Psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern psychisch kranker Eltern



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Transkript:

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und psychosomatik (Direktor: Prof. M. Schulte Markwort) Psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern psychisch kranker Eltern Silke Wiegand-Grefe Flensburg, Ringvorlesung, 3. November 2011

Gliederung 1. Psychische Gesundheit und Lebensqualität der Kinder eine theoretische Einführung 2. Forschungs- und Präventionsprojekt CHIMPs (Children of mentally ill parents) 1. Design und Fragestellungen 2. Klinische Interventionen 3. Evaluationsergebnisse psychischer Gesundheit und Lebensqualität

Epidemiologie (Mattejat, Lenz & Wiegand-Grefe, 2011) Das Erkrankungsrisiko eines Kindes psychisch erkrankter Eltern erhöht sich in diagnoseübergreifenden Studien um das 3-7-fache gegenüber der Normalbevölkerung (Wiegand-Grefe et al. 2009, 2011). In neueren Arbeiten wird von 3 4 Millionen betroffener Kinder in Deutschland ausgegangen (Mattejat, 2009). Kinder von Eltern mit Persönlichkeitsstörungen weisen in Studien das höchste eigene Erkrankungspotential auf.

René Magritte Der Geist der Geometrie. 1935/36

Probleme der Kinder mit psychisch kranken Eltern (Mattejat, 2008) Desorientierung und Verwirrung Schuldgefühle, Schamgefühle Tabuisierung und Kommunikationsverbot Isolierung Betreuungsdefizit Verantwortungsverschiebung und Parentifizierung Abwertungserlebnisse Loyalitätskonflikte innerhalb der Familie und nach außen

Risikofaktoren Elterliche/familiäre Ebene: Beziehungskonflikte, Familienklima, Familienfunktionalität, Eltern- und Erziehungskompetenzen, Krankheitsbewältigung Ebene der Kinder: Alter, Geschlecht, soz. Kompetenzen, Temperament und Ressourcen Psychosoziale Ebene: soz. Unterstützung, stabile, vertrauensvolle Bezugspersonen für das Kind

Einflussfaktoren für die Gesundheit der Kinder auf der Familienebene innere Familienprobleme konflikthafte Beziehung der Eltern Trennungs- und Scheidungskonflikte konflikthaftes Familienklima Störungen der Eltern-Kind-Beziehung mangelnde elterliche Erziehungskompetenzen Erkrankungsfaktoren und unangemessene familiäre Krankheitsbewältigung (keine Kommunikation, Tabuisierung, keine Aufklärung der Kinder etc.) geringe emotionale Verfügbarkeit und psychische Instabilität des anderen Elternteils äußere Familienprobleme Arbeitslosigkeit Armut Isolierung der Familie mangelnde soziale Unterstützung keine kompensierenden Beziehungserfahrungen für das Kind

Die psychische Gesundheit der Kinder als Herausforderung an den Schnittstellen der Hilfesysteme aus: Wiegand-Grefe, Ohntrup & Plass (2011). Grundlagen und Anforderungen an Interventionen für Kinder psychisch kranker Eltern. In: Wiegand-Grefe, Mattejat & Lenz (2011). Kinder mit psychisch kranken Eltern. Klinik und Forschung, Vandenhoeck & Ruprecht, 2011

Gliederung 1. Psychische Gesundheit und Lebensqualität der Kinder eine theoretische Einführung 2. Familienorientiertes Forschungs- und Präventionsprojekt CHIMPs (Children of mentally ill parents) 1. Design u. Fragestellungen 2. Klinische Interventionen 3. Evaluationsergebnisse

Forschungs- und Präventionsprojekt CHIMPs (Children of mentally ill parents, 2005 2010) 1. explorative Pilotstudie einrichtungsrepräsentative Querschnittserhebung aller stationären Patienten mit minderjährigen Kindern an der Klinik für Psychiatrie am UKE über 9 Monate während der stat. Behandlung 2. Interventionsstudie Familienintervention für Kinder und ihre psychisch kranken Eltern (Ambulanz, Erwachsenenpsychiatrie) über ca. 10 12 Sitzungen und deren kontrollierte Evaluation

Projekt in Kooperation zwischen: UKE, Klinik für Kinder- u. Jugendpsychiatrie Prof. Dr. S. Wiegand-Grefe (Projektleiterin) Dr. med. A. Plass Dipl. psych. S. Halverscheid K. Angierski, MDA ca. 15 Diplomanden und Doktoranden UKE, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. D. Naber, Prof. M. Lambert UKE, Medizinische Psychologie Prof. M. Bullinger

