Atemnot Claudia Bausewein Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin Klinikum der Universität München - Großhadern
Definition von Atemnot Schwierige, angestrengte, unangenehme Atmung... Comroe Das unangenehme Gefühl atmen zu müssen Cockroft and Guz Schwierigkeiten beim Atmen und die physische und emotionale Reaktion bzw. das Verhalten darauf. Wilcock Atemnot ist was der Patient sagt, das es ist Davis
Atemnot ist
Epidemiologie 29-74% aller Tumorpatienten 70% in den letzten 6 Wochen des Lebens (Reuben 1988) 90% aller Patienten mit Bronchial-Ca Häufiges Symptom bei Nicht-Tumorpatienten im letzten Lebensjahr (Booth 2004) Nahezu alle Patienten mit ALS 94% der COPD-Patienten 50% bei terminaler Herzinsuffizienz signifikant kürzere Überlebenszeit (Reuben 1988) verbunden mit geringem Lebenswillen (Tataryn 2002)
COPD - Symptome Körperliche Symptome Atemnot 95% Fatigue 68% Schmerzen 68% Schlafstörungen 55% ADL Unfähig Haus zu verlassen 87% Hilfe beim Waschen, Anziehen, Toilettenbenutzung 57% Depression 37% Skilbeck et al Pall Med 1998
Fortgeschrittene COPD Soziale Isolation, niedrige körperliche Funktion, multiple Symptome Medizinische Angebote bes. zur Behandlung akuter Exazerbationen Fehlender ganzheitlicher Ansatz Letztes Lebensjahr (Edmonds et al, Pall Med 2001) Sterbeort: COPD > Krankenhaus, Bronchial-Ca > Zuhause oder Hospiz Physische und psychische Symptome gleich ausgeprägt
Messung von Atemnot Subjektives Symptom Multidimensional Interferenz mit anderen Symptomen und umgekehrt Systematische Übersicht 33 Atemnotskalen (4 undimensional, 18 krankheitsspezifisch, 11 Atemnotspezifisch) Keine deckt alle Dimensionen ab Validierung existierender Skalen bei Palliativpatienten Kombination verschiedener Skalen notwendig Bausewein Resp Med 2006
Physiologische Parameter Atemnotskalen korrelieren höchstens in moderatem Maß mit der pulmonalen Funktion Eakin 1993 Ermüdend für Palliativpatienten mit begrenztem Nutzen Ahmedzai 1993
Behandlungsmöglichkeiten NP NP NP NP = nichtpharmakol. P P P = pharmakol. P Atemnot bei Belastung Atemnot in Ruhe Terminale Atemnot Wilcock 1998
Therapie bei refraktärer Atemnot Opioide Weiterhin Bedenken gegen Einsatz GOLD Empfehlungen COPD Opioide sind kontraindiziert (2001) Benzodiazepine Sauerstoff Primäres Ziel ist Symptomkontrolle, nicht Verbesserung von Funktionstests
Opioide 18 doppelblind, randomisiert, plazebo-kontrollierte Studien bei Patienten mit Dyspnoe Hohe Signifikanz parenteraler/ oraler Applikation Unklare Datenlage für inhalative Applikation Opioidwirkung? Effekt durch NaCl-Inhalation? Aber Studien underpowered kleine Zahlen (max. n=19) scheinbar geringer klinischer Effekt überwiegend Einzeldosierungen Jennings Cochrane Review 2001
Retardiertes Morphin für therapierefraktäre Dyspnoe random. doppel-blind plazebo-kontrollierte Studie 48 Pat. mit therapierefraktärer Atemnot 43% mit COPD 20 mg ret. Morphin über 4 Tage sign. Besserung der Atemnot einzige Studie mit adäquater Power bestätigt Benefit von Opioiden Abernethy BMJ 2003
Nicht-Opioide Inhaliertes Lidocain: Einzeldosis, keine Besserung der Atemnot, underpowered (Stark 1985) Buspiron: Verbesserung der Atemnot (Argyropoulou 1993) Indomethacin: keine Verbesseurng der Atemnot oder Funktion (Schiffman 1988) SSRI: Fallberichte, guter Effekt auf Atemnot (Smoller 1998)
Benzodiazepine RCT bei opioid-naiven Pat. (n=101) Lebenserwartung < 1 Wo, ECOG 4, opioid-naiv < 45 mg Morphinäquivalent 3 Gruppen Morphin 2,5 mg 4 stdl., Midazolam 5 mg bei Bed. (n=35) Midazolam 5 mg 4 stdl., Morphin 2,5 mg bei Bed. (n=33) Morphin 2,5 mg und Midazolam 5 mg 4 stdl., Mo 2,5 mg bei Bed. (n=33) Linderung Dyspnoe Morphin/Midazolam > Morphin > Midazolam 30% starben innerhalb von 48 h Abstract viel versprechend, Artikel wirft aber viele Fragen auf Navigante 2006
Furosemid - Inhalation Bronchodilatation Hemmung von Irritant-Rezeptoren der Lunge Hemmung der pulmonalen Dehnungsrezeptoren (N. Vagus) (Shimoyama, JPSM 2002) Anti-Inflammatorischer Effekt (Prandota, Am J Ther 2002) 2 RCT Inhalation von 4 ml Furosemid signifikante Verbesserung der Atemnot (Ong 2004) Inhalation 20 mg Furosemid, Abbruch nach 7 Patienten (Stone 2002)
O 2 Therapie COPD Sauerstoff in Ruhe: widersprüchliche Ergebnisse Sauerstoff bei Belastung: Reduktion der Atemnot und/oder bessere Belastbarkeit Fortgeschrittene Tumorerkrankungen N=1 (Bruera 1992) 2 RCT mit 14 (weniger Atemnot unter O2) und 38 Pat. (kein Unterschied zwischen O2 und Normalluft) Chron. Herzinsuffizienz 3 RCT (max. 16 Pat.): widersprüchliche Ergebnisse Booth, APM working group Resp Med 2004
O 2 Therapie COPD Evidenz für und gegen Sauerstoff in Ruhe Sauerstoff bei Belastung zeigt eine Reduktion von Atemnot bei Belastung oder eine bessere Belastbarkeit keine Evidenz für Prä-Oxygenierung zur Reduktion der Atemnot während Belastung Evidenz, dass Sauerstoff vor oder nach Belastung schnellere Erholung von Atemnot Tumorerkrankungen Sauerstoff hilfreich bei einigen Patienten (wer?) Herzinsuffizienz Keine ausreichende Evidenz für NYHA IV
Nicht-pharmakologische Interventionen 24 Studien widersprüchliche Ergebnisse Musik (n=6), Akupunktur (n=5), Entspannung (n=3), Psychotherapie (n=2), Andere (n=2; Ventilator, pharmazeutische Beratung) Positiver Effekt Nursing intervention (n=4), Rollator (n=2) 18/24 Interventionen bei COPD Patienten, nur nursing interventions überwiegend bei Tumorpatienten Bausewein, unveröffentlicht
Nursing intervention Atemtherapie Beratung (Patient & Angehörige) Entspannungsübungen Training von Anpassungsstrategien und Coping Therapie begleitender Symptome (Mundtrockenheit, Schmerzen, Obstipation) Corner Pall Med 1996)/ Bredin BMJ 1999
Zusammenfassung Atemnot sehr belastend für Patienten und Betreuer Interaktion von Angst und Atemnot Nicht-pharmakologische Maßnahmen spielen eine große Rolle Opioide unverzichtbar Einsatz von Sauerstoff mit Maßen