Arbeitspapier: Überblick über die gewerkschaftliche Programmatik im Arbeitsschutz ab 2009

Ähnliche Dokumente
Die neue Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge

MEDIZIN UND TECHNIK. Sicherheit und Gesundheitsschutz in Fahrschulen 2001

Sichere und gesunde Arbeitsplätze durch umfassende Prävention

Die Branchenregel ein neues Präventionsinstrument (Mustervortrag gemäß KoK FB / Stand ) Vortragstitel, Autor, Veranstaltung

DreiLändertagung Betriebliche Gesundheitsförderung. Bregenz, 27. März 2015 Andreas Horst Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Integriertes Arbeitsschutzmanagement

Handlungshilfe für Kommunen und kommunale Unternehmen bis 10 Beschäftigte

Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge

Neuregelung der Arbeitsmedizinischen Vorsorge

Psychische Belastungen- Situation im Land Brandenburg

Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung. Ein schwieriges Verhältnis?

Die Rolle der MAV im Bereich des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. DiAG-MAV Speyer Regionaltreffen 2018

ver.di-online-handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung

ARBEITSMEDIZINISCHE VORSORGE

1.1. Inhaltsverzeichnis. Vorwort Wegweiser Aktuelle Informationen 1 Verzeichnisse. 2 System der Arbeitssicherheit. 3 Organisation des Arbeitsschutzes

ArbMedVV- die medizinische Sichtweise zur Gefahrstoffverordnung

Gesetzliche Rahmenbedingungen für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) durch die Krankenkassen

Unternehmenskultur Die Rolle des Betriebsarztes

2. Gesundheitskongress Arbeit und Gesundheit in der Landesverwaltung

Aktuelles von der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge

DGUV Vorschrift 2. Die Regelbetreuung in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten setzt sich aus zwei

- 1 - Rede von Maria Britta Loskamp Leiterin der Abteilung III Arbeitsrecht und Arbeitsschutz im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Arbeitsschutz mit Methode zahlt sich aus

Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute

vom Mai 2017

Arbeitsmedizinische Vorsorge - was ist neu? - Regionaler Arbeitskreis für Arbeitssicherheit Lüneburg 11. Mai 2010

Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes

Grundlagen im Arbeitsschutz Vorstellung der Berufsgenossenschaft Information und Unterstützung für Ihre Prävention

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz - Alles beim Alten? Susanne Arndt-Zygar

AMS eingeführt? von GDA-Träger externer Anbieter kein AMS. Bewertung der Systemkontrolle (alle durchgeführten Teile und die Vor-Ortbesichtigung):

Gefährdungsbeurteilungen nach dem Arbeitsschutzgesetz als Instrument der Entlastung

Gefahrstoffe in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

Arbeitsgruppe Motiviert, qualifiziert und gesund arbeiten. Arbeitsprogramm

ver.di-online-handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung

Gesundheitliche Belastungen im Arbeitsalltag durch den Klimawandel

Die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zum Arbeitsschutz ist mehr als die Erfüllung einer Pflichtaufgabe

VDSI-Information Ausgabe-Nr. 07/2010. Positionspapier zur Einführung der DGUV Vorschrift 2. Ansprechpartner

Vision Zero Sicher und gesund in die Zukunft. Betriebliches Eingliederungsmanagement und Arbeitsschutz

Entwicklungen und Strategien im Arbeitsschutz

1 Ermittlung von Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS)

Diese Schrift wird demnächst in Anpassung an die ArbMedVV vom

- herzlich Willkommen -

Die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes

Die Rolle des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung

Die GDA ab 2013 Wie geht es weiter? Vortrag auf dem Sächsischen Arbeitsschutzforum in Dresden am 13. Oktober 2011 von MinDirig Michael Koll BMAS Bonn

Psychische Belastung und Beanspruchung - Schlagwörter aus betriebsärztlicher Sicht

Zum Rechtscharakter von Technischen Regeln Fachtagung Frankfurt/Main

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Bekanntmachung von Arbeitsmedizinischen Regeln

