Ratings hat hier zwar in den letzen Jahren grundsätzlich bewirkt, dass das Bewusstsein für die eigene Finanzsituation, insbesondere die Eigenkapitalausstattung gerade bei mittelständischen Unternehmen, größer geworden ist. Mehr Informationen und größere Transparenz auch der Banken haben hier durchaus zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema und Verbesserung der Situation geführt. Dennoch, die Eigenkapitalausstattung im Einzelhandel ist im Vergleich zu anderen Branchen immer noch niedrig. Die jährlichen Umfragen der KfW bei den mittelständischen Unternehmen aller Branchen belegen dies anschaulich. Die Krise hat dazu geführt, dass hier wieder eine Lücke gerissen wurde. II. Ergebnisse aktueller Umfragen 1. HDE-Unternehmensumfrage vom 24. August 2009 Eine aktuelle Umfrage bei Unternehmen des Einzelhandels zeigt folgendes Stimmungsbild: (Anlage 1 tabellarische und teilweise graphische Auswertung der Ergebnisse) Langfristige Investitionskredite Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen gibt an, in den vergangenen drei Monaten größere Schwierigkeiten gehabt zu haben, die andere Hälfte berichtet von etwa gleich bleibenden Bedingungen. Für die kommenden drei Monate erwartet ebenfalls die Hälfte in etwa gleiche bleibende Bedingungen, die andere Hälfte rechnet mit einer Verschlechterung. Als Gründe für die Verschlechterung werden vor allem die Forderung nach mehr Sicherheiten (teilweise bis zu 100 Prozent) und erhöhte Konditionen, aber auch die Forderung nach mehr Unterlagen und zeitliche Verzögerungen genannt. Ebenfalls etwa die Hälfte der befragten Unternehmen gibt an, selbst Schwierigkeiten zu haben, Investitionskredite zu bekommen. Die Unternehmen reagieren auf diese Probleme vor allem mit der Verminderung des Investitionsvolumens bzw. dem Unterlassen von Investitionen. Gut ein Drittel sucht nach alternativen Finanzierungsquellen, darunter auch Leasing. Auf die Frage, ob bestimmte Unternehmen gerade von den Banken bevorzugt werden, stimmt die Mehrheit der Unternehmen zu. Vor allem eher größere Mittelständler mit guter Bonität werden als bevorzugt eingestuft. Kurzfristige Kredite bis zu einem Jahr Bei den kurzfristigen Krediten ist die Einschätzung der vergangenen drei Monate weniger angespannt als bei den langfristigen Krediten. Etwa drei Viertel der Unternehmen geben an, die Bedingungen der letzten drei Monate seien in etwa konstant geblieben. Allerdings beklagen auch hier einige eine Verschlechterung; einige wenige geben aber sogar an, leichter als bisher kurzfristige Kredite zu bekommen. Für die kommenden drei Monate sehen - 2 -
die Erwartungshaltungen identisch aus: Überwiegend gleich bleibende Bedingungen erwarten die meisten, wenige sehen eine Verschlechterung. Auch bei den kurzfristigen Krediten sind die Hürden die höheren Sicherheiten und die teureren Konditionen, aber auch die bürokratischen Anforderungen an mehr Dokumentation. Liquiditätslinien Befragt nach den von den Banken eingeräumten Liquiditätslinien, geben mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen an, dass diese in den vergangenen drei Monaten unverändert geblieben sind, etwa ein Drittel berichtet von reduzierten Kreditlinien. Für die kommenden drei Monate erwarten die meisten Unternehmen hier keine weiteren Veränderungen und Verschlechterungen. Lieferantenkredite Auf die Frage, ob sich bei der Inanspruchnahme von Lieferantenkrediten etwas verändert habe, zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Gut die Hälfte der Unternehmen berichtet von keinen Veränderungen. Etwas weniger als die Hälfte hat Probleme, etwa weil der Kredit auf Null reduziert wurde, Valuta schwieriger zu bekommen sind oder auch Forderungen später bezahlt werden. Diese Unternehmen geben demnach auch an, dass sich das Kreditangebot der Lieferanten verändert hat. Weitere Schwierigkeiten Befragt nach weiteren Problembereichen, die die Unternehmen in Zusammenhang mit der Finanzierung haben, nannten