Umsatzsteuer in der Europäischen Union

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Transkript:

Steuern Fábryová, Felhofer, Gaisbauer, Großmann, Hobe, Janežič, Kaarma, Lamarque, Masuch, Meißner, Pazderová, Platzer, Putnina, Slapio, Viegener, Vitkuniené Umsatzsteuer in der Europäischen Union

2011 VDMA Verlag GmbH Lyoner Straße 18 60528 Frankfurt am Main www.vdma-verlag.com Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Bestell-Nr. vf XXXXX ISBN 978-3-8163-0520-2 XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Gesamtproduktion: LEiTHNER GmbH & Co. KG, www.leithner.de

3 Vorwort Der Deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist weltweit tätig. Die komplexen und auf den Kunden zugeschnittenen Produkte erfordern, oft über den reinen Export von Gütern hinaus, die Leistungserbringung direkt beim Kunden vor Ort. Dabei nimmt der europäische Binnenmarkt als Tätigkeitsort eine besonders starke Stellung ein. Der im Binnenmarkt aktive Unternehmer ist gefordert, sich mit dem nationalen Steuerrecht von 27 Mitgliedstaaten auseinanderzusetzen, will er Steuerstrafen, Versäumnisfolgen oder den Verlust des Vorsteuerabzugs vermeiden. Das vorliegende Handbuch befasst sich im Schwerpunkt mit einem für den Maschinen- und Anlagenbau besonders wichtigem Kapitel der umsatzsteuerlichen Behandlung von Werklieferungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. In der Investitionsgüterindustrie sieht die Rechnung oberflächlich betrachtet einfach aus: Umsatzsteuer beim Leistenden und Vorsteueranspruch beim Kunden greifen ineinander und lassen die Missbrauchsanfälligkeit anders als im Geschäft mit Privatkunden gering erscheinen. Daraus resultiert eine hohe Erwartung der Unternehmen an einfache und praxisgerechte Abwicklungen über die im Binnenmarkt verblassenden staatlichen Grenzen hinweg. Demgegenüber sehen die Finanzverwaltungen ihre oft aufkommensstärkste Steuer massiv durch organisierten Betrug, Schwarzarbeit und Insolvenzen gefährdet. Allein in Deutschland wird der jährliche Umsatzsteuerausfall auf mehr als 17 Mrd. EUR geschätzt. Die Umsatzsteuer hat sich damit zu einem einträglichen Prüfungsgebiet entwickelt. Für den Praktiker ist immer wieder überraschend, dass die Finanzverwaltungen den Umsatzsteueranspruch getrennt von möglichen Vorsteueransprüchen betrachten. Spätestens, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung 19/119, d. h. fast 16 Prozent Umsatzsteuer aus einem Umsatzbetrag herausgerechnet werden, ohne dass eine Nachbelastung an den damaligen Kunden durchsetzbar ist, wird dem liefernden Unternehmer die große Bedeutung umsatzsteuerlicher Fragestellungen deutlich. Dieses Handbuch soll Ihnen dabei helfen, dass Umsatzsteuern nicht zu Kosten werden. Für ausgewählte EU-Staaten wird die Rechtslage (Stand Ende 2010) dargestellt. Die Länderbeschreibungen folgen einem einheitlichen Aufbau, die jeweils relevanten Bestimmungen des nationalen Rechts sind damit leicht auffindbar. Zu berücksichtigen ist, dass die Verwaltungspraxis in einzelnen Staaten von Finanzbehörde zu Finanzbehörde unterschiedlich sein kann. Das Werk erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit. Es ist von Steuerberatern erstellt, die langjährige Erfahrungen mit den umsatzsteuerlichen Regelungen aufweisen.

