BGB 181, 705, 714 Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Rechtsnatur; Vertretung; In-sich-Geschäft

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Transkript:

DNotI Deutsches Notarinstitut Fax - Abfrage Gutachten des Deutschen Notarinstituts Dokumentnummer: 1374# letzte Aktualisierung: 23. Februar 2001 BGB 181, 705, 714 Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Rechtsnatur; Vertretung; In-sich-Geschäft Sachverhalt: An einer neu gegründeten, noch nicht im Handelsregister eingetragenen Kommanditgesellschaft ist eine eingetragene Genossenschaft als Gesellschafter (Kommanditist) beteiligt. Die Genossenschaft, deren vertretungsberechtigte Organe (nachfolgend als X bezeichnet) nicht von 181 BGB befreit sind, soll nunmehr ein ihr gehörendes Grundstück in die künftige KG einbringen. Für die Geschäftsführung und Vertretung der KG-GbR ist gesellschaftsvertraglich vorgesehen, dass diese auch vor der Eintragung bereits allein durch den persönlich haftenden Gesellschafter (nachfolgend als Y bezeichnet) erfolgen soll. Hierzu stellen Sie folgende Fragen: 1. Besteht bei der gegebenen Ausgangslage im Hinblick auf die moderneren Auffassungen von der Teilrechtsfähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts überhaupt ein Problem des 181 BGB? 2. Lässt sich dieses Problem auf Seiten der GbR ggf. in der Weise lösen, dass die Vertretungsregelung entsprechend ausgestaltet wird (Ausschluss der künftigen Kommanditisten von der Vertretung) und man den Gesellschaftsvertrag zwecks Grundbuchvollzug beglaubigt? 3. Würde es sich für den Fall, dass auf Seiten der künftigen Kommanditgesellschaft mangels einer abweichenden Vertretungsregelung sämtliche Gesellschafter an dem Grundstücksübertragungsvertrag zu beteiligen wären, als problematisch erweisen, dass die Organmitglieder der einbringenden Gesellschaft ihrerseits nicht von 181 BGB befreit sind? Könnte hier evtl. durch eine Vollmachtslösung Abhilfe geschaffen werden? Hierzu nehmen wir wie folgt Stellung: 1. Vertretung einer KG vor Eintragung Nimmt eine als Kommanditgesellschaft gegründete Personengesellschaft ihre Geschäfte im Außenverhältnis schon vor Eintragung der Gesellschaft und der Haftungsbeschränkung der Kommanditisten ins Handelsregister auf, so ist die Gesellschaft nach 123 Abs. 2, 176 Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/ 3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de internet: http://www.dnoti.de user/mr/pool/1374.doc

Seite 2 Abs. 1 S. 1 HGB grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Geschäftsbeginns im Außenverhältnis wirksam, wobei alle Gesellschafter wie bei der OHG unbeschränkt für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Nach 176 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 123 Abs. 2 Halbs. 2 i. V. m. 2, 105 Abs. 2 HGB gilt dies jedoch nicht für Kleingewerbetreibende und auch reine Vermögensverwaltungsgesellschaften (vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, 176 Rn. 5 u. 123 Rn. 14;). Bei Kleingewerbetreibenden und Vermögensverwaltungsgesellschaften ist die Eintragung konstitutiv (vgl. nur Baumbach/Hopt, 176 Rn. 5 u. 105 Rn. 12); bis zur Eintragung ins Handelsregister gilt für derartige Gesellschaften zumindest im Außenverhältnis das Recht der BGB- Gesellschaften (vgl. nur