Vision Zero Sicher und gesund in die Zukunft. Betriebliches Eingliederungsmanagement

Position der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) zur "Normung von Gesundheitsdienstleistungen" Juni 2015

Novellierung der TRGS 528 Werfttagung 2018

Arbeitsschutz: Sicherheit, Gesundheit, Mensch. MEDITÜV. Tut gut. TÜV MEDITÜV TÜV NORD GROUP

Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge BGI/GUV-I Information

DQS-Forum für Profis Arbeits- und Gesundheitsschutz Arbeitsmedizin und die neue DGUV Vorschrift 2

Arbeitsschutz. Arbeitsschutz - Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz - in der Evangelischen Landeskirche in Baden

Arbeitsmedizinische Vorsorge - Neue Regeln und Empfehlungen der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

Gesundheit (WHO-Definition) Arbeitsanalyse, -gestaltung und bewertung (BetriebsVerfassungsGesetz, BetrVG)

Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung Inhalte und Umsetzung der GDA-Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation

Impulsvortrag zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. SIFA-Tagung Radebeul 26./27. Oktober 2016

2 Unionsrechtliche Vorgaben zum Arbeits- und Gesundheitsschutz arbeitnehmerähnlicher Personen A. Die Bedeutung des Arbeitsschutzes auf

Beispiel 1: Restaurantbetrieb mit 55 Beschäftigten Grundbetreuung Ermittlung des Betreuungsumfangs und Aufteilung der Betreuungsleistungen

Gefährdungsbeurteilung unter Mitwirkung des Betriebsarztes

Safetyfirst! Pflichten des Arbeitgebers im Arbeits-und Gesundheitsschutz und wie diese für den Aufzugbau umgesetzt werden können.

Gesund und sicher arbeiten

Wie hat sich die "DGUV Vorschrift 2" praktisch bewährt?

Qualitätsmanagement mit integriertem Arbeitsschutz in onkologischen Schwerpunktpraxen

Mitbestimmung für die Gestaltung Guter Arbeit bei Veränderungsprozessen nutzen

Arbeitsanalyse, -gestaltung und bewertung (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsanalyse, -gestaltung und bewertung (Arbeitsschutzgesetz)

Arbeitsschutz und Mitbestimmung

Rechtliche Regelungen zur psychischen Belastung. Rainer Hellbach Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz

Integration weiterer Professionen in die Betreuung der Betriebe

BETRIEBSSICHERHEITSVERORDNUNG DIE WICHTIGSTEN REGELUNGEN IM ÜBERBLICK

Zusammenarbeit von Sicherheitsbeauftragten mit Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit in Deutschland

Arbeitsmedizinische VorsorgeVerordnung

hygnormdata Diversity Management by Medical Device Reprocessing Fulda Seite 1

Angebote der Beratungsstelle. Förderung aus dem Hamburger Haushalt. Finanzierung durch den Arbeitgeber u.a. = Vermittlung an andere

Teil I Grundlagen rt a ttg tu r, S e m m a lh h o. K W

Anforderung an eine betriebliche Gefährdungsbeurteilung aus Sicht des staatlichen Arbeitsschutzes

Rollenbild und Entwicklungspotenziale für den Gesundheitsschutz

Arbeitsprogramm Organisation GDA-ORGACheck

Aspekte der psychischen Gefährdungsbeurteilung

Personalräteseminar: Arbeits- und Gesundheitsschutz Rechte, Pflichten und Aufgaben für Personalräte

Arbeitsmedizinische Vorsorge aus Sicht der DGUV

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Gefährdungsbeurteilung aus Sicht der Berufsgenossenschaft. Workshop zur Betriebssicherheit im Hofgut Menschenhaus

Potsdamer Dialog 2009

Ganzheitliche Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Schwerpunkt Gefährdungsbeurteilung und Arbeitszeit

Werkzeug. Checkliste Arbeitssicherheit

DGUV Vorschrift 2 Sammlung von Häufig gestellten Fragen (FAQ) Stand 01/ 2011

Die DGUV Vorschrift 2 - Darstellung der Vorschrift und Vorstellung von Handlungshilfen

GDA was ist das? Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie. Hintergründe, Ziele, Projekte Wie werden sie umgesetzt?