4 Vorwort Trotz aller Sorgfalt, mit der die Verfasser zu Werke gingen, kann das vorliegende Handbuch eine Einzelfallberatung durch Personen, die den konkreten Sachverhalt kennen und zur Steuerberatung befugt sind, nicht ersetzen. Die vorliegende Darstellung soll vielmehr die Bedeutung einer qualifizierten Einzelfallberatung verdeutlichen, sie aber keinesfalls ersetzen. Daher können die Verfasser keine Verantwortung übernehmen, wenn auf Basis dieses Handbuchs Sachverhalte falsch behandelt werden und dadurch ein Schaden entsteht oder Pflichten verletzt werden. Diese Broschüre ist von Mitgliedern des VDMA-Arbeitskreises Umsatzsteuer begleitet und unterstützt worden. Mitgewirkt haben insbesondere Harald Hagner, Giesecke & Devrient, München und Günther Platzer, ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Linz. Den Mitgliedern des Arbeitskreises, den Mitarbeitern des VDMA-Verlages und ganz besonders den Autoren, gilt mein besonderer Dank für die geleistete Arbeit. Mit der vorliegenden zweiten Auflage ist es gelungen, einige neue Autoren zu gewinnen und so den Umfang der dargestellten Länder deutlich auszuweiten. Damit wird das Werk den Praktikern in den Unternehmen sicherlich gute Dienste leisten können. Ulrich Meißner Referent Steuern im VDMA e.v.

5 Einleitung Das europäische Umsatzsteuersystem Das europäische Umsatzsteuersystem entspricht in der Ausgestaltung einer Nettoallphasensteuer mit Vorsteuerabzug (sog. Mehrwertsteuer). Charakteristisch ist die Erhebung der Umsatzsteuer auf allen Handelsstufen und der Vorsteuerabzug für Investitionen im Unternehmensbereich. So wird auf jeder Stufe nur der Mehrwert besteuert. Letztendlich soll die Steuer durch Überwälzung vom Endverbraucher getragen werden. Der theoretische Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer auf der einen und Vorsteuerabzug auf der anderen Seite ist jedoch nicht zwingend. Getrennte Regelungen bestimmen, ob einerseits bei den Ausgangsumsätzen Umsatzsteuer anfällt und ob andererseits für die Eingangsumsätze ein Vorsteuerabzug zugelassen wird. Schwierigkeiten treten dabei besonders auf, wenn grenzüberschreitende Geschäfte zu beurteilen sind. Ein kurzer Überblick soll das System verdeutlichen: Ausgangsumsätze im Ausland Ob Lieferungen und sonstige Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, ergibt sich nach den Umsatzsteuergesetzen der Mitgliedstaaten. Zentral für die Entscheidung, unter welches Umsatzsteuerrecht das Geschäft fällt, ist die Bestimmung des Leistungsortes. Mit Lokalisierung des Leistungsortes ist festgelegt, in welchem Staat der Umsatz steuerbar ist. In einem zweiten Schritt ist nach dem jeweiligen Landesrecht zu prüfen, ob eine Steuerbefreiung in Betracht kommt, z. B. für eine Ausfuhrlieferung ins Drittland oder eine innergemeinschaftliche Lieferung in die EU. Grundsätzlich ist ein Unternehmer, der steuerpflichtige Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat ausführt, zur umsatzsteuerlichen Registrierung in diesem Staat verpflichtet. Auf den eigenen Rechnungen ist dann die ausländische Umsatzsteuer auszuweisen und an den ausländischen Fiskus abzuführen. Um das Steueraufkommen zu sichern, gibt es in vielen Staaten sog. Reverse-Charge-Verfahren: Ist der Leistende in dem Staat der Tätigkeit nicht ansässig, so geht die Steuerschuld auf den Empfänger über. Dieser hat die Steuer selbst zu berechnen und in seiner Umsatzsteueranmeldung den Umsatzsteuerbetrag auf die empfangene Leistung auszuweisen. Gleichzeitig kann er ihn in der Umsatzsteueranmeldung als Vorsteuer abziehen. Damit wird dem ortsfremden Leistenden die Registrierung im Ausland erspart. In Deutschland gibt es dieses Verfahren mit 13b UStG seit dem Jahr 2002. Ein Reverse-Charge-Verfahren ist in der Mehrwertsteuerrichtlinie der EU (2006/112/EG vom 28.11.2006; bisher 6. EG- Richtlinie) zwar grundsätzlich für Dienstleistungen vorgeschrieben, die nach Art. 44 der RL 2006/112/EG am Sitzort des die Leistung empfangenden Un-

