Lösungshinweise zum 4. Besprechungsfall. I. Gefährliche Körperverletzung, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5



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Transkript:

ÜBUNG IM STRAFRECHT FÜR VORGERÜCKTE (WS 05/06) Juristische Fakultät der Universität Freiburg Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Prof. Dr. Roland Hefendehl sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts Lösungshinweise zum 4. Besprechungsfall 1. Tatkomplex: Der Überfall auf F I. Gefährliche Körperverletzung, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 A könnte sich durch den Faustschlag wegen gefährlicher Körperverletzung an F strafbar gemacht haben. 1. Objektiver Tatbestand a) A hat den F durch den Faustschlag körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt, da F bewusstlos wurde. Damit ist der objektive Tatbestand des 223 Abs. 1 gegeben. b) Da F bewusstlos wurde, könnte darin eine lebensgefährdende Behandlung liegen. Nach der Rspr. ist die objektive Eignung zur Lebensgefährdung ausreichend, eine konkrete Gefahr braucht nicht eingetreten zu sein (vgl. Lackner/Kühl 224 Rn. 8; str.). Ob aber selbst ein zur Bewusstlosigkeit führender Faustschlag diese Hürde ü- berspringt, erscheint zw. 2. Subjektiver Tatbestand A handelte vorsätzlich bzgl. 223 Abs. 1. Aus dem Sachverhalt ist nicht erkennbar, ob A den F auch bewusstlos schlagen wollte. Somit wäre jedenfalls Vorsatz hinsichtlich des 224 ist abzulehnen. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. 4. Ergebnis: A hat sich demzufolge gem. 223 Abs. 1 strafbar gemacht. II. Schwerer Raub, 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 a) 1. Objektiver Tatbestand a) A müsste dem F das Fahrrad durch Gewaltanwendung oder Drohung mit Gewalt weggenommen haben. aa) Durch den Faustschlag hat A Gewalt gegen F angewendet. bb) A hat dem F das Fahrrad weggenommen.

cc) Die Gewaltanwendung wurde final zur Erzwingung der Wegnahme eingesetzt (Lackner/Kühl 249 Rn. 4). dd) Damit ist der objektive Tatbestand des 249 erfüllt. b) A hat dabei eine Waffe bei sich geführt, 250 Abs. 1 Nr. 1 a). 2. Subjektiver Tatbestand a) A handelte vorsätzlich. b) A müsste auch in der Absicht gehandelt haben, sich oder einem Dritten das Fahrrad rechtswidrig zuzueignen. Zueignen bedeutet, die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Sachwert unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten dem eigenen Vermögen einzuverleiben (Lackner/Kühl 242 Rn. 21). Erforderlich ist danach, dass der Täter unter Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung dem Berechtigten die Sache ihrer Substanz nach oder ihren spezifischen Funktionswert dauernd entzieht (Enteignung) und sei es auch nur vorübergehend seinem Vermögen zuführt (Aneignung) (Lackner/Kühl a.a.o.). A hatte die Absicht, sich das Fahrrad wenigstens für die Fahrt zu O seinem Vermögen einzuverleiben. A handelte also mit Aneignungsabsicht. Fraglich ist, ob A auch Enteignungsvorsatz hatte. A wollte das Fahrrad zu F zurückbringen. Das hatte er schon bei der Wegnahme vor. Daher wollte er nicht den F dauernd aus dessen Eigentümerstellung verdrängen. A handelte deshalb ohne Enteignungsvorsatz. Demzufolge wollte A sich das Fahrrad nicht zueignen. c) Der subjektive Tatbestand ist daher nicht erfüllt. 3. Ergebnis: A hat sich somit nicht nach 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 a) strafbar gemacht. III. Nötigung, 240 Abs. 1, 2 1. A hat den F durch Gewalt genötigt, die Wegnahme des Fahrrades zu dulden. 2. A handelte vorsätzlich. 3. Rechtswidrigkeit (insb. Verwerflichkeit nach 240 Abs. 2) und Schuld sind gegeben. 4. Ergebnis: A hat sich gem. 240 Abs. 1, 2 strafbar gemacht. - 2 -