Baumbach/Hopt, 176 Rn. 6). Nach 170 HGB ist der Kommanditist nicht zur Vertretung einer KG ermächtigt; dementsprechend sieht der Gesellschaftsvertrag der noch nicht eingetragenen KG vor, dass die Gesellschaft alleine durch den persönlich haftenden Gesellschafter erfolgen soll. Sofern der Gesellschaftsvertrag für die Zeit bis zur Eintragung der KG ins Handelsregister keine andere Vertretungsregelung vorsieht, ist davon auszugehen, dass der spätere Komplementär abweichend vom Grundsatz der 709, 714 BGB - auch vor Eintragung allein zur Vertretung der Gesellschaft/der Gesellschafter (s.u.) befugt sein soll. 2. Organschaftliche oder rechtsgeschäftliche Vertretung einer GbR Nach 181 (1. Alt.) BGB kann ein Vertreter, soweit ihm nichts anderes gestattet ist oder das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, ein Rechtsgeschäft nicht im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen vornehmen. 181 BGB gilt nicht nur für den rechtsgeschäftlichen, sondern auch für den gesetzlichen Vertreter (BGHZ 50, 10; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, 181 Rn. 3). Bestellt der Vertreter eine Untervertreter und nimmt er das Rechtsgeschäft diesem gegenüber vor, ist 181 nach seinem Normzweck analog anwendbar (BGH NJW 1991, 692; OLG Frankfurt OLGZ 74, 347; BayObLG Rpfleger 1993, 441). Im vorliegenden Fall wäre der Tatbestand des Insich-Geschäfts im Sinne des 181 (1. Alt.) BGB somit erfüllt, wenn der geschäftsführende Gesellschafter der vor Eintragung ins Handelsregister als GbR auftretenden Personengesellschaft beim Abschluss des Kaufvertrages als rechtsgeschäftlicher Vertreter der Mitgesellschafter aufträte; der Kaufvertrag würde dann abgeschlossen von X als nicht von 181 BGB befreiter - gesetzlicher Vertreter der Genossenschaft auf der einen und Y, handelnd u.a. als durch X bevollmächtigter Untervertreter der an der GbR beteiligten Genossenschaft, auf der anderen Seite. Ein In-sich-Geschäft im Sinne des 181 BGB läge hingegen nicht vor, wenn der geschäftsführende Gesellschafter Y als organschaftlicher Vertreter der an eine juristische Person angenäherten GbR handeln würde. Maßgeblich für die Frage, ob im vorliegenden Fall ein In-sich-Geschäft im Sinne des 181 BGB gegeben sein kann, ist somit die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie die Frage, ob ein geschäftsführender Gesellschafter einer GbR beim Abschluß von Verträgen als organschaftlicher Vertreter der GbR oder als bevollmächtigter Vertreter der einzelnen Gesellschafter handelt. Die Literatur zu Rechtsnatur und Haftungsverfassung der GbR ist kaum mehr zu übersehen, die höchstrichterliche Rechtsprechung teilweise widersprüchlich. Doch scheinen die Fragen von der jüngsten Rechtsprechung des Gesellschaftsrechtssenats des BGH (vorerst) geklärt zu sein.

Seite 3 a) Nach der sog. individualistischen Theorie (vgl. u.a. Staudinger/Kessler, BGB, 12. Bearb. 