Subklinische Dysthyreosen

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Transkript:

Diagnostik und Therapie Subklinische Dysthyreosen Schilddrüsenfunktionsstörungen (Dysthyreosen) gehören zu den häufigsten endokrinen Störungen. Die Prävalenz der Hypothyreose ist ca. 5%, wovon sich ca. 75 90% in einer subklinischen Form manifestieren (1). Im Alter und bei Frauen ist sie höher (2). Die Prävalenz der Hyperthyreose liegt mit ca. 2% tiefer (2), sie ist in Jod-Mangel-Gebieten, bei Frauen, Rauchern und älteren Menschen häufiger. Die normale Sekretion der Schilddrüsenhormone wird gesteuert von einem Rückkopplungs-Mechanismus, bei dem sowohl der Hypothalamus als auch die Hypophyse die Konzentration der Schilddrüsenhormone messen. Wird ein Schilddrüsenhormon-Mangel festgestellt, erfolgt über diesen Mechanismus die Stimulation der Schilddrüse, mehr Hormone zu sezernieren. Diese geschieht durch das hypophysäre Thyreotropin (TSH), das seinerseits vom hypothalamischen TRH (thyreotropin-releasinghormone) stimuliert wird. Das Besondere an diesem System ist, dass die Hypophyse das inaktive Hormon Thyroxin (T4) misst, das intrazellulär in den TSH-produzierenden Zellen zum aktiven Trijodthyronin (T3) umgewandelt wird. Kleinste Veränderungen der frei verfügbaren T4 (ft4) Konzentration im Serum werden auf diese Weise sehr rasch und effizient erfasst und spiegeln sich im Falle der Hypothyreose in einem erhöhten oder bei einer Tab. 1 Ursachen einer primären Hypothyreose und Differentialdiagnose einer TSH-Erhöhung Ursachen persistierender und reversibler Hypothyreosen In der Regel reversible Formen o Subakute Thyreoiditis De Quervain (fast immer reversibel) o Postpartale Thyreoiditis (über 90% reversibel) o Erholungsphase nach schwerer Erkrankung (fast immer reversibel) o Silent Thyroiditis (häufig reversibel) o Jod-Defizit Bleibende oder nur in Ausnahmefällen reversible Formen o Autoimmun-Thyreoiditis Hashimoto o Partielle oder totale Thyreoidektomie (nach partieller Thyreoidektomie Reversibilität in Abhängigkeit vom verbliebenen Schilddrüsenrest möglich) o Stattgehabte Radiojod-Therapie (z.b. bei M. Basedow) o Schilddrüsen-Infiltration: Amyloidose, Sarkoidose, Hämochromatose, Riedel sche Thyreoiditis o Stattgehabte externe Radiotherapie der Halsregion o Genetische Formen wie Anlagestörung der Schilddrüse Medikamentös verursachte Hypothyreosen Thyreostatika, Zytokine (Interferon-, Interleukin-2, Monozytenkolonienstimulierender Faktor), Amiodarone, Lithium, bestimmte Tyrosinkinase-Inhibitoren nach wiederholten Therapiezyklen Differentialdiagnose erhöhtes TSH TSH-produzierendes Hypophysen-Adenom Hypophysäre Schilddrüsenhormon-Resistenz Nicht-substituierte primäre Nebennierenrindeninsuffizienz Laborproblematik: Assay-Variabilität, abnorme TSH-Isoformen, heterophile Antikörper Hyperthyreose in einem erniedrigten TSH wieder. Störungen der Schilddrüsenfunktion können also zuverlässig mittels erhöhtem TSH (bei Hypothyreose) oder erniedrigtem TSH (bei Hyperthyreose) erfasst werden. Im Gegensatz zu manifesten Funktionsstörungen der Schilddrüse bei denen sowohl die Schilddrüsenhormone selbst als auch das TSH in typischer Weise verändert sind, weisen die subklinischen Dysthyreosen normale Schilddrüsenhormonwerte (ft4 und T3) auf bei lediglich abnormalem TSH (1, 3). Bei relativ klarer laborbasierter Diagnostik besteht bei diesen Patienten die Herausforderung darin abzuschätzen, ob die beobachteten Veränderungen einen bleibenden oder nur vorübergehenden Charakter haben und welche Patienten bei den relativ kleinen Veränderungen der Schilddrüsenhormone von einer Therapie profitieren könnten. Subklinische Hypothyreose Die