IV. Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeuges, 248 b 1. A hat das Fahrrad des F gegen dessen Willen als Fortbewegungsmittel benutzt. 2. A handelte vorsätzlich. 3. A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. 4. Ergebnis: A hat sich gem. 248 b strafbar gemacht. Zu beachten ist das Strafantragserfordernis des 248 b Abs. 3. V. Schwere räuberische Erpressung, 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 a Objektiver Tatbestand a) A hat gegen F Gewalt in Form der vis absoluta angewendet. b) A hat den F dadurch dazu genötigt, die Wegnahme des Fahrrades zu dulden. c) Da F das Fahrrad in der Zwischenzeit nicht vermieten konnte, hat A dem F auch einen Vermögensschaden zugefügt. d) Dabei führte A eine Waffe bei sich, 250 Abs. 1 Nr. 1 a). e) Fraglich ist, ob als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch eine Vermögensverfügung des F vorliegen muss. Ob sich das abgenötigte Verhalten des Opfers als eine Vermögensverfügung darstellen muss, ist in Rspr. und Lit. umstritten (Streitdarstellung bei Krey/Hellmann BT/2 Rn. 297a ff.; Hillenkamp, 40 Probleme aus dem Strafrecht Besonderer Teil, 33. Problem, S. 170 ff.). aa) Nach der Rspr. (BGHSt 14, 386, 390 f.; 25, 224, 228; Mitsch BT II/1, 6 Rn. 40) bedarf es bei 253 keiner Vermögensverfügung. Die Rspr. geht davon aus, 249 sei ein Spezialfall der 253, 255, so dass die Unterscheidung zwischen Wegnahme und Herausgabe lediglich auf der Ebene der Konkurrenzen relevant würde. Die Rspr. stützt ihre Auffassung auf den Wortlaut, wonach es keiner Vermögensverfügung bedarf. Art. 20 III GG verbiete nicht nur wortlautüberschreitende Bestrafung, sondern auch wortlautunterschreitende Nichtbestrafung. Die Argumentation der h.l. sei darüber hinaus zirkulär, da der Charakter von 253 als Selbstschädigungsdelikt aus dem Merkmal der Vermögensverfügung hergeleitet würde. Der Begriff der Nötigung sei ebenso wie in 240 zu verstehen und er- - 3 -

fasse daher neben vis compulsiva auch vis absoluta, so dass es selbst für den Selbstschädigungscharakter der Erpressung unerheblich ist, ob zu einer Duldung der Wegnahme oder einer Herausgabe genötigt wird. Auch die Ähnlichkeit zum Betrug wird lediglich behauptet, da diese erst festgestellt werden kann, wenn das Merkmal der Vermögensverfügung zum Tatbestand gehört. Die Rspr. argumentiert des Weiteren mit Strafbarkeitslücken, die entstünden, wenn der Täter ohne Zueignungsabsicht eine Sache mit Gewalt wegnehme und nicht wegen Raubes bestraft werden könne. Danach wäre hier der objektive Tatbestand erfüllt. A hätte sich wegen schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht. bb) Nach der h.l. (Lackner/Kühl 253 Rn. 3; Rengier BT/1 11 Rn. 10 ff.; Wessels/Hillenkamp BT/2 Rn. 708 ff.) muss eine Vermögensverfügung vorliegen. Eine solche scheidet bei der Anwendung von vis absoluta aus, da das Opfer nicht mehr willentlich handeln kann. Die Lit. begründet ihre Ansicht mit der Ähnlichkeit des Verhältnisses von Raub und Erpressung zum Verhältnis von Diebstahl und Betrug. Wie der Betrug sei auch die Erpressung ein Selbstschädigungsdelikt, so dass dem Genötigten ein Entscheidungs- und Handlungsspielraum belassen werden müsse, der, wenn er ausgenutzt wird, vermögensmindernde Wirkung haben muss. Auch beim Betrug bedürfe es einer Vermögensverfügung als ungeschriebenem Tatbestandsmerkmal (was auch von der Rspr. vertreten wird). Nur so ließen sich Vermögens- und Eigentumsdelikte dogmatisch sauber voneinander abgrenzen. Nach Ansicht der Literatur stünden auch Raub und Erpressung in einem Alternativverhältnis zueinander und nicht im Verhältnis Grunddelikt und Spezialfall. Die a.a. kann nicht erklären, weshalb von zwei Delikten mit gleichem Strafrahmen das eine ( 249) das speziellere sein solle. Da nach der a.a. alle Verhaltensweisen, die von 249 erfasst würden, zugleich unter 253 fielen, würde 249 überflüssig. Da F bewusstlos geschlagen wurde, liegt keine Vermögensverfügung vor. A hätte sich nicht wegen schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht. cc) Die Systematik spricht für die Auffassung der Literatur. An keiner anderen Stelle des StGB verweist das Grunddelikt bzgl. der Rechtsfolge auf das speziellere Delikt. Auch wäre 249 dann überflüssig. Zudem steht der gesetzgeberische Wille der Ansicht der Rspr. entgegen. Der Wille des Gesetzgebers ergibt sich aus 248 b. Der ohne Zueignungsabsicht Handelnde soll privilegiert werden. Diese Privilegierung würde durch die Rspr. unterlaufen. Aufgrund dieser systematischen und teleologi- - 4 -

