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Hogan Lovells Automotive News Automotive Team Germany Juli 2010

Die Hogan Lovells Automotive News werden herausgegeben von: Hogan Lovells International LLP Automotive Team Germany Karl-Scharnagl-Ring 5 80539 München Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Patrick Ayad, Hogan Lovells International LLP, München Dieser Newsletter ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Der Inhalt ist ohne vorherige Beratung nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet und wir können insoweit keine Haftung übernehmen.

Hogan Lovells Automotive News Inhalt Editorial 1 Kfz-GVO: Neue Wettbewerbsregeln für den Kraftfahrzeugsektor 3 Die doppelnützige Treuhand als Sanierungsinstrument 8 Aussetzung des steuerlichen Sanierungsprivilegs Droht ein Scheitern des Sanierungserwerbs am Europarecht? 11 Strategien der Banken bei der Restrukturierung von Krediten 13 Gestalten mit Interessenausgleich 15 Aktuelle Rechtsprechung 18 Unsere Expertise im Automobilsektor im Überblick 24 Hogan Lovells Automotive Team Ihre Ansprechpartner 25

1 Hogan Lovells Automotive News Editorial Liebe Leserinnen und Leser, unsere Hogan Lovells Automotive News informieren Sie in regelmäßigen Abständen über neueste Entwicklungen in der Automobilbranche. Unser praxisgruppen- und standortübergreifendes Automotive Team in Deutschland greift wichtige Branchenthemen auf und fasst diese zu Ihrer Information kurz und bündig zusammen. Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. Ihr Hogan Lovells Automotive Team Automotive News per E-Mail Die Hogan Lovells Automotive News werden in regelmäßigen Abständen per E-Mail versendet. Zur kostenfreien Abonnierung wenden Sie sich bitte an: Frau Ulrike Johann Business Development Manager ulrike.johann@hoganlovells.com Gerne nehmen wir auch Ihre Kollegen in unsere Verteilerliste mit auf. DIE SCHWERPUNKTE DIESER AUSGABE: Neue Kfz-GVO: Neue Wettbewerbsregeln Am 1. Juni 2010 hat die Europäische Kommission eine neue Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor (Verordnung (EU) 461/2010, "Kfz-GVO") mit den dazugehörigen Leitlinien veröffentlicht. Die neue Kfz-GVO regelt in kartellrechtlicher Hinsicht Vereinbarungen zwischen Kfz- Herstellern und deren zugelassenen Händlern, Werkstätten und Ersatzteilanbietern. Daneben findet die ebenfalls am 1. Juni 2010 erlassene neue Verordnung (EU) Nr. 330/2010 ("Vertikal-GVO"), die allgemein für vertikale Vereinbarungen gilt, im Kraftfahrzeugsektor Anwendung. Doppelnützige Treuhand als Sanierungsinstrument Das Modell der doppelnützigen Treuhand wird seit rund zehn Jahren in der Restrukturierungspraxis eingesetzt. Zunächst als Sonderlösung eingestuft, kam es nur bei wenigen Unternehmen zum Einsatz und gelangte nur selten an die Öffentlichkeit. Den Schritt aus ihrem Schattendasein schaffte die Sanierungstreuhand erstmals durch den Einsatz im Bieterverfahren um den angeschlagenen Autobauer Opel im vergangenen Jahr. Aussetzung des steuerlichen Sanierungsprivilegs Droht ein Scheitern des Sanierungserwerbs am Europarecht? Der Steuergesetzgeber unterstützte im vergangenen Jahr sanierungswillige Investoren und Gesellschafter beim Erwerb insolvenznaher Unternehmen mit dem sog. Sanierungsprivileg, was die Verlustvorträge der Körperschaft, also künftiges Steuerminderungspotenzial, vor dem Untergang bewahrte. Nachdem die EU-Kommission erst kürzlich ein Beihilfen- Prüfverfahren im Hinblick auf das Sanierungsprivileg einleitete, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) dessen Anwendung nun vollständig ausgesetzt mit möglicherweise verheerenden Folgen für die betreffenden Unternehmen. Strategien der Banken bei der Restrukturierung von Krediten Wenn Unternehmen sich nicht mehr an Kreditvereinbarungen halten können, stehen Banken zahlreiche rechtliche Handlungsoptionen zur Verfügung. Für Unternehmen ist es wichtig, diese zu kennen und zu wissen, was sie selbst in einem solchen Fall tun müssen. Gestalten mit Interessenausgleich Ein Interessenausgleich ist kein zwingendes, aber oft geeignetes Instrument zur praxisgerechten Abwicklung von Betriebsänderungen. Gerade bei Kapazitätsanpassungen infolge der Wirtschaftskrise, die die Automobilindustrie besonders getroffen hat, sollten Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Interessenausgleichsverhandlungen bekannt sein. Aktuelle Rechtsprechung des BGH Für Sie von uns beobachtet und kommentiert: Praxisrelevante Veröffentlichungen unserer Anwälte im Überblick.

