Ver - rückt, was nun?

Ähnliche Dokumente
Vorlesung Psychiatrie WS 2011/2012 Schizophrenie I Symptomatik, Epidemiologie

Schizophrenien ist die Familie schuld? nein. nein. ja nein. nein

Schizophrenie. Krankheitsbild und Ursachen

Schizophrenie. Künstlerisches Selbstporträt einer Person mit Schizophrenie, wie er die Welt empfindet

Schizophrenie Fakten und Mythen. W. Wolfgang Fleischhacker Abt. für Biologische Psychiatrie MUI Innsbruck

Multiple-Choice-Fragen zu Kapitel 7

1. Welche der folgenden Aussagen zur Therapie von schizophrenen Patienten treffen zu?

Syndrome. 12 Anwendungsfelder. 40 F-Diagnosen. Essstörung? Somatoform? Sexuell? Dementielles Syndrom. Katatones Syndrom

SCHIZOPHRENE STÖRUNGEN. Von. Dr. Ivano A. Simioni Facharzt für Psychiatrie an der Psychiatrie Bruneck

Psychosen bei Jugendlichen

PSYCHIATRISCHE ANSÄTZE DER KUNSTTHERAPIE KARL-HEINZ MENZEN

Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter mit Poliklinik.

Psychische Störungen Einführung. PD Dr. Peter Schönknecht Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Leipzig

Hausarbeit. Im Rahmen der Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie Dozentin: Savina Tilmann. Zum Thema. Schizophrenie und schizotype Störung

Was ist eine Psychose?... eine komplexe Störung des Selbst- und Weltbezuges bzw. eine fundamentale Störung des Realitätsbezuges.

Delir akuter Verwirrtheitszustand acute mental confusion

! Symptome > 1 Monat. ! Inadäquater Affekt, Reizbarkeit, Wutausbüche, ! Prodromal: Monate bis Jahre mit. ! Anamnese, Fremdanamnese, Labor

4. Vorlesung: Schizophrenie und andere psychotische Störungen. Prof. László Tringer Universität Semmelweis

Entscheidungshilfe Psychose: Schritt 1: Was ist eine Psychose? Was ist eine Psychose?

Schizophrenie Symptome Pathophysiologie,, Behandlung

Schizophrenie. Symptomatik

14. Vorlesung: Hirnorganische Störungen I. Prof. László Tringer

Eigene MC-Fragen Allgemeine Psychopathologie

Hauptvorlesung Psychiatrie und Psychotherapie 5: Schizophrenie I

Antworten: Frage: Störungen der Affektivität, Formen? Antworten: Frage: Ich-Störungen, Vorkommen? Antworten: Frage: Intelligenzstörung, Formen?

Schizophrenie ICD- 10 F2 ff. Heilpraktiker- Wissen - Tanja Witzgall

Schizophrenie I. Stefan Kaiser

Memorix Psychiatrie und Psychotherapie

Ein paar Anmerkungen zur Erfassung und zur Dokumentation des Psychopathologischen Befundes. Ronald Bottlender

Patienten mit Psychosen mehr Kompetenz

Depression, Burnout. und stationäre ärztliche Versorgung von Erkrankten. Burnout I Depression Volkskrankheit Nr. 1? 1. Oktober 2014, Braunschweig

Heilpraktiker Psychotherapie

Psychopharmaka- therapeutische oder sedierende Wirkung? Christina Kirschner Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

In der Vergangenheit gab es keine klaren Kriterien für die

Wege aus der Depression

Vortrag bei Pflegesymposium Altersmedizin am , Uwe Manns

Bewohner / Patienten mit Psychosen oder psychotischen Störungen sind in Altenpflegeeinrichtungen nicht besonders häufig, kommen aber doch vor.

