1.1 Benigne Tumoren. 1.1.5 Zysten und Pseudozyten. 1. Tumoren 1. von <Mirjana Ziemer und Johannes Norgauer>



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Transkript:

1. Tumoren 1 1.1 Benigne Tumoren 1.1.5 Zysten und Pseudozyten von <Mirjana Ziemer und Johannes Norgauer> Inhalt 1.1.5.1 Follikelretentionszysten 1.1.5.2 Zysten der Talgdrüsenausführungsgänge 1.1.5.3 Zysten apokriner und ekkriner Drüsen 1.1.5.4 Dermoide Zysten (Synonym: Dermoidzyste, dermaler Sinus) 1.1.5.5 Seltene kutane Zysten 1.1.5.6 Pseudozysten 1.1.5.7 Differenzialdiagnosen von Zysten und Pseudozysten 1.1.5.8 Therapie von Zysten und Pseudozysten Zysten sind epithelausgekleidete Hohlräume mit unterschiedlichem Inhalt. Bei Pseudozysten fehlt diese Epithelauskleidung. Die Wand einer Pseudozyste ist komprimiertes Bindegewebe. Neben Follikelretentionszysten werden Zysten der Talgdrüsenausführungsgänge und Zysten apokriner und ekkriner Drüsen unterschieden. Die Differenzialdiagnosen und Therapien dieser Erkrankungen werden am Ende dieses Kapitels zusammengefasst. 1.1.5.1 Follikelretentionszysten Follikelretentionszysten können prinzipiell überall dort auftreten, wo Haarfollikel vorkommen, gehäuft findet man sie allerdings am Kapillitium (Tricholemmalzysten gehen häufig von Terminalhaaren aus) (Abb. 1), im Gesicht und am oberen Rumpf in Form von hautfarbenen, halbkugeligen, prall-elastischen oder weichen dermalen Knoten. Nach Zystenruptur kann es jedoch zu einer erheblichen Entzündung kommen, die meist mit einer Vernarbung abheilt. Es werden infundibuläre Zysten (sog. Epidermiszysten oder Atherome) und Isthmus-Zysten (Tricholemmalzysten) unterschieden. In Einzelfällen können auch Hybridzytsen mit überlappenden histmorphologischen Erscheinungen verschiedener Zystenformen vorkommen. Eine kleine infundibuläre Zyste ohne Porus entspricht einer Milie (Abb.2) Abb. 1 Follikelretentionszysten (Tricholemmalzysten)

2 1.1.5 Benigne Tumoren, Zysten und Pseudozysten Abb. 2 Milien Abb. 3a Epidermiszyste Abb. 3b (Detail aus Abb. 3a)

1. Tumoren 3 (Epidermiszyste): Dilatiertes Infundibulum ausgefüllt von lockerem Hornmaterial. Tricholemmalzyste Epithelauskleidung erinnert an die innere Haarwurzelscheide in Isthmushöhe: Fehlendes Stratum granulosum, kompaktes Hornmaterial (Abb. 4). Abb. 4 Trichilemmalzyte (Ausschnitt aus der Zystenwand) Weitere Varianten von Follikelretentionszysten Proliferierende Epidermalzyste Die proliferierende Epidermalzyste entwickelt sich aus einer präexistenten Epidermalzyste. Eventuell handelt es sich bei einem Teil der Läsionen tatsächlich um Haarscheidenakanthome. Es bestehen langsam wachsende, subkutan gelegene Tumoren bis zu mehreren Zentimetern im Durchmesser. Bevorzugte Lokalisationen sind anogenital, das Kapillitium, seltener die oberen Extremitäten oder der Stamm. Mächtig akanthotisches Zystenwandepithel proliferiert in die umliegende Dermis. Verruköse Zyste Die verruköse Zyste ist eine seltene, durch humane Papillomviren infizierte oder induzierte, epidermale Zyste.

