Wie geht es den Kindern psychisch kranker Eltern?

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Transkript:

Wie geht es den Kindern psychisch kranker Eltern? Baar, 10. Mai 2007 Ronnie Gundelfinger Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universität Zürich

Entwicklungsstörung Kind? Erkrankung Eltern Psychisch kranke Kinder: 1/3 der stationär behandelten Patienten hat einen kranken Elternteil Psychisch kranke Eltern: 1/3 unauffällige Kinder 1/3 vorübergehende Auffälligkeiten 1/3 persistente kinderpsychiatrische Störungen

Auffälligkeiten bei betroffenen Kindern: Sozial-emotionale (und kognitive) Entwicklung beeinträchtigt Depressive Störungen Aggressive, dissoziale & hyperkinetische Verhaltensstörungen

Genetische Faktoren Adoptiv- und Zwillingsstudien z.b. Schizophrenie: Lebenszeitrisiko 1% vs. 10-15% bei erkrankten Eltern. Zwillingskonkordanz eineiig 50% vs. zweieiig 10-15%.

Defizite im Umgang mit den Kindern: Kognition Emotion Verhalten Zusätzliche psychosoziale Risikofaktoren: Ehekonflikte, familiäre Disharmonien, mangelnde soziale Unterstützung, finanzielle Probleme, enge Wohnverhältnisse,... Diese Faktoren verstärken sich wechselseitig! 1 )

Zusammenhang zwischen Art der elterlichen Störung und Form & Ausmass der kindlichen Störung Einige Beispiele: Generell sind Auffälligkeiten im Kindesalter etwa gleich häufig bei elterlicher Depression und Schizophrenie. Kinder Schizophrener stärker belastet als Kinder Depressiver. Erhöhte Rate von Auffälligkeiten bei Kindern Persönlichkeitsgestörter. Ca. 80% der Kinder mit einer isolierten Angststörung haben eine Mutter mit der gleichen Störung. 1

z.b.: Auffälligkeiten bei Kindern depressiver Eltern Depression (vergleichbare Störung) Risiko für eine affektive Störung 2-3x höher; für eine Major Depression 6x. Bei Erkrankung beider Eltern sogar 70% Risiko. Sonstige Störungen Verhaltensauffälligkeiten u. Anpassungsprobleme (sozial, emotional und kognitiv) Abhängigkeitserkrankungen und Schulprobleme

Diagnose was hat sonst noch Einfluss? Chronizität Rückfallhäufigkeit Symptomfreie Perioden Schweregrad der Erkrankung Weitere psychosoziale Risikofaktoren Km oder Kv betroffen

Alters- und Geschlechtsspezifität bei Kindern gesichert! Erhöhtes Risiko für emotionale und Verhaltensprobleme besteht bei Kindern psychisch kranker Eltern in allen Altersstufen. Unterschiedliche Reaktionen, je nach Alter. Zusammenhang zwischen elterlicher und kindlicher Störung wird mit zunehmendem Alter der Kinder enger. Töchter depressiver Mütter ev. vulnerabler als Söhne.

Zusammenfassung der Risikoforschung: Die Art der zu erwartenden kindlichen Störung hängt ab von 1. Psychopathologie der Eltern 2. Alter und Entwicklungsstufe des Kindes 3. Vielen psychosozialen Faktoren

RESILIENZFORSCHUNG: Identifikation von protektiven Effekten personaler und sozialer Ressourcen Temperament (robust, aktiv, kontaktfreudig). Hohe emotionale Einfühlungs- und Ausdrucksfähigkeit Intelligenz (protektiv gegen externalisierende, aber eher prädisponierend für internalisierende Störungen). Mehr Selbstvertrauen, positiveres Selbstwertgefühl, stärkere Überzeugung der Selbstwirksamkeit. Ausreichende alters- und entwicklungsadäquate Aufklärung der Kinder über die Erkrankung und die Behandlung des Elternteils. 1,

Stabile, emotional sichere und warme Bindung an einen Elternteil. Herzliches und zugewandtes Erziehungsklima mit festen und klaren Verhaltensregeln. Gute Paarbeziehung der Eltern trotz Erkrankung. Umgang des erkrankten Elternteils mit der Krankheit (Akzeptanz der Erkrankung ohne Fatalismus vs. Verleugnung oder Überbewertung). Umfang & Qualität des sozialen Netzwerks.