Zukunft der DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen

Herausforderungen im Arbeitsschutz Trends und Strategien Stefan Weis, Abt. Arbeits- und Gesundheitsschutz

Neue arbeitsmedizinische Regeln

Einführung: Kurzer Überblick GDA und GDA-Leitlinien GDA-ORGAcheck

Transkript:

Arbeitspapier: Überblick über die gewerkschaftliche Programmatik im Arbeitsschutz ab 2009 Unabhängig vom Wahlausgang ist es zweckmäßig, vor Ende der Legislaturperiode die wesentlichen gewerkschaftlichen Ziele zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu diskutieren und festzulegen. Hierfür spricht, dass sich auf europäischer Ebene durch die Stoiber-Kommission, auf nationaler Ebene durch Vereinfachungs- und Kostensenkungsstrategie, fehlende oder schlechte Regulierung und ungenügende personelle Ressourcen auf der Ebene der Betriebe und der Aufsicht eine Gefahr des weiteren Abbaus von Arbeitsschutzvorschriften ergibt. Neben Defensivstrategien sind aber auch neue Akzente im Arbeitsschutz zu setzen, die zur Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen beitragen und den gewerkschaftlich geprägten Arbeitsschutz im Betrieb stärken. Darüber hinaus sind Strategien für die betriebliche und tarifvertragliche Ebene weiter zu entwickeln. 1. Bewahrung und Stärkung des tradierten Arbeitsschutzsystems Das deutsche und europäische Arbeitsschutzsystem ist unter Druck geraten. In der kommenden Legislaturperiode geht es daher darum, zentrale Elemente dieses Systems zu erhalten. Dies gilt etwa für den durch die europäische Richtlinie zum Arbeitsschutz vorgegebenen Rahmen, insbesondere die Rahmenrichtlinie und ihre deutsche Umsetzung im Arbeitsschutzgesetz. Des Weiteren sind Angriffe auf das Arbeitsicherheitsgesetz abzuwenden. Ausnahmeregelungen für Kleinbetriebe und der Abbau von Arbeitgeberverpflichtungen sind zu stoppen. Es muss dabei bleiben, dass den Arbeitgebern die wesentliche Verantwortlichkeit für die Erfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten erhalten bleibt. Insbesondere dürfen Pflichten des Arbeitgebers nicht auf die Arbeitnehmer übertragen werden. Hierbei zu unterscheiden ist die notwendige Einbeziehung der Beschäftigten etwa bei der Gefährdungsbeurteilung und über die Mitbestimmungsrechte nach den Betriebsverfassungs- und Arbeitssicherheitsgesetz. Hier sind die Partizipationsmöglichkeiten der Beschäftigten zu stärken und auszubauen. Gleichzeitig muss die tatsächliche Umsetzung in der Breite gefördert werden. Die nationale Arbeitsschutzstrategie muss mit Leben erfüllt werden und mit Ansätzen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilungen verknüpft werden. Die Institutionen des Arbeitssicherheitsgesetzes müssen gestärkt und in der Praxis besser ausgenutzt werden. Hierfür sind insbesondere auch im Kleinbetrieb erforderliche organisatorische Strukturen beizubehalten bzw. herzustellen. Die Interaktion über die wesentlichen Fragen des

