Wissenschaftlich begründetes KURZGUTACHTEN



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Transkript:

Deubner Verlag GmbH & Co. KG Wissenschaftlich begründetes KURZGUTACHTEN Zur Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers bei Straßen- schäden durch Baumwurzelüberwuchs wuchs erstellt im Auftrag von Rechtsanwalt Klaus Kleinert Feuchtwangen Köln, den 11.2009 Oststr. 11 50996 Köln Telefon (0221) 93 70 18-0 Telefax (0221) 93 70 18 99 Geschäftsführer Dr. Heinrich Weinheimer und Dr. Klemens Werner HRA 16268 Persönlich haftende Gesellschafterin ist die Deubner Verlag Beteiligungs GmbH, HRB 37127 Dresdner Bank AG Köln Konto 937 259 300 BLZ 370 800 40 Das Gutachten wurde nach bestem Wissen und wissenschaftlichen Maßstäben ausgearbeitet. Eine Haftung ist ausgeschlossen. Vorstehendes gilt nicht, soweit die Schadensursache auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht.

A. Sachverhalt und Fragestellung I. Sachverhalt Von einem Gartengrundstück laufen große unterirdische Wurzeln eines Baumes über die Grundstücksgrenze hinaus bis in den Bereich des städtischen Gehsteiges. Dieser ist hierdurch massiv beschädigt und bereits mehrfach repariert worden. II. Fragestellungen en Die Fragestellung zielt zunächst dahin, ob der Grundstückseigentümer zur Neuanlage des Gehsteiges mitsamt Kostenübernahme verpflichtet ist. Weiterhin soll das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs mitsamt Kappung der Wurzeln an der Grenze überprüft werden. Darüber hinaus sind die jeweiligen Voraussetzungen zu ermitteln, insbesondere das Erfordernis einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Berücksichtigung soll weiterhin finden, dass die Stadt seit Jahren den Sachverhalt kennt und folglich die Grundsätze der Verwirkung in Betracht kommen könnten. Daneben ist pauschal nach dem Bestehen etwaiger öffentlich-rechtlicher Ansprüche wegen einer Zustandsstörereigenschaft gefragt. III. Vorüberlegungen Bei Anfertigung des Gutachtens wurde festgestellt, dass ein Vorgehen mit Mitteln des öffentlichen Rechts zur Beseitigung etwaiger Wurzeln oder Wurzelschäden nicht auffällig geworden ist. Es finden sich regelmäßig Ausführungen dahingehend, dass sowohl die öffentliche Hand als auch Private die Verantwortung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches trifft, je nach dem, von wem die Beeinträchtigung ausgeht. Daran orientieren sich die nachfolgenden Ausführungen, wobei zum Ende die Prüfung eines ordnungsrechtlichen Vorgehens erfolgt. B. Gutachterliche Stellungnahme I. Zivilrechtliche Ansprüche 1.Abschneiderecht der Gemeinde aus 910 BGB Der Gemeinde kommt ein Abschneiderecht hinsichtlich der Wurzeln gemäß 910 BGB zu. a. Nach dieser Vorschrift kann ein Nachbareigentümer den Baumeigentümer zur Beseitigung der Wurzeln auffordern. Dieser muss der Aufforderung aber nicht nachkommen. Es trifft ihn also insoweit keine Beseitigungspflicht. Bleibt der Baumeigentümer untätig, steht dem Nachbarn nach dieser Vorschrift aber ein Abschneiderecht zu, wie sich aus dem Wortlaut ergibt. b. Das Beseitigungsrecht setzt auch bei der Wurzelbeseitigung eine angemessene Frist voraus. Dies folgt nicht aus 910 Abs. 1 BGB, der nur für Zweige gilt, jedoch aus 242 BGB, da der Grundstückseigentümer Gelegenheit erhalten soll, Sicherungsmaß-

