Examenskurs Handels- und Gesellschaftsrecht



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Transkript:

Examenskurs Handels- und Gesellschaftsrecht Fall 15 I. V gegen A Anspruch aus Kaufvertrag gemäß 433 Abs. 2 BGB i.v.m. 161 Abs. 2, 128 HGB. Vertrag zwischen V und A wurde nicht geschlossen, aber zwischen V und der KG, vertreten durch A ( 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB). Für deren Verbindlichkeiten haftet A als Komplementär persönlich und unmittelbar ( 161 Abs. 2, 128 HGB). II. V gegen B und C Der Kommanditist haftet für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar ( 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB); im Verhältnis zu den Gläubigern wird die Einlage durch den in der Handelsregistereintragung bestimmten Betrag bestimmt ( 172 Abs. 1 HGB). Die Haftung ist jedoch ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist ( 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB). B und C haften daher nicht für die Kaufpreisverbindlichkeit der KG. III. V gegen D D war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kommanditist. Die noch nicht erfolgte Eintragung im Handelsregister hat nur deklaratorischen Charakter. Allerdings haftet der Kommanditist bis zum Zeitpunkt der Eintragung seines Beitritts wie ein persönlich haftender Gesellschafter ( 176 Abs. 2 HGB). Dies gilt wiederum nicht, wenn dem Gläubiger die Kommanditistenstellung bekannt war. D kommt also die für Kommanditisten geltende Haftungsbeschränkung zugute, wenn er seine Einlage bereits geleistet hatte. D hat auf seine Einlage von 100.000 Anfang Februar 50.000 in bar eingezahlt. Weiterhin hat er eine Forderung in Höhe von 80.000 an die KG abgetreten. Allerdings war diese Forderung wirtschaftlich wertlos. Im Interesse des Gläubigerschutzes gilt für die KG der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung. Eine Einlage ist daher im Verhältnis zu den Gläubigern mit ihrem objektiven Wert anzusetzen. Die Abtretung der Forderung konnte D somit nicht von seiner Haftung gemäß 171 Abs. 1 HGB befreien. Zudem hat D im Zuge der Forderungsabtretung 30.000 von der KG zurückerhalten. In dieser Höhe lebt seine Haftung gemäß 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder auf. Als Zuwendung im Sinne dieser Vorschrift ist im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes jede Leistung an den Kommanditisten zu verstehen, der keine entsprechende Gegenleistung gegenüber steht. Folglich ist die Haftung des D nur in Höhe von 20.000 ausgeschlossen. V kann von ihm aus 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 80.000 persönlich verlangen. 14

Fall 16 Anspruch der B-Bank gegen Z aus Darlehen ( 488 Abs. 1 S. 2 BGB) in Verbindung mit Kommanditistenhaftung ( 171 Abs. 1 HGB): 1. Der Kommanditist haftet gegenüber den Gläubigern bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar ( 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB). Die Haftung ist jedoch ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet wurde ( 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB). Hier hat Z eine Einlage von 50.000 übernommen und diesen Betrag auch in die Gesellschaft eingezahlt. Damit war seine Haftung gegenüber außenstehenden Gläubigern erloschen. 2. Allerdings kommt es gemäß 172 Abs. 4 S. 1 HGB zu einem Wiederaufleben der Haftung, wenn und soweit die Einlage zurückgewährt wird. Hier hat Z von der KG 20.000 erhalten, obwohl die Gesellschaft insgesamt Verluste gemacht hatte. Die Rückzahlung erfolgte also nicht aus erzielten Gewinnen, sondern wirtschaftlich gesehen aus der Einlage selbst. Der Kommanditist ist in einem solchen Fall gemäß 172 Abs. 5 HGB nur dann gegen das Wiederaufleben der Haftung geschützt, wenn er gutgläubig auf eine falsche Bilanz vertraut hat und diese Bilanz gutgläubig errichtet worden war (vom geschäftsführenden Gesellschafter). Zugunsten des Z ließe sich anführen, dass ihm bei Entgegennahme der Zahlungen vermutlich nicht bewusst war, dass es sich um eine Rückzahlung der Einlage handeln könnte. Er konnte daher nicht wissen, dass damit die Haftung wiederauflebt. 