1991, 714 Rn. 14 u. 718 Rn. 13; Jauernig/Stürner, BGB, 9. Aufl. 1990, 714, 715 Rn. 1; Zöllner, FS Kraft 1998, 701 (717 f); Kübler, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 53; Hueck, Gesellschaftsrecht, 19. Aufl. 1991, 9 Abs. 4) stellt die GbR kein eigenes Rechtssubjekt dar; Träger der Rechte und Pflichten der Gesellschaft sind die Gesellschafter selbst, denen allein als natürliche oder juristische Person Rechtsfähigkeit zusteht. Das Handeln für die Gesellschaft ist nach dieser Konzeption tatsächlich ein Handeln für die Gesellschafter selbst, sog. Gesellschaftsverbindlichkeiten sind gemeinschaftliche Verbindlichkeiten aller Gesellschafter. Diese handeln im gesetzlichen Regelfall gemeinsam und begründen so ihre gemeinschaftliche Verpflichtung ( 709 Abs. 1, 714 BGB). Wollen die Gesellschafter nicht gemeinsam handeln, müssen sie einen oder mehrere Geschäftsführer bestellen ( 710 BGB). Die Erteilung von Geschäftsführungsbefugnis beinhaltet nach der individualistischen Theorie im Zweifel die Erteilung einer Vollmacht für die übrigen Gesellschafter. Ein geschäftsführender Gesellschafter einer GbR handelt somit nach der individualistischen Theorie für die Gesellschaft, indem er konkludent eine Willenserklärung im eigenen Namen sowie jeweils eine in Stellvertretung für jeden Gesellschafter abgibt, so daß im Ergebnis alle Gesellschafter gemeinschaftlich verpflichtet sind (vgl. insofern zusammenfassend Nagel, DStR 2000, 2091 f.). Die individualistische Theorie der GbR kann sich zum einen auf den Gesetzeswortlaut des 714 BGB stützen. Zum anderen entspricht sie wohl dem Verständnis des historischen Gesetzgebers, der die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als bloßen Schuldvertrag unter den Gesellschaftern verstanden hatte (Motive S. 591 = Mugdan, Band 2, 330). Nur schwer zu vereinbaren ist die individualistische Konzeption jedoch mit der teilweisen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens, die auf Vorschlag der zweiten Kommission in 719 Abs. 1 BGB (gesamthänderische Bindung) und dem 738 Abs. 1 S. 1 BGB (Prinzip der Anwachsung) ins BGB aufgenommen wurde. b) Im Gegensatz zur individualistischen Theorie geht die sog. Gruppenlehre (bzw. Lehre von der Teilrechtsfähigkeit) daher davon aus, die GbR sei rechtlich so weit verselbständigt, dass sie selbst als Träger von Rechten und Pflichten anzusehen, also (zumindest teil-) rechtsfähig sei (Flume, ZHR 136, 177; MünchKomm-Ulmer, BGB, 3. Aufl. 1997, 705 Rn. 130; Soergel/Hadding, 12. Aufl., 705 Rn. 43;K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, 8 III 4; Timm, NJW 1995, 3209 ff.; Hüffer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., S. 47 ff.; Wiedemann, WM 1994, Sonderbeilage 4, S. 6 ff., jeweils m. w. N.). Ausgehend vom Konzept der Teilrechtsfähigkeit der GbR wurden zwei Theorien zur Begründung der persönlichen Haftung der Gesellschafter entwickelt: (1) Nach der Doppelverpflichtungslehre gibt ein Geschäftsführer, der im Namen der Gesellschaft handelt, konkludent Willenserklärungen nicht nur für die GbR, sondern jeweils auch in Vertretung eines jeden Gesellschafters ab. 714 BGB ist nach dieser Theorie so zu verstehen, dass der Geschäftsführer im Zweifel neben der Vertretungsmacht der Gesellschaft auch (rechtsgeschäftliche) Vollmacht für die Gesellschafter hat (vgl. nur MünchKomm-Ulmer, BGB, 714 Rn. 26, 30; Soergel/Hadding, 714 Rn. 10; Hüffer, Gesellschaftsrecht, S. 102; Habersack, JUS 93, 1 (2 f.)). (2) Nach den sog. Akzessorietätstheorien hingegen begründet der Geschäftsführer nur eine Verpflichtung der GbR, doch sollen die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GbR analog 128 HGB zwingend persönlich haften (Flume, FS H.

