Compliance Adherence fördern-verbessern-erhalten?

Ähnliche Dokumente
Therapietreue. Prof. Dr. Volker Groß. Begriffsbestimmungen

Datenlage und Therapieerfahrungen sprechen für Pentasa Xtend 2g

Compliance bei HIV. Jens Ahrens, Berlin

Vorsorge-Koloskopie und Karzinomprophylaxe bei Colitis-Patienten

Herzlich Willkommen zum

Therapeutische Exitstrategien

Moderne Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa/morbus Crohn)

Illustrationen: Tommy Weiss. Celgene GmbH Joseph-Wild-Straße München. Telefax: 089 /

Therapie der CED mit Mesalazin und Budesonid

Index wird nicht angezeigt

Morbus Crohn (MC) Chronisch entzündliche Darmerkrankung Diskontinuierlicher Befall Gesamter GI-Trakt Befall sämtlicher Wandschichten

Mesalazin bei Colitis ulcerosa Sind alle therapeutischen Möglichkeiten ausgereizt?

Patiententag 2014 Krebs was tun? Antworten auf Patientenfragen Stellenwert der Selbsthilfegruppen aus Sicht des Onkologen

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen in hausärztlicher Betreuung ein weißer Fleck auf der Versorgungskarte

Remissionsinduktion/ Remissionserhalt, Langzeittherapie

Der mündige Patient realistisches Ziel oder nur ein Schlagwort?

Der Jugendliche ADHS Patient Herausforderungen in der täglichen Praxis. 4. ADHS GIPFEL Hamburg Carlos A. Cordero d Aubuisson

Diagnostik und Behandlung des Morbus Crohn nach SONIC. PD Dr. med. Andreas Lügering Medizinische Klinik B Universitätsklinikum Münster

Der große Patientenratgeber Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Prof. Dr. Dr. Martin HärterH

GERADE NOCH RATLOS. JETZT SCHON VOLL DEN ÜBERBLICK! Therapiemöglichkeiten bei rheumatischen Erkrankungen.

Neue»Mind the Gap«-Studie: Die Kommunikation muss stimmen

Presseinformation. Erstes orales Budesonid zur Therapie des akuten Schubs. Colitis ulcerosa: Neue Therapieoption in Deutschland

Darmerkrankungen: Neue Wege in der oralen Therapie

Kommunikation zwischen Arzt und Patient Patientenperspektive

Therapie 2018: Was ist gesichert, was ist obsolet? bei chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED)

Mein Patient macht nicht mit- was nun? Compliance in der Arzneimitteltherapie

Was macht eine Therapie gut?

Essen ohne Nebenwirkung: Gesunde und natürliche Ernährung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

FIP-ERKLÄRUNG ZU BERUFSSTANDARDS DIE ROLLE DES PHARMAZEUTEN BEI DER UNTERSTÜTZUNG DER EINHALTUNG VON LANGZEITBEHANDLUNGEN

Ansatz: Bessere Therapie rechnet sich

Sprechstunde für Patienten mit Akromegalie. Dr. med. Mareike Stieg Assistenzärztin der Klinik Innere Medizin, Endokrinologie und Klinische Chemie

Kompetenznetz. chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) Herne. Warum?

Psychosomatik in der Bauchchirurgie

Welt Lymphom Tag Seminar für Patienten und Angehörige 15. September 2007 Wien

Starkes Herz Praxisprofessionalisierung und Case-Management (HeiPiPP)

Verstehen wollen allein reicht nicht! So kann eine gute Versorgung psychisch erkrankter Menschen gelingen! Johannes Hamann

Morbus Crohn: Schwere Verläufe bald nur noch Vergangenheit?

Zur Treue gehören immer zwei! Gemeinschaftliche Therapieverantwortung im Arzt-Patienten-Verhältnis

Gebrauchsinformation Roter Ginseng Extrakt Hartkapseln

Warum müssen chronisch entzündliche Darmerkrankungen. erfahrenen Zentrum operiert werden?

