Vereinbarung von VOB/B und FIDIC in Bauverträgen in der Praxis Warschau, 24. September 2013 Referent: Dr. Florian Kirchhof Kapellmann und Partner Rechtsanwälte
Historie der VOB/B Die VOB/B hat eine lange Vorgeschichte. Hintergrund ist die Konstatierung eines strukturellen Machtgefälles zwischen öffentlichen Auftraggebern und Auftragnehmern noch im 19. Jahrhundert mit der Folge standardisierter, auftragnehmerlastiger Vertragsbedingungen. Noch in der Weimarer Republik beschloss der Reichstag die Gründung eines Sachverständigenausschusses, um eine einheitliche, für die Länder verbindliche Verdingungsordnung zu erstellen. Diesem Verdingungsausschuss gehörten Vertreter der öffentlichen Hand, der Bauindustrie, des Handwerks, der Gewerkschaften und der Architekten- und Ingenieurverbände an. Am 06.05.1926 wurden auf Reichs-Länder- und Gemeindeebene die VOB/B als Dienstvorschrift für die öffentliche Hand eingeführt. 2
Historie der VOB/B Auch wenn sich der Auftrag an den Verdingungsausschuss auf eine öffentliche Verdingungsordnung bezog und private Bauherren nicht vertreten waren, war Ziel die Schaffung eines Standards für alle Bauverträge. Diese globalere Ausrichtung behielt auch der 2000 in Deutscher Vergabe- und Vertragsausschluss für Bauleistung (DVA) unbenannte Ausschuss, der bis heute zuständig für die Entwicklung der VOB ist. Die aktuelle Fassung 2012 ist die insgesamt 14. Fassung der VOB. 3
Rechtsnatur der VOB/B Die VOB/B hat keine Gesetzescharakter. Allerdings ist die öffentliche Hand verpflichtet, die VOB/B für Bauleistungen vertraglich zu vereinbaren. Bei der VOB/B handelt es sich unstreitig um vorformulierte Standardbedingungen für Bauaufträge, die nach deutschem Recht als allgemeine Geschäftsbedingungen einzustufen sind. 4
Rechtsfolgen aus der Rechtsnatur der VOB/B Aus der Wertung der VOB/B als allgemeine Geschäftsbedingung folgt, dass diese kein Gewohnheitsrecht sind kein Handelsbrauch sind die Geltung ausdrücklich vereinbart werden muss die Klauseln der sogenannten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen aber im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern privilegiert sind Was im Umkehrschluss heißt, dass eine vollständige AGBrechtliche Kontrolle jedenfalls im Rechtsverhältnis gegenüber Verbrauchern erfolgt. 5
Rechtsnatur der VOB/B Ungeachtet der Einstufung der VOB/B als unverbindliche und der AGB-Kontrolle unterzogene standardisierte Vertragsbedingungen ist die Vereinbarung der VOB/B zwischen Unternehmen absoluter Standard und sogenannte BGB-Bauverträge sind absolute Exoten. 6
Mitvereinbarte Regularien Aus der Vereinbarung der VOB/B folgt automatisch die Mitvereinbarung der VOB/C bzw. ATV 18299 f. Auch ohne gesonderte Vereinbarung hat der Leistungsstandard jedenfalls den Allgemein Anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen. Die VOB/C und die Allgemein Anerkannten Regeln der Technik sind nicht identisch. Im Falle einer Änderung der Allgemein Anerkannten Regeln der Technik hat die Ausführung dem neueren Standard zu folgen. Ein nach Vertragsschluss einsetzender höherer Standard löst aber Mehrvergütungsansprüche des Auftragnehmers aus. 7
Verhältnis VOB/B zum BGB-Werkvertragsrecht Der Bauvertrag ist ein Unterfall des Werkvertrages. Das führt dazu, dass das BGB-Werkvertragsrecht ( 631 f BGB ) die Regelungen der VOB/B einerseits ergänzt aber andererseits Maßstab der sogenannten Inhaltskontrolle nach AGB-Recht ist. 8
Verhältnis VOB/B zum BGB-Werkvertragsrecht Die VOB/B ist weder perfekt formuliert. Noch sind Ergänzungen und Überlagerungen zu bzw. vom BGB- Werkvertragsrecht aus sich heraus verständlich. Rechtssicherheit ergibt sich im Wesentlichen über eine jahrelang geübte (Rechtsprechungs-)Praxis. In der Anwendung ist die VOB/B hinzunehmen, ihre Beherrschung erschließt sich aber nicht aus sich heraus, sondern erfordert eine entsprechende Erfahrung bzw. die Hinzuziehung von Spezialisten. 9
VOB/B-typische Regelungen Typisch für die VOB/B und gleichzeitig untypisch im Sinne des BGB sind insbesondere folgende Regelungen: Leistungsänderungsrecht des Auftraggebers ( 1,2 VOB/B). Vergütungsfolgen von Leistungsänderungen wird auf Kalkulationsbasis bestimmt (Merksatz: Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis! ). Pflicht zur Bedenkenanmeldung. Regelung zu Vertragsfristen und insbesondere zur Folge von äußeren, die Bauumstände beeinflussenden Umständen ( Behinderungen ). Schlussrechnungs- und Abnahmewesen. Sicherheitenregime. 10
Insbesondere: Sogenannte Behinderungen oder: Komplexe Regelung für komplexe Themen 6 VOB/B: (1) Glaubt sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, so hat er es dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. ( ) 11
Insbesondere: Sogenannte Behinderungen 6 VOB/B: (2) Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung ( ): a) Durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers, b) Durch Streik ( ), c) Durch höhere Gewalt oder für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände. 12
Insbesondere: Sogenannte Behinderungen 6 VOB/B: (3) Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden musste, gelten nicht als Behinderung. ( ) (4) Die Fristverlängerung wird berechnet nach der Dauer der Behinderung mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten und die etwaige Verschiebung in eine ungünstigere Jahreszeit. 13
Insbesondere: Sogenannte Behinderungen ( ) (6) Sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten, so hat der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, das entgangenen Gewinns aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. 14
Die Anwendung in der Praxis Die stark einzelfallbezogenen Rechtsprechung insbesondere zu Behinderungen und Änderungsleistungen ( Nachtragsleistungen ) und die Verschränkung von juristischen mit baubetrieblichen Themen führt zu einer Aufrüstung der Bauvertragsparteien mit juristischem und baubetrieblichem Knowhow. 15
Die Anwendung in der Praxis Die bei komplexen Bauvorhaben inzwischen nahezu standardmäßige Begleitung durch hoch spezialisierte Baubetriebler und Juristen führt entweder zu deeskalativer Strategie bei Waffengleichheit und beidseitigem Bewusstsein unvollkommener Lösungsmöglichkeiten auf Gerichtsebene oder dem Versuch, der eigenen Aufrüstung die entsprechende aggressive Durchsetzung eigener Interessen mit entsprechend eskalativen Strategien folgen zu lassen. 16
FIDIC-Verträge FIDIC-Verträge stellen im Bauvertragswesen in Deutschland eine große Ausnahme dar. Rechtstechnisch ist die Zugrundelegung der FIDIC-Bedingungen in den verschiedenen Formen grundsätzlich wie die Vereinbarung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung zu verstehen. Praktische Bedeutung haben die FIDIC-Verträge in unserer Praxis lediglich bei Anlagebauverträgen, insbesondere Kraftwerksbau Windkraftanlagen 17
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