4 1.1.5 Benigne Tumoren, Zysten und Pseudozysten Die solitären, zystischen Tumoren weisen eine verruköse Oberfläche auf. Akanthotische Wandauskleidung mit prominentem Stratum granulosum. Vakuolisierte Keratinozyten mit scholligen Keratohyalingranula (Koilozyten) (Abb. 5a,b). Abb. 5a Verruköse Zyste Abb. 5b Verruköse Zyste (Detail aus Abb. 5a) 1.1.5.2 Zysten der Talgdrüsenausführungsgänge Unter dieser Kategorie kann das Steatozystom betrachtet werden. Da es sich um ein Hamartom mit Talgdrüsendifferenzierung handelt, wird das Steatozystom im Abschnitt 1.1.4.2 besprochen. 1.1.5.3 Zysten apokriner und ekkriner Drüsen Hidrozystome sind Retentionszysten der Ausführungsgänge von Schweißdrüsen. Es werden apokrine und ekkrine Hidrozystome unterschieden. Beim apokrinen Hidrozystom an den Augenlidern handelt es sich um Zysten der Moll-Drüsen. Die glatten, hautfarbenen, glasigen bis bläulich-schwarzen Tumoren (Tyndall- Effekt) finden sich meist im Gesicht, größtenteils periorbital (Abb. 6).

1. Tumoren 5 Abb. 6 Apokrines Hidrozystom (Zyste der Moll-Drüsen) Zystenauskleidung durch kubische bis zylindrische Zellen mit reichlich eosinophilem, granulärem Zytoplasma und einem runden, basal gelegenen Kern. Periphere, myoepitheliale Schicht (Abb. 7a). Bei apokrinen Hidrozystomen: Zeichen der Dekapitationssekretion (Abb. 7b). Abb. 7a Apokrines Hidrozystom

6 1.1.5 Benigne Tumoren, Zysten und Pseudozysten Abb. 7b Apokrines Hidrozystom: Dekapitationssekretion (Detail aus Abb. 7a) 1.1.5.4 Dermoide Zysten (Synonym: Dermoidzyste, dermaler Sinus) Dermoide Zysten entstehen entlang von Linien embryonaler Fusionen durch Verlagerung von Hautgewebe. Sie sind somit ektodermalen Ursprungs. Dermoide Zysten ähneln epidermalen Zysten. Kongenitale Pilonidalzysten sind Dermoidzysten im Lumbosakralbereich und mit einem erworbenen Pilonidalsinus nicht zu verwechseln. Zu berücksichtigen ist, dass Dermoidzysten der Medianlinie mit tiefergelegenen Strukturen kommunizieren können (z.b. dem Schädelinneren, dem Subarachnoidalraum). Zystenlumenauskleidung durch verhornendes Plattenepithel. Assoziierte Haarfollikel, Talgdrüsen oder Schweißdrüsen. 1.1.5.5 Seltene kutane Zysten Die folgenden Entitäten sind im Wesentlichen Fehlbildungen: Die mediane Raphezyste findet sich am ventralen Penisschaft bzw. der Glans penis und ist zurückzuführen auf den fehlerhaften Verschluss der medianen Raphe Die Zilien-besetzte Zyste der unteren Extremität findet sich bevorzugt bei Frauen und entsteht aus versprengten Anteilen des Flimmerepithels der Müller-Gänge Die kutane bronchogene Zyste ist eine seltene embryonale Fehlbildung des tracheobronchialen Baumes und manifestiert sich klinisch prästernal

1. Tumoren 7 Ähnlich entstehen am Hals durch den inkompletten Verschluss des 2. oder 3. Kiemenbogens Fisteln, sog. branchiogene Zysten, die mit dem Pharyngealraum verbunden sein können Auf die Persistenz des Ductus thyreoglossus ist die thyreoglossale Zyste (auf der Mittellinie am ventralen Hals) zurückzuführen. Eine fehlerhafte Rückbildung des Ductus thymopharyngeus kann zu einer thymischen Zyste (auf einer Linie, die den Unterkieferwinkel mit dem Manubrium sterni verbindet) führen 1.1.5.6 Pseudozysten Schleimzysten (Synonym: Mukozele) Kutane muzinöse Pseudozyste (Synonym: Mukoide Dorsalzyste der Finger oder Zehen) Mukozelen entstehen durch die Ruptur kleiner Speicheldrüsen (Mukozele der Mundschleimhaut) (Abb. 8) oder auch durch massive dermale Muzinablagerung häufig an den Fingerendgliedern, über den Interphalangealgelenken oder am Paronychium. Häufig bei Z.n. Trauma (mukoide Dorsalzyste der Finger). Die bis zu einem Zentimeter durchmessenden, erythematösen oder hautfarbenen Papeln und Knoten erscheinen zentral glasig und entleeren bei Inzision eine gallertige Flüssigkeit. H. Schöfer, FFM Abb. 8a Mukozele (Schleimzyste) Unterlippe Abb. 8b Mukoide Dorsalzyste Der abgelagerte Schleim bzw. das zellreiche, muzinöse Stroma wird von Granulationsgewebe oder komprimiertem Bindegewebe umschlossen (Abb. 9a, b).