6 Einleitung ternehmers erbracht werden. Jedoch gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen von dieser Grundregel. Werklieferungen können als Umsatzgeschäft in dem jeweiligen Tätigkeitsstaat gesehen werden, wenn dem Kunden erst das fertige (montierte) Werk übergeben wird. Der fertige Gegenstand wird nicht mehr über eine Staatsgrenze hinweg bewegt und eine innergemeinschaftliche Lieferung kann dadurch ausgeschlossen werden. Die neue Mehrwertsteuerrichtlinie enthält in Artikel 36 dazu einen Hinweis (siehe dazu auch Aufsatz Deutschland). Dennoch behandeln die Mitgliedstaaten diese Frage unterschiedlich. Für Werklieferungen und Werkleistungen (ohne anschließende Bewegung des bearbeiteten Gegenstandes) ist ein Reverse- Charge-Verfahren nicht zwingend vorgeschrieben. Entsprechend muss in den einzelnen EU-Staaten mit unterschiedlichen Regelungen gerechnet werden. Eingangsumsätze im Ausland Bezieht der Unternehmer Gegenstände oder Dienstleistungen im Ausland, die der ausländischen Umsatzsteuer unterliegen, gibt es zwei Wege der Erstattung der gezahlten ausländischen Umsatzsteuer: Ist der Leistungsempfänger im Ausland nicht ansässig, eröffnet sich für ihn das sog. isolierte Vorsteuererstattungsverfahren nach der RL 2008/9/EG. Bis zum 30. September des Folgejahres kann per Antrag die gezahlte Umsatzsteuer zurückverlangt werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Unternehmer in dem jeweiligen Staat keine eigenen Umsätze ausgeführt hat. Leistungen, die nach dem Reverse-Charge- Verfahren abgewickelt wurden, werden dabei i. d. R. nicht berücksichtigt. Sollten aufgrund eigener Umsätze in dem Staat, die Voraussetzungen für die isolierte Vorsteuererstattung nicht vorliegen, bleibt ein zweiter Weg: Nach Registrierung können die Eingangsumsätze in die laufenden Umsatzsteueranmeldungen aufgenommen und mit den eigenen Umsatzsteuerschulden verrechnet werden. Die Registrierung erfordert jedoch einen gewissen Aufwand. Zwar ist die Bestellung von Fiskalvertretern nicht verpflichtend, doch ist die Hinzuziehung eines Steuerberaters in der Praxis häufig notwendig, um die Erklärungen korrekt abgeben zu können.

7 Inhalt Belgien... 8 Deutschland... 21 Estland... 32 Frankreich... 32 Großbritannien... 57 Italien... 79 Lettland... 98 Litauen... 110 Niederlande... 123 Österreich... 135 Polen... 149 Slowakei... 159 Slowenien... 172 Spanien... 183 Tschechische Republik... 201

8 Belgien 1 Definition der Werklieferung 1.1 Werklieferung Das belgische Mehrwertsteuergesetz (in Folge kurz TVA) definiert den Begriff einer Werklieferung dahingehend, dass die Lieferung und Installation bzw. der Einbau/ Zusammenbau beweglicher Gegenstände gemäß Art. 15 2 Z 2 TVA als einheitliche Lieferung der eingebauten/installierten Gegenstände am Ort der Installation festgelegt wird. Werklieferungen unbeweglicher Gegenstände werden hingegen unter dem Begriff Immobilienarbeiten (travaux immobiliers) bzw. Bauleistungen subsumiert. Somit liegt bei diesen Vorgängen nach belgischer Auffassung keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung vor, deren Leistungsort gemäß Art. 21 3 Z 1 TVA am Ort des Grundstücks festgelegt wird. Die Abgrenzung, ob nun tatsächlich ein unbeweglicher Liefergegenstand vorliegt, gestaltet sich in der Praxis jedoch als schwierig. So werden Industrieanlagen oder maschinelle Anlagen, die jederzeit entfernt und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden können, meist als bewegliche Gegenstände klassifiziert. Die Einstufung als Bauleistung führt zwar umsatzsteuerlich zum gleichen Ergebnis wie die Werklieferung eines beweglichen Gegenstandes, allerdings ergaben sich dadurch in der Vergangenheit Auswirkungen im Bereich der Abzugsteuer bzw. deren Vermeidung durch eine Registrierung als Bauunternehmer. War der leistende Unternehmer zum Zahlungszeitpunkt nicht als Bauunternehmer in Belgien registriert, so war der Auftraggeber einer Bauleistung verpflichtet, vom Nettobetrag der Zahlung 15 % einzubehalten und an die Finanzbehörde abzuführen. Die Abzugsteuer für Bauleistungen bzw. der Zusammenhang mit der Registrierung als Bauunternehmer existiert in dieser Form jedoch nicht mehr. Für die Abgrenzung, ob eine Werklieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung mit Montage als unselbständige Nebenleistung vorliegt, sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Fall: Ist der Zusammenbau wesentlicher Leistungsinhalt und ändert sich dadurch die Marktgängigkeit des Gegenstandes, so wird erst im Zeitpunkt der Übergabe der fertigen Anlage geliefert und der Lieferort liegt am Ort der Verschaffung der Verfügungsmacht. Das heißt es liegt eine Werklieferung bzw. Bauleistung nach obiger Definition vor.

