Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit

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Transkript:

Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit HS 2013 Peter Wilhelm

Indikatoren pseudowissenschaftlicher Praktiken (Lawson, 2007, nach Macho, 2013) Ungenaue, wissenschaftlich klingende Sprache ^ Verwendung wissenschaftlich klingender Ausdrücke ^ (»holistisch«,»energie«,»rhythmen«,»felder«, etc.) Hinweis auf zweifelhafte, idiosynkratische Praktiken ^ Verfahren sind nur wirksam, wenn sie in ganz bestimmter Weise durchgeführt werden ( z.b. Medikamente sind nur wirksam, wenn sie auf bestimmte Weise geschüttelt werden.) nur der/die»eingeweihte«führen Prozeduren korrekt aus. Subjektive persönliche Erfahrungen als hauptsächliche Evidenz ^ Wirkungen von Verfahren basiert auf Zeugnissen von Einzelpersonen. Vorspiegelung des Vorhandenseins fundierter empirischer Evidenz ^ Eindruck des Vorliegens von konvergierender bzw. kumulativer Evidenz durch lange Liste wissenschaftlicher Publikationen in fragwürdigen Zeitschriften

Indikatoren pseudowissenschaftlicher Praktiken (Lawson, 2007, nach Macho, 2013) Hinweis auf zweifelhafte Autoritäten ^ Zitat von Autoritäten, die nie auf dem Gebiet wissenschaftlich tätig waren ( Bsp.:»Einstein sagt: Wir verwenden nur 10% unseres Gehirns. «) Hinweis auf alte scheinbar verloren gegangene Weisheiten ^ Verweis auf alte Weisheit, die im Laufe der Jahrhunderte verloren ging oder von irgendwelchen Urvölkern überliefert wurde. Bsp.: Weisheit der alten Chinesen oder Wissen des Indianerhäuptlings»Sitting Bull«. Aussagen stehen in krassem Widerspruch zu etabliertem Grundwissen ^ Bsp.: Wasser übernimmt die Eigenschaften jedes Stoffes, welcher sich irgendwann einmal darin befunden hat. Daher wirkt der Stoff weiter, auch wenn er nicht mehr mit physikalisch-chemischen Mitteln nachweisbar ist. Umkehrung der Beweislast ^ Anstelle des Erbringens eines Beweises, dass eine Entität oder eine Wirkung vorhanden ist, wird umgekehrt vom Gegenüber gefordert, den Beweis zu erbringen, dass besagte Entität oder Wirkung nicht besteht. Rückzugsgefechte anstelle von Fortschritt ^ Gute wissenschaftliche Theorien machen neue empirisch prüfbare Vorhersagen machen, führen zu neuen Problemstellungen. Pseudowissenschaftliche Theorien machen keine prüfbaren Vorhersagen, führen Rückzugsgefechte, in Form von Neuinterpretationen oder der teilweisen Aufgabe von Positionen (ohne Aufgabe der Kernaussagen).

(Laien)Kriterien von Wissenschaft (Macho, 2013) Wissenschaft verwendet klar definierte und unumstrittene Konzepte Bei theoretischen Begriffen (Kräfte, Felder, kognitiven Prozessen, etc.), handelt es sich um real existierende Dinge, welche den beobachtbaren Erscheinungen zugrunde liegen. Modelle der Naturwissenschaft bilden die Wirklichkeit korrekt ab. Wissenschaft nähert sich immer mehr der Wahrheit an. Theorien, die durch empirische Daten falsifiziert wurden, werden aus dem Kanon der wissenschaftlichen Theorien ausgeschlossen. Wissenschaft basiert auf der Anwendung fundierter Methoden, die sich als zuverlässig erwiesen haben

Kriterien von Wissenschaft (Macho, 2013) Es gibt kein unumstrittenes Kriterium, welches es ermöglicht, wissenschaftliche Praxis von Tätigkeiten zu trennen Es gibt Grenzbereiche, für welche ungeklärt ist, ob es sich um Wissenschaft handelt oder Pseudo-oder Protowissenschaft (d.h. Disziplin, die noch nicht als vollwertige Wissenschaft anerkannt ist). ^ Z. B. Psychoanalyse Wissenschaftliche Forschung, die in neue Gebiete vorstösst, trägt oft pseudowissenschaftliche Züge. ^ Moderne theoretische Physik, in welcher irgendwelche Konstrukte wie Extradimensionen, Strings, oder Supersymmetrien postuliert werden, von denen unklar ist, ob es Entsprechung in der Realität gibt

Gegensätzliche Strategien des Erkenntnisgewinns Induktion Deduktion Beobachtung -> Hypothesen -> Theorie Theorie -> Hypothesen -> Beobachtungen Beispiel Freud, Pawlow, Lorenz, Einstein, Wolpe Logik Suche nach Bestätigung Suche nach Widerlegung Probleme: Theoriefreie Beobachtung ist unmöglich Wann reicht Anzahl der Fälle für Bestätigung? Falsifikation zumeist nicht eindeutig möglich

Kennzeichen einer guten Theorie nach Popper Gute (wissenschaftliche) Theorien klare Begrifflichkeit, präzise und konsistente formulierte Beziehungen zwischen Konstrukten Schlechte (pseudowissenschaftliche) Theorien unklare (metaphorische) Begriffe, vage Beziehungen zwischen Konstrukten Sparsamkeit (Occam s razor) hohe Komplexität riskante Vorhersagen grosser Gültigkeitsbereich überprüfbar vage Vorhersagen, durch Einschränkungen abgeschwächt Vorhersagebereich durch Zusatzannahmen eingeschränkt nicht oder schwer überprüfbar -> leicht falsifizierbar -> schwer (nicht) falsifizierbar