Lösungsansätze aus Sicht der Apothekerschaft

Onkologie, quo vadis? 2012

Patienteninformation AOK-Curaplan Diabetes mellitus Typ 1

Kommunikationsformen in der Arzt-Patient-Beziehung am Beispiel von Shared Decision Making

Versorgungs- und Leistungsinhalte Gastroenterologie in Verbindung mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV)

Versorgungs- und Leistungsinhalte Gastroenterologie in Verbindung mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV)

Chronisch entzündlicher Darmerkrankungen Klinische Daten aus der Phytoforschung

Aktuelle Strategien bei der komplexen, incl. biologischen Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, speziell des M. Crohn

Erfolgreiche Therapie

Aktuelle klinische Studien bei CED 2015

ibdialog monthly Unterstützt das Therapie-Monitoring Für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Digital, schnell und zielgerichtet

Angehörige von Patienten rund um die Transplantation

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Aktuelle Therapiestandards

Chronische Polyarthritis - CP Diagnose Behandlungsmöglichkeiten

Herzinsuffizienz und Depression was ist notwendig zu beachten

Mezavant (Mesalazin) Ein Meilenstein in der Therapie der Colitis ulcerosa durch MMX -Technologie

Was nutzen Patientenschulungen bei MS?

OSTEOPOROSE SELBSTHILFE bei Osteoporose.

CED Nord Oldenburg 2018 Lokale Therapie: Einläufe, Schäume, Zäpfchen

Wirkt Medizin erst, wenn sie vom Patienten auch gewollt wird?

Ihr Spezialist für Therapiebegleitung. zu Hause. Healthcare at Home Deutschland GmbH. Wir bringen Gesundheit nach Hause

Schulungen in der Gastroenterologie und bei Stoffwechselkrankheiten im Spiegel der Qualitätssicherung der DRV

Colestilan (BindRen) bei chronischem Nierenversagen

Patientenempowerment: Pharmakommunikation für eine individuelle Patientenansprache

Prädiktoren der Medikamenten-Adhärenz bei Patienten mit depressiven Störungen

Das Arzt-Patienten-Verhältnis 4.0

Gastrohighlights 2016: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Was gibt es Neues in 2006 und 2007? Dr. Iris Gerlach

Gut leben mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Integrierte Sucht-Psychose Station

V I N VerordnungsInfo Nordrhein

Patientenverfügung, die Freiheit nehme ich mir. Verbindlichkeit und Grenzen der Patientenautonomie.

Angehörige von Patienten rund um die Transplantation

Patienteninformation AOK-Curaplan Diabetes mellitus Typ 1

Mit Therapie Aktiv Diabetes im Griff wurde ein Behandlungsprogramm für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (= Zuckerkrankheit)

DAUER DER STUDIE: Läuft seit Nov mindestens bis 2017.

DHS: Hilfe für Medikamentenabhängige?! 10. März 2005, Berlin. Medikamentenmissbrauch und abhängigkeit in Hausarztpraxen

Der informierte Patient in der Orthopädie Priv.-Doz. Dr. med. Christian Lüring

Evaluation AOK- Curaplan COPD

KLINIK SCHLOSS MAMMERN Dr. A. O. Fleisch-Strasse CH-8265 Mammern Telefon +41 (0) Fax +41 (0)

Compliance: Drei Mal täglich nach dem Essen?

Entyvio (Vedolizumab) Der darmselektiv wirkende Integrin-Hemmer bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn 1 4

Serum- und Stuhlmarker hilfreich für Diagnose und Prognose?

Was erwarten Krebspatienten vom Apotheker

Assessment: Gemeinsame Einschätzung

Endokrine Therapie: wenn nur die Compliance besser wäre...

UNERWÜNSCHTE ARZNEIMITTELWIRKUNGEN? So schützen Sie sich!

Diabetes mellitus Relevante Qualitätsdaten mit Blick auf Prävention und Therapie

Methotrexat in der Therapie des Morbus Crohn wirksam, sicher, günstig

Frauenselbsthilfe nach Krebs e.v.

Telemedizinisches Betreuungsprogramm für Menschen mit Diabetes mellitus

Frage: Führt die antibiotische Behandlung der Helicobacter pylori Infektion bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie zur Beschwerdefreiheit?

Die Zumutung chronisch krank zu sein

INFORMATION AN ÄRZTINNEN & ÄRZTE

Angehörige von Patienten rund um die Transplantation --Seminar--

Transkript:

Compliance Adherence fördern-verbessern-erhalten? P. Hartmann, Minden

Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden 4 Gastroenterologen Filialpraxis im Klinikum Zweigpraxis 10 Arzthelferinnen 5 Auszubildende 1 Bürokauffrau 3800 Patienten/Quartal Ca. 480 CED- Patienten/Quartal

Definitionen Was heißt bzw. was bedeutet Compliance? Keine einheitliche Definition, aber z.b. übliche Bedeutung: Therapietreue Zuverlässigkeit Bereitschaft des Pat. bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitzuwirken Ist Adhärenz etwas anderes?