Vor-/Pilotstudie: Zentrale Fragestellungen Einfluss psychosozialer Risikofaktoren, wie Art und der Schweregrad der elterlichen Erkrankung Krankheitsbewältigung Qualität der innerfamiliären und außerfamiliären Beziehungen Bindungstil Familiendynamik Lebensqualität des erkrankten Elternteiles auf die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Kinder Bedarfsanalyse Interventionsstudie Wirksamkeit des familienorientierten CHIMPs-Ansatzes (prospektives prä-post-design mit 1-Jahres-Katamnese, WL-Kontrollgruppe)

Messinstrumente des Projektes Erkrankung (Art, Schweregrad, Beeinträchtigung): - SCL-14, SCL 90-R, CGI, GAS, SKID Krankheitsbewältigung: - FKV (Muthny 1989), ad hoc Items Innere und äußere Familienbeziehungen/soziale Unterstützung/Bindung: - OSSQ (Dalgard 1996), IIP-C, BFPE (Höger et al. 2002), ad hoc Items Familiendynamik/familiäre Funktionalität: - FB-A (Cierpka & Frevert 1994), GARF Lebensqualität, Eltern: - SF-12 (Bullinger & Kirchberger 1998) psychische Gesundheit und Lebensqualität der Kinder: - CBCL, YSR, KINDL-R (Ravens-Sieberer & Bullinger 2000) - SGKJ, BSS-K, Kiddie-SADS (Fremdeinschätzung)

Ausgewählte Forschungsergebnisse zur Gesundheit der Kinder aus der Vorstudie

Fragestellungen zur psychischen Gesundheit der Kinder Wie stellt sich die psychische Gesundheit der Kinder (Elternsicht) dar? Haben zentrale Dimensionen der elterlichen Erkrankung (Diagnose, Schweregrad, Komorbidität, Chronizität, subjektive Beeinträchtigung etc.) einen Einfluss auf die psychische Gesundheit der Kinder? Hat die Familiendynamik und funktionalität einen Einfluss auf die Gesundheit der Kinder?

Stichprobe psychiatrische Patienten 964 insgesamt erfasste Patienten davon 86 Eltern mit mind. einem minderjährigen Kind, davon mussten 19 Patienten ausgeschlossen werden, weil: das Alter der Kinder außerhalb der Altersgruppe für diese Fragestellung lag (3.-18. Lj.) die relevanten Fragebögen unvollständig ausgefüllt wurden die Eltern keinen ausreichenden Kontakt zum Kind hatten oder nur über schlechte Deutschkenntnisse verfügten 67 Eltern mit vollständigen Angaben 33 Männer und 34 Frauen zwischen 22 und 58 Jahren (MW=41,10; SD=7,27).

Kinder 67 Kinder zwischen 4 und 18 Jahren (Durchschnittsalter M = 11 Jahre; sd = 4.49). Alter der eingeschätzten Kinder 41 (61%) Kinder 4 bis 11 Jahre 26 (39%) Kinder 12 bis 18 Jahre Geschlecht 28 (45%) Mädchen und 34 (55%) Jungen

Alter bei Störungsbeginn und betroffener Zeitraum 12 16 10 14 Häufigkeit in Prozent 8 6 4 2 Std. Dev = 4,67 Mean = 7,1 Häufigkeit in Prozent 12 10 8 6 4 2 Std. Dev = 3,79 Mean = 4,1 0 N = 45,00 0 N = 45,00 0,0 4,0 8,0 12,0 16,0 0,0 5,0 10,0 15,0 2,0 6,0 10,0 14,0 18,0 2,5 7,5 12,5 17,5 Alter in Jahren Zeitraum in Jahren

Ergebnisse CBCL psychische Gesamtauffälligkeit der Kinder 90 T-Wert der Gesamtauffälligkeit 80 70 60 50 40 30 N = 23 8 15 Normalb. Auffälligkeitsb. Grenzb.