Hauptvorlesung Psychiatrie und Psychotherapie 1: Psychotische Funktionsstörungen I

Vorname Name, Datum. Funktion, Abteilung

Schizophrenie. Informationen für Angehörige

mit depressiven Patienten Angela Mahnkopf

Bundesweite Prüfung HP-Psych 2015 Oktober 1. Gruppe B

Vortrag Schwangerschaft Schwangerschaft und Geburt Nicht immer nur Mutterglück Dr. med. Suzanne von Blumenthal

Vorwort Was ist Psychiatrie? Heute vorherrschendes Krankheitsmodell in der Psychiatrie... 17

Psychiatrische Versorgung für traumatisierte Flüchtlinge

Prim.Dr.Katharina Purtscher

Psychosen: Gruppe der Schizophrenien

Prim.Dr.Katharina Purtscher

Psychomotorische Störungen!

Auswirkungen psychischer Erkrankungen von Eltern auf das Familiensystem

Notfälle in der Psychiatrie. Suizidalität Zusammenfassung Prof. László Tringer

Psychoedukationsgruppe für Patienten mit Psychose im SRT

2. Methodik. 2.1 Ablauf der Studie

Inhaltsverzeichnis. 1 Einleitung Das psychiatrische Untersuchungsgespräch... 5

5. Vorlesung Affektive Störungen. Prof. László Tringer

Psychosen und psychoseähnliche Störungen

Block 2 Schizophrenie

Psychiatrische Untersuchung

Kinder psychisch kranker Eltern. Ein Projekt des. Familienbüro KoKi

Psychische Erkrankungen

Trauer bei von Demenz betroffenen Menschen. Dr. Roland W. Kupper

Kinder und Jugendliche im Gefühlschaos

Psychiatrie-Dienste Süd: Psychiatrie-Zentrum Werdenberg-Sarganserland Seite 1

Um sinnvoll über Depressionen sprechen zu können, ist es wichtig, zwischen Beschwerden, Symptomen, Syndromen und nosologische Krankheitseinheiten

Psychose und Sucht. Sebastian Winkelnkemper Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Schwarzbachklinik Ratingen Chefarzt

Krankheitswertige Beziehungs- und Kommunikationsstörungen Wann sind Missverständnisse eine psychiatrische Diagnose wert?

Kasuistische Beiträge zur modernen Pharmakotherapie mit Quetiapin

Welche Aussage zur leichten Intelligenzminderung (nach ICD-10) trifft zu?

Das Alter hat nichts Schönes oder doch. Depressionen im Alter Ende oder Anfang?

... Berlin Psychiatrie als Psychotherapeutische Disziplin. Presse-Round-Table DGPPN BVDN BVDN. Dr. med. Frank Bergmann

Schizophrenie. und andere psychotische Störungen Holger Schmitte, M.Sc. 1. Schizophrenie

Depression: eine der häufigsten psychischen Krankheiten

Diagnostik von Traumafolgestörungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie

Hochschule für Soziale Arbeit Arbeitsunterlage zu Kap

Heilpraktikerprüfung (beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie) vom Gruppe A *)

Kein Hinweis für eine andere Ursache der Demenz

Eine Indikation für die analytische Psychotherapie stellen dar:

Ein Zentrum für Gesundes Altern-Relevanz für die Onkologie?!

Basiswissen, Epidemiologie und Schlussfolgerungen

Bindungsstörung bei psychisch kranken Eltern

LWL-Klinik Lengerich. Das Leben im Gleichgewicht. Abteilung für Allgemeinpsychiatrie Station 16.2

Psychosozialer Dienst Burgenland GmbH. in Zahlen. Sabine Birner

W. Schulte R. Tolle. Psychiatrie. Springer -Verlag Berlin Heidelberg New York 1971

Basiswissen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Entwicklungspsychopathologie. Dr. Marc Allroggen 26. Mai 2009

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Depression im Alter. Angelika Karl

Untersuchungsmethoden und Therapien in der Psychiatrie. Einleitung in die Psychiatrie am September 2008.

Psychosomatische Rehabilitation

Inhaltsverzeichnis. Allgemeine Einführung in die Ursachen psychischer Erkrankungen sowie deren Bedeutung

Forensische Psychiatrie für Juristen

Psychotherapie der Depression

Heilpraktikerprüfung Psychotherapie März 2012

Häufige Begleiterkrankungen: Körperliche Erkrankungen Epilepsie Sonstige körperliche Erkrankungen

Depression entschlossen behandeln aber wie?