Compliance und Adherence Adherence Compliance Der Begriff Adhärenz ersetzt zunehmend den Begriff Compliance (engl. für Einverständnis, Einhalten, Willfährigkeit, Fügsamkeit) in der Medizin. Dieser bezeichnet die Einhaltung der Therapievorgaben durch den Patienten und repräsentiert eine veraltete Sicht, wonach die Verantwortung für einen Therapieerfolg oder Therapieversagen einseitig beim Patienten liegt

Compliance und Adherence Der Arzt muß nicht nur das tun, was er für richtig hält, sondern er muß auch den Patienten miteinbeziehen, damit dieser mitarbeitet. Hippokrates, 400 v. Chr.

Beispiele Was ist mit Compliance eher nicht gemeint? Strikte Anordnungen des Arztes/der Fachassistenz und dann deren Befolgung durch den Patienten bzw. die Kontrolle/Überwachung von medizinischen Maßnahmen dem Patienten eine Therapie zu verordnen, gegen die er größte Vorbehalte hat, und ihn dann zu kontrollieren und ihn ggf. zu kritisieren Dem Patienten Gehorsam abzuverlangen Also: Compliance als Ziel stellt eine gemeinsame Anstrengung mit den Patienten dar

Was ist mit Compliance aber auch gemeint? Beispiele Rauchen als wichtigen prognostischen Parameter anzuerkennen und insb. beim M. Crohn auf Rauchen zu verzichten (die CED-Fachkraft könnte z.b. helfen Raucher in Entwöhnungsprogramme einzuschleusen) CED als eine (bedauerlicherweise) chronische Erkrankung anzuerkennen, mit der Konsequenz einer regelmäßigen, manchmal jahrzehntelangen medizinischen Betreuung (die CED-Fachkraft könnte Kontakt zu ähnlichen Pat. in der Praxis herstellen)

Ist Compliance bei CED überhaupt erforderlich und wie kann sie erreicht werden? Schnupfen erfordert keine besondere Compliance, denn mit oder ohne Compliance bessert er sich ohne Compliance entsteht bei CED häufig Chaos, z.b. welches Medikament sollte man als nächstes einsetzen (Beispiel anti-tnf) oder wird das alte (Beispiel Azathioprin) gar nicht eingenommen Aber : Compliance-Bemühungen dürfen nicht zum totalen Verlust der Lebensqualität führen CED-Patienten müssen individuell wahrgenommen werden Partner des Arztes/der Fachassistenz so viel Freiheit wie möglich aber auch eine gewisse Bestimmtheit Information und patientengerechte Erläuterungen sind ein absolutes Muss

Beispiele Ist Compliance bei anderen Krankheiten wichtig und was könnten wir dort lernen? Zuckerkrankheit manche Pat. messen den Blutzucker und passen die Insulin- Dosis an, das schafft auch Freiheit und somit Lebensqualität Bluthochruck trotz keinerlei Beschwerden ist eine dauerhafte Therapie notwendig um Komplikationen (wie einen Schlaganfall) zu vermeiden, d.h. Information und Stärkung der Motivation sind erforderlich Fazit: von anderen lernen (z.b. Schulungskurse, gute Info- Broschüren einsetzen etc.)

Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance bei CED Stichwort Medikamentöse Therapie Merke: wenn dauerhafte Medikation erforderlich ist sollte sie einfach/komfortabel einzunehmen sein Beispiel Mesalazin (5-ASA)

Wie viele der verordneten Medikamente (5-ASA) werden eingenommen? Patienten-Angabe: 43 % nehmen weniger als 80 % der verordneten Dosis ein! 2 % nehmen nichts ein! Kontrolle mit Urinuntersuchung: 12 % hatten überhaupt nichts eingenommen! 18 % praktisch kein Med.-Spiegel! Damit 30 % ohne Medikament!!! Probleme: Dosierung 3x tgl. Vollzeit-Beschäftigung Shale, Aliment Pharmacol Ther, 2003

Problem bei Patienten mit C. ulcerosa in Remission Wieso sollen Pillen genommen werden obwohl alles im Lot zu sein scheint? Kane S, 2001

