Formatives Kompetenzmanagement: Potenzial für die berufliche Weiterbildung



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Transkript:

Formatives Kompetenzmanagement: Potenzial für die berufliche Weiterbildung Dr. Rüdiger Preißer Sozialwissenschaftliche Dienstleistungen im Bildungsbereich Empirische Sozialforschung, Evaluation Organisationsberatung, Selbstevaluation Training, Workshops, Coaching www.ruediger-preisser.de

Gliederung - Kompetenzbegriffe: Klärungen - Anwendungspraxis: Kompetenzmanagement in Form von Kompetenzfeststellung - Vorschlag 1: formative Kompetenzfeststellung (ex post) - Vorschlag 2: Kompetenzentwicklung (in actu) durch kompetenzorientierte Personalentwicklung / Weiterbildung 2

Kompetenz von Individuen verfügbare oder von ihnen erlernbare (kognitiven) Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen (= antriebsorientierten), volitionalen (= durch Willen beeinflussbaren) und sozialen (= kommunikationsorientierten) Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen nutzen zu können (Weinert 2001) Das Ergebnis der Verknüpfung und Wechselwirkung der unterschiedlichen Teilkompetenzen ist mehr als die Summe der im alltagssprachlichen Kompetenzbegriff enthaltenen Entitäten (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Regeln, Normen, Werte, Ziele, Einstellungen usw.) (Franke 2005, S. 35), sondern fügt sich bei jedem Menschen zu einer einzigartigen Konfiguration, die genauso unverwechselbar ist wie seine Handschrift. 3

Messung von Kompetenz personenbezogen Merkmale der Person Welche Merkmale? Wie viele Merkmale? anforderungsbezogen Merkmale der Situation Welche Situationen? Welche Anforderungen? Kompetenz Kompetenzmodell Welche Teil-Kompetenzen? Welche K-Dimensionen? Welche K-Niveaus? Welche K-Entwicklung? Kompetenzmessung Wie eng oder breit müssen Anforderungssituationen beschrieben werden? Wie äußert sich in diesen Situationen hohe oder niedrige Kompetenz? Wie lassen sich kompetente Verhaltensweisen erfassen? 4

Anwendungspraxis: Kompetenzmanagement Überbetriebliche Weiterbildung / Erwachsenenbildung / Bildungsund Laufbahn-Beratung: Weitgehende Beschränkung auf Erfassung, Dokumentation von Kompetenzen Kompetenzmerkmale als Grundlage für Mitarbeitergespräche / Auswahlentscheidungen / Matching-Prozesse / K-Management nicht systematischer Bestandteil von HRM Unklarheiten, was Kompetenz ist (soft skills, überfachliche Qualifikationen, Schlüsselqualifikationen, Ressourcen, Potentiale) Fehlen eines Kompetenzmodells Handwerkliche Mängel

Unterschiede bei Kompetenz-Erfassung Zweck: Erhebung: Auswertung: Vorteile: Individuen: Folgen: Summative Verfahren - Diagnose: Ist-Zustand - Feststellung + Vergleich von Einzelmerkmalen - Querschnittsvergleich; Normgruppe - Standardisierung, Vergleichbarkeit, Validität,Reliabilität, kostengünstig, kurz, - Objekt: produzieren Daten, erhalten Interpretationen und Ratschläge - Problem Lücke zum Klienten: Ergebnistransfer Formative Verfahren - Entwicklung: Prozess, Ziel: Weg - dialogische Selbstexploration, self assessment techniques, Narration - Längschnittvergleich - Förderung von Selbstwertgefühl, Motivation, Aktivierung - Subjekt: eigene Sprache, Deutung Selbstreflexion, Ownership - direkter Lerneffekt: metakognitive Kompetenzen 6

Beispiel für formative Kompetenzfeststellung Ziel: Verbesserung der Selbststeuerung, Motivation Mittel: Kompetenzen (Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Werte, Eigenschaften, Interessen, Einstellungen, Motive, Präferenzen) in eigener Sprache benennen zu können Vorgehen: Biographische Selbstexploration auf der Grundlage alltagssprachlichen Erzählens (Narration) Kommunikative Validierung in Kleingruppenarbeit oder zwischen Trainer/in / Berater/in und Ratsuchenden Analytische Verdichtung und Reduktion (ev. mit Hilfe von skalengestützten Listen von Fähigkeiten) Biographische Integration und Ordnung mit Hilfe von Szenariotechnik und konfigurativem Arbeiten