3 Hogan Lovells Automotive News Kfz-GVO: Neue Wettbewerbsregeln für den Kraftfahrzeugsektor GVO. Auch innerhalb dieses Zeitraums geschlossene Verträge sind noch von der alten Kfz-GVO erfasst. Am 1. Juni 2010 hat die Europäische Kommission eine neue Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor (Verordnung (EU) 461/2010, im Folgenden "Kfz-GVO") mit den dazugehörigen Leitlinien veröffentlicht. Die bisherigen Regeln für den Kfz-Sektor (Verordnung (EU) 1400/2002) wurden 2002 angenommen und sind am 31. Mai 2010 ausgelaufen. Die neue Kfz-GVO regelt in kartellrechtlicher Hinsicht Vereinbarungen zwischen Kfz-Herstellern und deren zugelassenen Händlern, Werkstätten und Ersatzteilanbietern. Daneben findet die ebenfalls am 1. Juni 2010 erlassene neue Verordnung (EU) Nr. 330/2010 (im Folgenden "Vertikal- GVO"), die allgemein für vertikale Vereinbarungen gilt (d.h. Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen), im Kraftfahrzeugsektor Anwendung. 1. UNTERSCHEIDUNG PRIMÄR- UND ANSCHLUSS- MARKT Neu ist insbesondere, dass die Kommission teils unterschiedliche Regeln für den Neuwagenvertrieb (Primärmarkt) einerseits und die Instandsetzungs- und Wartungsmärkte und die Märkte für den Vertrieb von Ersatzteilen (Anschlussmarkt) andererseits vorgesehen hat. 1.1. Primärmarkt Anita Malec Senior Associate, Kartellrecht Düsseldorf T +49 211 1368 430 anita.malec@hoganlovells.com Eine Analyse der Kommission ergab, dass auf dem Markt für den Neuwagenvertrieb starker Wettbewerb herrscht. Unter diesen Bedingungen seien die Hersteller durch die bislang speziell für den Kfz-Sektor geltenden Regeln unnötig eingeengt worden. Die Kommission hat deshalb die für den Vertrieb von Kraftfahrzeugen geltenden Regeln an die für Vertriebsvereinbarungen in anderen Sektoren geltenden ebenfalls neuen allgemeinen Regeln der neuen Vertikal-GVO angepasst. Dabei hat sie jedoch eine dreijährige Übergangsfrist vorgesehen, um den Kfz-Händlern genügend Zeit für die Anpassung an die neuen Regeln zu geben. Die alte Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor (VO 1400/2002) gilt daher für Bedingungen, unter denen Unternehmen vom Hersteller neue Kraftfahrzeuge beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen, bis zum 31. Mai 2013 fort. Danach fallen diese Bereiche unter die neue Vertikal- Mit der Ausdehnung der Anwendungsdauer der alten Kfz- GVO wird den Herstellern Zeit eingeräumt, ihre Vertragsbedingungen gegenüber Händlern rechtzeitig anzupassen. Dies betrifft insbesondere Vereinbarungen über die Mängelgewährleistung. Die neuen Regeln sollen auch zu einer Verringerung der Vertriebskosten für Neufahrzeuge beizutragen, da allzu restriktive Bestimmungen aus der alten Kfz-GVO entfallen. 1.2. Anschlussmarkt Der Wettbewerb auf den Instandsetzungs- und Wartungsmärkten und den Märkten für den Vertrieb von Ersatzteilen im Kfz-Sektor sei nach Auffassung der Kommission dagegen weniger intensiv und es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher aufgrund wettbewerbswidriger Verhaltensweisen höhere Reparaturkosten tragen müssen. Anders als die Kraftfahrzeugpreise seien die durchschnittlichen Instandsetzungskosten in den vergangenen Jahren gestiegen. Die Kommission sieht daher für diese Märkte strengere Regeln vor, die die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften einfacher machen sollen und die nunmehr die neue Kfz-GVO vorgibt. Aus Sicht der Kommission werden die neuen Regeln den Wettbewerb auf dem Markt für Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen stärken, da der Zugang zu erforderlichen Reparaturinformationen und die Verwendung alternativer Ersatzteile erleichtert werden. Auf der Grundlage der überarbeiteten Regeln kann die Kommission wirksam gegen Kfz-Hersteller vorgehen, die verlangen, dass Kraftfahrzeuge nur in von ihnen zugelassenen Werkstätten gewartet werden. 