Seite 4 Westermann, 1974, 119 (129 f.); Wiedemann, FS Kellermann, 542 f.; Ulmer, ZIP 1999, 554 (559); Altmeppen, NJW 1996, 1017 f.; K. Schmidt, GesR, 60 III 2 (für die unternehmenstragende GbR)). Nach der Akzessorietätstheorie handelt der alleingeschäftsführungsbefugte Gesellschafter einer GbR als deren organschaftlicher Vertreter und verpflichtet die Gesellschaft als Gruppe, nicht hingegen jeden einzelnen Gesellschafter persönlich (so nunmehr auch Erman/H. P. Westermann, BGB, 10. Aufl. 2000, 714 Rn. 3). c) Zur Frage der Rechtsnatur der GbR war die höchstrichterliche Rechtsprechung früher der individualistischen Theorie gefolgt (BGHZ 23, 307 (313)). In jüngerer Zeit hat der BGH jedoch in zunehmenden Maße die Teilrechtsfähigkeit der GbR anerkannt (BGHZ 116, 86 - Mitgliedschaft einer Genossenschaft; BGHZ 118, 83 - Mitgliedschaft einer AG; BGH DStR 1998, 46 - Mitgliedschaft in einer anderen GbR; BGHZ 136, 254 Scheckfähigkeit der GbR). Mit dem als Anlage beigefügten Urteil vom 29.1.2001 (II ZR 331/00 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) hat sich der Gesellschaftsrechtssenat des BGH nunmehr ausdrücklich der Auffassung von der nach außen bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlich rechtlichen Gesellschaft angeschlossen (S. 7 ff.). Hierzu formuliert der zweite Senat die folgenden Leitsätze: 1. Die (Außen-)gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. 2. In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig. Zur Frage der Haftungsverfassung der GbR war der BGH in den letzten Jahren der Theorie der Doppelverpflichtung gefolgt (BGHZ 74, 240; 75, 26; 79, 374; BGH NJW 92, 3037). Diese Rechtsprechung hat der Gesellschaftsrechtssenat des BGH jedoch in seinem Urteil vom 27.9.1999 (BGHZ 142, 315 = DNotZ 2000, 135 = MittRhNotK 1999, 353 = MittBayNot 1999, 577) ausdrücklich aufgegeben. Hatte er sich im Urteil vom 27.9.1999 zur Frage der Haftungsverfassung der GbR noch nicht festlegen müssen, so schließt sich der Gesellschaftsrechtssenat des BGH in seinem Urteil vom 29.1.2001 nunmehr ausdrücklich der sog. Akzessorietätstheorie an: Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27.9.1999 (BGHZ 142, 315 (318 ff.)) die Frage der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung noch offengelassen. Sie ist nunmehr in konsequenter Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne einer akzessorischen Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu entscheiden (...). Insoweit entspricht das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit der Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gem. 128 f. HGB bei der OHG. (S. 24) d) Für die Praxis ist u. E. angesichts der jüngsten BGH-Rechtsprechung von der Teilrechtsfähigkeit der GbR und der akzessorischen Haftung der GbR-Gesellschafter analog 128 HGB für Verbindlichkeiten der GbR auszugehen. Die Ablehnung der Doppelverpflichtungslehre durch den BGH hat u. E. zur Folge, dass von einer organschaftlichen

Seite 5 Vertretung eines geschäftsführenden Gesellschafters für die GbR auszugehen ist, sofern er nicht ausdrücklich aufgrund gesonderter Vollmacht auch für einen Gesellschafter handelt. Für den vorliegenden Fall folgt daraus u. E., dass ein In-sich-Geschäft im Sinne des 181 BGB nicht vorliegt, wenn der geschäftsführende GbR-Gesellschafter Y im Namen der GbR einen Grundstückskaufvertrag mit X als organschaftlichem Vertreter einer eingetragenen Genossenschaft, die an der GbR beteiligt ist, abschließt, da Y insofern als organschaftlicher Vertreter der GbR, nicht hingegen als rechtsgeschäftlicher Vertreter bzw. Untervertreter der einzelnen GbR-Gesellschafter handelt. 3. Wären im vorliegenden Fall auf Seiten der künftigen KG mangels abweichender Vertretungsregelung sämtliche Gesellschafter nach 709, 714 BGB an dem Grundstücksübertragungsvertrag zu beteiligen, so wären die nicht von 181 BGB befreiten organschaftlichen Vertreter der Genossenschaft daran gehindert, an dem Kaufvertrag als gesetzliche Vertreter der Genossenschaften sowohl auf Käufer als auch auf Verkäuferseite aufzutreten. Die Bestellung eines rechtsgeschäftlichen Untervertreters würde nicht weiterhelfen, da insofern 181 BGB analog anwendbar ist (BGH NJW 1991, 692; OLG Frankfurt, OLGZ 1974, 347; BayObLG Rpfleger 1993, 441; KG NJW-RR 1999, 168; Palandt/Heinrichs, 181 Rn. 12).