8 1.1.5 Benigne Tumoren, Zysten und Pseudozysten Abb. 9a Mukozele Abb. 9b (Detail aus 9a) Metaplastische synoviale Zyste Diese intradermale Pseudozyste wird durch einen chirurgischen Eingriff oder ein Trauma induziert. Die dermale zystische Läsion erinnert an ein Fremdkörpergranulom. Das Zystenlumen wird von einer Synovia-ähnlichen Membran ausgekleidet. Keine Kommunikation mit dem Gelenkspalt. Kutane Endometriose Die kutane Endometriose findet sich am häufigsten innerhalb von Narben vorausgegangener abdominaler oder pelvischer chirurgischer Eingriffe, kann aber auch spontan auftreten. Die rötlichen oder lividen Knoten und Knötchen (Abb. 10) sind assozi-

1. Tumoren 9 iert mit typischen Symptomen wie einem monatlichen/periodischen Bluten und Schmerzen. Abb. 10 Umbilicale kutane Endometriose (nebenbefundlich N. flammeus) Irreguläre, glanduläre Lumina ausgekleidet von einem kubischen, endometrialen bis abgeflachten Epithel. Stark vaskularisiertes Stroma (Abb. 11). Typische Veränderung der Drüsen während des Menstruationszyklus. Extragenitale Läsionen können ausschließlich aus dezidualem Stroma bestehen. Abb.11 Kutane Endometriose

10 1.1.5 Benigne Tumoren, Zysten und Pseudozysten Erworbener Pilonidalsinus (Synonym: Steißbeinfistel) Der Pilonidalsinus ist eine erworbene, knotige, abszedierende Entzündung im oberen Abschnitt der Analfalte. Durch chronische Reibung und Mazeration meist bei stark behaarten Männern penetrieren Terminalhaare in die Haut. In der Folge kommt es zu einer suppurativ-granulomatösen Entzündungsreaktion mit Drainage an die Oberfläche und einem daraus resultierenden fistulierenden Gangsystem. Subkutane und tief-dermale abszedierende Entzündung. Vielzählige Makrophagen, darunter Fremdkörperriesenzellen. Dermaler Fistelgang aus Granulationsgewebe, teilweise auch mit Epithelauskleidung. Umliegende Fibrose. Dentaler Sinus (Synonym: Zahnfistel) Eine Zahnfistel ist Folge einer chronisch abszedierenden Zahninfektion. Zumeist isolierter Knoten am Hals oder Kieferwinkel. An der Oberfläche entleert sich Pus. Zumeist nicht-epithelausgekleideter Fistelgang. Umliegendes Granulationsgewebe und Fibrose. 1.1.5.7 Differenzialdiagnosen von Zysten und Pseudozysten Die Unterscheidung der einzelnen Entitäten kann klinisch Schwierigkeiten bereiten. Glasig imponierende Tumoren sprechen eher für Zysten der Schweißdrüsen bzw. mukoide Pseudozysten. Bei Epidermiszysten entleeren sich aus einem zentralen Porus oft Hornmassen und Talg. Bei der proliferierenden Epidermalzyste ist die Abgrenzung zu einem Plattenepithelkarzinom entscheidend. Ein destruierendes Wachstum ist hinweisgebend dafür. Bei den zumeist gut umschriebenen Zysten und Pseudozysten ist ggf. auch an ein metastatisches Geschehen zu denken. Endometrioseherde können Hämangiome simulieren. Bei Läsionen im Bauchnabel muss unbedingt eine primäre oder metastatische Manifestation eins Adenokarzinoms ( Sister Joseph s nodule ) ausgeschlossen werden. Die suppurativen Knoten des dentalen Sinus ähneln einer tiefen Mykose oder Aktinomykose, müssen aber auch von destruktiven Prozessen des Kieferknochens im Rahmen einer Osteomyelitis und einem Plattenepithelzellkarzinom abgegrenzt werden. Für ein syndromales Vorkommen von Zysten siehe Tab. 4.