2. NEUE VERTIKAL-GVO Die neue Vertikal-GVO ist ebenfalls seit dem 1. Juni 2010 in Kraft und gilt seither für Bedingungen, zu denen Unternehmen Kraftfahrzeugersatzteile beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen oder Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge erbringen dürfen neben der neuen Kfz- GVO, sowie ab dem 1. Juni 2013 auch und ausschließlich für den Neuwagenverkauf. Das bedeutet, dass die entsprechenden Vereinbarung nur dann vom Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, "AEUV" und 1 GWB) freigestellt sind, wenn sie die Voraussetzungen beider Gruppenfreistellungsverordnungen erfüllen. 2.1. Marktanteilsschwelle Für die Anwendbarkeit der neuen Vertikal-GVO ist insbesondere erforderlich, dass der Anteil des Anbieters auf dem rele-

4 Hogan Lovells Automotive News vanten Markt, auf dem er seine Waren oder Dienstleistungen verkauft und der Anteil des Abnehmers auf dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen bezieht, jeweils nicht mehr als 30% beträgt. Durch die Anwendung der Marktanteilsschwellen der neuen Vertikal-GVO sind die Freistellungsmöglichkeiten von Vereinbarungen auch im Kraftfahrzeugsektorsektor merklich eingeschränkt worden. Die zugelassenen Werkstätten und Ersatzteilhändler haben nach den Erkenntnissen der Kommission häufig einen Marktanteil von über 30% auf dem Markt, auf dem sie Ersatzteile beziehen. Die alte Kfz-GVO war hingegen nur dann nicht anwendbar, wenn der Marktanteil des Lieferanten auf dem Markt, auf dem er die Vertragswaren angeboten hat, 30% überschritten hat. 2.2. Nicht freigestellte Beschränkungen nach der Vertikal- GVO Ferner darf die Vereinbarung keine der in der neuen Vertikal- GVO genannten Kernbeschränkungen (Art. 4 Vertikal-GVO) bzw. nicht feigestellten Beschränkungen (Art. 5 Vertikal-GVO) enthalten. Zu den Kernbeschränkungen zählen gemäß Art. 4 lit. a Vertikal-GVO alle Beschränkungen des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, unbeschadet der Möglichkeit des Anbieters, Höchstverkaufspreise festzusetzen oder Preisempfehlungen auszusprechen. Gemäß Art. 4 lit. b Vertikal-GVO sind ferner unzulässig Beschränkungen des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die der Abnehmer, Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf. Gemäß Art. 4 lit. c Vertikal-GVO sind zudem unzulässig Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems und Beschränkungen von Querlieferungen zwischen Händlern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems (Art. 4 lit. d Vertikal-GVO). Von besonderer Relevanz ist ferner im Kraftfahrzeugsektorsektor das Verbot von Vereinbarungen zwischen einem Anbieter von Teilen und einem Abnehmer, der diese Teile weiterverwendet, die die Möglichkeit des Anbieters beschränken, die Teile als Ersatzteile an Endverbraucher oder an Reparaturbetriebe oder andere Dienstleister zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder Wartung seiner Waren betraut hat (Art. 4 lit. e Vertikal-GVO). Enthält eine Vereinbarung eine der vorstehend genannten Kernbeschränkungen der Vertikal-GVO, entfällt die Anwendbarkeit der Verordnung für den gesamten Vertrag. Folglich sind auch alle anderen grundsätzlich freistellungsfähigen Beschränkungen vom Kartellverbot erfasst und damit unwirksam. Die Freistellung nach der Vertikal-GVO gilt zudem gemäß Art. 5 nicht für die folgenden, in vertikalen Vereinbarungen enthaltenen Verpflichtungen: a) unmittelbare oder mittelbare Wettbewerbsverbote, die für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als fünf Jahren vereinbart werden, es sei denn die Vertragswaren oder -dienstleistungen werden vom Abnehmer in Räumlichkeiten und auf Grundstücken verkauft, die im Eigentum des Anbieters stehen oder von diesem von nicht mit dem Abnehmer verbundenen Dritten gemietet oder gepachtet worden sind und das Wettbewerbsverbot nicht über den Zeitraum hinausreicht, in dem der Abnehmer diese Räumlichkeiten und Grundstücke nutzt; b) unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die den Abnehmer veranlassen, Waren oder Dienstleistungen nach Beendigung der Vereinbarung nicht herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen; c) unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die die Mitglieder eines selektiven Vertriebsystems veranlassen, Marken bestimmter konkurrierender Anbieter nicht zu verkaufen. 