Vorlesungsübersicht Wintersemester 2015/16 Di 08-10 Audimax Grundlegende Geometrie - Vorlesung mit integriertem Praxiskurs Benötigte Materialien: Geometrieheft DIN-A-4 blanco weiß, quadratisches Faltpapier oder Zettelblock, rundes Faltpapier; Zirkel, Geometriedreieck, Klebstoff, Schere 27.10. V1 Geometrie in der Grundschule 03.11. V2 Räumliches Vorstellungsvermögen 10.11. V3 Entwicklung geometrischen Denkens 17.11. V4 Ebene Figuren - Vierecke 24.11. V5 Ebene Figuren - Dreiecke 01.12. V6 Ebene Figuren Kreise und Vielecke 08.12. V7 Körper - Überblick 15.12. V8 Körper Flächen, Netze, Bauen 22.12. V9 Symmetrie; Parkettieren 12.01. V10 Zeichnen und Konstruieren 19.01. V11 Zeichnen und Konstruieren 26.01. V12 Zusammenfassung 09.02. Klausur (08-10 Uhr Audimax, HS 1) 1
V 2 Räumliches Vorstellungsvermögen vgl. Franke, M. : Didaktik der Geometrie 2007 1 Bezug zur menschlichen Intelligenz 2 Teilkomponenten des menschlichen Vorstellungsvermögens 3 Visuelle Wahrnehmungsfähigkeiten 4 Trainieren des räumlichen Vorstellungsvermögens (Kopfgeometrie) 5 Praxiskurs 2
Räumliches Vorstellungsvermögen Schulung des räumlichen Vorstellungsvermögens ist eines der Hauptziele des Geometrieunterrichts. lebenspraktische Bedeutung: Raum wahrnehmen; sich darin orientieren; in der Vorstellung operieren Raumvorstellung gilt als wichtige Komponente menschlicher Intelligenz 3
Begriff Räumliches Vorstellungsvermögen (Raumvorstellung) Raumvorstellung beschränkt sich nicht darauf, Bilder im Gedächtnis zu speichern und bei Bedarf abzurufen. Dazu kommen muss die Fähigkeit, mit diesen Bildern aktiv umzugehen, sie gedanklich umzuordnen und neue Bilder aus vorhandenen vorstellungsmäßig zu entwickeln (Wolpert, 1983)
1 Bezug zur menschlichen Intelligenz Modell 1: Intelligenzfaktoren nach Thurstone (1937; 1950) 1. Faktor: Sprachverständnis 2. Faktor: Wortflüssigkeit 3. Faktor: Rechenfertigkeiten 4. Faktor: Wahrnehmungstempo 5. Faktor: räumliches Vorstellungsvermögen 6. Faktor: Merkfähigkeit 7. Faktor: Logisches u. schlussfolgerndes Denken 5
4. Faktor: Wahrnehmungstempo kennzeichnet die Fähigkeit, Details eines Gesamtbildes rasch zu erkennen Geschwindigkeit und Flexibilität der Bildaufnahme 6
5. Faktor: räumliches Vorstellungsvermögen umfasst die Fähigkeit, mit zwei- u. dreidimensionalen Objekten in der Vorstellung zu operieren 7
Modell 2: Theorie der multiplen Intelligenzen nach Gardner 1991 1. Linguistische Intelligenz 2. Musikalische Intelligenz 3. Logisch-mathematische Intelligenz 4. Räumliche Intelligenz 5. Körperlich-kinästhetische Intelligenz 6. Intra- und interpersonale Intelligenz 8
4.Räumliche Intelligenz Teilfähigkeiten: - die visuelle Welt richtig wahrnehmen, - die ursprüngliche Wahrnehmung transformieren und modifizieren, - Bilder der visuellen Erfahrung mit Hilfe der Vorstellung reproduzieren 9
Diese einzelnen Fähigkeiten sind beim Menschen unterschiedlich ausgeprägt Aber: Übung in einem Bereich stimuliert die Entwicklung der Fähigkeiten auf verwandten Gebieten 10
Fallbeispiel: Räumliches Vorstellungsvermögen beim Sachrechnen Anforderung: gedanklicher Aufbau einer räumlichen Situation Wenn sich Anke, Birgit, Christian und Dieter früh auf dem Schulweg treffen, geben sie sich gegenseitig die Hand. Wie viele Handschläge werden zwischen ihnen gewechselt? Max, Kl. 3 11
Mathematisch begabte Schüler/innen und räumliche Intelligenz Anne-Kathrin (Kl. 3) 12