Grenz- und Auffälligkeitsbereich Auffälligkeitsbereich Syndromskalen der CBCL % Verhältniszahl % Verhältniszahl Sozialer Rückzug 16.13 3.23 11.29 5.65 Körperliche Beschwerden 19.35 3.87 14.52 7.26 Angst / Depressivität 24.19 4.84 12.90 6.45 Soziale Probleme 17.74 3.55 6.45 3.23 Schizoid / Zwanghaft 20.97 4.19 12.90 6.45 Aufmerksamkeitsprobleme 17.74 3.55 12.90 6.45 Dissoziales Verhalten 14.52 2.90 3.23 1.61 Aggressives Verhalten 24.19 4.84 9.68 4.84 übergeordnete Skalen % Verhältniszahl % Verhältniszahl internalisierende Auffälligkeiten 40.32 2.52 30.65 3.06 externalisierende Auffälligkeiten 45.16 2.82 29.03 2.90 Gesamtauffälligkeit 46.77 2.92 32.26 3.23

Zusammenhänge zwischen einzelnen Komponenten der elterlichen Erkrankung und Gesundheit der Kinder

Zusammenhang zwischen subjektiver Beeinträchtigung durch die Erkrankung und psychischer Auffälligkeit der Kinder T-Wert der Gesamtauffälligkeit Correlations SCL-14: MW für "Phobische Angst" SCL-14: MW für "Somatisierung" SCL-14: MW für "Depressivität" SCL-14: MW für Gesamtscores Pearson Corr. 0,126 0,347 * 0,336 * 0,373 * Sig. (2-tailed) 0,419 0,023 0,028 0,014 N 43 43 43 43 T-Wert der externalisierenden Skala T-Wert der internalisierenden Skala Pearson Corr. 0,176 0,305 * 0,230 0,322 * Sig. (2-tailed) 0,259 0,047 0,138 0,035 N 43 43 43 43 Pearson Corr. 0,079 0,404 ** 0,323 * 0,366 * Sig. (2-tailed) 0,614 0,007 0,035 0,016 N 43 43 43 43 ** Correlation is significant at the 0.01 level (2-tailed). * 0.05 level (2-tailed).

macht die Diagnose einen Unterschied?

Geschätzte Randmittel vom T-Wert der Gesamtauffälligkeit 80 80 70 70 Geschätzte Randmittel 60 50 40 60 50 40 F1 F2 F3 F4 F6 Diagnosegruppen in 1. (Haupt-) Diagnose

Abhängige Variable Persönlichkeitsstörung (F6) N MW SD T-Wert der Gesamtauffälligkeit T-Wert der internalisierenden Skala T-Wert der externalisierenden Skala ja 10 65.20 11.36 nein 49 56.57 9.90 ja 10 61.00 12.81 nein 49 55.59 10.67 ja 10 62.00 10.70 nein 51 56.20 9.59 df T Sig. 1-seitig 57 57 59 2.45.009 1.41.082 1.72.046 T-Wert der Gesamtauffälligkeit T-Wert der internalisierenden Skala T-Wert der externalisierenden Skala Komorbidität ja 36 59.39 10.10 57 1.24.22 nein 23 55.91 11.17 ja 36 57.58 10.68 57 0.93.36 nein 23 54.83 11.84 ja 36 57.50 9.48 59 0.33.74 nein 25 56.64 10.72 Anmerkungen: N = Stichprobengröße; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung, N = 59 T = Prüfgröße der Mittelwertgleichheit; df = Anzahl der Freiheitsgrade; Sig. = Irrtumswahrscheinlichkeit

Ergebnisse zum Einfluss der Familiendynamik auf die psychische Gesundheit der Kinder aus Vinogradov, A. (2011). Familienfunktionalität und psychische Gesundheit der Kinder in Familien mit psychisch kranken Eltern. Abgeschlossene Diplomarbeit

Gruppenvergleich funktionaler und dysfunktionaler Familien in den psychischen Auffälligkeiten der Kinder Übergeordnete CBCL/4-18 Skalen FB-A Gesamt- Skala N M SD t df Sig. (2- seitig) T-Wert für Gesamt- Auffälligkeit 60 < 60 28 36 63,07 54,88 13,2 7,85 2,90 41,3,006 T-Wert für intern. Auffälligkeiten 60 < 60 27 32 61,88 53,09 12,8 8,93 3,17 57,002 T-Wert für extern. Auffälligkeiten 60 < 60 27 32 59,85 54,31 11,9 8,94 2,06 57,044

Vergleich auffälliger und nicht auffälliger Kinder in der Familienfunktionalität ihrer Familie Familienfunktionalität der Familie T-Wert Gesamt- Auffälligkei t der Kinder N M SD t df Sig. (2- seitig) FB-A Gesamtskala 63 < 63 22 42 67,68 55,36 18,21 15,93 2,797 62,007