Belgien 9 2. Fall: Sind hingegen die Montagearbeiten technisch und wirtschaftlich unbedeutend, kommt dem Zusammenbau somit keine eigenständige Bedeutung zu, so gilt die Lieferung bereits mit Beginn der Beförderung oder Versendung (Übergabe an Frachtführer bzw. Spediteur) zum Montageort als ausgeführt. Liegt der zweite Fall bei innergemeinschaftlichen Montagelieferungen (z. B. bei Lieferung eines deutschen Unternehmers an einen belgischen Unternehmer) vor, so kann der Vorgang als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt werden. Bilden die Montagearbeiten im Wertverhältnis zum Gesamtauftragswert nur einen kleinen Teil, so ist dies jedoch nur ein Indiz und bedeutet nicht von vornherein, dass die Arbeiten wirtschaftlich unbedeutend sind. Vielmehr darf die Montagetätigkeit nicht ausschlaggebend für die Marktgängigkeit bzw. Funktionsfähigkeit des gelieferten Gegenstandes sein. Denkbar wäre z. B. die Lieferung einer funktionsfähigen Maschine, die lediglich für Transportzwecke zerlegt und am Zielort wieder zusammengebaut wird. Ein weiteres Beispiel wäre, wenn eine Maschine nur in Betrieb genommen wird, indem sie an die Stromversorgung angeschlossen wird. Wenn der Liefergegenstand erst am Ort der Montage (neu) entsteht bzw. bedeutende Montagearbeiten in Belgien vorgenommen werden, so liegt stets eine Werklieferung bzw. Bauleistung vor. Eine Montageüberwachung wird, da der Überwachende die Verantwortung bzw. Haftung für die Ausführung der Montage trägt, üblicherweise einer Montage gleichgestellt. Das heißt, dass bei einer Lieferung mit wirtschaftlich bedeutender Montageüberwachung wiederum eine Werklieferung bzw. Bauleistung vorliegen wird. Erbringt daher ein deutscher Unternehmer eine Werklieferung wie in Fall 1 geschildert, so ist diese stets am Ort der Montage bzw. der Übergabe des fertig gestellten Werks (d. h. in Belgien) steuerbar. Allerdings sind die Regelungen über den Übergang der Steuerschuld für nicht in Belgien ansässige Unternehmer sowie für Bauleistungen zu beachten (siehe Punkte 3.2 und 3.3). 1.2 Werkleistung Der Begriff der Werkleistung existiert als solcher im belgischen Recht nicht. Allerdings liegt gemäß Art. 51 2 Abs. 1 Z 1 TVA der Leistungsort für sonstige Leistungen zwischen Unternehmern (B2B-Bereich) aufgrund des so genannten Bestimmungslandprinzips am Sitzort des Leistungsempfängers, sofern dieser keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte in Belgien begründet. Dies gilt beispielsweise in der Regel für Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen. Im Gegensatz dazu sind Arbeiten an unbeweglichen Gegenständen am Ort des Grundstücks steuerbar. Erbringt also ein deutscher Unternehmer z. B. Montageleistungen an unbeweglichen Gegenständen in Belgien, so unterliegen diese Leistungen