Beispiel: Kompetenzen nachweisen Ziel: eigene Kompetenzen gegenüber anderen klar benennen zu können Vorgehen: Erfahrungsmenge: Bis zu welchem Zeitpunkt lässt sich die Kompetenz zurückverfolgen? Wie häufig wurde sie angewandt? Erfahrungsvielfalt: In welchen unterschiedlichen Situationen / Zusammenhängen wurde die Kompetenz eingesetzt? Komplexität: Wie schwierig waren die Aufgaben, anhand derer sich diese Kompetenz erweisen musste? Selbstreflexivität: In welchen Situationen hat die Kompetenz dabei geholfen zu einem Erfolg beizutragen? Welche anderen Kompetenzen werden noch aktiviert, wenn sie zum Einsatz kam?

Kompetenzentwicklung: kompetenzorientierte Weiterbildung Konzeption von kompetenz-, lernergebnisorientierten Bildungsangeboten - Lernergebnisorientierung Anforderungsbezug (K-Konfiguration) - Grundlage des Curriculums: Kompetenzmodell : K-Bereiche und K-Dimensionen; Entwicklungsschritte; K-Niveau (z.b. Bloom) (keine Angst!) - Kompetenzorientierte Didaktisierung: individualisiert, erfahrungsbezogen, aktivierend Methode: konstruktivistische Lerntheorie: Shift from Teaching to Learning - Förderung metakognitiver Strategien (Lernen des Lernens) Verknüpfung mit kompetenzorientierten Prüfungen (K-Messung nicht ex post, sondern in actu) - Lernprozess begleitende Selbstevalution, self assessment techniques

Kompetenzentwicklung: Lernen des Lernens Metakognitive kompetenz Kompetenzen, neues Wissen zu erwerben Kompetenzen, erworbenes Wissen anzuwenden und zu übertragen Kompetenzen, die eigenen Lernprozesse zu steuern und zu reflektieren

Kompetenzförderliche Lernstrategien Nutzung kognitiver, metakognitiver, motivationaler Strategien als zentrale Bestandteile von Kompetenzorientierter Weiterbildung kognitiv: Strukturierungs-, Organisations-, Elaborations-, Wiederholungsstrategien metakognitiv: Kontrolle und Steuerung kognitiver Prozesse Planung, Überwachung, Steuerung des Ablaufs, Bewertung der Ergebnisse Metakognitiver Lernzyklus : Einheit von Planung, Steuerung, Beobachtung, Bewertung der Ergebnisse == Begleiten des Lernens durch Selbstbeobachtung (Selbst- Evaluation) und Dialog (Reflexion) auf jeder Komplexitätsstufe ressourcenbezogen: Selbstmanagement, um Lernen zu unterstützen Selbstmotivierung, Zeitplanung, Aufmerksamkeitssteuerung, Anstrengung, Gestaltung des Arbeitsplatzes, Kooperation, Nutzung von Informationsmaterialien

Zusammenfassung: Empfehlungen Gefahr der Verselbständigung von Kompetenz-Messung Beachtung des Zwecks: Entwicklung und / oder Auswahl Falls summativ nötig: Vermeidung querschnittsorientierter (normorientierter) Kompetenzdiagnostik zugunsten anforderungs- / kriteriumsorientierter K-Feststellung Zumindest Ergänzung durch formative (dialogorientierte, biographische, partizipative, reflexive) K-Feststellung; so häufig wie möglich Weiterentwicklung durch Verknüpfung mit kompetenzorientierter Weiterbildung und Self Assessment ( metakognitiver Effekt )

Literatur Bloom B. (1971): Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim Franke, G. (2005): Facetten der Kompetenzentwicklung. Bielefeld Weinert, F. E. (2001) Concept of Competence: A Conceptual Clarification. In Rychen, D.S. and Salganik, L.H. (Ed.). Defining and Selecting Key Competencies. Seattle. pp. 45-65

Danke für die Aufmerksamkeit Dr. Rüdiger Preißer