Formalisierung der Situation mit Hilfe der Topologie Stellen Sie sich vor, Sie treffen sich mit 4 Kommilitonen in einer Gaststätte. Zur Begrüßung schüttelt jede Person jeder anderen einmal die Hand. Wie oft werden Hände geschüttelt? Man kann diese Situation durch Graphen darstellen. Die Ecken stehen für die Personen, jeder Handschlag wird durch eine Kante dargestellt. (Topologie) Quelle: Müller-Philipp/Gorski (2001): Leitfaden der Geometrie 13
2 Teilkomponenten des räumlichen Vorstellungsvermögens Räumliches Vorstellungsvermögen ist sehr komplex und wird deshalb in der Regel über mehrere Teilkomponenten beschrieben. 14
Teilaspekte nach Besuden 1979 (in Radatz/Rickmeyer 1991) (1) räumliches Orientieren Fähigkeit, sich wirklich oder gedanklich im Raum orientieren zu können (Autofahrer, Fußgänger, Wanderer) (2) räumliches Vorstellen Fähigkeit, Objekte oder Beziehungen in der Vorstellung reproduzieren zu können (rosa Kuh, die nach links schaut und Gras frisst n. Radatz) (3) räumliches Denken Fähigkeit, mit Vorstellungsinhalten gedanklich zu operieren (Die Kuh in der Vorstellung eine Drehung um 180 machen lassen.) 15
Komponenten nach Linn & Petersen (1985) und Thurston (1938; 1950) zusammengefasst von Maier (1999) Räumliche Wahrnehmung (spatial perception) räumliche Konstellationen erfassen Räumliche Beziehungen (spatial relations) Erfassen räumlicher Gruppierungen und deren Beziehungen Räumliche Orientierung (spatial orientation) Einordnung der eigenen Person in eine räumliche Situation Veranschaulichung (visualization) gedankliches Vorstellen von räumlichen Bewegungen wie Drehungen, Verschiebungen und Faltungen Vorstellungsfähigkeit von Rotationen (mental rotation) Fähigkeit, sich Rotationen von Objekten vorzustellen 16
Die einzelnen Komponenten der Raumvorstellung werden in der Regel über Raumvorstellungsaufgaben (s. folgende Folien) veranschaulicht. Diese können auch zur Diagnose entsprechender Fähigkeiten und zum Fördern genutzt werden (vgl. Plath, Meike 2014, Lüthje, Thomas 2012).
Räumliche Wahrnehmung (spatial perception) In welchem der geneigten Gläser wird die Wasseroberfläche durch eine horizontale Linie veranschaulicht? 18
Räumliche Beziehungen (spatial relations) Wie viele der anderen Klötze berührt jeder einzelne? Quelle: Plath, Meike 2014 ursprünglich: Thurstone 1938
Räumliche Orientierung (spatial orientation) Du fährst mit einem Boot von Westen kommend an der Küste entlang. Du machst Fotografien. Sie sind durcheinander geraten. Sortiere in der richtigen Reihenfolge. zitiert n. Maier 1994 20
Veranschaulichung (visualization) In der Vorstellung die schwarzen Teile zum Auslegen der Figur verwenden, mit Bleistift einzeichnen. 21
Vorstellungsfähigkeit von Rotationen (mental rotation) Welche der vier Würfelschlangen stimmt mit der Ausgangsschlange überein? Quelle: Plath, Meike 2014 ursprünglich: Shepard & Metzler 1971
3 Visuelle Wahrnehmungsfähigkeiten Die Wahrnehmung wird als aktiver Prozess gesehen, der durch bereits vorhandenes Wissen gesteuert wird. Wahrnehmen - ist eng mit dem Gedächtnis (Erfahrungen), mit Vorstellungen, mit dem Denken, mit der Sprache verbunden. - lässt sich nicht von der räumlichen Vorstellung trennen, - hat Einfluss auf die Entwicklung der Vorstellung 23
Man unterscheidet 5 Komponenten: Autorin: Marianne Frostig 1972 Die visuomotorische Koordination ist die Fähigkeit, Sehen und Körperbewegungen zu koordinieren. -beim Fangen eines Balles, Fußballspielen -Ausweichen im Straßenverkehr -Ausschneideübungen usw. 24
visuomotorische Koordination Zeichne nach. 25