subklinische Hypothyreose (schypo) kann mild (TSH 4,5-10mU/l) oder ausgeprägt (TSH >10mU/l) sein. Etwa ¾ der Patienten haben eine milde Form (2). Ursachen und Prognose Die Ursachen für eine schypo sind dieselben, wie für manifeste Hypothyreosen (Tab. 1), in ca. 70% der Fälle ist eine autoimmune TPO-Ak-assoziierte, chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis (Hashimoto) verantwortlich. Diese ist bei Frauen und mit zunehmendem Tab. 3 Dr. med. Anna Minder Zürich Ursachen der Hyperthyreose und Differentialdiagnose einer TSH-Suppression Ursachen persistierender oder reversibler Hyperthyreosen Exogen (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) Endogen o Autonomes Adenom o Struma multinodosa o M. Basedow o Thyreoidits De Quervain (transient) o Schwangerschaftshyperthyreose (β-hcg assoziiert, transient) o Postpartale Thyreoiditis (transient) o Nach Radiojod-Therapie (transient in den ersten Wochen) o Medikamentös (Amiodarone, Jod-Zufuhr z. B. durch Kontrastmittel) o Silent Thyroiditis (transient) Differentialdiagnose erniedrigtes TSH Infolge schwerer Erkrankung (reversibel) Hypophyseninsuffizienz Medikamentös: hochdosiert Steroide, Dopamin der informierte arzt _ 06 _ 2014 11

Alter häufiger. Je nach Klinik und Laborkonstellation sollte differentialdiagnostisch auch an eine transiente oder physiologische TSH- Erhöhung gedacht werden, insbesondere in der Erholungsphase nach schwerer Erkrankung (non-thyroidal illness syndrome oder NTIS) oder nach einer subakuten oder postpartalen Thyreoiditis (Tab. 1). Daher ist es ratsam die Diagnose nach 3 6 Monaten zu bestätigen. Die schypo kann in ca. 33 55% der Patienten zu einer manifesten Hypothyreose fortschreiten, weswegen oftmals postuliert wird, dass die schypo nur eine frühe, milde Form der Hypothyreose repräsentiert. Allerdings kann sie auch reversibel sein, insbesondere wenn TSH <10mU/l ist. Bei Nachweis von TPO-Ak ist die Progression zur manifesten Hypothyreose häufiger. Symptomatik Die meisten Patienten sind asymptomatisch oder beklagen wenige, eher unspezifische Beschwerden. Generell sind ältere Patienten weniger symptomatisch als jüngere. Die standardisierte Erfassung von Zeichen und Symptomen der Hypothyreose kann jedoch helfen, eine Therapieentscheidung zu fällen oder auch eine evtl. begonnene Therapie wieder zu stoppen, falls es zu keiner Verbesserung der Symptome gekommen ist. Zu diesem Zweck kann ein Score verwendet werden, der in mehreren Studien validiert wurde (4) (Tab. 2). Die schypo hat einen negativen Effekt auf die Fertilität bei der Frau. Ein stetig erhöhtes TSH kann auch als Wachstumsfaktor wirken und so Auftreten oder Wachstum einer Struma fördern. Ebenfalls kann ein über Jahre erhöhtes TSH die Entstehung oder Verschlechterung der Orbitopathie eines zuvor mit Radiojod-Therapie oder Operation behandelten M. Basedow stimulieren. Therapie Kurzfristig scheint die schypo keine oder nur sehr geringe negative Auswirkungen zu haben. Gut durchgeführte randomisierte, kontrollierte Studien haben denn auch gezeigt, dass Patienten mit einem TSH 4 10mU/l nicht von einer Substitutionstherapie profitieren, wobei hier sowohl klinische als auch metabolische Parameter detailliert untersucht wurden. In einer randomisierten, kontrollierten Untersuchung, die auch Patienten mit einem TSH >10mU/l einschloss, konnte hingegen ein signifikanter Therapieeffekt der T4-Substitution sowohl auf die Klinik, als auch auf das LDL-Cholesterin, gezeigt werden (5). Allerdings haben solche Interventionsstudien nur eine begrenzte Therapiedauer, meist 6 12 Monate. Eine Meta-Analyse von Beobachtungsstudien zeigte jedoch ein erhöhtes Risiko für ischämische Herzerkrankungen