Zusammenhänge zwischen familiendynamischen Dimensionen und den psychischen Auffälligkeiten der Kinder übergeordnete Skalen Skala der CBCL/4-14 Aufgabenerfüllung Rollenverhalten Kommuni kation Emotion alität Affektive Beziehungs aufnahme Kontrolle Werte und Normen Internalisirende Auffälligkeiten p r,300 (*),398 (**),230,263 (*),274 (*),179,343 (**) Externalisirende Auffälligkeiten p r,223,296 (*),180,286 (*),235,131,331 (*) Gesamt- Auffälligkeit p r,266 (*),384 (**),246,307 (*),281 (*),172,389( **)

Skala der CBCL/4-14 Kommuni kation Aufgabenerfüllung Rollenverhalten Emotionalität Affektive Beziehungs aufnahme Kontrolle Werte und Normen Sozialer Rückzug p Körperliche Beschwerden p Ängstlich/ Depressiv p Soziale Probleme p,355 (**),305 (*),238,349 (**),361 (**),195,365 (**),145,241 (*),123,131,157,045,169,181,331 (**),212,192,252 (*),209,292 (*),190,268 (*),068,187,286 (*),133,332 (**) Schizoid/ Zwanghaft p,107,252 (*),268(*),136,189,187,214 Aufmerksamkeits- Probleme p,262 (*),348 (**),120,277 (*),256 (*),043,400 (**) Dissoziales Verhalten p,070,203,123,181,254 (*),135,235 Aggressives Verhalten p,244 (*),275 (*),281 (*),333 (**),274 (*),156,429 (**)

Gesundheitsbezogene Lebensqualität der Kinder im Vergleich zur Referenz KINDL-R Differenz zur Allgemeinbevölkerung N MW SD t df p (2-seitig) Total Quality of Life Körperliches Wohlbefinden Psychisches Wohlbefinden 69 70.87 13.18-3.76 68.000* 71 71.21 18.91-1.43 70.156 71 71.30 18.25-5.45 70.000* Selbstwert 69 66.85 17.85.078 68.938 Familie 70 68.57 19.06-6.95 69.000* Freunde 68 74.17 14.28-2.27 67.027* Schule 62 69.96 18.83-1.73 61.088

FAZIT Die Kinder psychisch kranker Eltern aus unserer Untersuchung weisen 3-7fach erhöhte Auffälligkeiten im Vergleich zur Normalbevölkerung auf. Kinder von Eltern mit Persönlichkeitsstörungen sind am stärksten gefährdet. Kinder aus dysfunktionalen Familien sind in unserer Untersuchung psychisch auffälliger als Kinder aus funktionalen Familien (bei gleichem Risiko durch die elterliche Erkrankung.)

Unsere klinische Intervention basiert neben dieser Bedarfsanalyse auf 3 Säulen: dem Theorie-Modell der psychosozialen Entwicklungsbedingungen Konzepten psychoanalytischer Familientherapie und -beratung den Pionierarbeiten von Beardslee und Mitarbeitern mit Familien mit depressiven Eltern

Grundlage der Intervention: Modell für psychische Gesundheit bei Kindern psychisch kranker Eltern (Wiegand-Grefe, Halverscheid & Plass 2011, modifziert nach Mattejat, Wüthrich & Remschmidt 2000) Elternvariablen, z.b. elterliche Erkrankung, individuelle Psychodynamik psychosoziale Entwicklungs- und Umweltbedingungen Kindvariablen z.b. a) genetisch-biologische Prädisposition, b) Faktoren: Alter, Geschlecht, c) Ressourcen, Fähigkeiten, Temperament, psychosoziale Erfahrungen Vermittelnde Entwicklungsbedingungen Art und Angemessenheit Umfang und Qualität der der interpersonellen Krankheitsbewältigung Beziehungen Paardynamik und Familiendynamik der gesamten Familie Entwicklung und psychische Gesundheit des Kindes

Zentrale Ziele der Intervention Verbesserung der psychischen Gesundheit und der Lebensqualität der Kinder Krankheitsbewältigung und Qualität der Familienbeziehungen u. -funktionalität werden dabei als mediierende Faktoren verstanden

Sprechstunde für Kinder und ihre psychisch erkrankten Eltern in der Klinikambulanz Intervention über 12 18 Monate: 2-3 Sitzungen mit den Eltern 1-2 Einzelsitzungen mit jedem Kind diagnostische Interviews mit Eltern und Kindern (SKID, Kiddy-SADS) 3 Familiengespräche mit der ganzen Familie

Gliederung 1. Die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Kinder im Fokus 2. Forschungs- und Präventionsprojekt CHIMPs (Children of mentally ill parents) 1. Design und zentrale Fragestellungen 2. Intervention 3. Evaluationsergebnisse