Die Figur-Grund-Diskriminierung ist die Fähigkeit, aus einem komplexen Hintergrund bzw. einer Gesamtfigur eingebettete Teilfiguren zu erkennen und zu isolieren. Die Wahrnehmungskonstanz ist die Fähigkeit, Figuren in verschiedenen Größen, Anordnungen, räumlichen Lagen oder Färbungen wiederzuerkennen und von anderen Figuren zu unterscheiden. 26
Figur-Grund- Diskriminierung Male das Rechteck aus. 27
Wahrnehmungskonstanz Findest du das Sechseck in der großen Figur? 28
Die Wahrnehmung räumlicher Beziehungen ist die Fähigkeit, Beziehungen zwischen räumlichen Objekten zu erkennen und zu beschreiben. Die Wahrnehmung der Raumlage ist die Fähigkeit, räumliche Beziehungen eines Gegenstandes bezüglich des Standpunktes eines Wahrnehmenden zu beschreiben (s. Drei-Berge-Versuch - PIAGET). 29
Wahrnehmung räumlicher Beziehungen Beschreibe, wo der Quader steht. 30
Wahrnehmung der Raumlage Beispiele s. auch Franke Geometrie 31
Visuelles Wahrnehmungsvermögen entwickelt sich bis zum Alter von 7/8 Jahren. Defizite in diesen Bereichen wirken sich deutlich beim Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen aus. Frostig u. a. (1977) ermittelten in einer Studie, dass 80% der Kinder mit Lernschwierigkeiten Defizite in der visuellen Wahrnehmung aufwiesen. Diese Forschungsergebnisse wurden auch durch spätere Untersuchungen bestätigt (vgl. Lorenz 1991): Etwa 80% der Kinder mit Rechenschwäche wiesen Störungen in der Fähigkeit auf, Vorstellungsbilder zu generieren und zu manipulieren. Test: Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung (FEW). Oskar Lockowandt. 2000. Beltz Test. oder FEW-2 erschienen bei Hogrefe 2007. 32
Zur Trainierbarkeit der Raumvorstellung gibt es verschiedene Auffassungen: Einige Intelligenztheorien weisen aus, dass Raumvorstellung angeboren und unmodifizierbar ist. Andere Studien belegen, dass räumliches Vorstellungsvermögen bei Probanden unterschiedlichen Alters trainierbar ist (Maier 1999). 33
4 Trainieren des räumlichen Vorstellungsvermögens Im Zusammenhang mit den verschiedensten geometrischen Inhalten kann Vorstellungsvermögen gefördert werden. Eine spezielle Übungsmöglichkeit gibt es durch Kopfgeometrie. 34
Kopfgeometrie Will der Lehrer die geometrischen Vorstellungskräfte des Kindes entwickeln, so muss er sich entschließen, an geeigneten Stellen Kopfgeometrie zu treiben. Diese Kopfgeometrie ist ebenso wichtig wie das Kopfrechnen. (Breidenbach 1953) 35
a. Untersuchungen zur Fähigkeit von Kindern beim Lösen kopfgeometrischer Aufgaben (Senftleben 1996) Zeichne einen Tannenbaum von der Seite. Zeichne einen Tannenbaum von oben. 36
Zeichne eine Flasche von der Seite. Zeichne eine Flasche von oben. 37
b. Beispiele mit räumlichen Objekten Wie muss man einen Würfel durchschneiden, damit als Schnittfläche ein Quadrat, ein Rechteck, ein Dreieck entsteht? 38
Welche Körper wurden durch den Sand gerollt? 39
Quelle: Senftleben 2012. In: Grundschulmagazin, 5, S. 7
Welche Körper kann man durch die Öffnungen schieben? 41
Welche der unten abgebildeten Würfel sind aus dem obigen Netz entstanden? Nach den Versuchen im Kopf kann das Würfelnetz hergestellt und mit den Würfelmodellen abgeglichen werden. 42
c. Beispiele mit ebenen Objekten ein Quadrat gedanklich zerlegen Zerlege das Quadrat in 4 gleichgroße Teile. Wie viele Möglichkeiten findest du? 43
Welche vier Punkte kannst du zu einem Quadrat verbinden? 44
5 Praxiskurs Modul 1: Grundbegriffe (2)
Modul 1 Faltwinkel (Grundbegriffe) Inhalte: Kante, Gerade, Strecke, Strahl, sich schneidende Geraden, Ecken, Winkel, rechte Winkel, Rechtecke, rechteckige Körper, senkrechte Linien, parallele Linien, Parallelogramm
Fazit