und kardiovaskuläre Mortalität bei unbehandelter schypo, insbesondere bei Patienten <65 Jahren. Der Beobachtungszeitraum war hier zwischen 5 und 20 Jahre (6) und der Unterschied wurde erst nach über 10 Jahren sichtbar (7). Diese grosse Meta-Analyse illustriert, dass die bei der schypo auftretenden metabolischen Veränderungen subtil sein mögen, jedoch über einen längeren Zeitraum einen für den Patienten relevanten Effekt haben können. Generell scheinen die Risiken mit erhöhtem TSH 10mU/l zuzunehmen und sind bei nur leicht erhöhtem TSH wenig oder nicht signifikant erhöht (6). Ein signifikanter Therapie-Effekt auf die Stimmungslage, Kognition und andere Symptome bei Patienten mit subklinischer Hypothyreose wurden erst ab TSH-Werten >10mU/l gefunden (5). Aufgrund erwähnter Datenlage empfehlen wir die Substitution bei allen Patienten mit TSH 10mU/l. In besonderen klinischen Situationen, wie Schwangerschaftswunsch, Struma oder beim therapiertem M. Basedow (nach Operation oder Radiojod-Therapie), sollte aber unabhängig von der Höhe des TSH eine Substitutionstherapie der schypo begonnen werden, um die verminderte Fertilität zu verbessern, das Wachstum der Schilddrüse zu hemmen und die Entwicklung einer endokrinen Orbitopathie zu verhindern. Ebenfalls sollten Patienten mit depressiven Störungen unabhängig vom TSH-Wert behandelt werden. Bei Patienten mit Hypothyreose-Symptomen und nur gering erhöhtem TSH kann eine Therapie versucht werden (Abb. 1). Diese Empfehlungen Tab. 2 Klinik der Hypothyreose Symptome Ja Nein Befunde Ja Nein Vermindertes Schwitzen 1 0 Verlangsamte Bewegung 1 0 Heiserkeit 1 0 Verlangsamter ASR 1 0 Parästhesien 1 0 Rauhe Haut 1 0 Trockene Haut 1 0 Periorbitale Schwellung 1 0 Obstipation 1 0 Kühle Haut 1 0 Schwerhörigkeit 1 0 Gewichtszunahme 1 0 Gesamt-Score >4: V.a. Hypothyreose (modifiziert nach [4]) Tab. 4 Klinik der Hyperthyreose (Gesamtscore von 2 oder weniger spricht für Euthyreose) Symptome Ja Nein Befunde Ja Nein Herzklopfen 1 0 Hyperkinesie, unruhiger Patient 1 0 Vermehrtes Schwitzen 1 0 Hinweise für endokrine Orbitopathie 1 0 Beschleunigte Darmpassage 1 0 Feuchte, warme Haut 1 0 Vermehrte Nervosität 1 0 Tastbare Schilddrüse 1 0 Schlafstörung 1 0 Feinschlägiger Tremor 1 0 Gewichtsabnahme 1 0 Puls über 90/Min 1 0 (modifiziert nach [15]) 12 06 _ 2014 _ der informierte arzt

ABB. 1 Behandlungsalgorithmus bei subklinischer Hypothyreose für Erwachsene * Differentialdiagnostisch hier an eine sekundäre Hypothyreose denken, ft4 dann meist stark erniedrigt mit relativ geringem TSH-Anstieg ** Struma, Dyslipidämie, Insulinresistenz oder Symptome, je nach Therapieerfolg Reevaluation der Substitutionstherapie *** T4-Substitution mit dem Behandlungsziel: TSH <2,5mU/l für junge Patienten, vor Schwangerschaft und bei Patienten mit psychiatrischer Erkrankung, TSH 3,0-5,0 mu/l bei älteren Patienten ähneln den kürzlich erschienenen Empfehlungen der European Thyroid Association (ETA) (8). Bei älteren Patienten empfehlen wir, die Substitution mit einer niedrigen T4-Dosis (ca. 50 µg/tag) zu beginnen, bei jüngeren Patienten kann mit einer höheren Dosis (ca. 75 100 µg/tag), leicht unterhalb der vollen Substitutionsdosis von ca. 1,5 µg/kg KG/Tag, begonnen werden. Aufgrund der langen Halbwertszeit des T4 von ca. 7 Tagen sollten TSH-Kontrollen zu allfälliger Dosisanpassung frühestens nach 4 6 Wochen erfolgen. Das Behandlungsziel ist generell ein TSH 0,5-2,5mU/l, ausser bei über 70-jährigen, wo ein höherer TSH-Wert von 3 6 mu/l angestrebt wird, da in dieser Altersgruppe ein Überlebensvorteil durch eine leichte schypo gezeigt wurde (9). Bei Patienten mit leicht erhöhtem TSH (<10mU/l) erscheint ein 6 