Klinisch isolierte akute transverse Myelitis: Vorhersagemerkmale und Inzidenz



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Transkript:

Klinisch isolierte akute transverse Myelitis: Vorhersagemerkmale und Inzidenz John Young (Department of Neurology, Christchurch Public Hospital, Christchurch, New Zealand); Stephen Quinn (Menzies Research Institute, University of Tasmania, Hobart, Australia); Mike Hurrell (Department of Radiology, Christchurch Public Hospital, Christchurch, New Zealand); und Bruce Taylor (Menzies Research Institute) Die definitive Fassung des englischen Originalbeitrags Clinically isolated acute transverse myelitis: prognostic feature and incidence wurde veröffentlicht in Multiple Sclerosis 15(11) 1295 1302, Sage Publications Ltd, alle Rechte vorbehalten. [John Young, Stephen Quinn, Mike Hurrell, und Bruce Taylor] Die demyelinisierende akute transverse Myelitis (ATM) kann als erste Erscheinungsform einer Multiplen Sklerose auftreten oder ein klinisch isoliertes Syndrom bleiben. Ziel dieser Untersuchung ist die Feststellung von Vorhersagemerkmalen und dem Risiko der Konversion (=Veränderung) zur klinisch eindeutigen Multiplen Sklerose (CDMS - Clinically Definite MS) in einer Gruppe von Patienten mit klinisch isolierter ATM, die alle aus der gleichen Gegend stammen. Zweites Ziel der Untersuchung sind Aussagen über die Inzidenz, also über die Häufigkeit des Auftretens der idiopathischen (=ohne erkennbare Ursache) und MS-assoziierten ATM in North Canterbury/Neuseeland in einer klar umrissenen Bevölkerungsgruppe. Akute transverse Myelitis (ATM) tritt als sensible, motorische oder vegetative Störung auf, die durch eine Entzündung des Rückenmarks verursacht wird. Diagnosekriterien für die idiopathische ATM wurden vom Transverse Myelitis Consortium Working Group (TMCWG) [1] vorgeschlagen. Dazu gehören beidseitige Anzeichen oder Symptome einer Funktionsstörung des Rückenmarks, eine klar definierte sensorische Ebene, der Nachweis der Rückenmarksentzündung durch Pleozytose (=erhöhte Zellzahl) im Liquor oder einen erhöhten IgG-Index oder Gadoliniumanreicherung im MRT sowie die Entwicklung zum Tiefpunkt der Erkrankung in einem Zeitraum zwischen vier Stunden und einundzwanzig Tagen.

(zusammengefasste Übersetzung) 2 Die zunehmende Verwendung von Hirn-MRTs zum Nachweis von Demyelinisierungsherden, die in Zeit und Raum ausgebreitet sind, führte zur Ausarbeitung von neuen Diagnosekriterien für MS, die diese Erkenntnisse berücksichtigen [2, 3]. Die Anwendung dieser Kriterien auf Hirn-MRTs zur Definition räumlich ausgebreiteter Schädigungen ist eine Vorhersagefaktor für die Konversion zur klinisch eindeutigen MS (CDMS) [4]. Das Department of Neurology am Christchurch Public Hospital ist das einzige Einweisungszentrum für neurologische Fälle in der neuseeländischen Region North Canterbury und für die neurologische Versorgung einer Bevölkerung von 430.000 Personen zuständig. Die Diagnosen aller in der Neurologieabteilung untersuchten Patienten sind dort in einer Datenbank (NDD- Neurology Department Database) gespeichert. Alle Neurologen, die in der Region North Canterbury praktizieren, registrieren ihre ambulanten und stationären Patienten in der NDD. Alle Akten von Patienten, bei denen zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2005 eine akute transverse Myelitis von einem neurologischen Facharzt diagnostiziert wurde, wurden nachträglich in der NDD-Datenbank herausgesucht. Voraussetzung für die Aufnahme war ein MRT des Rückenmarks. Ausschlusskriterien waren eine feststellbare Komprimierung, durch Strahlung bedingte, ischämische, infektiöse oder systemische autoimmune Ursachen der Myelopathie, vorangegangene Symptome an jeglicher Stelle, die mit einer Demyelinisierung konsistent waren, oder ein Fortschritt zum Tiefpunkt in weniger als vier Stunden oder mehr als 21 Tagen, gemäß den TMCWG-Kriterien [1]. Die Konversion zur klinisch eindeutigen MS wurde definiert als zweites neurologisches Demyelinisierungsereignis an einem anderen Ort oder einer anderen Rückenmarksebene. Klassifikation Patienten, die die TMCWG-Kriterien erfüllen, wobei eine Leukozyten- Konzentration von mehr als fünf als Nachweis der Pleozytose gewertet