3. KERNBESCHRÄNKUNGEN NACH DER KFZ-GVO Die neue Kfz-GVO schafft in dem Bereich des Anschlussmarktes zusätzliche Voraussetzungen für die Freistellung einer Vereinbarung, die die Bedingungen betrifft, unter denen die beteiligten Unternehmen Kraftfahrzeugersatzteile beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen oder Instandsetzungsund Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge erbringen dürfen und findet neben der Vertikal-GVO Anwendung. Die Freistellung einer solchen Vereinbarung kommt somit nur dann in Betracht, wenn sowohl die Voraussetzungen der neuen Vertikal-GVO wie daneben auch die der neuen Kfz-GVO erfüllt sind. Gemäß Art. 5 Kfz-GVO gilt die Freistellung nicht, wenn die Vereinbarung Folgendes bezweckt: a) die Beschränkung des Verkaufs von Kraftfahrzeugersatzteilen durch Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems an unabhängige Werkstätten, welche diese Teile für die Instandsetzung und Wartung eines Kraftfahrzeugs verwenden (Art. 5 lit. a) Kfz-GVO);

5 Hogan Lovells Automotive News b) die zwischen einem Anbieter von Ersatzteilen, Instandsetzungsgeräten, Diagnose oder Ausrüstungsgegenständen und einem Kraftfahrzeughersteller vereinbarte Beschränkung der Möglichkeiten des Anbieters, diese Waren an zugelassene oder unabhängige Händler, zugelassene oder unabhängige Werkstätten oder an Endverbraucher zu verkaufen (Art. 5 lit. b) Kfz-GVO); c) die zwischen einem Kraftfahrzeughersteller, der Bauteile für die Erstmontage von Kraftfahrzeugen verwendet, und dem Anbieter dieser Bauteile vereinbarte Beschränkung der Möglichkeiten des Anbieters, sein Waren- oder Firmenzeichen auf diesen Teilen oder Ersatzteilen effektiv und gut sichtbar anzubringen (Art. 5 lit. c) Kfz-GVO). Damit hat die Kommission für diesen Bereich drei zusätzliche Kernbeschränkungen geschaffen, die nicht freigestellt sind. 4. AUSWIRKUNGEN DER NEUEN REGELN AUF DEN MARKT FÜR ERSATZTEILE, INSTANDSETZUNGS- UND WARTUNGSDIENSTLEISTUNGEN FÜR KRAFTFAHR- ZEUGE Mit Art. 5 lit. a) (Nr. 1 oben) beabsichtigt die Kommission, unabhängigen Werkstätten den Zugang zu solchen Ersatzteilen zu ermöglichen, die nur über den Kraftfahrzeughersteller oder sein Netz zugelassener Werkstätten zu beziehen sind. Art. 5 lit. b) (Nr. 2 oben) der neuen Kfz-GVO entspricht Art. 4 Abs.1 lit. j) der alten Kfz-GVO. Hier legt die Kommission weiter die Wertung der Bekanntmachung von 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen (EG ABl. 1979 C 1, S. 2) zugrunde. So fallen Veredelungsvereinbarungen in der Regel nicht unter diese Kernbeschränkung, wenn sich der Kraftfahrzeughersteller zu einem nicht nur geringen Teil an den Produktentwicklungskosten beteiligt, dem Teilehersteller ein für die Herstellung bestimmter Teile erforderliches Werkzeug oder Rechte des geistigen Eigentums oder Know-How zur Verfügung stellt. Unter die Bestimmung fallen auch die Regelungen der alten Kfz-GVO zu Originalersatzteilen und qualitativ gleichwertigen Ersatzteilen (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. t), u), Art. 4 Abs. 1 lit. j) der alten Kfz-GVO). Entsprechend dürfen Beschränkungen nicht solche Ersatzteile erfassen, die den Originalersatzteilen gleichwertig sind. Bis zum Nachweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass Teile Originalteile sind, wenn der Hersteller (des Ersatzteils) bescheinigt, dass die Teile die gleiche Qualität aufweisen wie die für den Bau des betreffenden Fahrzeugs verwendeten Bauteile und nach den Spezifikationen und Produktionsnormen des Kraftfahrzeugherstellers gefertigt wurden (Tz. 19 der neuen Leitlinien). Dem Kraftfahrzeughersteller obliegt der Beweis der Nichtgleichwertigkeit (Tz. 20 der neuen Leitlinien). Art. 5 lit. c) (Nr. 3 oben) der neuen Kfz-GVO entspricht wiederum Art. 4 Abs.1 lit. l) der alten Kfz-GVO. Kann das Warenoder Firmenzeichen auf den Bauteilen und Ersatzteilen angebracht werden, so lässt sich leichter feststellen, welche Ersatzteile kompatibel sind und von Originalteileanbietern (OES) bezogen werden können. Wird dies verwehrt, so können die Kraftfahrzeughersteller die Vermarktung von OES-Teilen und die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher in einer Weise beschränken, die mit Artikel 101 AEUV nicht vereinbar ist (Tz. 24 der Leitlinien). 