nahmen für den Baum zu treffen 1. Zudem besteht die Gefahr etwaiger Gegenansprüche bei Beseitigungsschäden infolge fehlender Fristsetzung 2. c. Gemäß 910 Abs. 2 BGB ist das Abschneiderecht jedoch ausgeschlossen, wenn eine (wesentliche) Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks (Straße) nicht gegeben ist. Eine feststehende Definition gibt es nicht, jedoch wurde in der Rechtsprechung ausgeführt, dass eine Beeinträchtigung nur unwesentlich ist, die der durchschnittliche Mensch nicht mehr als solche empfindet. Dabei kommt es u.a. auf die Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks, auf Art, Ausmaß, Dauer und Ort der Beeinträchtigung an und auch das Verhältnis zu anderen Einwirkungen kann von Bedeutung sein 3. Dies scheidet aus, da es bereits zur Beschädigung des Gehweges gekommen ist. d. Eine Verwirkung des Anspruchs aus 910 BGB kommt grundsätzlich in Betracht 4. Eine Verwirkung setzt voraus, dass ein Recht über einen geraumen Zeitraum nicht geltend gemacht worden ist und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde 5. Eine bisher vorgenommene Beseitigung der Schäden durch die Gemeinde reicht dafür nach meiner Auffassung nicht aus. Der Grundstückseigentümer müsste sich darauf eingerichtet haben, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden wird. Dies scheint mir eher nicht der Fall zu sein. Auch müsste die Stadt signalisiert haben, dass sie das Recht auch in Zukunft nicht ausüben wird. 2. Beseitigungspflicht des Baumeigentümers aus 1004 BGB Die Gemeinde hat einen Beseitigungsanspruch gegen den Baumeigentümer gemäß 1004 BGB. Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. a. Anwendbarkeit von 1004 BGB Umstritten ist, ob das Selbsthilferecht nach 910 Abs. 1 Satz 1 BGB den Beseitigungsanspruch nach 1004 Abs. 1. Satz 1 BGB ausschließt. 1 Palandt, 910 BGB, Rz. 2 2 LG Gießen NJW-RR 1997, 655 3 OLG Düsseldorf NuR 1989, 322 bezüglich Samenflug 4 Palandt, 910 BGB, Rz. 1 5 BGHZ 84, 281; 105, 298

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und Teilen der Literatur bestehen die Ansprüche aus 910 BGB und aus 1004 BGB nebeneinander 6. Eine andere Auffassung im Schrifttum lehnt die Anwendbarkeit ab 7. Für die Rechtsprechung sprechen jedoch die besseren Argumente, da mit dem bloßen Abschneiderecht die Eigentumsbeeinträchtigung nicht zwingend beseitigt ist. Jedoch muss es dem Eigentümer möglich sein, fremde Gegenstände von seinem Grundstück fernzuhalten, um Schäden zu verhindern. Die ermöglicht nur 1004 BGB. b. Der Baumeigentümer müsste Störer im Sinne der Vorschrift sein. Hier ist problematisch, dass der Wurzelwuchs eine natürliche Ursache ist und nicht von dem Eigentümer selbst und unmittelbar ausgeht. Die Rechtsprechung ist jedoch (nunmehr) der Auffassung, dass auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen dem Eigentümer zugerechnet werden können 8. Der Bundesgerichtshof begründet die Störereigenschaft bei Einwirken von Naturkräften entweder dann, wenn die Störung auf einem pflichtwidrigen Unterlassen beruht, ob sich also aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine Sicherungspflicht, d. h. eine Pflicht zur Verhinderungen möglicher Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks ergibt 9 oder ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung halte 10. Folglich ist die Störereigenschaft des Eigentümers eines Baumes, dessen Wurzeln in das Nachbargrundstück hinüber wachsen und zu Schäden führen, problemlos zu bejahen. c. Der Anspruch dürfte nicht ausgeschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Eine Duldungspflicht kann sich 910 Abs. 2 BGB, einer anderen gesetzlichen oder auch vertraglichen Regelung zur Duldung der Störung ergeben. Zunächst scheiden 910 Abs. 2 BGB und die Grundsätze der Verwirkung aus (s.o.). Vertragliche Regelungen wären im Einzelfall zu prüfen, insbesondere wenn betreffend den Straßenausbau Vereinbarungen zwischen der Gemeinde und dem Grundstückseigentümer getroffen worden sind. Als andere gesetzliche Vorschrift könnte die gemeindliche Baumschutzsatzung in Betracht kommen. Jedoch ist hier zu berücksichtigen, dass diese zumeist Eingriffe ermöglichen, um eine Gefahr abzuwehren. Dies dürfte bei Straßenschäden unproblematisch sein. Die Bindungswirkung einer gemeindlichen Baumschutzsatzung hebelt aber auch gesetzliche Ansprüche wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung nicht aus. 6 BGH NZM 2005, 318; NJW 2004, 603; BGHZ 60 235; 97, 231; Roth JZ 1998, 94 7 Armbrüster NJW 2003, 3087 m.w.n. 8 BGH NJW 1995, 2633; WM 2001, 1229 und BGH FN 6 9 BGH NJW 1995, 2633; WM 2001, 1129 10 Siehe BGH FN 6