10 Belgien der belgischen Umsatzsteuer, wobei allerdings wiederum häufig der Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger erfolgen wird (siehe Punkt 3.2). Gemischte Leistungen (Materialanteil sowie Leistungen) werden nicht separat beurteilt, sondern werden als einheitliche Leistung behandelt. Für die Beurteilung ob im jeweiligen Fall von einer Werklieferung oder Werkleistung gesprochen werden kann, ist der Materialanteil ausschlaggebend. Beträgt der beigestellte Materialanteil mehr als 50 % der gesamten Leistung, wird gemäß Meinung der belgischen Finanzbehörde grundsätzlich von einer Lieferung (Werklieferung) auszugehen sein. Der Leistungsort befindet sich daher am Ort der Verschaffung der Verfügungsmacht, somit in Belgien. Im Gegensatz dazu wird von einer sonstigen Leistung gesprochen, wenn der Materialanteil weniger als 50 % beträgt. Diesbezüglich ist zu unterscheiden, ob die sonstige Leistung an einem beweglichen Gegenstand (Leistungsort bestimmt sich nach der B2B-Grundregel, d. h. der Leistungsort liegt am Sitzort des Leistungsempfängers, sofern er nicht über eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte in Belgien verfügt), oder an einem unbeweglichen Gegenstand (Leistungsort bestimmt sich nach dem Belegenheitsort des Grundstücks) durchgeführt wird. 2 Definition der Betriebsstätte Die Betriebsstätte für umsatzsteuerliche Zwecke ist im TVA nicht definiert. Die Rechtsprechung legte jedoch, in Bezug auf den Begriff der festen Niederlassung gemäß Art. 44 RL 2006/112/EG, folgende Bedingungen für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte für ausländische Unternehmer fest: Der ausländische Steuerpflichtige verfügt in Belgien über eine permanente Niederlassung, z. B. einen Ort der Leitung, eine Zweigniederlassung, Werkstätte, Vertretung, ein Warenlager, Büro etc. Die Tätigkeit dieser Niederlassung muss darin bestehen, Lieferungen oder Leistungen im Sinne des TVA in Belgien auszuführen. Die Einrichtung wird durch mindestens eine Person, die den ausländischen Unternehmer gegenüber Lieferanten oder Kunden rechtlich verpflichten kann, geführt. Die Buchführung dieser Niederlassung muss in Belgien verfügbar sein. Fehlt eine der genannten Bedingungen, wird das Vorliegen einer Betriebsstätte für Umsatzsteuerzwecke verneint. Liegt eine feste Niederlassung vor, so wird der ausländische Unternehmer einem belgischen Steuerpflichtigen gleichgestellt, mit den gleichen Rechten und Pflichten, wie z. B. Abgabe von periodischen Erklärungen, Buchführung etc.