4.1. Zugang zu Informationen Die Kommission hat bei den Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen auf den Wettbewerb auf den Kfz-Anschlussmärkten drei besonders kritische Bereiche ausgemacht: den Zugang unabhängiger Marktteilnehmer zu technischen Informationen, der Missbrauch gesetzlicher oder erweiterter Gewährleistungen zum Ausschluss unabhängiger Werkstätten und die Abhängigkeit des Zugangs zu Netzen zugelassener Werkstätten von Kriterien nicht qualitativer Art. Der Begriff der unabhängigen Marktteilnehmer in Tz. 62 der neuen Leitlinien entspricht weitgehend dem aus Erwägungsgrund 26 und Art. 4 Abs. 2 der alten Kfz-GVO. Als unabhängige Marktteilnehmer gelten in diesem Zusammenhang unabhängige Werkstätten, Ersatzteilehersteller und -händler, Hersteller von Werkstattausrüstung oder Werkzeugen, Herausgeber von technischen Informationen, Automobilclubs, Pannenhilfsdienste, Anbieter von Inspektions- und Prüfdienstleistungen und Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung für Werkstattmitarbeiter. Neu erfasst sind darin Ersatzteilehersteller. Die Kommission hat den Begriff der technischen Information gegenüber dem in Frage 86 des Leitfadens zur alten Kfz-GVO verwendeten Begriff deutlich ausgeweitet. Er soll unter anderem Software, Fehlercodes und sonstige Parameter einschließlich entsprechender Updates, die erforderlich sind, um in elektronischen Steuergeräten vom Anbieter empfohlene Einstellungen vorzunehmen oder wiederherzustellen, Kraftfahrzeug-Identifizierungsnummern, Teilekataloge, Instandsetzungs- und Wartungsverfahren, Arbeitslösungen, die sich aus praktischen Erfahrungen ergeben und sich auf typischen Probleme bei einem bestimmten Modell oder einer bestimmen Serie beziehen, sowie Rückrufanzeigen und sonstige Mitteilungen über Reparaturarbeiten, die innerhalb des Netzes zugelassener Werkstätten kostenlos durchgeführt werden können, sowie die Ersatzteilnummer und andere Informationen, die erforderlich sind, um ein bestimmtes Ersatzteil zu ermitteln, erfassen.

6 Hogan Lovells Automotive News Zu den technischen Informationen, die nicht vorenthalten werden dürfen, zählt die Kommission solche Informationen, die sich erheblich auf die Fähigkeit unabhängiger Marktteilnehmer auswirken, ihre Tätigkeit durchzuführen und Wettbewerbsdruck auszuüben. Wenn die Informationen dem Netz zugelassener Werkstätten zur Verfügung gestellt werden, sollten sie auch unabhängigen Marktteilnehmern in nicht diskriminierender Form zur Verfügung gestellt werden. Nicht erfasst sieht die Kommission Informationen, die rein kommerzieller Natur sind (z.b. Abrechnungssoftware oder Informationen über die im Netz zugelassenen Stundensätze) oder letztendlich gar nicht für Reparatur und Wartung genutzt werden (z.b. Informationen über Design, Produktionsverfahren oder über die Herstellung von Ersatzteilen). Die Kommission will sich bei Wettbewerbsbeschränkungen durch Ausschluss von Informationen an den Verordnungen Nr. 715/2007 und Nr. 595/2009 orientieren, die für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bzw. schwere Nutzfahrzeuge ab bestimmten Stichtagen den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen regeln. Ihre Wertungen will sie auf den Zugang zu Wartungs- und Reparaturinformationen für Pkw und Nutzfahrzeuge anwenden, die vor den Stichtagen in den Verkehr gebracht worden sind. 4.2. Gewährleistung Nach Ansicht der Kommission kann es insbesondere dann zu Wettbewerbsverstößen