12-monatliches Monitoring der Schilddrüsenfunktion sinnvoll. Subklinische Hyperthyreose Auch bei der subklinischen Hyperthyreose (schyper) kann aufgrund der Ausprägung der TSH-Suppression eine milde (TSH 0.1 0.4mU/l) und schwere Form (TSH <0.1mU/l) unterschieden werden. Diese Unterscheidung ist klinisch sinnvoll und beeinflusst sowohl die Prognose als auch die klinische Entscheidung bzgl. weiterer Diagnostik und Therapie. Ursachen und Prognose Der schyper liegen die gleichen Ursachen zugrunde wie bei der manifesten Hyperthyreose (Tab. 3). Bei jüngeren Patienten ist der M. Basedow die häufigste Ursache, während die Struma multinodosa oder das autonome Adenom bei älteren Patienten häufiger sind, zudem führen letztere beiden im Vergleich zum M. Basedow häufiger zu einer manifesten Hyperthyreose. Die schyper ist oft transient, so normalisieren sich die Schilddrüsenwerte nach 5 Jahren je nach Studie in ca. 30% 50% der Fälle. Daher sollte die Diagnose nochmals bestätigt werden. Patienten mit einem TSH <0.1mU/l entwickeln etwa doppelt so häufig eine manifeste Hyperthyreose im Vergleich zu denen mit einer milden schyper (10). Während bei Patienten mit M. Basedow oft eine transiente Form der schyper auftritt, persistiert diese häufiger oder entwickelt sich gar zu einer manifesten Hyperthyreose bei Patienten mit einem autonomen Adenom oder einer Struma multinodosa. Häufig jedoch ist eine schyper exogen verursacht, durch eine beabsichtigte oder unbeabsichtigt erhöhte Zufuhr von Schilddrüsenhormonen. Untersuchungen haben gezeigt, dass 20 40% der Patienten mit T4-Therapie tiefe TSH-Werte aufweisen (2). Differentialdiagnostisch müssen weitere Gründe für ein tiefes TSH bei normalen peripheren Schilddrüsenhormonen berücksichtigt werden (Tab. 3). Bei Unsicherheit bzgl. der Ätiologie der schyper kann zur Bestätigung eine Radiojod-Szintigraphie gemacht werden, welche je nach Ursache typischerweise einen erhöhten Uptake fokaler Regionen (autonomes Adenom, multiple fokale Autonomie) oder der gesamten Schilddrüse (M. Basedow) aufzeigt oder aber eine fehlende Jodaufnahme z.b. bei einer Thyreoiditis. Symptome Jüngere Patienten mit schyper können unter Palpitationen, Hitzeintoleranz, Angstgefühlen mit reduzierter Lebensqualität leiden. Zudem wird sie bei älteren Patienten in einigen, aber nicht allen Studien mit dementiellen Syndromen in Verbindung gebracht. Zahlreiche Untersuchungen haben bei der schyper ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern (11), koronare Herzkrankheit, kardiovaskuläre Ereignisse und Herzinsuffizienz beschrieben (12). Das Risiko scheint vor allem beim TSH <0.1mU/l zu steigen. Studien zur Mortalität zeigten einzig bei Patienten mit TSH- Suppression <0,1mU/l eine signifikant erhöhte Mortalität, während diese Assoziation bei Patienten mit TSH 0,1-0,4mU/l nicht gefun- 14 06 _ 2014 _ der informierte arzt

ABB. 2 Behandlungsalgorithmus bei subklinischer Hyperthyreose für Erwachsene * Risikopopulation: manifeste Osteoporose, verminderte Knochendichte, strukturelle Herzerkrankung, Risiko für Vorhofflimmern, psychiatrische Grunderkrankung ** Symptome gemäss Score den wurde (11). Direkte Effekte der Schilddrüsenhormone auf die Osteoklastenfunktion führen bei der schyper zu einer erniedrigten Knochendichte (12), welche mit einer erhöhten Frakturrate in Verbindung gebracht wird, insbesondere bei postmenopausalen Frauen. Therapie Eine Therapie sollte nur evaluiert werden, falls die schyper persistierend nachgewiesen werden kann. Die Datenlage für Therapie-Initiierung ist schwach und muss daher aufgrund der klinisch abgeschätzten Risiken des Patienten in Abhängigkeit der bestehenden TSH-Suppression