schen Aspekte ist der Literatur zu folgen. Eine Vermögensverfügung muss daher vorliegen. dd) Da A vis absoluta anwendete, liegt keine Vermögensverfügung durch F vor. f) Der objektive Tatbestand ist demnach nicht erfüllt. Ergebnis: A hat sich nicht gem. 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 a) strafbar gemacht. VI. Aussetzung, 221 Abs. 1 Aus dem Sachverhalt wird nicht ersichtlich, dass sich F nach dem Schlag in hilfloser Lage befand. Er war nur kurz bewusstlos. Zudem liegt keine konkrete Lebensgefahr oder Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung für F vor. Eine Strafbarkeit nach 221 Abs. 1 scheidet somit aus. VII. Unterlassene Hilfeleistung, 323 c Eine Strafbarkeit nach 323 c scheidet aus denselben Gründen wie bei 221 aus. VIII. Ergebnis für 1. Tatkomplex A hat sich gem. 223, 240, 248 b, 52 strafbar gemacht. 2. Tatkomplex: Im Haus des O I. Hausfriedensbruch, 123 Abs. 1 A ist in die Wohnung des O eingedrungen, denn er hat sie gegen dessen Willen betreten. Die Tatsache, dass O den A einließ, ist unbeachtlich, da O dies nur aufgrund des ausgeübten Zwanges durch Vorhalten der Pistole tat (vgl. Tröndle/Fischer 123 Rn. 16). A hat sich somit gem. 123 Abs. 1 strafbar gemacht. - 5 -

II. Nötigung, 240 Abs. 1, 2 Das Einlassverschaffen mittels der Waffe stellt eine Nötigung durch Drohung mit Gefahr für Leib und Leben des O, mithin mit einem empfindlichen Übel dar. Diese ist auch verwerflich. Demnach ist A gem. 240 Abs. 1, 2 strafbar. Der zugleich verwirklichte 241 Abs. 1 wird von 240 verdrängt. III. Versuchte schwere räuberische Erpressung durch die Aufforderung Los, Geld her!, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 1. Tatentschluss a) A wollte dem O durch Vorhalten der Waffe mit einem empfindlichen Übel (Gefahr für Leib und Leben des O) drohen. b) Dadurch wollte er O veranlassen, ihm sein Geld herauszugeben. c) A könnte auch eine Vermögensverfügung des O gewollt haben. Ob es bei 253 einer Vermögensverfügung bedarf (s.o.), kann dahinstehen, wenn eine solche hier jedenfalls vorliegt. Nach der Rspr. ist dabei auf das äußere Erscheinungsbild abzustellen. Danach liegt eine Wegnahme vor, wenn sich der Täter nach dem äußeren Erscheinungsbild die Sache nimmt, dagegen liegt eine räuberische Erpressung vor, wenn das Opfer dem Täter die Sache gibt. Nach der h.l. kommt es wie bei der Abgrenzung von Diebstahl und Betrug auf die innere Vorstellung des Opfers an. Sagt sich der Genötigte: Die Lage ist aussichtslos. Auch wenn ich mich weigere, wird der Täter die Sache bekommen., liegt Raub vor. In diesem Fall macht es keinen Unterschied mehr, ob der Täter die Sache unter Duldung des Opfers wegnimmt oder ob das Opfer sie herausgibt. Glaubt das Opfer dagegen, dass der Täter auf seine des Opfers Mitarbeit angewiesen sei, liegt Erpressung vor. Hier lag es allein an O, dem A das Geld zu geben, da A nicht wusste, wo O das Geld hatte. A musste also davon ausgehen, auf die Mithilfe des O angewiesen zu sein (zu beachten ist bei der Versuchsprüfung, dass zu fragen ist, welche Vorstellung der Täter von der Opferperspektive hat). A wollte daher den O sowohl nach dem äußeren - 6 -

