Gebären ist Körperarbeit Immer wieder begegnen mir schwangere Frauen, die meinen, die beste Geburtsvorbereitung bestehe darin, sich gesund zu ernähren und die Geburt zu nehmen, wie sie kommt. Als langjährig praktizierende Hebamme in allen Bereichen der Geburtshilfe konnte ich erleben, was es bedeutet, eine Geburt mit allen Sinnen zu erfahren. Es ist mir klar geworden, was eine Frau, in deren Körper grösste körperliche und seelische Veränderungen stattfinden, in Vorbereitung auf die Geburt am ehesten benötigt. Gebären ist nicht Kopfarbeit, sondern Körperarbeit! Schwangerschaft als Zeit der Veränderung ermöglicht vielen Frauen den Zugang zum Yoga, weil alles neu und im Wandel begriffen ist. Als Lehrende bin ich darauf bedacht, Schwangeren nicht die hohe Kunst des Yogas zu vermitteln, sondern sie behutsam «in Verbindung» zu bringen. Im prenatalen Yoga ist es wunderbar möglich, viele Ansprüche zu verbinden. Sportliche Frauen lernen, ihrem Körper achtsamer und freundlicher zu begegnen. Der gewohnte Leistungsdruck tritt mehr und mehr in den Hintergrund und macht Platz für neue Entdeckungen im Üben von Asanas mit der Betonung auf Elastizität und Geschmeidigkeit. Die Verbindung zum Atem macht innerlich ruhig und energetisiert den Körper und den Geist. Frauen, für die Bewegung im Alltag weniger wichtig ist, erleben im prenatalen Yoga eine sanfte Methode, ihren Körper spüren zu lernen, ohne an den Ansprüchen zu scheitern. Alle Bewegungen, Atemübungen und vor allem die Entspannung in Savasana helfen, den schwangeren Körper in Wohlbefinden zu bringen und das Gedeihen des Babys mit Freude zu erleben. In der folgenden Asana-Serie sind Bewegungen dargestellt, die leicht zu üben sind und eine grosse Wirkung in der Schwangerschaft für Mutter und Baby entfalten. Text: Antje Garth, Hebamme und Yogalehrerin hebammerei biel, www.hebammerei.ch Modell: Esther Götte Fotos: Pascal Corbat
01 Lotusstellung Beugen Sie die Knie und bringen Sie Ihre Füsse zum Rumpf. Die Füsse liegen hintereinander. Die Fusssohlen berühren dabei jeweils Oberschenkel und Schienbein. Richten Sie sich aus dem Becken auf, ohne dass Ihr Bauch Sie nach vorne zieht und Sie in ein Hohlkreuz sinken. Hilfreich könnte hierbei ein Kissen unter dem Gesäss sein. Heben Sie nun den Brustkorb an, damit die Flanken lang werden. Lassen Sie die Schultern sinken, die Hände ruhen auf dem Bauch in Verbindung zum Baby. Nun konzentrieren Sie sich auf eine grosszügige Einatmung über die Nase. Sie spüren die Tiefe der Atmung bis in den Bauch zum Baby und fühlen die Verbindung. Im Ausatmen lösen Sie Ihr Becken nach unten und nehmen die Erde unter sich wahr. Lächeln Sie nach innen und nach aussen. 02 Mudra Sie befinden sich weiterhin in dieser Position und richten nun Ihre Hände seitlich über den Bauch auf, so dass sich die Fingerspitzen verbinden. Jeder Finger der einen Hand steht für ein Chakra, jeder Finger der anderen Hand für ein Element. Dabei löst sich sanft Ihr Nacken und Ihr Kopf sinkt wenig nach vorne. Sie sind weiterhin im Atem und nehmen wahr, dass das Kind in Ihnen einen guten Raum hat, um zu wachsen und zu gedeihen. Sie vertrauen Ihrem Körper. Sie verbinden nun Ihre Handflächen, spüren Ihre eigene Energie und entscheiden, präsent und wach zu sein. In einer Einatmung führen Sie die verbundenen Hände über den Kopf und atmen in dieser Pose fünf- bis zehnmal weiter, spüren die Länge in den Flanken und in einer folgenden Ausatmung sinken die Arme über die Seite zu den Knien. Dabei erleben Sie sich offen und frei.