Evaluationsforschung der Interventionen für Kinder psychisch kranker Eltern in Deutschland Laborforschung: Kontrollierte, randomisierte Studien im Forschungskontext (definierte Störungsbilder, enge Altersgruppen der Kinder) bislang keine prospektiv-kontrollierte, randomisierte (RCT) Studie Naturalistische Praxis- und Versorgungsforschung: Praxis-Projekte, die ihre Interventionen evaluieren (lassen) keine prospektiven Evaluationen, einige in jüngster Zeit begonnen, einige (wenige) qualitative Studien

CHIMPs - Interventions- und Evaluations-Design Versuch, beide Evaluationsstränge zu verbinden: - an der Versorgungspraxis orientierte Intervention (breite Eingangskriterien: störungsübergreifend, altersgruppenübergreifend für Kinder von 3 Jahren bis ins junge Erwachsenenalter, keine Labor -Beschränkungen im Hinblick auf die Familien) - wird methodisch relativ aufwendig (prospektiv, kontrolliert, mit 1-Jahres-Katamnese, multiperspektivistisch, multimethodal und multimodal) evaluiert

Stichprobe - Intervention Rekrutierung von Familien für Modellprojekt 12/2010 abgeschlossen Beratung als Routineangebot implementiert (Konsildienst Erwachsenenpsychiatrie und Klinikambulanz) Aktueller Stand der Stichprobe: 68 Familien kontaktiert/informiert, davon 53 Familien an der Intervention teilgenommen o 10 Abbrüche bzw. vorzeitige Beendigungen o 43 abgeschlossene Beratungen

Stichprobe Interventionsgruppe T1: Patienten (N=53): 83% weiblich, 17% männlich Alter: 22 bis 60 Jahre, Durchschnitt 38 Jahre (SD= 8,06-). 58 Fremdbeurteilungen der Kinder T1: Kinder (N=56): 25 Jungen (43%) 33 Mädchen (57%) Alter: 4 bis 21 Jahre, Durchschnitt: 11 Jahre (SD=4,72) Messinstrumente: CBCL, YSR T1 T2 T3 Pat. 53 (58) 28 (48) 11 (20) LP 37 (66) 26 (43) 9 (18) Kinder 56 25 11

Wartelistenkontrollgruppe - 14 Patienten (43 % männlich, 57% weiblich) - Alter zwischen 34 und 59 Jahre, im Durchschnitt 43 Jahre (SD=7,76). - Zeitintervall zwischen Messzeitpunkten t0 (Vorstudie) und t1 (Prä-Messung der Interventionsstudie) im Durchschnitt 18 Monate (SD=5,50).

Evaluationsdesign CHIMPs prospektiver, kontrollierter Vergleich: Interventionsgruppe (IG) vs. (Wartelisten-) kontrollgruppe (KG) Poweranalyse: Effekt von 0.80 (großer Effekt), alpha = 5 %, notwendige Stichprobengröße von N = 40 (Programm g-power) es gibt bislang keine prospektive Evaluationsstudie (oder gar RCT-Studie) für diese Risikogruppe in Deutschland!

Veränderungen der psychischen Gesundheit der Kinder (CBCL) Patientenperspektive Partnerperspektive Gesamtwert: M=63 (SD=9.92) auf M=58 (SD=7.35) (p=.000, T=4.59). T (int.): M=62 (SD=9.82) auf 59 (SD=7.01) (p=.004, T=3.08). T (ext.): M=62 (SD=10,66) auf 56 (SD=9.07) (p=.001, -T=3.52). Gesamtwert: M=60 (SD=10.72) auf M=56,5 (SD=9.6) (p=.015, T=2.56) T (int.) M=60.5 (SD=10.51) auf M=57 (SD=9.68) (p=.032, T=2.23) T (ext.) nicht sign.

Veränderungen der psychischen Gesundheit der Kinder (YSR) Perspektive der Kinder (YSR) Vergleich zur Wartelistenkontrollgruppe (Patienten) Gesamtwert M=58 (SD=6.93) auf M=56 (SD=6.06) (p=.086, T=1.83). Ext.: M=56.5 (SD=9.41) auf M=54.6 (SD7.73) (p=.112, T=1.68). Int.: M=58 (SD=7.89) auf M=55 (SD=5.98), (p=.036, T=2.29).

Veränderungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Kinder

FAZIT Die Befunde können als Belege für die Wirksamkeit der CHIMPs - Intervention auf die psychische Gesundheit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Kinder gelten.

Innovationspreis der KKH Allianz 2011 Kongress für Versorgungsforschung, 21.10.2011, 1.Preis für Prävention und Früherkennung

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! s.wiegand-grefe@uke.de