d. Auch hier ist eine Fristsetzung angezeigt (s.o.). e. Die Folge ist, dass die Gemeinde einerseits die Beseitigung bestehender Schäden verlangen kann, andererseits aber auch Schutzmaßnahmen, damit künftige Schädigungen unterbleiben 11. f. Anspruch auf Beseitigung des Baumes Eine in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage ist, ob der Baumeigentümer zur Beseitigung eines Baumes verpflichtet werden kann. Grundsätzlich besteht der Beseitigungsanspruch des Geschädigten nur hinsichtlich der Wurzeln, aber kein Anspruch auf Entfernung des Baumes. Anders sieht es die Rechtsprechung in dem Fall, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Beeinträchtigung durch die Wurzeln zu beheben bzw. die andere Möglichkeit in einer unzumutbaren Verankerung des Baumes besteht. Der Bundesgerichtshof führt insoweit aus: Ein Störer kann nicht nur dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt drohender Beeinträchtigungen gewährleistet, sondern auch, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können. Dies ist eine Durchbrechung des Prinzips, dass dem Baumeigentümer die Maßnahme, mit der er Wurzeleinwuchs verhindern will, nicht vorgeschrieben werden kann. Sie muss nur wirkungsvoll sein. Ausnahmen bestehen nicht nur, wenn nur eine einzige Maßnahme Erfolg verspricht, sondern auch, wenn von zwei möglichen Maßnahmen eine unzumutbar ist 12. 4. Ersatzansprüche bezüglich etwaiger Kosten a. Ersatzansprüche kommen nach Bereicherungsgrundsätzen gemäß 812 Abs. 1 S.1, 910, 1004 BGB oder analog 906 Abs. 2 S.2 BGB als Ausgleichsanspruch in Betracht. Der durch von dem Nachbargrundstück hinübergewachsenen Baumwurzeln gestörte Grundstückseigentümer kann die von dem Störer geschuldete Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung selbst vornehmen und die dadurch entstehenden Kosten nach Bereicherungsgrundsätzen gemäß 812 Abs. 1 S.1, 910, 1004 BGB erstattet verlangen, wobei es nicht auf ein Verschulden des Baumeigentümers ankommt 13. Sollte die Gemeinde als Geschädigte die Schäden selbst beheben oder beheben lassen, so entstehen Kosten, die sie zuerst als Auftraggeber zu tragen hat, auch wenn dies eigentlich eine Pflicht des Baumeigentümers als Störer ist. Insoweit nimmt der Geschädigte dem Baumeigentümer diese Pflicht ab. Die Gemeinde muss als Auftraggeber die Rechnung des ausführenden Unternehmens als Auftragnehmer zunächst selbst begleichen. Sie kann die Rechnungssumme erst danach vom Baumeigentümer 11 OLG Düsseldorf NJW 1986, 2648 12 BGH NJW 2004, 1035 13 BGH FN 6

ersetzt verlangen, und zwar weil dem Baumeigentümer Kosten erspart geblieben sind und er insoweit ungerechtfertigt bereichert ist. Eine Begrenzung oder Ausschluss des Anspruchs ist in entsprechender Anwendung des 254 BGB möglich 14. Dies ist denkbar, wenn es sich der Gemeinde aufdrängen musste, dass es zu den Schäden kommen wird und Maßnahmen zur Verhinderung unterlassen hat. b. Der Schadensersatzanspruch wie bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nach 823 Abs. 1 BGB, die ein widerrechtliches und zumindest fahrlässiges Handeln oder Unterlassen, also in jedem Fall ein Verschulden, voraussetzt, scheidet bei den Wurzelschäden nicht gänzlich aus 15. Jedoch sind die Ersatzansprüche vom Umfang weitgehend angepasst. II.. Öffentlich-rechtli rechtliche che Ansprüche 1.Ordnungsverfügung In Betracht kommt der Erlass einer Ordnungsverfügung gegen den Baumeigentümer. a. Diese wäre mangels gesonderter gesetzlicher Grundlage auf die ordnungsrechtliche Generalklausel des Art. 11 Abs. BayPAG zu stützen. Unter dem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit versteht man unter anderem den Bestand, die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger von hoheitlicher Gewalt 16. Straßen werden als öffentliche Sachen dem Bereich der öffentlichen Einrichtung zugeordnet. Insoweit können sie als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit eingeordnet werden. b. Eine Gefahr ist unproblematisch, wenn eine Beschädigung des Gehweges eingetreten ist oder jederzeit einzutreten droht. c. Fraglich ist jedoch, ob ein Grundstückseigentümer ordnungsrechtlich als Zustandsstörer eingeordnet werden kann, Art. 8 BayPAG. Erforderlich ist, dass die Gefahr von einer Sache ausgeht. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist jedoch nicht die Eigentümerstellung als solches, sondern die die regelmäßig mit ihr verbundene Verfügungsmacht, d.h. die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, auf die Sache einzu- 14 BGHZ 134, 235 15 BGH NJW 2004, 603 16 BVerfGE 69, 315; VGH BW NVwZ 1994, 1233