Die schriftliche Überprüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie

Depressiven und suizidalen Menschen begegnen

Prüfungsfragen März 2012 Bereich Psychotherapie Gruppe A

Ich bin mir Gruppe genug

Transkript:

Ver - rückt, was nun? Oder der Versuch einem schizophrenen Menschen auf pflegerischer Ebene zu begegnen und ihn zu verstehen. UKM Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie H. Becker; Fach- Gesundheits- u. Krankenpfleger für psych. Pflege Moderation: P. Huning; Fach- Gesundheits- u. Krankenpflegerin für psych. Pflege 1 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

- Vorkommen ca. 1%. - Kommen in allen Kulturen vor. Die Symptomatik ist abhängig von den soziokulturellen Gegebenheiten. - schizophrene affektive organische Psychosen - Fehlende Krankheitseinsicht!! 2 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Grundsymptome / Primärsymptomatik: - Veränderungen des Denkens - Veränderungen der Affektivität - Veränderungen im Antrieb (des Wollens ) Akzessorische Symptomatik / Sekundärsymptomatik: - Aus der Krankheitsgeschichte ableitbar. - Wahn, Halluzinationen, katatone Symptome. (Können auch bei organischen Psychosen auftreten!) 3 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Symptome: Veränderungen des Denkens: Konzentrationsstörungen /Aufmerksamkeitsdefizite Begriffszerfall; Zerfahrenheit; Gedankenabriss Begriffe verlieren die exakte Bedeutung zusammenhanglos, alogisch, unverständlich bin hin zum Wortsalat. Gemachte Gedanken / Gedankenentzug: von anderen gemacht oder entzogen aber sich zugehörig erlebt. 4 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Sprache: Wahrnehmung: Affektivität: Rededrang, Mutismus (Stillschweigen), Neologismen, Echolalie. Wahrnehmungsüberflutung; Wesen und Ausdruck des Wahrgenommenen wird wichtiger als Größe / Struktur / Eigenschaften. Gehobene Stimmung (läppisch, albern, ausgelassen, rücksichtslos (Hebephrenie); nicht so mitreißend wie bei Manien. Depressive Verstimmung, z.b. bei Beginn der Erkrankung mit Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Anlehnungsbedürfnis. Angst, Misstrauen; zu Beginn, vor dem unbekannten, unheimlich erlebten Persönlichkeitsänderungen oder in Verbindung mit Wahn / Hallunzinationen. 5 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Affektlabilität; instabile Stimmungslage. Parathymie; inadäquate Stimmungslage. Mimik, Gestik, Sprechen stehen im Widerspruch zu Gefühl / Situation / Gedanken. Ambivalenz; im Gegensatz zum neurotischen Pat. treten Erlebnisqualitäten nebeneinander auf, die nicht bewusst in einer Richtung ausgetragen können. Gleichzeitig: lachen / weinen oder Freude / Hass. Antrieb: In der Regel reduziert bis aufgehoben (Verwahrlosung). 6 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Wahn und Halluzinationen Voraussetzende Kriterien: 1. Unkorrigierbare Überzeugung, subjektive Gewissheit 2. Ichbezogene Bedeutung Der Inhalt muss sich nicht von normalen Wahrnehmungsinhalten unterscheiden. Das Wie hat jedoch eine abnorme Bedeutung. - Der Patient fühlt sich ausgeliefert, kann sich nicht wehren, nicht gegensteuern. 7 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Die häufigsten Wahn- und Halluzinationsthemen im Erwachsenenalter Akustische Halluzinationen; meist Stimmen, die imperativ, kommentierend oder Dialogisierend sein können (rufen, lachen, Schritte, pfeifen, klopfen, sägen...) Geruchs- Geschmackshalluzinationen Optische Halluzinationen Versündigungs- Verschuldungswahn Verarmungswahn Größenwahn Vergiftungswahn Taktile Halluzinationen 8 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Katatone Symptome: Katatoner Stupor: Teilnahmslos / Reglos / Sprachlos - Die Pat. sind Bewusstseinsklar, wach, besonders empfindlich gegenüber Umgebungswahrnehmungen. Durch Angst, Wahn, Halluzinationen wird die Situation für Betroffene noch unerträglicher da sie sich nicht äußern können, handeln können. Katalepsie: Verharrende Entstellung der Extremitäten. Psychomotorische Unruhe: ständige Bewegung, hin- u. herlaufen, im Erregungszustand ev. mit Aggressivität. 