Adherence (%) Compliance zur Medikation bei CU-Patienten in Remission in Abhängigkeit von der Dosis 70 60 55% 60 % n=94 50 40 30 30 % 38% 31 % 20 10 0 2 g 2.4 g 3.6 g 4 g 4.8 g Dose Kane S, 2001

Adherence (%) Non-Adherence zur Medikation bei Colitis ulcerosa in Remission 70 60 50 40 30 20 10 0 49 %* 34 % 17% Distal Left Pan n=94 *Test for trend p=0.04 Kane S, 2001

60 40 Non-Adherence bei Colitis ulcerosa in Remission 60.0% 50 59/99 Patients (60%) Non-adherent to 5-ASA Therapy 30 20 10 0 20.4% 3.4% 3.4% Vergessen Fragl. Nutzen Angst vor NW Kosten Gründe Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden Kane S, et al. 2002

Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance Stichwort Medikamentöse Therapie mit Mesalazin (5-ASA) bei C. ulcerosa häufig eine Vereinfachung möglich, z.b. nur einmal am Tag Einnahme der gesamten Dosis zu einem Zeitpunkt den der Patient mitbestimmt

Adherence (% of patients) Einmal täglich 5-ASA verbessert die Compliance 100% 100 90% *p <0.05; CD = bid or tid 80 78%* 75%* 60 40 20 0 OD CD OD CD n=12 n=10 n=12 n=10 3 Months 6 Months Kane S, 2003.

P169: Higher Remission rates in patients with once-daily dosing compared to twice-daily dosing. An analysis of compliance in the Podium trial Patienten in klinischer und endoskopischer Remission nach 12 Monaten Pentasa 1g Sachet 2x tgl. 63.6 % Pentasa Xtend 2g Sachet 73.8 % 1x tgl. Anzahl der Patienten in % 20 40 60 80 100 Intention To Treat (ITT) Compliance als unabhängige Co-Variable war für die unterschiedlichen Remissionsraten verantwortlich (P=0,0001) (P=0,023) Bokemeyer, Dignass et al.; Germany

Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance Stichwort Medikamentöse Therapie Merke: wenn dauerhafte Medikation erforderlich ist sollte sie einfach/komfortabel einzunehmen sein und auch individuell angepasst sein Beispiel anti-tnf-medikamente Adalimumab (Humira) s.c. Infliximab (Remicade) i.v.

Möglichkeiten zur Verbesserung der Compliance anti-tnf-medikamente Adalimumab (Humira) s.c. Infliximab (Remicade) i.v. Beispiele für Chancen einer guten Compliance d.h. der gut informierte Pat., der viel reist, seine Erkrankung selber einschätzen kann und auch zuverlässig erscheint, könnte ein guter Kandidat für Adalimumab sein, da er selber s.c. 14täglich spritzt umgekehrt manche Pat. sind besser betreut wenn sie alle 8 Wochen eine Infliximab-Infusion in der Praxis bekommen Resultat: Verbesserung der Compliance

Möglichkeiten der CED-Fachassistenz Bezugsperson, häufig seit vielen Jahren Pat.-Schwelle niedriger als zum Arzt CED-Kompetenz durch spezielle Ausbildung und Erfahrung ist häufig näher am Pat., da z.b. Infusionsüberwachung, Blutentnahmen etc. Compliance als wichtige Zielgröße für individuelle Pat. monitoren

Möglichkeiten der CED-Fachassistenz Stichwort: Praxis/Ambulanzorganisation Kleine Einheiten pflegen (keine Massenbetreuung) regelmäßige Termine auch in der Remission unbürokratischer Zugang zu Rezepten Notfallsprechzeiten vorhalten Problem: nahezu keine Studien, die eine Verbesserung der Compliance und der Behandlungsergebnisse dokumentieren, aber sehr viel Alltagserfahrung Ziel: Studien mit CED-Fachassistenz die Wege zur Compliance-Verbesserung prüfen

Patientenschulung und Selbsthilfegruppen Vorteil: Hilfe zur Selbsthilfe - Besseres Verständnis der Erkrankung - Weniger Angst - Mehr Akzeptanz - Besserer Umgang mit der Krankheit - Größerer Behandlungserfolg - Weniger Komplikationen = Emanzipation von der Krankheit Problem: - Neues Arzt-Patienten-Verhältnis notwendig (Empowerment of patients) - mehr Eigenverantwortung