Erscheinungsbild als auch nach der inneren Willensrichtung zu einer Vermögensverfügung zwingen. Eine Streitentscheidung kann hier also dahinstehen. d) A wollte auch einen Vermögensschaden des O herbeiführen und sich dadurch rechtswidrig bereichern. e) Zudem wollte A bei der Tat eine Waffe als Drohmittel verwenden, 250 Abs. 2 Nr. 1. f) A hatte somit Tatentschluss. 2. Unmittelbares Ansetzen Durch die Aufforderung an O mit vorgehaltener Waffe hat A auch unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. 4. Rücktritt vom Versuch A könnte gem. 24 Abs. 1 vom Versuch zurückgetreten sein, da er letztendlich die Ausführung der Tat aufgab. Dann dürfte es sich allerdings noch nicht um einen fehlgeschlagenen Versuch handeln (Sch/Sch/Eser 24 Rn. 7 ff.; Wessels/Beulke AT Rn. 628 ff.). Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn die zur Ausführung vorgenommenen Handlungen ihr Ziel nicht erreicht haben und der Täter erkannt hat, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den tatbestandlichen Erfolg entweder gar nicht mehr oder zumindest nicht ohne zeitlich relevante Zäsur herbeiführen kann (Wessels/Beulke AT Rn. 628). Fraglich ist dabei, aus welcher Sicht der Fehlschlag zu beurteilen ist. Nach der Einzelaktstheorie ist jeder einzelne Ausführungsakt gesondert zu betrachten. Jeder Akt stellt dann einen fehlgeschlagenen Versuch dar (Jakobs AT 26/15 ff.). Gegen die Einzelaktstheorie spricht aber, dass sie einen einheitlichen Lebensvorgang auseinanderreißt und dadurch die Rücktrittsmöglichkeiten zu sehr einschränkt (Wessels/Beulke AT Rn. 629). Richtigerweise ist daher der Gesamtbetrachtungslehre zu folgen. Danach ist ein Versuch noch nicht fehlgeschlagen, wenn der Täter, wie er weiß, in unmittelbarem Anschluss an sein bisheriges Tun erneut zum Angriff ausholen oder ein neues bereitstehendes Mittel einsetzen kann. Es besteht dann die Mög- - 7 -

lichkeit, insgesamt vom Versuch zurückzutreten. Für die Gesamtbetrachtungslehre spricht zudem, dass in der weiteren Ausführung nur die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Tatentschlusses liegt (Wessels/Beulke AT Rn. 629). Daher kann das Verhalten des A erst nach seiner letzten Ausführungshandlung bewertet werden. Eine Entscheidung muss an dieser Stelle dahinstehen. IV. Versuchte schwere räuberische Erpressung durch Aufforderung zum Öffnen des Safes, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 1. Tatentschluss a) A wollte den O durch Vorhalten der Waffe zum Öffnen des Safes nötigen. b) A wollte den O auch zu einer Vermögensverfügung zwingen. Auch hier war A entscheidend auf die Mithilfe das O angewiesen. Nur O kannte die Kombination für den Safe. Eine Streitentscheidung kann auch hier dahinstehen. c) A wollte dem O einen Vermögensschaden zufügen und sich dadurch rechtswidrig bereichern. d) Dabei verwendete er seine Waffe als Drohmittel, 250 Abs. 2 Nr. 1. e) A hatte daher Tatentschluss. 2. Unmittelbares Ansetzen Mit der Aufforderung an O, den Safe zu öffnen, hat A auch unmittelbar angesetzt. 3. A handelte rechtswidrig und schuldhaft. 4. Rücktritt vom Versuch A könnte gem. 24 Abs. 1 vom Versuch zurückgetreten sein. Dabei dürfte es sich nicht um einen fehlgeschlagenen Versuch handeln (s.o.). Da kein Geld im Safe war und O auch sonst kein Bargeld im Haus hatte, konnte A aus seiner Sicht den erstrebten Erfolg nicht mehr erreichen. Daher war der Versuch fehlgeschlagen. Ein Rücktritt ist somit nicht mehr möglich gewesen. Ebenso ist nach der Gesamtbetrachtungslehre damit auch der vorherige Versuch fehlgeschlagen und nicht rücktrittsfähig. - 8 -