(zusammengefasste Übersetzung) 3 wurde, wurden als eindeutige Fälle idiopathischer ATM eingestuft [1]. Patienten ohne Entzündungsanzeichen im Liquor oder beim MRT, die anderweitig diese Kriterien erfüllen, wurden als mögliche idiopathische ATM klassifiziert. Patienten mit beidseitigen Anzeichen oder Symptomen und einer klar definierten sensorischen Ebene mit anomalem Hirn-MRT nach den CHAMPS-Kriterien [10] (zwei oder mehr Hirnläsionen von mindestens 3 mm Durchmesser, von denen eine Läsion periventrikulär oder eiförmig ist) wurden als ATM mit Hirnläsionen kategorisiert. Patienten mit einseitigen Anzeichen oder Symptomen, oder ohne einer klar ersichtlichen sensorischen Ebene, mit normalem Hirn-MRT nach CHAMPS-Kriterien, wurden als partielle ATM ohne Hirnläsion eingestuft. Patienten, die die Kriterien für eine partielle ATM erfüllten und ein anomales Hirn-MRT nach CHAMPS-Kriterien aufwiesen, wurden als partielle ATM mit Hirnläsionen klassifiziert. Patienten mit unvollständigen Aufzeichnungen des Fortschritts zum Tiefpunkt wurden als ATM mit unvollständigen Daten eingestuft. Ergebnisse Wir fanden 61 Patienten, deren Follow-Up (Nachbetreuung) im Durchschnitt 30 ± 17 Monate dauerte. 50% der ATM-Patienten mit Hirnläsionen nach CHAMPS-Kriterien konvertierten zu klinisch eindeutiger Multipler Sklerose (CDMS). Kein Patient mit idiopathischer ATM konvertierte zur CDMS. Es gab eine starke Korrelation zwischen der Konversion zu CDMS und einem anomalen Hirn-MRT nach CHAMPS- Kriterien (Risikoquotient 5,63; 1,83-17,3), Barkhof/Tintore-Kriterien (Risikoquotient 6,43; 2,31-17,9) und Swanton-Kriterien (Risikoquotient 4,53; 1,67-12,3). Die Konversionsrate der eindeutigen und möglichen idiopathischen ATM unterschied sich von der Rate für ATM mit Hirnläsionen (p = 0,003), partieller ATM mit Hirnläsionen (p < 0,001) und partieller ATM ohne Hirnläsionen (p = 0,007). Die Konversionsraten von ATM mit Hirnläsionen, partieller ATM mit Hirnläsionen und partieller ATM ohne Hirnläsionen wiesen statistisch keinen Unterschied auf.

Tabelle 1. Bivariable und multivariable Analyse der Faktoren, die mit einem Rückfall korrelieren / nicht korrelieren Alle Faktoren vorhanden Rückfall / kein Rückfall Mit einem Rückfall korrelierende Faktoren 1 oder mehrere Faktoren fehlen Rückfall / kein Rückfall Risikoquotient für Rückfall 95% CI Fisher exact p-wert AG-MRT & OKB pos. 1 8/5 (62%) 4/16 (20%) 3,10 0,92-10,5 0,027 AG-MRT &! 2 RML 3 10/2 (83%) 8/20 (22%) 9,81 3,33-28,9 <0,0001 OKB pos. & 2 RML 3 4/2 (67%) 9/22 (29%) 2,56 0,76-8,63 0,157 AG-MRT & OKB pos. 1 &! 2 RML 3 4/0 (100%) 8/20 (29%) NC NC 0,014 Vor Rückfall schützende Faktoren NG-MRT & OKB neg. 1 0/12 (0%) 12/9 (57%) NR NR 0,002 NG-MRT & " 1 RML 2 3/17 (15%) 15/14 (52%) 0,17 0,05-0,59 0,015 " 1 RML 2 & OKB neg. 1 0/14 (0%) 13/10 (57%) NC NC > 0,0001 NG-MRT & OKB neg. & " 1 RML 2 0/11 (0%) 12/9 (57%) NC NC 0,002 1 Berichtigt nach Alter und Geschlecht 2 Nur nachalter berichtigt 3 Fisher exact p-wert dargestellt, da die Modelle eine Nullzelle aufweisen. In diesen Fällen kann der Risikoquotient nicht berechnet werden. NG-MRT = Normales Hirn-MRT AG-MRT = Auffälliges Hirn-MRT (mindestens zwei Läsionen, die mit MS-Läsionen konsistent sind) RML = Rückenmarksläsion OKB = Oligoklonale Banden CI = Konfidenz-Intervall NC = no convergence = keine Konvergenz (s. Anm. 3) NR = no result = kein Ergebnis