Belgien 11 In den meisten Fällen wird ein ausländischer Erbringer einer Werklieferung jedoch keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte in Belgien begründen, da selbst bei einer umfangreichen Montage- bzw. Baustellendauer keine feste Niederlassung vorliegen wird (keine Zweigniederlassung, keine Buchführung, etc.). Zu beachten ist, dass die in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) festgelegten Betriebsstättenfristen (z. B. 12 Monate im deutschen DBA-Belgien) zwar für Ertragssteuern wie Einkommen- und Körperschaftsteuer gelten, für die Umsatzsteuer jedoch irrelevant sind. D. h, dass in der Praxis durch eine Bauausführung zwar häufig eine Betriebsstätte nach DBA begründet wird, jedoch keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung in Belgien vorliegt. 3 Besteuerung und Verfahren 3.1 Werklieferung Ausländische Unternehmer, die in Belgien eine Betriebstätte unterhalten, gelten als ansässig und müssen sich umsatzsteuerlich registrieren lassen. Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID) und Steuernummer sind identisch und unterscheiden sich nur durch das bei der UID vorhandene Länderkürzel BE. Zuständig ist jenes Finanzamt, in dessen örtlichen Wirkungsbereich sich die Betriebsstätte befindet. Sollte ein Unternehmer keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte in Belgien begründen (was i. d. R. bei ausländischen Werklieferern der Fall sein wird) und dennoch aus anderen Gründen zur Registrierung verpflichtet sein (z. B. aufgrund von innergemeinschaftlichen Erwerben, Übernahme der Steuerschuld für Subunternehmer etc.) so gibt es für den Unternehmer sowohl die Möglichkeit einer direkten Registrierung beim Finanzamt für ausländische Unternehmer in Brüssel (Bureau de T.V.A. Central pour Assujettis Etrangers, Rue de Palais 48, 6 ième étage, 1030 Bruxelles) als auch die Möglichkeit der freiwilligen Bestellung eines belgischen Fiskalvertreters. Letztere Registrierungsvariante hat vor allem den Vorteil, das Reverse-Charge-Verfahren für Zukäufe von Subunternehmern nutzen zu können (siehe Punkt 3.2). Für die Registrierung eines deutschen Unternehmers sind folgende Informationen bzw. Dokumente nötig: Nachweis und Beschreibung der Tätigkeit in Belgien (z. B. Verträge oder Bestellungen), möglichst aktueller Auszug aus dem deutschen Handelsregister, Kopie des Gesellschaftsvertrags/der Satzung, gegebenenfalls Vollmacht für den Fiskalvertreter,

12 Belgien aktuelle Bescheinigung des für den Unternehmer zuständigen deutschen Finanzamtes, dass dieser zur Umsatzsteuer in Deutschland veranlagt ist (so genannte Unternehmerbescheinigung ), Formular 604 A, Formular 800, Formular IRR/IHF, im Falle der Registrierung über einen Fiskalvertreter erstellt dieser zusätzlich die Formulare 801 sowie BEC. Die entsprechenden Formulare liegen in deutscher, französischer sowie niederländischer Sprache vor. Aufgrund strenger formeller Anforderungen hinsichtlich der Registrierungsunterlagen können etwaige Mängel der geforderten Dokumente zu einer Verzögerung der Registrierung führen. Handelt es sich um ein einmaliges Projekt in Belgien, für welches aufgrund der Erzielung steuerbarer sowie steuerpflichtiger Umsätze grundsätzlich eine umsatzsteuerliche Registrierung in Belgien erforderlich ist, so kann stattdessen das so genannte non-identification procedure zur Anwendung kommen. Dieses vereinfachte Verfahren ist bei der belgischen Finanzbehörde zu beantragen. Mittels Bescheid wird durch die belgische Finanzbehörde eine Sondersteuernummer vergeben, welche in den entsprechenden Belegen auszuweisen ist. Zusätzlich sind sämtliche Vorgänge des Projektes in Belgien im Zuge einer Umsatzsteuererklärung über die Sondersteuernummer zu melden, eine daraus resultierende Umsatzsteuerzahllast ist an die belgische Finanzbehörde abzuführen. 3.2 Vereinfachungsmaßnahmen (Reverse-Charge) Für sämtliche Lieferungen und sonstige Leistungen ausländischer Unternehmer kommt es gemäß Art. 51 2 Z 5 TVA zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger, sofern es sich bei diesem um einen in Belgien ansässigen Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt. Hierbei ist zu beachten, dass ein ausländischer Unternehmer ohne umsatzsteuerliche Betriebsstätte in diesem Zusammenhang als ansässig gilt, wenn freiwillig ein belgischer Fiskalvertreter bestellt wurde. Das bedeutet, dass in diesem Fall für den Zukauf von Leistungen ausländischer Subunternehmer und auch für den Zukauf von Bauleistungen der Übergang der Steuerschuld angewandt werden kann (siehe dazu die jeweiligen Punkte in Kapitel 5). Die Vorschrift des Art. 51 2 Z 5 TVA ist mit dem 13b des deutschen UStG vergleichbar, der Unterschied liegt jedoch im Erfordernis der Ansässigkeit des Leistungsempfängers. Eine umsatzsteuerliche Registrierung des leis-