wirken 17. Dabei ist der Umfang der Zustandshaftung grundsätzlich unbeschränkt. Der Eigentümer ist verantwortlich für die Sache, unabhängig davon, welche Ursache dahintersteht. Diese können auf eigenes Verhalten, Verhalten Dritter, Naturereignisse oder auch sonstige Fälle höherer Gewalt zurückzuführen sein 18. Vor diesem Hintergrund kann der zivilrechtlich ermittelte Störerbegriff auch hier herangezogen werden. Die Verantwortung endet nicht vor der Türe öffentlich rechtlicher Verpflichtungen. d. Jedoch muss bei der Ermessenausübung berücksichtigt werden, dass ein Eingriff in das Eigentum erfolgen soll und die Ursache in Naturereignissen liegt. Von daher ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu wahren 19. Ein ordnungsrechtliches Vorgehen hat dabei die schonendste Maßnahme zu treffen. Insoweit dürften die oben im zivilrechtlichen Bereich geltenden Grundlagen auch hier zu beachten sein. Dem Eigentümer ist grundsätzlich die Gelegenheit zu geben, entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten, wobei er grundsätzlich selbst darüber entscheidet, was er zu tun hat. Die Anerkennung der zivilrechtlichen Eigentumsausgestaltung mitsamt der möglichen Beanspruchung könnte schon vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung Geltung beanspruchen. 2. Durchsetzung Allerdings wäre dem ordnungsrechtlichen Vorgehen natürlich auch die Möglichkeit, etwaige Ansprüche zwangsweise durchzusetzen, immanent. Insoweit wären die Mittel der unmittelbaren Ausführung oder des Sofortvollzuges gegeben, mit der Konsequenz, dass auch entsprechende Kostenersatzansprüche öffentlich rechtlich geltend gemacht werden können. C. Zusammenfassung Ein Baumeigentümer haftet für Schäden gleich welcher Art, die die Wurzeln seines Baumes dadurch verursachen, dass sie in ein fremdes Grundstück eindringen. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig, da er Störer im Sinne von 1004 BGB ist. Der Geschädigte hat zunächst Beseitigungsansprüche nach 1004 Abs. 1 BGB. Dazu gehört auch, dass der Geschädigte vom Baumeigentümer verlangen kann, dass dieser wirksame Maßnahmen gegen zukünftigen Wurzeleinwuchs trifft. Grundsätzlich steht dem Baumeigentümer die Wahl der Maßnahme frei. Hier ist eine Fristsetzung erforderlich. 17 OVG Hamburg NJW 1992, 1909; OVG NW NWVBl 1998,64 18 BVerwG NJW 1999, 231; OVG RP DVBl 1998, 103;VGH München NJW 1984, 1196 19 Vgl. BVerfGE 102, 1, (20ff.)

Außerdem hat der Geschädigte je nach Lage des Falles verschuldensunabhängige Kostenerstattungs- oder Ausgleichsansprüche gegen den Baumeigentümer. Der Geschädigte ist in der Regel nicht verpflichtet, Störungen und Schäden durch Wurzeleinwuchs nach 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, - nicht nach 242 BGB, weil Bäume dem öffentlichen Wohl dienen, - nicht, weil eine Baumschutzsatzung Wurzelabtrennungen verbietet - nicht nach dem Bay. Straßen- und Wegegesetz, weil danach Einwirkungen von Bäumen zu dulden sind, Der Geschädigte muss sich aber unter Umständen eine Mitverantwortlichkeit entsprechend 254 BGB anrechnen lassen - ohne dass es auf ein Verschulden ankommt -, die zur Minderung seiner Ansprüche führen kann. Ein öffentlich rechtliches Vorgehen zum Schutz der Straße als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit erscheint möglich, war aber als Mittel im Rahmen der Recherchen nicht auffällig geworden.