(zusammengefasste Übersetzung) 4 Mehrvariablen-Analyse des Ergebnisses Eine 2-Variablen- und Mehr-Variablen-Analyse der drei mit Rückfall assoziierten Faktoren (positive oligoklonale Banden - OCB, anomales Hirn-MRT, zwei RM-Läsionen) und der drei schützenden Faktoren (normales Hirn-MRT, einzelne RM-Läsion, negative OCB) ist in Tabelle 1 dargestellt. Diskussion Inzidenz Unsere jährliche Inzidenz (=Neuerkrankung) an Fällen idiopathischer und MS-assoziierter ATM liegt zusammen bei 10,8 pro Million und damit zwei Mal höher als frühere Schätzungen für ATM aller Ursachen annahmen [8,9]. Diese früheren Studien schlossen partielle ATM mit und ohne Hirnläsionen aus, daher schließen wir diese Patienten in diesem Vergleich ebenfalls aus. Es ist bekannt, dass die Inzidenz demyelinisierender Erkrankungen vom Breitengrad abhängt: North Canterbury liegt auf Breitengrad 43 S und damit weiter vom Äquator entfernt als Neu-Mexiko (Breitengrad 35 N) und Israel (Breitengrad 31 N). Vorhersagemerkmale Die idiopathische ATM wird als spezifische Untergruppe der transversen Myelitis eingestuft. Frühere Studien haben klinische und radiologische Merkmale festgestellt, die sich von der MS-assoziierten ATM unterscheiden. Die Rückenmarksläsionen im MRT der idiopathischen ATM sind länger als die der MS-assoziierten ATM [6]. Die idiopathische ATM weist eine Konversionsrate zur CDMS von nahe 0% auf, im Vergleich zur Konversionsrate von 83% der Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom, einschließlich ATM, und auffälligem Hirn-MRT [12,13]. Diese frühen Studien zur idiopathischen ATM verwendeten allerdings unterschiedliche Definitionen des Krankheitsbildes.

(zusammengefasste Übersetzung) 5 Diese Heterogenität und der Bedarf an weiteren Untersuchungen veranlasste das TMCWG dazu, übereinstimmende Diagnosekriterien für die idiopathische ATM [1] vorzuschlagen. Diese Kriterien unterstreichen eine Krankengeschichte und Untersuchung, die mit einer Rückenmarksentzündung vereinbar ist, eine Bestätigung der Entzündung durch Liquoroder MRT-Untersuchungen und den Ausschluss anderer nachweisbarer Ursachen. Die MS-assoziierte ATM wird von der idiopathischen ATM unterschieden durch das Kriterium Auffälligkeiten des Hirn-MRT, die auf MS hinweisen. Partielle ATM unterscheidet sich durch die Notwendigkeit, eindeutige beidseitige Anzeichen oder Symptome sowie eine klar erkennbare sensorische Ebene nachzuweisen. Diese Kriterien trafen auf Patienten zu, die die klinischen Kriterien der idiopathischen ATM erfüllen, aber keine bestätigte Entzündung aufweisen [14]. Nach Diskussion mit dem TMCWG wurden diese Patienten als mögliche idiopathische ATM kategorisiert und mit in die Kategorie der eindeutigen idiopathischen ATM für die Analyse aufgenommen. Studien, die diese neuen Kriterien verwenden, betreffen eine Patientengruppe mit niedriger Konversionsrate zur CDMS [14,15]. Unsere Studie bestätigt, dass Patienten mit idiopathischer ATM ein geringeres Risiko der Konversion zur CDMS aufweisen: keiner unserer Patienten erlitt im Zeitrahmen unserer Studie ein zweites demyelinisierendes Ereignis. Die frühen ATM-Fallserien nahmen nur Patienten mit beidseitigen Anzeichen und einem klar erkennbaren sensorischen Ebene [8,16] auf. Patienten mit einseitigen Anzeichen oder ohne sensorische Ebene wurden als partielle ATM klassifiziert und ausgeschlossen. Aktuelle Fallserien beschäftigen sich spezifisch mit partieller ATM und weisen eine starke Korrelation zwischen dieser Ausprägung und einem Hirn-MRT nach, das auf MS hinweist [17]. Unsere Studie identifiziert 24 Patienten mit einseitigen Symptomen oder ohne sensorische Ebene, von denen bei 19 ein Hirn-MRT durchgeführt wurde, das bei sieben mit MS vereinbare Auffälligkeiten nach den CHAMPS-Kriterien zeigte.