Arbeitsschutzes, aber auch der betrieblichen Gesundheitsförderung und des hierfür erforderliche Managements muss im Arbeitsschutzausschuss angesiedelt und der betrieblichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz zugänglich sein. 2. Gefährdungsbeurteilung: Quantität und Qualität Das Instrument der Gefährdungsbeurteilung hat sich bewährt. Betriebe, die Gefährdungsbeurteilungen ernst nehmen, erzielen hierdurch nicht nur ein angemessenes Schutzniveau, sondern auch weitere positive Begleiteffekte. Dies gilt insbesondere auch für Kleinbetriebe. Dies zeigen Erfahrungen z. B. aus dem Land Brandenburg. Die Verbreitung der Gefährdungsbeurteilungen muss daher weiter gefördert und auch durch die Aufsichtsdienste durchgesetzt werden. Hinzu kommen muss eine ausreichende Qualität der Gefährdungsbeurteilung. Insbesondere sollte die Einbeziehung psychischer Beanspruchung sowie eine ausreichende Partizipation der Beschäftigten und der Betriebsräte am Prozess der Gefährdungsbeurteilung selbstverständlich werden. Bei der inhaltlichen Schwerpunktsetzung können die Verhütungsziele der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie einbezogen werden, ohne die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Betriebes zu vernachlässigen. 3. Regelwerk Das technische Regelwerk muss geordnet und verständlich organisiert werden und dabei ein angemessenes Schutzniveau garantieren. Eine anwenderfreundliche Ausgestaltung ist für die Akzeptanz des Arbeitsschutzes entscheidend. Eine weitaus bessere Ausstattung mit Ressourcen ist unumgänglich, dies gilt insbesondere für das staatliche Regelwerk, welches seiner Aufgabe nur gerecht werden kann, wenn die Aushandlungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerseite mit denen der Arbeitgeber Schritt halten. Hierfür sind neben Freistellungsansprüchen auch die Zahlung von Fahrtkosten und Verdienstausfall notwendig. Die Regeln müssen verständlich und praxisgerecht ausgestaltet werden und dürfen nicht zur Aufweichung bereits festgelegter rechtlicher Positionen auf verordnungs- und gesetzlicher Ebene genutzt werden. Die Vielfalt der Gefährdungen lässt sich nicht durch ein Regelwerk, das allein auf staatliche Vorschriften setzt, abbilden und beherrschen. Branchenspezifische Gefährdungen sollten auch auf Ebene der Branche unter Beteiligung der Unfallversicherungsträger geregelt werden können. Hierbei dürfen aus staatlichem Recht folgende Anforderungen nicht unterschritten werden:

Soweit ein bestimmtes Arbeitsschutzproblem von Regeln erfasst wird, werden von der Praxis konkrete Regelungen erwartet, die leicht auffindbar und verständlich sein müssen. 4. Bekämpfung arbeitsbedingter Erkrankungen Arbeitsbedingte Erkrankung lösen nach wie vor enorme volkswirtschaftliche Kosten aus. Insbesondere Muskel-Skelett-Erkrankungen und der über einen längeren Zeitraum zu beobachtende Anstieg psychischer Erkrankungen ist besonders teuer. Bei der Bekämpfung der arbeitsbedingten Erkrankungen sind auch multifaktorielle Ursachenzusammenhänge zu berücksichtigen und in Präventionskonzepte umzusetzen. 5. Arbeitsmedizin Strategien im Bereich der Arbeitsmedizin müssen auf den etablierten Strukturen des Arbeitssicherheitsgesetzes aufbauen und dürfen diese nicht in Frage stellen. Eine Weiterentwicklung im Bereich der Arbeitsmedizin, die insbesondere im neukonstituierten Ausschuss für Arbeitsmedizin angelegt ist, muss auf einem zutreffend ermittelten Rollenverständnis des Betriebsarztes beruhen. Hierbei sollte die Orientierung des Betriebsarztes auf den Arbeitplatz im Mittelpunkt stehen. Die Arbeitsmedizinverordnung sieht vor, dass im Bereich der Arbeitsmedizinverordnung technische Regeln entwickelt werden, die sich über 9 Abs. 3 Ziffer 5 sogar auf arbeitsmedizinische Präventionsmaßnahmen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz erstrecken. Das Arbeitsprogramm sieht dabei die folgenden Tätigkeitsfelder vor. 1. Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe in der Arbeitsmedizinverordnung 2. Erstellung eines einheitlichen Konzepts zur Anpassung bestehender Regeln an die Systematik und Begrifflichkeiten der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge 3. Fortschreibung des Konzepts zum Biomonitoring bei krebserzeugenden Stoffen 4. Überprüfung der Kataloge zur Pflicht- und Angebotsuntersuchung 5. Erarbeiten und Aufstellen von Empfehlungen zu Wunschuntersuchungen