03 Seitenbeuge Öffnen Sie die Beine, evtl. hilft ein kleines Sitzkissen, um die Aufrichtung im Becken zu optimieren. Im Ausatmen drehen Sie Ihr Becken sanft nach rechts und beginnen sich zu neigen, dabei schiebt Ihr rechter Arm gegen die Innenseite des rechten Beines. Beugen Sie sich nur so weit zur Seite, dass Sie sich nicht verbiegen, und spüren Sie den Atem in der linken Flanke. Der linke Arm richtet Sie auf. Der Kopf neigt sich entspannt zur linken Schulter. Bleiben Sie fünf Atemzüge in dieser Position. Wechseln Sie dann auf die andere Seite. 04 Weite offene Vorbeuge Legen Sie ein grösseres Kissen mittig zwischen Ihre Beine. Ihre Beine sind weiterhin gestreckt und die Füsse bleiben aktiv. Richten Sie sich nochmals auf und versuchen Sie dann, mit langem Rücken ausatmend auf Ihr Kissen zu sinken. Ihr Bauch sollte hinter dem Kissen genügend Platz haben und nicht nach innen bewegt sein. Geben Sie Ihrem Baby Raum und atmen Sie fünfmal ein und aus und kehren dann zurück. 05 Tiefe Hocke Sie gelangen in die tiefe Hocke, indem Sie die Beine schliessen, anwinkeln und seitlich über den Vierfüssler stand jeweils das rechte und linke Bein wieder aufstellen, so dass die Füsse mit dem Boden verbunden sind. Gelingt es Ihnen nicht, die Füsse komplett an den Boden zu bringen, heben Sie die Fersen oder schieben eine kleine Rolle unter. Ihre Hände sind verbunden. Die Ellenbogen schieben sanft die Knie nach aussen. Lassen Sie Ihr Becken nach hinten unten sinken und geben Sie Ihrem Babybauch zwischen Ihren Beinen genügend Raum. Spüren Sie Ihren Beckenboden und versuchen Sie loszulassen. Verweilen Sie fünf Atemzüge in der Position. Legen Sie die Hände auf den Boden und dehnen Sie nochmals Ihre Beine nach aussen. Bewegen Sie sich nach vorne und verlagern Sie Ihr Gewicht auf Ihre Hände. Achten Sie dabei auf Ihr Gleichgewicht. Wiederholen Sie nach Gefühl.
06 Vorwärtsstrecken im Stehen Aus der Hocke richten Sie sich auf, indem Sie Ihre Hände auf den gebeugten Knien ablegen und den langen Rücken für einige Atemzüge spüren. Nun lösen Sie Ihre Hände von den Knien und breiten sie seitlich aus. Hier benötigen Sie eine grosszügige Atmung, genannt Ujjayi. Bleiben Sie fünf Atemzüge in dieser Position. 07 Stehen Bewegen Sie die Arme seitlich in einer Einatmung nach oben, im Ausatmen sinken Sie auf Ihre Füsse und geniessen weiteratmend die Länge. In einer der nächsten Ausatmungen können Sie wieder in die Beugung der Knie gehen und den Zyklus nochmals wiederholen. 08 Beckenkreisen Im Stehen legen Sie beide Hände auf den Bauch und beginnen Ihr Becken zu kreisen. Dabei bleiben Ihre Füsse fest am Boden. Kreisen Sie mit der Vorstellung, eine Kugel in Ihrem Becken rotierend zu bewegen, in beide Richtungen. Begleiten Sie sich gut atmend.
09 Variierter Vierfüsslerstand Kommen Sie in den Vierfüsslerstand und positionieren Sie Ihre Hände unter den Schultern; die Beine sind hüftbreit geöffnet. Beginnen Sie sanft Ihr Becken zu schaukeln und steigern Sie die Bewegung, bis Ihr Rücken vollkommen in die Rundung geöffnet ist, dabei sinkt Ihr Kopf nach vorne. In der Gegenbewegung steigt Ihr Brustkorb und Ihr Becken verändert seine Position nach hinten oben. Ihr Bauch entspannt sich vollkommen, ebenfalls Ihr Beckenboden. Begleiten Sie die Bewegung mit Ein- und Ausatmung. Finden Sie Ihren eigenen Rhythmus. Wiederholen Sie, bis sich eine angenehme Wärme in Ihrem Becken und entlang der Wirbelsäule ausbreitet. 10 Kindstellung Aus dem Vierfüsslerstand kommen Sie nun auf Ihre weitgeöffneten Knie, wobei Ihre Fussspitzen zusammen bleiben und Ihr Bauch ausgiebig Platz hat. Zwischen Fersen und Gesäss können Sie ein Kissen legen. Dehnen Sie den Nacken nach vorn und legen Sie die Stirn auf ein kleines Kissen am Boden. Die Arme streben nach vorn, Brustkorb, Bauch und Gesäss sinken zum Boden. Bleiben Sie fünf Atemzüge in der Position. Falls Sie unter Sodbrennen leiden, ist dieses Asana nicht geeignet. 11 Schlussentspannung Aus der Kindposition gelangen Sie auf Ihre linke Seite. Die Beine sind leicht angewinkelt und offen. Zwischen Ihre Knie legen Sie ein Kissen. Unter den Kopf legen Sie eine Unterlage, damit Ihre Halswirbelsäule die Verlängerung der Wirbelsäule erlebt. Den linken Arm versuchen Sie frei nach vorne auszustrecken, ohne die Schulter zu blockieren, die rechte Hand ruht auf Ihrem Bauch. Schliessen Sie die Augen. Über Ihren Atem verbinden Sie sich mit Ihrem Baby, lassen Sie dabei alles los, um Ihren Körper und Geist vollständig zu entspannen.