(zusammengefasste Übersetzung) 6 Frühere Studien mit Patienten, die unserer Definition von partieller ATM ohne Hirn-Läsionen entsprechen, zeigen eine Konversionsrate zur CDMS zwischen 15-44% [18-20]. Die von uns festgestellte Konversionsrate von 41% entspricht diesen Ergebnissen. In Studien mit Patienten, die unserer Definition von partieller ATM mit Hirn-Läsionen entsprechen, lag die Konversionsrate bei 44-93% [5,20,21]. Unsere Konversionsrate von 71% liegt ebenfalls in diesem Bereich und bestätigt somit, dass diese Gruppe dem höchsten Risiko einer frühen Konversion zur CDMS unterliegt. Die Untergruppe der MS-assoziierten ATM ist nicht gut definiert. Die TMCWG-Kriterien schließen alle Patienten aus, deren Anomalien im Hirn- MRT auf MS hinweisen, definieren diese Anomalien aber nicht. Die McDonald-Kriterien schließen die Barkhof/Tintore-Kriterien für Hirn- MRT zum Nachweis der räumlichen Verteilung ein oder alternativ, das Vorhandensein von zwei oder mehreren mit MS vereinbaren MRT- Läsionen in Zusammenhang mit einem positiven Liquorbefund. Neuere MRT-Kriterien wurden 2006 von Swanton et al. vorgeschlagen [11]. Wir haben die einfachere CHAMPS-Definition der zwei oder mehr Läsionen der weißen Substanz zu Definition eines anomalen Hirn-MRT übernommen und konnten nachweisen, dass diese Kriterien mehr konversionsgefährdete Patienten identifizieren als die Swanton- oder Barkhof/Tintore-Kriterien, bei ähnlichen Risikoquotienten. Das Vorhandensein von oligoklonalen Banden im Liquorbefund ist in den verschiedenen Kategorien von ATM unterschiedlich. Oligoklonale Banden stehen in Zusammenhang mit einem höheren Risiko der Konversion zu CDMS nach einer klinisch isolierten ATM und unsere Ergebnisse bestätigen diesen Zusammenhang [7,21]. Unsere Ergebnisse bestätigen nicht das höhere Konversionsrisiko zur CDMS, das mit Rückenmarksläsionen in Zusammenhang gebracht wird, die kürzer als zwei Wirbelkörper sind. Längs ausgedehnte Rückenmarksläsionen stellten keinen Schutzfaktor dar.