erfolgen. Auch hier kann eine systematische Erfassung der Klinik hilfreich sein (Tab. 4). Aufgrund erwähnter Datenlage würden wir folgendes Vorgehen empfehlen. Nach Ausschluss einer transienten TSH-Suppression sollen Patienten mit komplett supprimiertem TSH behandelt werden. Bei TSH 0,1-0,5mU/l sollen bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen oder einem erhöhten Komplikationsrisiko (z.b. strukturelle Herzerkrankungen, erhöhtem Risiko für Vorhofflimmern, postmenopausale Frauen mit Osteoporose- Risiko) grosszügig eine Therapie evaluiert werden, ebenso bei Nachweis einer verminderten Knochendichte. Falls ursächlich eine oder mehrere fokale Autonomie-Herde vermutet werden, kann eine Behandlung ebenfalls grosszügig evaluiert werden, da diese gehäuft zu einer manifesten Hyperthyreose führen. Bei jungen Patienten mit niedrigem Komplikationsrisiko soll eine schyper nur bei störenden Symptomen behandelt werden. Andernfalls empfehlen wir die 6- bis 12-monatliche Kontrolle der Schilddrüsenfunktion (Abb. 2). Diese Empfehlungen ähneln denen der amerikanischen Richtlinien (13, 14). Die Therapiemodalität hängt einerseits von der Ursache der schyper und andererseits von den Ko-Morbiditäten der Patienten ab. Es gibt die Möglichkeit einer medikamentösen Therapie mit Thyreostatika oder einer Radiojod-Therapie und in seltenen Fällen einer sehr grossen Struma kann die schyper ein zusätzliches Argument zu operativer Sanierung sein. Die Thyreostatische Therapie kann dosisabhängig sehr selten zu relevanten Nebenwirkungen (Agranulozytose, Leberfunktionsstörungen) führen, ist aber vor allem bei älteren Patienten meist die Therapie der Wahl. Bei jungen, unabhängigen Patienten kann allenfalls eine Radiojod-Therapie diskutiert werden, mit dem Risiko der posttherapeutischen subklinischen oder manifesten Hypothyreose, die dann mit T4 behandelt werden müsste. Dr. med. Anna Minder PD Dr. med. Henryk Zulewski Abteilung Endokrinologie & Diabetologie Stadtspital Triemli, Zürich Henryk.Zulewski@triemli.zuerich.ch B Literatur am Online-Beitrag unter: www.medinfo-verlag.ch Take-Home Message Subklinische Dysthyreosen haben häufig einen passageren Charakter, weshalb vor einer definitiven Therapieentscheidung eine erneute TSH- und ft4-bestimmung in 1 3 Monaten sinnvoll ist. Die beschriebenen negativen kardiovaskulären Effekte der subklinischen Hyperthyreose werden vor allem bei einem TSH < 0.1mU/l beobachtet. Subklinische Dysthyreosen mit einem TSH <0.1 und über 10mU/l sollten in der Regel behandelt werden. Bei TSH Werten zwischen 0.1 und 0.5 mu/l sowie 4.0 bis 10 mu/l kann im Einzelfall eine Therapie in Abhängigkeit von der Klinik, der Komorbidität oder dem Alter des Patienten ebenfalls sinnvoll sein. der informierte arzt _ 06 _ 2014 15

Literatur: 1. Cooper DS, Biondi B. Lancet. 2012;379(9821):1142-54 2. Canaris GJ et al. Arch Intern Med. 2000;160(4):526-34 3. Biondi B Cooper DS. Endocr Rev. 2008;29(1):76-131. 4. Zulewski H et al. J Clin Endocrinol Metab. 1997;82(3):771-6 5. Meier C et al. Clin Endocrinol Metab. 2001;86(10):4860-6 6. Rodondi N et l. JAMA. 2010;304(12):1365-74 7. Razvi S et al. J Clin Endocrinol Metab. 2010;95(4):1734-40 8. Pearce SHS et al. Eur Thyroid J. 2013;2:215-28 9. Gussekloo J et al. JAMA. 2004;292(21):2591-9 10. Vadiveloo T et al. J Clin Endocrinol Metab. 2011;96(1):E1-8 11. Sawin CT et al. N Engl J Med. 1994;331(19):1249-52 12. Vadiveloo T, et al. J Clin Endocrinol Metab. 2011;96(5):1344-51 13. Surks MI et al. JAMA. 2004;291(2):228-38 14. Col NF, et al. Surks MI, Daniels GH. JAMA. 2004;291(2):239-43 15. Zulewski H et al. Exp Clin Endocrinol Diabetes. 1999;107(3):190-4 16 06 _ 2014 _ der informierte arzt