kommen, wenn der Hersteller die gesetzliche oder erweiterte Gewährleistung davon abhängig macht, dass der Endverbraucher nicht unter die Gewährleistung fallende Instandsetzungs- und Wartungsdienste nur innerhalb des Netzes zugelassener Werkstätten ausführen lässt oder dabei nur Ersatzteile mit dem Markenzeichen des Herstellers verwendet werden. Wenn Markenwerkstätten die notwendigen Ersatzteile im freien Markt kaufen können, wird aber ein Preisdruck erzeugt, der die Fahrzeughersteller veranlassen wird, die Preise für Originalteile zu senken. Gemäß Tz. 39 der neuen Leitlinien wertet die Kommission jedoch die einer zugelassenen Werkstatt auferlegte Verpflichtung, für Instandsetzungsarbeiten im Rahmen der Gewährleistung, des unentgeltlichen Kundendienstes und von Rückrufaktionen vom Kraftfahrzeughersteller gelieferte Originalteile zu verwenden, als objektiv gerechtfertigte Forderung. In der alten Kfz-GVO war die Verpflichtung einer Werkstatt, für Instandsetzungsarbeiten im Rahmen der Gewährleistung oder von Rückrufaktionen nur vom Hersteller gelieferte Originalersatzteile zu verwenden von der Kernbeschränkung nach Art. 4 Abs. 1 lit. k) (Ersatzteilerwerb von Dritten) ausgenommen. Die neuen Leitlinien legen nahe, dass die Kommission diese Beschränkung generell nicht als vom Kartellverbot erfasst sieht. Die Beschränkung der Gewährleistung, des unentgeltlichen Kundendienstes und von Rückrufaktionen auf zugelassene Werkstätten dürfte ähnlich zu bewerten sein. 5. AUSWIRKUNGEN DER NEUEN REGELN AUF DEN BE- ZUG, VERKAUF UND WEITERVERKAUF NEUER KRAFT- FAHRZEUGE 5.1. Wettbewerbsverbote Die Anwendung der neuen Vertikal-GVO auf den Bezug, Verkauf und Weiterverkauf neuer Kraftfahrzeuge schlägt sich besonders deutlich in der nunmehr eröffneten Möglichkeit nieder, Händler für eine Höchstdauer von fünf Jahren zu verpflichten, Kraftfahrzeuge nur vom Hersteller oder von ihm benannten Anbietern zu beziehen (Markenzwang). Darüber hinausgehende Verbote sind gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) Vertikal-GVO nicht freistellungsfähig. Kfz-Hersteller können diesen Zeitraum jedoch ausdehnen, indem sie die Verkaufsräumlichkeiten an den Kfz-Händler vermieten oder verpachten. 5.2. Selektive Vertriebssysteme Ebenso ist die Verpflichtung von Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems, Marken bestimmter konkurrierender Anbieter nicht zu verkaufen, gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) Vertikal-GVO nicht freistellungsfähig. Ein allgemeines Wettbewerbsverbot (auf 5 Jahre beschränkt) im selektiven Vertriebssystem, das sämtliche anderen Marken erfasst, schließt lit. c) jedoch nicht aus (vgl. Tz. 69 der Leitlinien zur Vertikal-GVO). Mit dieser Bestimmung soll nur verhindert werden, dass mehrere Anbieter, die dieselben Verkaufsstätten eines selektiven Vertriebsnetzes nutzen, einen bestimmten Wettbewerber oder bestimmte Wettbewerber davon abhalten, beim Vertrieb ihrer Produkte auf diese Verkaufsstätten zurückzugreifen (Marktausschluss eines konkurrierenden Anbieters in Form eines kollektiven Boykotts). Im Bereich der selektiven Vertriebssysteme betont die Kommission den Schutz des Parallelhandels in der Gemeinschaft. Sie führt in den Leitlinien aus, dass unter den Begriff "Endverbraucher" in den Kernbeschränkungen sowohl der allgemeinen Vertikal-GVO als auch der Kfz-GVO auch Leasingunternehmen und Vermittler fallen (vgl. Tz. 51 der Leitlinien zur Kfz-GVO). Hersteller dürften ihre Händler in selektiven Vertriebssystemen jedoch am Weiterverkauf an Leasingunternehmen hindern, wenn nachweisbar das Risiko besteht, dass das Leasingunternehmen die Fahrzeuge neu weiterverkauft. Ein Anbieter kann daher von einem Kfz-Händler verlangen, vor dem Verkauf an ein bestimmtes Unternehmen die zugrunde gelegten Leasingbedingungen zu überprüfen und sicherzustellen, dass es sich bei dem betreffenden Unternehmen tatsächlich um ein Leasingunternehmen und nicht um einen nicht zugelassenen Wiederverkäufer handelt.

