Essstörungen Psychosoziale Interventionsformen II 14.3.2015 MMag. Katrin Draxl 2 Häufigste Essstörungen Anorexia Nervosa (Magersucht) Bulimia Nervosa (Ess-Brechsucht) Binge-Eating-Disorder (BED) Gemeinsamkeiten: Störung im Essverhalten und permanente gedankliche Beschäftigung mit Essen/Nicht-Essen Keine Essstörung im engeren Sinn: Adipositas Orthorexie
3 Zahlen Anorexie beginnt meist um das 14. Lebensjahr, Bulimie um das 18., die BED ab dem 20. oder 30. Lebensjahr Rund 200.000 Österreicherinnen sind von Essstörungen betroffen Essstörungen beginnen schleichend, meist mit einer Diät. Fast 50% der 11-13jährigen Mädchen in Westeuropa haben schon einmal eine Diät gemacht. Etwa 40% der normal- und untergewichtigen 11 bis 19jährigen fühlen sich zu dick. 4 Diagnostische Kriterien Anorexie (ICD-10: F50.0) Körpergewicht < BMI=17,5kg/m² Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust Körperschemastörung mit intensiver Angst vor Gewichtszunahme Endokrine Störung (Amenorrhö bei Frauen, Libido- und Potenzverlust bei Männern) F50.00: restriktiv, non-purging F50.01: purging F50.1: atypische Anorexie Bulimie (ICD-10: F50.2) Permanente Beschäftigung mit Essen, Essattacken Vermeidung von Gewichtszunahme durch kompensatorische Maßnahmen Intensive Angst, dick zu werden Essanfall: Große Essensmenge in kurzer Zeit und Kontrollverlust während Essattacke (DSM 5) Selbstwahrnehmung unangemessen durch Figur und Gewicht beeinflusst (DSM 5)
5 Diagnostische Kriterien Binge-Eating-Disorder; DSM 5 Episoden von Fressanfällen große Nahrungsmenge in z.b. 2 Stunden Gefühl des Kontrollverlustes plus 3 der 5 Merkmale: Schlingen Essen bis unangenehm voll Essen großer Mengen ohne Hunger Alleine essen aus Scham Nach Essanfall Schuld, Ekel, Depremiertheit Leidensdruck 1x pro Woche für drei Monate Keine kompensatorischen Maßnahmen Adipositas Übergewicht BMI 25-29,9 Adipositas 1: BMI 30-34,9 Adipositas 2: BMI 35-39,9 Adipositas 3: BMI 40 Untertypen phänomenologisch: Rauschesser Daueresser Nimmersatte Nachtesser 6 Interventionsebenen Individuum Familie Gemeinde, Schule Gesellschaft
7 Dove Evolution https://www.youtube.com/watch?v=iyhcn0jf46u 8 Essstörungen erkennen Je früher eine Essstörung erkannt wird und je früher die Behandlung beginnt, desto höher sind die Heilungschancen.
9 Was kann ich tun...... wenn m/ein/e FreundIn eine Essstörung hat? Beobachtungen direkt ansprechen keine Diagnosen stellen In Ich-Botschaften sprechen Vorwürfe vermeiden Informationsmaterial zur Verfügung stellen 10 Was kann ich tun... R. Bryant-Waugh, B. Lask: Essstörungen, 2008... wenn mein Kind eine Essstörung hat? Die Reaktionen der Eltern auf die Essstörung ihrer Kinder können als aufrechterhaltende Faktoren wirken. Sie können sich aber auch mit dem Kind gegen die Essstörung verbünden Wichtige Grundsätze für das Verständnis von Essstörungen: Niemand entscheidet sich freiwillig für eine Essstörung Der Widerstand gegen jegliche Veränderung und Hilfestellung ist Teil der Störung, besonders bei Anorexie Geringe Selbstachtung ist ein Hauptmerkmal Die Genesung ist ein langwieriger Prozess
11 Was kann ich tun... R. Bryant-Waugh, B. Lask: Essstörungen, 2008... wenn mein Kind eine Essstörung hat? Grundlegende Richtlinien für den Umgang mit Essstörungen Vermeiden Sie Schuldzuweisungen Seien Sie verständnisvoll Zeigen Sie als Eltern Konsequenz und ziehen Sie an einem Strang Zögern Sie die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe nicht hinaus Nehmen Sie auch für sich professionelle Unterstützung in Anspruch 12 Was kann ich tun... R. Bryant-Waugh, B. Lask: Essstörungen, 2008... wenn mein Kind eine Essstörung hat? Klären Sie gemeinsam mit den Eltern, in welcher Form diese für die Genesung der Kinder hilfreich sein können: Möglichkeit gemeinsamer Mahlzeiten Vorgabe von Portionsgrößen oder Förderung der diesbezüglichen Selbstverantwortung Reduzieren der Kontrolle seitens der Eltern in Bezug auf Erbrechen oder Essensmenge Häufigkeit und Art des Wiegens (z.b. allein oder in Anwesenheit eines Zeugen ) oder ein Entfernen der Waage gemeinsame Unternehmungen
13 Behandlungsbeginn Den Behandlungsbeginn verzögernde Faktoren bei Anorexie mangelnde Krankheitseinsicht enorme Angst vor einer Gewichtszunahme relativ hoher Krankheitsgewinn zu Beginn der Erkrankung Bulimie Scham- und Schuldgefühle enorme Angst dick zu werden 14 Behandlungsmöglichkeiten Telefonische Beratung Mail-/Online-Beratung Psychologische Beratung Angehörigenberatung Selbsthilfegruppen für Betroffene Selbsthilfegruppen für Angehörige Psychotherapie in der freien Praxis Psychotherapie im ambulanten Setting Stationäre Behandlung Behandlung in der Tagesklinik Gruppenpsychotherapie
15 Prognostisch ungünstige Faktoren Anorexie Später Behandlungsbeginn Geringes Ausgangsgewicht Geringe Zunahme in ersten Behandlungswochen Körperschemastörung, niedriges Wunschgewicht Zwanghafte Persönlichkeit Psychosoziale Probleme Stark gestörte Familienbeziehungen Bulimie Chronifizierung Stark ausgeprägte Symptomatik Psychosoziale Probleme Vorgeschichte von Übergewicht Substanzmissbrauch Selbstverletzendes Verhalten 16 Indikation für stationäre Behandlung Ernsthafte körperliche Komplikationen Gewicht unter BMI = 13 bzw. 15 Rasanter Gewichtsverlust (>20% in 6 Monaten) Suizidalität Selbstverletzendes Verhalten Mangelndes Ansprechen auf ambulante Behandlung Fehlen spezialisierter ambulanter Behandlungsmöglichkeiten
17 Verlauf bei Behandlung Anorexie 50% Heilung, 30% Besserung, 20% Chronifizierung Bulimie 70% Heilung, 20% Besserung, 10% Chronifizierung BED 70% keine BED mehr, 10% Chronifizierung, geringe Gewichtsabnahme (bei 1/3 BMI > 30) 18 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!