(zusammengefasste Übersetzung) 7 Mit lediglich fünf Fällen, auf die dieses Ergebnis zutraf, ist die Aussagekraft allerdings beschränkt. Keiner der Patienten hatte Neuromyelitis optica nach den Wingerchuk-Kriterien [22]. Eine NMO- Antikörperbestimmung wurde nicht durchgeführt, da dieser Test damals nicht verfügbar war. Zu den Schwächen dieser retrospektiven Untersuchung gehören die Unterschiedlichkeit der Untersuchungen, da ein Hirn-MRT und die Liquoruntersuchungen nicht bei allen Patienten durchgeführt wurden. Eine MR-Untersuchung im Rahmen der Nachsorge wurde nicht ausnahmslos durchgeführt, daher war es uns nicht möglich, die Streuung der Läsionen im Zeitverlauf als mögliches Kriterium für MS nachzuvollziehen. Durch das Fehlen einer standardisierten Nachsorge sind wir auch nicht in der Lage, Aussagen über das Maß der Gesundung nach einer ATM zu treffen. Schlussfolgerungen: Diese Studie bietet eine Übersicht über die medizinische Entwicklung einer Gruppe von Patienten mit klinisch isolierter ATM, die alle die gleiche neurologische Versorgung der neuseeländischen Region North Canterbury genossen haben. Sie zeigt, dass die Anwendung der CHAMPS- Kriterien für Hirn-MRTs bei dieser Patientenpopulation nützlich zur Vorhersage der Konversion zu CDMS sind. Patienten mit idiopathischer ATM weisen ein niedriges Risiko der Konversion zu CDMS auf, während eine anomales Hirn-MRT nach CHAMPS-Kriterien ein sensitives Vorhersagekriterium der Konversion zu CDMS ist. Die jährliche Inzidenz von ATM in North Canterbury/Neuseeland ist deutlich höher als bisher berichtet.

(zusammengefasste Übersetzung) 8 Literaturangaben: 1. Transverse Myelitis Consortium Working Group. Proposed diagnostic criteria and nosology of acute transverse myelitis. Neurology 2002; 59: 499-505. 2. McDonald WI, Compston A, Edan G, Goodkin D, Hartung HP, Lublin FD et al. Recommended diagnostic criteria for multiple sclerosis: guidelines from the International Panel on the diagnosis of multiple sclerosis. Ann Neurol 2001; 50: 121-27. 3. Polman CH, Reingold SC, Edan G, Filippi M, Hartung HP, Kappos L et al. Diagnostic criteria for multiple sclerosis: 2005 revisions to the McDonald Criteria. Ann Neurol 2005; 58: 840-46. 4. Tintore M, Rovira A, Rio J, Nos C, Grive E, Sastre-Garriga J et al. New diagnostic criteria for multiple sclerosis: application in first demyelinating episode. Neurology 2003; 60: 27-30. 5. Ford B, Tampieri D, Francis G. Long-term follow-up of acute partial transverse myelopathy. Neurology 1992; 42: 250-52. 6. Bakshi R, Kinkel PR, Mechtler LL, Bates VE, Lindsay BD, Esposito SE et al. Magnetic resonance imaging findings in 22 cases of myelitis: comparison between patients with and without multiple sclerosis. Eur J Neurol 1998; 5: 35-48. 7. Sharief MK, Thompson EJ. The predictive value of intrathecal immunoglobulin synthesis and magnetic resonance imaging in acute isolated syndromes for subsequent development of multiple sclerosis. Ann Neurol 1991; 29: 147-51. 8. Berman M, Feldman S, Alter M, Zilber N, Kahana E. Acute transverse myelitis: incidence and etiologic considerations. Neurology 1981; 31: 966-71. 9. Jeffery DR, Mandler RN, Davis LE. Transverse myelitis. Retrospective analysis of 33 cases, with differentiation of cases associated with multiple sclerosis and parainfectious events. Arch Neurol 1993; 50: 532-35. 10. Jacobs LD, Beck RW, Simon JH, Kinkel RP, Brownscheidle CM, Murray TJ et al. Intramuscular interferon beta-1a therapy initiated during a first demyelinating event in multiple sclerosis. CHAMPS Study Group. N Engl J Med 2000; 343: 898-904. 11. Swanton JK, Fernando K, Dalton CM, Miszkiel KA, Thompson AJ, Plant GT et al. Modification of MRI criteria for multiple sclerosis in patients with clinically isolated syndromes. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2006; 77: 830-33. 12. Al Deeb SM, Yaqub BA, Bruyn GW, Biary NM. Acute transverse myelitis. A localized form of postinfectious encephalomyelitis. Brain 1997; 120: 1115-22. 13. O Riordan JI, Thompson AJ, Kingsley DP, MacManus DG, Kendall BE, Rudge P et al. The prognostic value of brain MRI in clinically isolated syndromes of the CNS. A 10-year follow-up. Brain 1998; 121: 495-503. 14. de Seze J, Lanctin C, Lebrun C, Malikova I, Papeix C, Wiertlewski S et al. Idiopathic acute transverse myelitis: application of the recent diagnostic criteria. Neurology 2005; 65: 1950-53.

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