7 Hogan Lovells Automotive News Im Fall selektiver Vertriebssysteme außerhalb des Anwendungsbereichs der Gruppenfreistellungsverordnungen (d.h. beispielsweise bei Überschreiten der 30% Marktanteilsschwelle) führt die Kommission die Differenzierung der alten Kfz-GVO zwischen qualitativen und quantitativen selektiven Betriebssystemen fort. Die Kommission betrachtet qualitative selektive Vertriebssysteme in der Regel als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar, da im Grundsatz jeder Händler teilnehmen kann, der bestimmte qualitative Anforderungen erfüllt (vgl. Tz. 54 der Leitlinien zur Kfz-GVO). Eine ausdrückliche Ausnahme macht die Kommission für die Verpflichtung der Werkstatt zum Verkauf von Neuwagen (dies entspricht Art. 4 Abs. 1 lit. h) der alten Kfz-GVO). Da diese Verpflichtung nicht durch die Art der Vertragsdienstleistungen bedingt ist, fallen solche Vereinbarungen nach Ansicht der Kommission wahrscheinlich unter Art. 101 Abs. 1 AEUV. Quantitative selektive Vertriebssysteme beschränken hingegen die Zahl der Teilnehmer und fallen daher nach Ansicht der Kommission mit größerer Wahrscheinlichkeit unter Art. 101 Abs. 1 AEUV. Den Gedanken der Marktanteilsgrenze von 40% nach Art. 3 Abs. 1 der alten Kfz-GVO wendet die Kommission weiter im Rahmen der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV an. Bei einem Marktanteil der Beteiligten bis zu 40% sei in der Regel Art. 101 Abs. 3 AEUV anwendbar und damit die fragliche Vereinbarung einzelfreigestellt. 5.3. Mehrmarkenvertrieb Die Kommission geht davon aus, dass die früheren Regelungen zum Schutz von Mehrmarkenhändlern nicht effektiv waren und lediglich die Kosten der Händler gesteigert haben. Trotzdem haben die erheblich erweiterten Möglichkeiten der Hersteller, die Händler zu beschränken, zu starkem Widerstand der Händler, aber auch des Europäischen Parlamentes geführt. Die Fédération Internationale de l Automobile sieht nunmehr Mehrmarken-Ausstellungsräume als Auslaufmodell. Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Art. 29 der VO 1/2003, der der Kommission und nationalen Wettbewerbsbehörden die Möglichkeit einräumt, eine Freistellung wieder zu entziehen, sowie die in Art. 6 der neuen Kfz-GVO i.v.m. Art. 1a VO 19/65/EWG eingeräumte Möglichkeit, die GVO für den gesamten Markt für nicht mehr anwendbar zu erklären. In Abweichung von den Grenzen des Wettbewerbsverbots in Art. 1 lit. d) der allgemeinen Vertikal- GVO will die Kommission den Entzug der Freistellung im Kraftfahrzeughandel ggf. auch in Fällen anwenden, in denen eine Bezugsverpflichtung von weniger als 80% des Gesamtbezugs besteht. Der Händler müsste allerdings durch die Bezugsverpflichtung gezwungen sein, so viele Fahrzeuge der derzeit von ihm betriebenen Marke zu kaufen, dass sein Geschäft nicht mehr rentabel wäre. In der alten Kfz-GVO waren Bezugsverpflichtungen von mehr als 30% der Gesamteinkäufe vom Begriff des Wettbewerbsverbotes erfasst. 5.4. Kodex zwischen Kfz-Herstellern und Händlern Mit der neuen Kfz-GVO entfällt auch eine Reihe an Sondervoraussetzungen für die Freistellung, wie etwa die Kündigungsfristen nach Art. 3 Abs. 5 lit. b) der alten Kfz-GVO, Entschädigungszahlungen bei vorzeitiger Kündigung nach Art. 3 Abs. 5 lit. b) Nr. i) und die Vereinbarung von Schlichtungsverfahren nach Art. 3 Abs. 6. Die Kommission hat auf diese Voraussetzungen nunmehr verzichtet, weil sie nach ihrem Eindruck den Zugang zu den Vertriebsnetzen eher erschwert haben. Sie empfiehlt nunmehr, diese Regelungen in einen "Kodex" aufzunehmen, den Fahrzeughersteller mit den Händlern vereinbaren können, um das Risiko eines Wettbewerbsverstoßes zu begrenzen. Die Kommission will solche Kodizes bei der Beurteilung des Verhaltens der Hersteller "als relevanten Faktor" betrachten. Vermutlich wird die Kommission die Vereinbarung der weiteren in Art. 3 Abs. 3 bis 6 der alten Kfz- GVO genannten Sondervoraussetzungen in einem Kodex ähnlich positiv bewerten. 