Compliance Adherence fördern-verbessern-erhalten? P. Hartmann, Minden
Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden 4 Gastroenterologen Filialpraxis im Klinikum Zweigpraxis 10 Arzthelferinnen 5 Auszubildende 1 Bürokauffrau 3800 Patienten/Quartal Ca. 480 CED- Patienten/Quartal
Definitionen Was heißt bzw. was bedeutet Compliance? Keine einheitliche Definition, aber z.b. übliche Bedeutung: Therapietreue Zuverlässigkeit Bereitschaft des Pat. bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitzuwirken Ist Adhärenz etwas anderes?
Compliance und Adherence Adherence Compliance Der Begriff Adhärenz ersetzt zunehmend den Begriff Compliance (engl. für Einverständnis, Einhalten, Willfährigkeit, Fügsamkeit) in der Medizin. Dieser bezeichnet die Einhaltung der Therapievorgaben durch den Patienten und repräsentiert eine veraltete Sicht, wonach die Verantwortung für einen Therapieerfolg oder Therapieversagen einseitig beim Patienten liegt
Compliance und Adherence Der Arzt muß nicht nur das tun, was er für richtig hält, sondern er muß auch den Patienten miteinbeziehen, damit dieser mitarbeitet. Hippokrates, 400 v. Chr.
Beispiele Was ist mit Compliance eher nicht gemeint? Strikte Anordnungen des Arztes/der Fachassistenz und dann deren Befolgung durch den Patienten bzw. die Kontrolle/Überwachung von medizinischen Maßnahmen dem Patienten eine Therapie zu verordnen, gegen die er größte Vorbehalte hat, und ihn dann zu kontrollieren und ihn ggf. zu kritisieren Dem Patienten Gehorsam abzuverlangen Also: Compliance als Ziel stellt eine gemeinsame Anstrengung mit den Patienten dar
Was ist mit Compliance aber auch gemeint? Beispiele Rauchen als wichtigen prognostischen Parameter anzuerkennen und insb. beim M. Crohn auf Rauchen zu verzichten (die CED-Fachkraft könnte z.b. helfen Raucher in Entwöhnungsprogramme einzuschleusen) CED als eine (bedauerlicherweise) chronische Erkrankung anzuerkennen, mit der Konsequenz einer regelmäßigen, manchmal jahrzehntelangen medizinischen Betreuung (die CED-Fachkraft könnte Kontakt zu ähnlichen Pat. in der Praxis herstellen)
Ist Compliance bei CED überhaupt erforderlich und wie kann sie erreicht werden? Schnupfen erfordert keine besondere Compliance, denn mit oder ohne Compliance bessert er sich ohne Compliance entsteht bei CED häufig Chaos, z.b. welches Medikament sollte man als nächstes einsetzen (Beispiel anti-tnf) oder wird das alte (Beispiel Azathioprin) gar nicht eingenommen Aber : Compliance-Bemühungen dürfen nicht zum totalen Verlust der Lebensqualität führen CED-Patienten müssen individuell wahrgenommen werden Partner des Arztes/der Fachassistenz so viel Freiheit wie möglich aber auch eine gewisse Bestimmtheit Information und patientengerechte Erläuterungen sind ein absolutes Muss
Beispiele Ist Compliance bei anderen Krankheiten wichtig und was könnten wir dort lernen? Zuckerkrankheit manche Pat. messen den Blutzucker und passen die Insulin- Dosis an, das schafft auch Freiheit und somit Lebensqualität Bluthochruck trotz keinerlei Beschwerden ist eine dauerhafte Therapie notwendig um Komplikationen (wie einen Schlaganfall) zu vermeiden, d.h. Information und Stärkung der Motivation sind erforderlich Fazit: von anderen lernen (z.b. Schulungskurse, gute Info- Broschüren einsetzen etc.)
Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance bei CED Stichwort Medikamentöse Therapie Merke: wenn dauerhafte Medikation erforderlich ist sollte sie einfach/komfortabel einzunehmen sein Beispiel Mesalazin (5-ASA)
Wie viele der verordneten Medikamente (5-ASA) werden eingenommen? Patienten-Angabe: 43 % nehmen weniger als 80 % der verordneten Dosis ein! 2 % nehmen nichts ein! Kontrolle mit Urinuntersuchung: 12 % hatten überhaupt nichts eingenommen! 18 % praktisch kein Med.-Spiegel! Damit 30 % ohne Medikament!!! Probleme: Dosierung 3x tgl. Vollzeit-Beschäftigung Shale, Aliment Pharmacol Ther, 2003
Problem bei Patienten mit C. ulcerosa in Remission Wieso sollen Pillen genommen werden obwohl alles im Lot zu sein scheint? Kane S, 2001
Adherence (%) Compliance zur Medikation bei CU-Patienten in Remission in Abhängigkeit von der Dosis 70 60 55% 60 % n=94 50 40 30 30 % 38% 31 % 20 10 0 2 g 2.4 g 3.6 g 4 g 4.8 g Dose Kane S, 2001
Adherence (%) Non-Adherence zur Medikation bei Colitis ulcerosa in Remission 70 60 50 40 30 20 10 0 49 %* 34 % 17% Distal Left Pan n=94 *Test for trend p=0.04 Kane S, 2001
60 40 Non-Adherence bei Colitis ulcerosa in Remission 60.0% 50 59/99 Patients (60%) Non-adherent to 5-ASA Therapy 30 20 10 0 20.4% 3.4% 3.4% Vergessen Fragl. Nutzen Angst vor NW Kosten Gründe Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden Kane S, et al. 2002
Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance Stichwort Medikamentöse Therapie mit Mesalazin (5-ASA) bei C. ulcerosa häufig eine Vereinfachung möglich, z.b. nur einmal am Tag Einnahme der gesamten Dosis zu einem Zeitpunkt den der Patient mitbestimmt
Adherence (% of patients) Einmal täglich 5-ASA verbessert die Compliance 100% 100 90% *p <0.05; CD = bid or tid 80 78%* 75%* 60 40 20 0 OD CD OD CD n=12 n=10 n=12 n=10 3 Months 6 Months Kane S, 2003.
P169: Higher Remission rates in patients with once-daily dosing compared to twice-daily dosing. An analysis of compliance in the Podium trial Patienten in klinischer und endoskopischer Remission nach 12 Monaten Pentasa 1g Sachet 2x tgl. 63.6 % Pentasa Xtend 2g Sachet 73.8 % 1x tgl. Anzahl der Patienten in % 20 40 60 80 100 Intention To Treat (ITT) Compliance als unabhängige Co-Variable war für die unterschiedlichen Remissionsraten verantwortlich (P=0,0001) (P=0,023) Bokemeyer, Dignass et al.; Germany
Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance Stichwort Medikamentöse Therapie Merke: wenn dauerhafte Medikation erforderlich ist sollte sie einfach/komfortabel einzunehmen sein und auch individuell angepasst sein Beispiel anti-tnf-medikamente Adalimumab (Humira) s.c. Infliximab (Remicade) i.v.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance anti-tnf-medikamente Adalimumab (Humira) s.c. Infliximab (Remicade) i.v. Beispiele für Chancen einer guten Compliance d.h. der gut informierte Pat., der viel reist, seine Erkrankung selber einschätzen kann und auch zuverlässig erscheint, könnte ein guter Kandidat für Adalimumab sein, da er selber s.c. 14täglich spritzt umgekehrt manche Pat. sind besser betreut wenn sie alle 8 Wochen eine Infliximab-Infusion in der Praxis bekommen Resultat: Verbesserung der Compliance
Möglichkeiten der CED-Fachassistenz Bezugsperson, häufig seit vielen Jahren Pat.-Schwelle niedriger als zum Arzt CED-Kompetenz durch spezielle Ausbildung und Erfahrung ist häufig näher am Pat., da z.b. Infusionsüberwachung, Blutentnahmen etc. Compliance als wichtige Zielgröße für individuelle Pat. monitoren
Möglichkeiten der CED-Fachassistenz Stichwort: Praxis/Ambulanzorganisation Kleine Einheiten pflegen (keine Massenbetreuung) regelmäßige Termine auch in der Remission unbürokratischer Zugang zu Rezepten Notfallsprechzeiten vorhalten Problem: nahezu keine Studien, die eine Verbesserung der Compliance und der Behandlungsergebnisse dokumentieren, aber sehr viel Alltagserfahrung Ziel: Studien mit CED-Fachassistenz die Wege zur Compliance-Verbesserung prüfen
Patientenschulung und Selbsthilfegruppen Vorteil: Hilfe zur Selbsthilfe - Besseres Verständnis der Erkrankung - Weniger Angst - Mehr Akzeptanz - Besserer Umgang mit der Krankheit - Größerer Behandlungserfolg - Weniger Komplikationen = Emanzipation von der Krankheit Problem: - Neues Arzt-Patienten-Verhältnis notwendig (Empowerment of patients) - mehr Eigenverantwortung