die Unternehmen - das ausufernde Steuerrecht - staatliche Förderprogramme werden von den Hausbanken nur zögerlich weitergeleitet - Großbanken seien zur Zeit deutlich restriktiver als Genossenschaftsbanken und Sparkassen Was fordern die Unternehmen von der Politik Auf die Frage, was unternommen werden sollte, um die Situation zu verbessern, sprachen sich die Unternehmen für alle vorgeschlagenen Maßnahmen aus, sogar für mehr staatliche Hilfe. Am häufigsten mit deutlich mehr als der Hälfte der Antworten rangieren jedoch die Forderungen nach - mehr Engagement der Hausbanken - Minderung der Konjunkturabhängigkeit (Prozyklik) von Basel II Aber auch - mehr Übersicht und bessere Verzahnung der bestehenden Förderprogramme - Schnellere und bessere Abwicklung der Förderprogramme 2. Ergebnisse des Ifo-Instituts Eine Befragung des Münchener ifo-instituts für Wirtschaftsforschung im Juli ergab, dass der Zugang zu Krediten sich nach Aussage aller Unternehmen erschwert hat. Bei den Handelsunternehmen gaben 42,5 Prozent der Befragten an, die Kreditvergabepolitik der Banken sei sehr restriktiv. In den Monaten davor lag dieser Wert jeweils noch unter 40 Prozent, so dass durchaus eine Verschärfung der Lage festzustellen ist. Trotz der expansiven Geldpolitik der EZB schränken die Banken ihre Kreditvergabe weiter ein. Ein Grund dafür sind die massiven Eigenkapitalverluste mancher Banken im Zuge der Finanzkrise. Wenn jetzt, in der Phase der wirtschaftlichen Erholung, andere Branchen der Realwirtschaft wieder größeren Finanzierungsbedarf haben, steht durchaus zu befürchten, dass der Handel vor noch größeren Finanzierungsproblemen steht und von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt wird. Die Gefahr, so dass ifo-institut, dass der - 3 -
erhoffte Aufschwung durch eine Unterkapitalisierung des Bankensystems behindert wird, ist gewachsen. Laut ifo-institut wird der Einzelhandel in 2009 über 10 Prozent weniger in Bauten, Ausrüstungen und sonstige Anlagen investieren als noch im Vorjahr. Zwar laufe der private Konsum zurzeit noch relativ gut, aber die Firmen rechneten mit einer Verschärfung der negativen Entwicklung im Laufe des Jahres. Auch die Finanzierungssituation habe sich verschlechtert. Der Zugang zu Krediten sei schwieriger geworden und die Firmen hätten zum Teil steuerliche Mehrbelastungen im Zuge der Unternehmensteuerreform zu verkraften, so das Institut. (ifo Schnelldienst 15/2009) III. Forderungen des Handels KfW-Förderung optimieren Der Handel gehört nach Aussagen der KfW zu den großen Nachfragern der KfW- Förderprogramme, auch des aktuellen Sonderprogramms der Bundesregierung (KfW- Vorstand, Axel Nawrath in Der Handel 7-8/2009). Werbung und inhaltliche Anpassung Die Sonderprogramme von KfW und Bürgschaftsbanken werden von den Hausbanken immer noch zu zurückhaltend beworben. Einige Hürden machen es für die Unternehmen zudem schwierig, überhaupt in den Genuss dieser Hilfsmaßnahmen zu gelangen. Hier muss offensiver geworben und teilweise nachgebessert werden. Soweit erforderlich, müssten die Stellschrauben der KfW-Programme und Vergabekriterien optimiert werden. Da z.b. wegen sinkender Investitionstätigkeit die Nachfrage nach langfristigen Krediten sinkt, sollten verstärkt kurzfristige Liquiditätshilfen gewährt werden. Bisher sind die KfW-Programme für Betriebsmittelkredite eher restriktiv. Kürzere Bearbeitungszeiten Die Durchleitungs- und Bearbeitungszeit beim KfW-Sonderprogramm sollte noch weiter verkürzt werden. Auch im Verhältnis zwischen Hausbank und KfW bzw. Bürgschaftsbank besteht noch Optimierungsbedarf beim Handling. Zeit ist in kritischen Situationen Geld. Den Unternehmen muss zügig geholfen werden. Mehr Übersichtlichkeit und bessere Verzahnung Die Fülle der KfW Förderprogramme ist immens, aber kaum mehr zu Überblicken. Weniger ist mehr. Wir fordern daher mehr Übersichtlichkeit und eine bessere Verzahnung der bestehenden Förderprogramme. Weniger Bürokratie Nach Aussage der KfW sind es häufig formale Gründe, die zu einer Ablehnung eines Antrages führen. Das ist unnötiger Aufwand für alle Beteiligten. Hier müsste bei der - 4 -