9 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Katatone Hyperkinesen: Klopfen mit Fingern, Händeklatschen, wippen des Fußes, stereotypes hin- hergehen, Schmatzen / Grimassieren. Antriebsabbruch / Antriebssperre: Hand geben, kurz vorher aber wieder fallen lassen. Negativismus: Pat. tut das Gegenteil des Erwarteten. Befehlsautomatie: Willenlos, Kritiklos, ahmt Bewegungen / Verhaltensweisen von Menschen seiner Umgebung nach. Perniziöse Katatonie: Hohe Temp., Herz- Kreislaufstörungen, Hypoxie, Erregung mit toben und schreien oder stuporöser Zustand mit erhöhtem Muskeltonus. 10 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Atiologie / Pathogenese: Genetische Faktoren Hirnorganische Einflüsse Psychosoziale Einflüsse Auslösender Faktor Vulnerabilitätsmodell 11 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Verlauf + Prognose Erkrankungsbeginn: Frauen / Männer Erkrankungswellen sind weniger scharf abgrenzbar als Manien / Depressionen. Drittel Regel veraltert. Prognostisch günstig: Prognostisch ungünstig: Residualzustand: akuter / später Erkrankungsbeginn, ausgeprägte affektive und sekundäre Symptome, gefestigte Persönlichkeit. schleichender / früher Erkrankungsbeginn, hervortreten der Grundsymptome. Verschroben im Verhalten, Denkstörungen, Antriebsminderung, Autismus, Affektverarmung, Verlust an Realitätsbeziehungen. 12 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Therapie: Pflege / Basistherapie: Empathischer Beziehungsaufbau, Vertrauen herstellen, Respekt und Achtung als Grundhaltung. Gesprächsführung: Angst, Rückzug, Desorganisation + Strukturlosigkeit führen zur besonderen Bedeutung der Gesprächsführung. Nicht reflektierend oder konfrontativ eher stützend, führend mit Ratschlägen und Hinweisen. Eindeutige Kommunikation (keine doppelten Botschaften/Konkretismus) Strukturierende Gesprächsführung. Verlässliche Gesprächsangebote 13 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Positive Erfahrungen z.b. durch: Gesprächsführung, strukturierende Maßnahmen, Beschäftigungsangebote, Kontakte zu Mitpatienten. Stabile mitmenschliche- personelle Beziehungen. Übersichtliche, wohnliche Atmosphäre. Tagesstrukturierung Anregung zu Beschäftigung und Therapie z.b. Arbeitstherapie, Ergotherapie, Sport, Physiotherapie, Stärkung gesunder Anteile Reizabschottung Eltern / Bezugspersonen mit einbeziehen 14 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Psychotherapie: Stützend- führend- begleitend Hinweise / Ratschläge Nicht überfordern nicht passivieren + abhängig machen. Pharmakotherapie: - Antipsychotika (Depotpräparate) - Antidepressiva -(Benzodiazepine) Rehabilitation: Wohnen / Arbeit / Freizeitgestaltung Hilfen und Unterstützung für Angehörige, Verhinderung von high EE / low EE, Sensibilisierung für Frühsymptome, Psychoedukation. 15 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. UKM Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie H. Becker; Fach- Gesundheits- u. Krankenpfleger für psych. Pflege Moderation: P. Huning; Fach- Gesundheits- u. Krankenpflegerin für psych. Pflege 16 Universitätsklinikum Münster Pflegeabend, 30.05.2012