Migräne und andere zyklische Syndrome bei Kindern Inselspital Bern, Auditorium Ettore Rossi Sandra Bigi, MD MSc Abteilung für Neuropädiatrie Universitätskinderklinik Inselspital Bern sandra.bigi@insel.ch Universitäres Ambulantes Neurozentrum
Zuweisung in die neuropädiatrische Sprechstunde Sarah, 4 Jahre alt Rezidivierende Episoden mit: Plötzlichem inne halten Festklammern am Bein der Mutter, es sei ihr «trümmlig» Blass werden, manchmal erbrechen «Schnelle Bewegungen der Augen» Dauer: 3-5 Minuten Häufigkeit: 2-3x/Monat Komplett beschwerdefrei zwischen den Episoden
In der neuropädiatrischen Sprechstunde Persönliche Anamnese: bland Familienanamnese: Mutter mit Migräne Neurologische und pädiatrische Untersuchung: normal Differentialdiagnose: Benigne paroxysmale vertigo Episodische Ataxie Epileptische Anfälle Affektionen der hinteren Schädelgrube
Zyklische Syndrome im Kindesalter
Benigne paroxysmale Vertigo Rothner AD et al; Headache; 2016
Benigne paroxysmale Vertigo Differentialdiagnose: Vestibulär Hintere Schädelgrube Epileptische Anfälle Episodische Ataxie Triggerfaktoren: Unklar Therapie: i.d.r keine Flunarizin Rothner AD et al; Headache; 2016
Zyklische Syndrome im Kindesalter Fahrplan Abdominelle Migräne Zyklisches Erbrechen Benigne paroxysmale Vertigo Benigner paroxysmaler Torticollis 2-8 Monate 2-4 Jahre 5 Jahre 7 Jahre
Benigner paroxysmaler Torticollis Rothner AD et al; Headache; 2016
Benigner paroxysmaler Torticollis Differentialdiagnose: GÖR Komplex-partielle Anfälle Hintere Schädelgrube Craniocervikaler Übergang Therapie: keine Rothner AD et al; Headache; 2016
Zyklisches Erbrechen Rothner AD et al; Headache; 2016
Zyklisches Erbrechen Differentialdiagnose: Gastrointestinale Probleme Triggerfaktoren: Stress (Psychisch/physisch) Therapie: Management akuter Episoden Vermeiden von Triggerfaktoren Prophylaxe mit Flunarizin Rothner AD et al; Headache; 2016
Abdominelle Migräne Rothner AD et al; Headache; 2016
Abdominelle Migräne Differentialdiagnose: Gastrointestinale Probleme Nierenerkrankungen Triggerfaktoren: Reisen (oft assoziiert mit Reiseübelkeit) Längere nüchtern Zeiten Unregelmässiger Schlafrhythmus Therapie: Vermeiden von Triggerfaktoren Prophylaxe mit Propranolol, Flunarizine Rothner AD et al; Headache; 2016
Einige Jahre später Sarah, 12 Jahre alt Wöchentliche Episoden mit: Initial «verschwommen sehen» für 15 Minuten Danach pulsierende, stärkste Kopfschmerzen frontal Photophobie Erbrechen Dauer: Stunden, Besserung durch Erbrechen und/oder Schlaf Kein nächtliches Erwachen, kein nüchtern erbrechen Klinische Untersuchung: unauffällig (inkl Fundus und BD)
Diagnose: Migräne mit typischer Aura (ICHD 3beta) Erfüllen der klinischen Kriterien Unauffällige neurologische Untersuchung
Jugendliche zwischen 5-15 Jahren 10% Migräne
Indikation zur weiteren Abklärung Pathologische neurologische Befunde im Intervall Klinische Kriterien nicht erfüllt Bei unilateraler Migräne: immer gleiche Seite Relativ: Alter
Therapiemöglichkeiten pädiatrische Migräne Medika- mentös Nicht medika- mentös
Behandlungsplan pädiatrische Migräne: Was raten wir konkret? Nicht medikamentöse Therapien Kopfschmerzkalender für Auslöser Alltagsaktivitäten anpassen Entspannungstherapien Ernährung / Flüssigkeitszufuhr Magnesium 5-10mmol/die Medikamentöse Therapie bei Migräneattacke So früh als möglich So hoch dosiert wie nötig Für Paracetamol, ASS und NSAR: häufig 2 (-3) Einzeldosierungen als Initialdosis Kein Überschreiten der 24- Stundendosierung Maximum 1x / Woche
Behandlungsplan pädiatrische Migräne: Wann ist eine Prophylaxe indiziert? Therapieresistenz: > 1 Anfall / Woche Beeinträchtigung durch Schwere der Anfälle Prophylaktische Therapie: Betablocker Flunarezin
Zyklische Syndrome im Kindealter Vorläufer der Migräne Charakterisiert durch Episodisches und stereotypes Muster Komplett reversibel Im Intervall komplett unauffällig Diagnostische Kriterien gemäss ICHD 3beta Bestehend aus Benigner paroxysmaler Torticollis Benigne paroxysmale Vertigo Zyklisches Erbrechen Abdominelle Migräne Video Kalender Auftreten nach zeitlichem «Fahrplan» Cuvellier JC et al; Ped Neurol; 2010
Migräne im Kindesalter Häufig! Gute Anamnese / Untersuchung Nicht nur Schmerzen als Problem behandeln Nichtmedikamentöse Therapien ausschöpfen Medikamente beim akuten Migräneanfall grosszügig und hochosiert einsetzen Prophylaxe bei Migräne: > 1 Anfall / Woche deutl. Beeinträchtigung durch Schwere der Anfälle
Literatur Cuvellier JC et al; Ped Neurol; 2010 Pacheva IH et al; Clin Neurol & Neurosurg; 2013 Tarantino S et al; Ped Neurol; 2014 Evans RW et al; Headache; 2013 Popovic DM et al; J Ped Health Care; 2009 Teixeira KCS et al; JCN; 2014 Rothner AD et al; Headache; 2016