Antragstellung eine unbürokratische Hilfestellung von den Hausbanken geleistet werden. Sie müssten auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterlagen achten. Verantwortung der Hausbanken einfordern Die Hausbanken sollten zu einer schriftlichen und nachvollziehbaren Begründung für die Ablehnung von Kreditanträgen verpflichtet werden, die dem Unternehmen auch die Möglichkeit zur Nachbesserung geben. Besonderheiten der Handelsstruktur berücksichtigen An den Bonitätsbeurteilungen der Hausbank kommt kein Unternehmen vorbei. Die Bewertung und Einschätzung von Handelsunternehmen erfolgt zu stark standardisiert und an anderen Branchen orientiert. Der Handel hat z.b. äußerst geringe Gewinnmargen und viel gebundenes Kapital in Waren und Ausstattung. Aufgrund der Abhängigkeit von den Verbrauchern ist der Handel Spätzünder im Konjunkturzyklus, was ebenfalls zu Verzerrungen führt. Wir fordern daher, dass den Besonderheiten des Handels bei der Beurteilung durch die Banken mehr Rechnung getragen werden sollte. Basel II konjunkturgerecht nachbessern Die prozyklische Konjunkturabhängigkeit von Basel II muss schnellstmöglich abgemildert werden. Die Regeln sollten so optimiert werden, dass das Über- bzw. Unterzeichnen der Bonitätswerte in Rezessions- bzw. Boomzeiten abgemildert wird. Die Grundprinzipien sollten dabei nicht in Frage gestellt werden. Der G20-Gipfel hat hierzu bereits eine positive Grundsatzentscheidung verabschiedet, die nun zügig umgesetzt werden sollte. Sollte eine kurzfristige Änderung hier nicht möglich sein, so wäre auch das vorübergehende Aussetzen eine denkbare Möglichkeit, um vor allem kleinen und mittleren Unternehmen sowie besonders negativ betroffenen Branchen wie dem Handel zu helfen. Beihilferechtliche Unklarheiten für Bürgschaftsbanken auf EU-Ebene In Deutschland hat sich ein gut funktionierendes System der Bürgschaftsbanken etabliert, das vor allem kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland nützt. Die Kreditvergabe durch die Bürgschaftsbanken darf nicht durch unklare EU-Regelungen und zeitliche Verzögerungen von Genehmigungsverfahren gefährdet werden (insbesondere beihilferechtliche Unsicherheiten, wie z.b. Kleinbeihilfenregelung). Staatliche Bürgschaften für Warenkreditsicherung zügig gewähren Von der aktuellen Zurückhaltung der großen Kreditversicherer in diesem Bereich ist der Handel nur indirekt über seine Lieferanten betroffen, aber gerade für den Textileinzelhandel erwachsen hieraus teilweise ernsthafte Schwierigkeiten. Die Branche begrüßt daher den grundsätzlichen Beschluss der Bundesregierung, auch hier mit staatlichen Bürgschaften Unterstützung anzubieten. Das muss jedoch jetzt zügig erfolgen. Ob die angestrebte Top-up Lösung - der Staat stockt nur dort auf, wo die Kreditversicherer mindestens zu 50 Prozent einen Sicherungsschutz gewährleisten; bei geringerer oder keiner Deckung, springt der Staat nicht ein ausreicht oder ein Ground-up (100% Absicherung) Modell angestrebt werden sollte, muss sich zeigen. Dabei darf aber auch die Branche der Kreditversicherer nicht aus ihrer Pflicht entlassen werden. Nachbessern der steuerlichen Rahmenbedingungen Die jüngste Steuerreform hat den Handel vor allem mit der Hinzurechnung von Mieten, Pachten und Leasingraten nicht ent- sondern belastet. Faktisch führt dies zu einer Steuerbelastung auf den Kostenbestandteil Miete. Im Extremfall führt selbst eine Verlustsituation zu einem Steueraufwand. Im Lebensmitteleinzelhandel beträgt zum Beispiel der Anteil der Mietkosten an der Wertschöpfung ca. 20 Prozent, im Textileinzelhandel liegt dieser Wert noch höher. Hieran erkennt man die unverhältnismäßige Belastung des stationären Handels. Wir fordern hier die dringende Nachbesserung, zumindest auf ein verkraftbares Maß. Berlin, 25. August 2009-5 -