1. Tumoren 11 Tabelle 4: Zysten, Adnextumoren und mesenchymale Tumoren: Teil eines Syndroms? Merkmale Tricholemmome assoziiert mit Mamma-, Schilddrüsen- und gastrointestinalen Karzinomen Akneiforme Läsionen, infundibuläre Zysten, Lipome, mesenterische Fibromatosen assoziiert mit hereditärer adenomatöser Polypose des Gastrointestinaltrakts, aus der sich fast immer Karzinome entwickeln Trichodiskome, Fibrofollikulome, (Fibromata mollia) assoziiert mit einem Schilddrüsenkarzinom Zystische sebazäre Karzinome in Assoziation mit nicht-polypoiden Kolon-Karzinomen Kutane Myxome, Lentigines, Epheliden, blaue Naevi und psammomatöse melanotische Schwannome der Haut und Schleimhäute assoziiert mit: Diversen neuroendokrinen Tumoren Kardialen und thorakalen Myxomen Primärem adrenalen Hyperkortisolismus (Siehe auch LAMB Syndrom: Lentigines, atriale Myxome und blaue Naevi) Syndrom Cowden-Syndrom Gardner-Syndrom Familiäre adenomatöse Polypose (s.a. Oldfield-Syndrom) Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (= Hornstein-Knickenberg-Syndrom) Muir-Torre-Syndrom Carney-Syndrom 1.1.5.8 Therapie von Zysten und Pseudozysten Operative Entfernung solitärer, störender Herde oder klinisch nicht exakt einzuordnender Tumoren. Epidermalzysten müssen zusammen mit der Zystenwand entfernt werden, da es sonst zum Rezidiv kommt. Milien können oberflächlich inzidiert werden, um dann den Inhalt zu entleeren. Für solitäre, umschriebene Endometrioseherde ist die chirurgische Entfernung die Therapie der ersten Wahl. Bei ausgedehnter extragenitaler Beteiligung, die vor jeglicher therapeutischer Intervention abgeklärt werden muss, sollte eine hormonelle Therapie erwogen werden. Beim Pilonidalsinus erfolgt die frühzeitige komplette Exzision. Präoperativ kann die Auffindung der Fistelgänge mittels Knopfsonde und durch Injektion eines Farbstoffes (z.b. wässrige 0,5% Gentianviolett- oder Methylenblau-Lösung) erleichtert werden. Abgegrenzt werden müssen perianale Fisteln. In Abhängigkeit vom Einzelfall muss somit eine weitergehende Diagnostik durch die kontrastmittelgestützte Sonographie oder die Computertomographie erfolgen. Ähnliches gilt für den Dentalsinus, die dermoiden Zysten sowie die erwähnten seltenen kutanen zystischen Malfomationen. Literatur Alessi E, Gianotti R, Coggi A. Multiple apocrine hidrocystomas of the eyelids. Br J Dermatol 1997; 137:642-5. Bhawan J, Dayal Y, Gonzales-Serva A, Eisen R. Cutaneous metaplastic synovial cyst. J Cutan- Pathol 1990; 17:22-6. Brownstein MH. Steatocystoma simplex. A solitary steatocystoma. Arch Dermatol 1982; 118:409-11. Coleman WR, Homer RS, Kaplan RP. Branchial cleft heterotopia of the lower neck. J Cutan Pathol 1989; 16:353-8. Covello SP, Smith FJ, Sillevis Smitt JH et al. Keratin 17 mutations cause either steatocystoma multiplex or pachyonychia congenita type 2. Br J Dermatol 1998; 139:475-80.

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