172 Abs. 5 HGB setzt allerdings voraus, dass der Kommanditist auf eine gutgläubig erstellte falsche Bilanz vertraut. Teilweise wird argumentiert, sein guter Glaube müsse erst recht geschützt werden, wenn die Bilanz richtig gewesen sei. Der BGH (NJW 2009, 2126) hat jedoch anders entschieden: Wenn die Bilanz richtig sei, komme 172 Abs. 5 HGB nicht zur Anwendung. Es bleibe bei dem Grundsatz, dass Rückzahlungen zum Wiederaufleben der Haftung führen. Der gute Glaube des K sei lediglich ein Rechtsirrtum, der keinen Schutz genieße. Wer am Rechtsverkehr teilnehme, habe auch die dabei geltenden Regeln zu beachten. Einen über den Wortlaut des 172 Abs. 5 HGB hinausgehenden Schutz lehnt der BGH also ab. Dies lässt sich vor allem damit rechtfertigen, dass es hier nicht nur um das Innenverhältnis des Kommanditisten zu seiner KG geht, sondern mittelbar die Gläubiger der KG betroffen sind. Diesen kann man die mangelnde Rechtskenntnis der Kommanditisten kaum als Argument dafür entgegengehalten, dass der Kommanditist die Rückzahlung behalten darf, die eigentlich für die Befriedigung der Gläubiger im Gesellschaftsvermögen hätte verbleiben müssen. Sollte der Anleger über die rechtlichen Risiken unzureichend aufgeklärt worden sein, betrifft das nicht das Gesellschaftsverhältnis, sondern das Rechtsverhältnis des Anlegers mit demjenigen, der ihm die Anlage empfohlen hat. Ob der Anleger etwa in einem Emissionsprospekt unzutreffend aufgeklärt worden ist, spielt allerdings im Verhältnis zum Gläubiger der KG keine Rolle. Folgt man dem BHG, ist durch die Rückzahlung von 20.000 die ursprüngliche unmittelbare Haftung des Kommanditisten in dieser Höhe gem. 172 Abs. 4 HGB wieder aufgelebt. Die Ausnahmeregelung des 172 Abs. 5 HGB greift nicht ein. Z haftet also gegenüber der B-Bank in Höhe von 20.000 für die Rückzahlung des Darlehens. Der Anspruch der B-Bank gegen Z ist begründet. 15

Fall 17 BGHZ 80, 129 ff.: 1. Haftung der GmbH gemäß 631 BGB i.v.m. 161 Abs. 2, 128 HGB: Die Angestellten der KG haben sich mit W über den Abschluss eines Werkvertrages geeinigt. Sie handelten mit Vollmacht der E, die zur Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH bestellt worden war. Die Vertretung einer KG obliegt dem Komplementär ( 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB). Komplementär einer KG kann auch eine juristische Person sein. Vorliegend war die GmbH zwar noch nicht eingetragen und somit nach 11 Abs. 1 GmbHG als solche noch nicht entstanden. Mit Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages war aber eine Vor-GmbH entstanden. Diese ist bereits körperschaftlich strukturiert und kann mit Hilfe ihres Vertretungsorgans nach außen als solche auftreten. Unter dem früher angenommenen Vorbelastungsverbot könnte die Vor-GmbH aber noch nicht als Komplementärin fungieren. Denn das Vorbelastungsverbot besagte, dass die Vorgesellschaft keine Verpflichtungen übernehmen kann. Eine Vorgesellschaft, die ihre Haftung nicht an die eingetragene GmbH weitergeben kann, wäre daher als persönlich haftende Gesellschafterin untauglich. Das Vorbelastungsverbot verhindert allerdings die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Gründungsstadium und ist daher zu überdenken. Der Gesetzgeber wollte im Prinzip eine Tätigkeit vor Eintragung verhindern und begnügte sich daher mit Inanspruchnahme des Handelnden (und derjenigen, die der Aufnahme der Geschäfte zugestimmt hatten) gemäß 11 Abs. 2 GmbHG. 