6. Bedarfsprüfung für arbeitsmedizinische Präventionsmaßnahmen zur Unfallvermeidung 7. Erarbeitung von Empfehlungen für weitere Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge, insbesondere der Gesundheitsförderung 8. Erarbeitung von Konzepten zur Qualitätssicherung der arbeitsmedizinischen Vorsorge Die Gewerkschaften sind gegen eine undifferenzierte Streichung von Katalogen zur Pflicht- und Angebotsuntersuchungen. Soweit die Arbeitsmedizinverordnung Wunschuntersuchungen einführen möchte, sind solche Erweiterungen der Tätigkeiten von Betriebsärzten nur dann plausibel, wenn ausreichend Ressourcen hierfür zur Verfügung stehen. In jedem Fall ist eine Einzelbewertung der Untersuchungsanlässe und ihres Nutzens erforderlich. Ebenfalls mit Skepsis wird gesehen, wenn weitere Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge, insbesondere betriebliche Gesundheitsprogramme auf den Betriebsarzt übertragen werden, ohne die hierfür erforderlichen Ressourcen mitzuregeln. Gefördert werden sollte eine vermehrte Beteiligung von Ärzten an der Gefährdungsbeurteilung, wobei hierbei eine Einbindung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit und der betrieblichen Interessenvertretung anzustreben ist. Die Präventionszeiten für Arbeitsmediziner sind zu erhöhen, ohne den Anteil sicherheitstechnischer Betreuung zu reduzieren. Ferner müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ausreichend qualifizierte Betriebsärzte zur Verfügung stehen. Dies muss durch mehr Lehrstühle in der universitären Ausbildung und ausreichende Weiterbildung von Ärzten gewährleistet werden. Wegen erkennbarer Missbräuche beim Umgang mit Gesundheitsdaten im Betrieb sollte der Datenschutz im arbeitsmedizinischen Bereich beim Umgang mit gesundheitlichen Daten bei arbeitsmedizinischen Maßnahmen, aber auch zum Beispiel beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement stets mitbedacht werden. Eine entsprechende Sensibilierung von betrieblichen Interessenvertretern ist anzustreben. 6. Gefahrstoffe

Im Bereich Gefahrstoffe ist ein besonderer Schwerpunkt auf den Umgang mit krebserzeugenden Stoffen zu legen. Insoweit ist das vom AGS entwickelte Konzept von risikobasierten Abschätzungen fortzuführen und umzusetzen. Des Weiteren müssen in die Gefahrstoffpolitik neu auftretende Gefährdungen wie etwa durch Nanomaterialien einfließen und zu Konsequenzen, u.a. im Regelwerk, führen. Wichtige TRGS vor allem zu Quarzstaub aber auch zu Hochtemperaturwolle müssen zu Ende geführt werden. 7. Arbeitsstätten Die Erstellung der Arbeitsstättenregeln muss unter den gegebenen Bedingungen wesentlich beschleunigt werden. Die ASR müssen dazu beitragen, dass eine barrierefreie Arbeitswelt entstehen kann. 8. Arbeitsverdichtung Angesichts der Wirtschaftskrise ist mit vermehrtem Druck auf die Beschäftigten zu rechnen. Die zum Abbau von Stress und anderen psychischen Beanspruchungen einsetzbaren Instrumente sind weiterzuentwickeln und in mehr Betrieben anzuwenden und umzusetzen. Für Beschäftigte, die von Überlastung betroffen sind, sind Kommunikations- und Beschwerdewege zu schaffen, die ohne Nachteile beschritten werden können. 9. Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst Die für den Arbeitsschutz geltenden Regelungen im Arbeitsschutz bleiben in vielen Konstellationen hinter dem zurück, was außerhalb des öffentlichen Dienstes üblich ist. Dies gilt etwa für das Arbeitssicherheitsgesetz, welches für den Dienstherrn und Arbeitgeber wesentlich unverbindlichere Vorgaben macht als für private Unternehmen. Derartige Ungleichbehandlungen sind nicht gerechtfertigt und müssen langfristig angeglichen werden.