Typisches Bewältigungsverhalten resilienter Kinder I Aktive, problemorientierte Strategien. Direkte Auseinandersetzung, wenig Verleugnung bzw. Realitätsverzerrung. Fähigkeit zur Wahl verschiedener Bewältigungsstrategien (je nach Ziel, emotionaler Belastung und vorhandener Unterstützung). Fähigkeit, eine hilfreiches soziales Netz aufzubauen und zu nutzen..

Typisches Bewältigungsverhalten resilienter Kinder II Orientierung an engen vertrauensvollen Beziehungen. Genaue und adäquate kognitive Bewertung der Erkrankung und anderer familiärer Stressfaktoren. Realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Kompetenzen.

Kinder psychisch kranker Eltern UNTERSTÜTZUNG 3. Unterstützung für Betroffene Mutter-Kind-Betreuung Kinder als Angehörige Prävention Rechtliches

Kinder und Jugendliche wünschen sich Information Wie sich dem kranken Elternteil gegenüber verhalten? Wie können sie ihn unterstützen? Information über das Wesen der Erkrankung Prognose und Heilungsmöglichkeiten Medikamente Ursachen, Erbeinflüsse

Auryn-Gruppen, Freiburg Ziele Kindgerechte Aufklärung und Information Enttabuisierung Kinder von Schuldgefühlen entlasten Hilfe bei Bewältigung des Alltages Kontakte zu Kindern in ähnlicher Situation Unbeschwerte Freizeitgestaltung kindlichen Raum zurückgeben Ermutigung eigene Gefühle wahrzunehmen Aufhebung der Parentifizierung Selbstvertrauen und Eigenständigkeit stärken Ressourcenorientiert Fähigkeiten fördern Unterstützung beim Aufbau eines sozialen Netzes

Auryn-Gruppen, Freiburg II Elterngruppen Entlastung von Schuldgefühlen Verständnis für kindlichen Bedürfnisse besondere Bedingungen der Elternschaft Kontakt der Eltern untereinander Aufbau einer Basis für Kriseninterventionen

In Deutschland 6000 Sorgerechtsentzüge /Jahr davon 1/3 Eltern mit psychiatrischer Diagnose Risiko für Kinder nicht aus Diagnose der Eltern ableitbar Entscheidend ist: Allgemeines Funktionsniveau und soziale Kompetenzen des Erkrankten Psychische Gesundheit des anderen Elternteils Soziales Netz der Familie

Abwägung des Gefährdungspotentials: Eltern zukünftig in der Lage, Gefahr selbst abzuwenden Bereit, öffentliche Hilfe in Anspruch zu nehmen Qualität der Beziehungen erkrankter Elternteil-Kind, Eltern- oder Angehörigenbeziehung, soziales Netz

Sozialpädagogische Familienbegleitung Tagespflege Patenschaften Mutter-Kind-Heime Wohnheime Pflegefamilien

Kinderbücher, Informationsmaterial, Wenn dein Vater oder deine Mutter in psychiatrische Behandlung müssen Wenn dein Vater oder deine Mutter psychische Probleme haben Wie geht es dann den Kindern? Pro Juventute Kinder psychisch kranker Eltern Pro mente sana Eggermann, Vera: Fufu und der grüne Mantel AstraZeneca Homeier, Schirin: Sonnige Traurigtage Welsch, Renate: Disteltage Rees, Gwyneth: Erde an Pluto

Literaturliste Lazarus, Horst Zum Wohle der Kinder? Psychisch erkrankte Eltern und die Sorgerechtsfrage. Soziale Psychiatrie 3/2003 Lenz, Albert Kinder psychisch kranker Eltern Mattejat, Fritz; Lisofsky, Beate (Hg.) nicht von schlechten Eltern Schone, Reinhold; Wagenblass Sabine Wenn Eltern psychisch krank sind Beardslee, William Out of the Darkened Room

Links für weitere Informationen Initiative für Kinder psychisch Kranker www.netz-und-boden.de www.copmi.net.au Angebote für Angehörige allgemein www.vaskzuerich.ch Wohngemeinschaften www.mutterkindwohnen.ch Winterthurer Studie: Kinder psychisch kranker Eltern www.hssaz.ch Andere www.pro-juventute.ch www.promentesana.ch