7 GmbHG setzt allerdings die Bildung von Gesamthandsvermögen in der Hand der Vorgesellschaft voraus. Weiterhin ist es ein Kerngedanke des Kapitalgesellschaftsrechts, dass die juristische Person nur mit einem garantierten Mindestkapital ins Leben treten soll. Die Zahlungen an die Gesellschaft müssen daher im Zeitpunkt der Eintragung noch unversehrt zur Verfügung stehen (Unversehrtheitsgrundsatz). Auch gibt es Fälle, in denen schon ein Bedürfnis nach wirtschaftlicher Betätigung besteht, insbesondere wenn ein bereits existierendes Unternehmen in die GmbH überführt werden soll. Es ist dann aber auch sinnvoll, sämtliche Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft auf die eingetragene GmbH übergehen zu lassen, denn die Vorgesellschaft existiert nach der Eintragung nicht mehr. Die Haftung des 11 Abs. 2 GmbHG lässt sich ohnehin dadurch vermeiden, dass die Geschäfte nach der Eintragung von der GmbH genehmigt werden. Das Vorbelastungsverbot wurde vom BGH daher aufgegeben und durch die Unterbilanzhaftung ersetzt. Dies greift ein, wenn durch Eingehung von Verbindlichkeiten das Kapital bei Eintragung bereits angegriffen oder aufgezehrt sein sollte. In diesem Fall müssen die Gesellschafter den Fehlbetrag in Geld ausgleichen. Die Einlageforderung ist als noch nicht vollständig erfüllt anzusehen, die Gesellschafter haften anteilig für die Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung (daher: Unterbilanzhaftung); dies schließt die Ausfallhaftung gemäß 24 GmbHG mit ein. Mit Eintragung der Gesellschaft entfällt die Haftung aus 11 Abs. 2 GmbHG. Nachdem das Vorbelastungsverbot aufgegeben und durch die Unterbilanzhaftung ersetzt wurde, ist die Vor-GmbH komplementärfähig. Soweit sie Verbindlichkeiten begründet, gehen diese mit der Eintragung der GmbH auf diese über. Die Vor-GmbH ist somit durch das Handeln der E verpflichtet worden. Diese Verbindlichkeit ist mit Eintragung auf die GmbH übergegangen. Es besteht daher ein Anspruch gemäß 631 BGB i.v.m. 161 Abs. 2, 128 HGB gegen die GmbH. 2. Haftung der E gemäß 631 BGB i.v.m. 11 Abs. 2 GmbHG: E handelte für die noch nicht eingetragene GmbH. Sie unterliegt daher der Handelndenhaftung des 11 Abs. 2 GmbHG. Mit Eintragung der GmbH geht jedoch die für die Vor-GmbH begründete Verbindlichkeit auf die GmbH über. Damit besteht für die Handelndenhaftung kein Bedürfnis mehr. Diese erlischt mit Eintragung der GmbH. Folglich besteht kein Anspruch aus 631 BGB gegen E. 3. Haftung von E und Ges. 2 als Gesellschafter der Vor-GmbH: Die Verbindlichkeiten der Vor-GmbH gehen mit Eintragung auf die GmbH über. Es besteht daher keine persönliche Haftung von E und Ges. 2 im Außenverhältnis. Die Unterbilanzhaftung ist eine reine Innenhaftung. W hat daher keinen direkten Anspruch gegen E und Ges. 2. 16

Fall 18 I. Miete für Februar 1. Die GmbH Fraglich ist, wer Vertragspartner des V geworden ist. Die GmbH konnte noch nicht Vertragspartner sein ( 11 Abs. 2 GmbHG). Andererseits hat A den Vertrag erkennbar nicht für sich persönlich abgeschlossen. Er trat vielmehr als Geschäftsführer einer noch nicht bestehenden GmbH auf. Vor Beurkundung des Gesellschaftsvertrages existiert aber noch nicht einmal eine Vor-GmbH, sondern lediglich eine Vorgründungsgesellschaft, die den Regeln der BGB-Gesellschaft bzw. OHG folgt. Zwischen Vorgründungsgesellschaft und GmbH herrscht keine Kontinuität (BGHZ 91, 148, 151). Eventuelle Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft gehen nicht auf die GmbH über. Somit ist jedenfalls nicht die GmbH Vertragspartei geworden. 2. Die Vorgründungsgesellschaft Verabreden sich mehrere Personen zur Gründung einer GmbH, so folgt diese Verbindung vor der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages den Regeln der BGB-Gesellschaft bzw. OHG. Gemäß dem heutigen Verständnis der BGB-Gesellschaft als teilrechtsfähigem Gebilde kommt die Vorgründungsgesellschaft durchaus als Vertragspartner in Betracht. Fraglich ist, ob A die Gesellschaft wirksam verpflichten konnte. Die Geschäfte einer BGB-Gesellschaft führen im gesetzlichen Regelfall alle Gesellschafter gemeinsam ( 709 BGB), sie können somit die Gesellschaft auch nur gemeinsam vertreten ( 714 BGB). A trat zwar im Namen einer noch nicht gegründeten GmbH auf. Nach den allgemeinen Regeln schadet eine solche Falschbezeichnung aber nicht, vielmehr wird der wahre Rechtsträger in seiner tatsächlich bestehenden Form berechtigt und verpflichtet. Fraglich ist allerdings, ob A Vertretungsmacht hatte. B wusste von dem Mietvertrag nichts, A handelte also als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht käme allenfalls in Betracht, wenn B bereits gewusst hätte, dass A unter dem Namen der GmbH Geschäfte tätigt. Dafür ist vorliegend nicht ersichtlich. Folglich konnte A die Vorgründungsgesellschaft nicht wirksam verpflichten. 