5. Ergebnis: A hat sich daher gem. 253, 255, 250 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 in zwei Fällen strafbar gemacht. Die beiden Tatbestandsverwirklichungen fanden in engem zeitlich-räumlichen Zusammenhang statt und waren Ausdruck desselben Tatentschlusses. Daher liegt Tateinheit gem. 52 Abs. 1 vor. V. Erpresserischer Menschenraub, 239 a A könnte sich durch das Vorhalten der Pistole gem. 239 a strafbar gemacht haben. Dazu müsste sich A des O bemächtigt haben. Sichbemächtigen bedeutet die Begründung eigener physischer Herrschaft über den Körper eines anderen (Lackner/Kühl 239 a Rn. 3). Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass im Rahmen des Sichbemächtigens weder eine Freiheitsberaubung noch eine Ortsveränderung vorliegen muss (Lackner/Kühl 239 a Rn. 3). Dabei kann bloßes Bedrohen mit einer Waffe genügen (BGH NJW 1990, 1055). Weiter ist als besonderes Merkmal die Absicht erforderlich, die Bemächtigungssituation zur Durchführung einer weiteren darüber hinausgehenden Zwangsanwendung gegenüber dem Opfer auszunutzen (Lackner/Kühl 239 a Rn. 4 a). Während bei der Entführung das Opfer in seinen Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt und deshalb dem ungehemmten Einfluss des Täters ausgesetzt ist, wird es an einer derartigen stabilisierten Lage beim Sichbemächtigen fehlen (BGHSt GS 40, 350, 259). Nicht tatbestandsmäßig sind daher Bemächtigungen, bei denen der Bemächtigungssituation keine eigenständige Bedeutung zukommt, die abgenötigte oder abgepresste Handlung vielmehr schon durch die Bedrohung (z.b. Vorhalten einer Schusswaffe: BGH StV 1996, 266) durchgesetzt wird. Würde man 239 a auf alle Fälle anwenden, in denen der Nötigungserfolg im unmittelbaren Gewaltzusammenhang des Sichbemächtigens eintritt, würden die 249 ff., die zum Kernbestand des materiellen Strafrechts zählen, in ihrer Bedeutung völlig ausgehöhlt, da sehr häufig mit diesen Tatbeständen auch der 239 a verwirklicht wäre, der eine wesentlich höhere Mindeststrafe (5 Jahre) vorsieht (zum Problem, das auch beim gegenüber 239 a subsidiären 239 b auftritt: Krey/Hellmann BT/2 Rn. 335 a ff.). Im vorliegenden Fall wird die abgenötigte Handlung ausschließlich durch die Bedrohung mit der Waffe durchgesetzt, so dass der Bemächtigungssituation keine eigenständige Bedeutung zukommt. - 9 -

Damit hat sich A nicht gem. 239 a strafbar gemacht. VI. Beleidigung, 185 Die Bezeichnung als Ratte und das unaufgeforderte Duzen eines Fremden ist eine Kundgabe von Nichtachtung, die als Ehrverletzung anzusehen ist. A hat sich also gem. 185 strafbar gemacht. Zu beachten ist das Strafantragserfordernis gem. 194. VII. Ergebnis für 2. Tatkomplex A hat sich nach 123, 240, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22 f., 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22 f., 185, 52 strafbar gemacht. 3. Tatkomplex: Die Heimfahrt 248 b Durch die Heimfahrt mit dem Fahrrad könnte sich A erneut gem. 248 b strafbar gemacht haben. Allerdings diente die Heimfahrt (auch) der Rückführung des Fahrrades zum Berechtigten (F). Insoweit ist aber von einem tatbestandsausschließendem Einverständnis des F auszugehen, der sein Fahrrad wieder bekommen möchte (vgl. Lackner/Kühl 248 b Rn. 4). Gesamtergebnis: A hat sich gem. 223, 240, 248 b, 52 und 123 240 253, 255, 250 Abs. 2 Nr.1, 22 f.; 253, 255, 250 Abs. 2 Nr.1, 22 f., 22 f., 185, 52 strafbar gemacht. Die in den verschiedenen Tatkomplexen verwirklichten Taten stehen in Tatmehrheit gem. 53 zueinander. - 10 -