3. A persönlich a) Eine persönliche Haftung des A könnte sich aus 11 Abs. 2 GmbHG ergeben. Die Anwendung der Vorschrift setzt jedoch voraus, dass die GmbH zumindest in das Gründungsstadium eingetreten ist, das mit der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages beginnt. Da in diesem Stadium durch die Regeln zur Vor-GmbH bereits eine auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung greift, besteht das Bedürfnis für die unbeschränkte Haftung wenigstens einer Person (BGHZ 91, 148, 152). Im Vorgründungsstadium haften die handelnden Personen oder Personenvereinigungen ohnehin persönlich. 11 Abs. 2 GmbHG braucht daher auf dieses Stadium nicht erstreckt zu werden. b) A ist als Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten. Er haftet daher nach 179 Abs. 1 BGB, soweit nicht der Vertretene das Rechtsgeschäft genehmigt. B hat zwar anlässlich der notariellen Beurkundung dem Mietvertrag zugestimmt. Dies aber unter der Prämisse, dass nun die GmbH gegründet sei und man sich die Räume ab jetzt auch leisten könne. Den Vertragsschluss im Namen der Vorgründungsgesellschaft hat er damit nicht genehmigt. Es bleibt somit bei der persönlichen Haftung des A. 17

II. Miete für März Vorgründungsgesellschaft und Vor-GmbH sind keine identischen Rechtsträger. Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft gehen daher nicht automatisch auf die Vor-GmbH oder die GmbH über. A handelte auch hier als Vertreter ohne Vertretungsmache. Das Geschäft könnte allerdings von der Vor- GmbH genehmigt worden sein. Die Vorschrift des 177 Abs. 1 BGB findet entsprechende Anwendung, wenn jemand für eine noch nicht entstandene Gesellschaft eine Erklärung abgibt (BGHZ 65, 43, 48 f.). Da beide Geschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis haben sollen und in der Vor-GmbH bereits die Regeln der GmbH weitgehend Anwendung finden, konnte B für die Vor-GmbH das Geschäft genehmigen. Das hat er zumindest für die Zeit ab März ( ab jetzt ) getan. Die Genehmigung kann sowohl gegenüber dem Stellvertreter als auch gegenüber dem Vertragspartner abgegeben werden ( 182 Abs. 1 BGB). Die Interessen des V stehen dem nicht entgegen; V wusste aus der Erklärung des A, dass dieser für die künftige GmbH den Vertrag abschließen wollte. Dies scheitert für den Monat Februar lediglich daran, dass es die Vor-GmbH noch nicht gab und B ein solches Geschäft auch nicht genehmigen wollte. V kann daher die Miete für den Monat März nur noch von Vor-GmbH verlangen. Deren Verbindlichkeiten gehen nach Eintragung der GmbH auf diese über. Anspruchsgegner ist daher die GmbH. III. Miete für April Wie oben: Anspruchsgegner ist die GmbH. Fall 19 Lösungshinweise zum Fallbeispiel: Es handelt sich um das Problem der sog. verdeckten Sacheinlage. A hat auf seine Bareinlage von 2,3 Mio. zwar zunächst am 2.9. einen Betrag von 575.000 in bar eingezahlt. Nur wenige Tage später wurde jedoch der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen, auf dessen Grundlage A einen Betrag von 13 Mio. von der Gesellschaft erhalten hat. Der gesamte Betrag der von ihm geleisteten Bareinlage ist daher an ihn zurückgeflossen. Zwar hat er anschließend aus dem Kaufpreis noch die ausstehende Einlage in Höhe von 1.725.000 in bar beglichen. Dies war aber Geld, das ihm zuvor von der GmbH als Kaufpreis zugeflossen war. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat A der Gesellschaft das Grundstück überlassen. Dies geschah in unmittelbarem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Gründung. Es ist daher zu vermuten, dass die Gesellschafter dieses Vorgehen bereits vor der Gründung verabredet hatten. Das Rechtsproblem folgt daraus, dass nach außen erkennbar (im Gesellschaftsvertrag und im Handelsregister) eine Bareinlage vereinbart wurde, im wirtschaftlichen Ergebnis aber eine Sacheinlage gewollt war. Bar- und Sacheinlage folgen im GmbH-Recht aber unterschiedlichen Regeln (vgl. 5 Abs. 4 GmbHG). Letztlich werden mit der Gestaltung also zwingende Vorschriften des Gründungsrechts umgangen. Nach der alten Rechtslage hatte der BGH die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage rechtsfortbildend aus dem Gedanken der Gesetzesumgehung entwickelt. Der Fall wäre dann folgendermaßen entschieden worden: A ist von seiner Verpflichtung zur Bareinlage nicht frei geworden. Die GmbH hat weiterhin einen Anspruch gegen ihn auf Zahlung von 2,3 Mio. (aus Gesellschaftsvertrag). Der Grundstückskaufvertrag und die dingliche Einigung wurden als unwirksam angesehen, da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstießen. A hatte daher nach alter Rechtslage gegen die GmbH einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung; die GmbH konnte von A Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Diese Rechtslage führte zu unbilligen Härten, wenn der Gesellschafter eine Sache übereignet hatte, die von der GmbH mittlerweile verbraucht worden war (z.b. ein Auto, das zwischenzeitlich zu Schrott gefahren wurde). Der Gesellschafter musste seine Bareinlage nochmals erbringen und bekam dafür eine wertlose Sache zurück. Daher wurden die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage mit der GmbH-Reform 2008 neu geregelt. Neue Rechtslage: A ist gemäß 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit worden. Die Verträge über den Kauf und die Übereignung des Grundstücks sind aber dennoch wirksam ( 19 Abs. 4 S. 2 GmbHG). Auf die Bareinlageschuld des A wird der Wert der Sacheinlage angerechnet, bezogen auf den Zeitpunkt der Überlassung an die Gesellschaft. Sollte das Grundstück also tatsächlich einen Wert von 13 Mio. gehabt haben (wofür A gem. 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG beweispflichtig ist), muss A die Bareinlage nicht mehr erbringen. 18

Fall 20 OLG Stuttgart, DB 2009, 1121 ff. Lösungshinweise: 1. Vertretungsbefugnis nach der Gründung: Die Gründung nach Musterprotokoll setzt voraus, dass nicht mehr als drei Gesellschafter und nur ein Geschäftsführer existieren ( 2 Abs. 1a S. 1 GmbHG). Grundsätzlich gilt nach 35 GmbHG: Ein Geschäftsführer vertritt alleine, mehrere Geschäftsführer vertreten gemeinschaftlich. Weiterhin gilt allgemein nach 181 BGB, dass ein Geschäftsführer nicht Verträge zwischen der GmbH und sich selbst abschließen kann. Es ist jedoch möglich, ihn von dem Verbot des 181 BGB zu befreien. Das Musterprotokoll sieht zwingend vor, dass der Geschäftsführer von 181 BGB befreit ist. Dieser Text muss bei der vereinfachten Gründung auch in dieser Form verwendet werden ( 2 Abs. 1a S. 2 GmbHG). Folglich vertritt A die Gesellschaft alleine und ist von den Beschränkungen des 181 BGB befreit. 2. Nach der Gründung kann A als Gesellschafter weitere Geschäftsführer bestellen (vgl. 46 Nr. 5 GmbHG). Es gilt dann die Regelung des 35 Abs. 2 GmbHG, alle Geschäftsführer sind also nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt. Str. ist, ob der Gründungsgeschäftsführer (A) weiterhin von 181 BGB befreit ist. Nach Auffassung des OLG Stuttgart entfällt die Befreiung. Das leuchtet allerdings nicht ein. Denn sie ist bei Erteilung der Vertretungsmacht wirksam erteilt worden. Solange die Gesellschafter die einmal erteilte Befreiung nicht widerrufen, bleibt sie erhalten. 3. In der Anmeldung ist anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben ( 8 Abs. 4 Nr. 2 GmbHG). Dabei wird die allgemeine Vertretungsbefugnis angegeben (z.b. jeder Geschäftsführer ist alleinvertretungsberechtigt) und die konkrete Vertretungsbefugnis (z.b. A wurde von 181 BGB befreit). 19