6. FAZIT Es zeigt sich, dass die Kommission in ihren neuen Leitlinien immer wieder Wertungen der alten Kfz-GVO für den Automobilbereich auf die Vertikal-GVO oder generell auf Art. 101 AEUV überträgt. Die Kommission strebt mit der verschlankten neuen Kfz-GVO offenbar keinen generellen Kurswechsel an. Die alte Kfz-GVO bleibt daher nicht nur aufgrund ihrer auf das Jahr 2013 befristeten Fortgeltung im Neuwagenbezug aktuell. Die Kommission wird sich vermutlich insbesondere bei der Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV in vielen Fällen weiter an ihren Wertungen orientieren. Die Aufspaltung der einst einheitlich behandelten Bereiche rechtfertigt die Kommission mit der unterschiedlichen Entwicklung des Wettbewerbs. Sie ist der Ansicht, dass beim Verkauf von Neuwagen intensiver Wettbewerb bestehe. Die Gewinnmargen der Hersteller seien gering und es sei eine Vielzahl von Innovationen zugunsten der Verbraucher eingeführt worden. Auf diesem Markt bestünden keine erheblichen Beeinträchtigungen des Wettbewerbes, die ihn von anderen Märkten unterschieden. Der Wettbewerb auf den Ersatzteilmärkten ist hingegen nach Ansicht der Kommission weniger stark ausgeprägt. Dies beruhe vor allem darauf, dass der Vertrieb von Ersatzteilen markenspezifisch sei. Daher seien in diesem Bereich die vorstehend aufgeführten zusätzlichen Kernbeschränkungen erforderlich.

8 Hogan Lovells Automotive News Die doppelnützige Treuhand als Sanierungsinstrument Das Modell der doppelnützigen Treuhand wird seit rund zehn Jahren in der Restrukturierungspraxis eingesetzt. Zunächst als Sonderlösung eingestuft, kam es nur bei wenigen Unternehmen zum Einsatz und gelangte nur selten an die Öffentlichkeit. Den Schritt aus ihrem Schattendasein schaffte die Sanierungstreuhand erstmals durch den Einsatz im Bieterverfahren um den angeschlagenen Autobauer Opel im vergangenen Jahr. Seither hat sich das Modell der doppelnützigen Treuhand in der Sanierungspraxis zu einem regelrechten Dauerbrenner entwickelt, so dass es auch für andere in Schieflage geratene Unternehmen der Automobilbranche, insbesondere im Zulieferbereich, in Betracht kommen könnte. Richtig ausgestaltet ist die doppelnützige Treuhand ein wirksames Sanierungsinstrument und kann einen wesentlichen Beitrag zur Beschaffung von frischem Kapital leisten. In Krisenzeiten kann die doppelnützige Treuhand daher die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um einer Sanierung zum Erfolg zu verhelfen. Was aber verbirgt sich hinter einer "doppelnützigen Treuhand" (1.), in welcher Weise kann dieses Modell zu einer erfolgreichen Sanierung beitragen (2.) und wann kommt es für ein Unternehmen überhaupt in Frage (3.)? 1. DAS KONZEPT Michael Sinhart Partner, Gesellschaftsrecht/M&A Frankfurt T +49 69 96236 287 michael.sinhart@hoganlovells.com Dr. Mark Lorenz Associate, Gesellschaftsrecht/M&A Frankfurt T +49 69 96236 296 mark.lorenz@hoganlovells.com Auch vor dem Hintergrund einer fehlenden gesetzlichen Kodifikation gibt es keinen allgemeingültigen Begriff der Treuhand. Grundsätzlich beschreibt der Begriff der Treuhand die Einräumung von umfassender Rechtsmacht im Außenverhältnis mit Beschränkungen im Innenverhältnis. Im Kern geht es bei einer doppelnützigen Treuhand um Folgendes: Die Bank finanziert die Sanierung eines Unternehmens. Als Gegenleistung verlangt sie, dass während der Sanierung ein professioneller Sanierer die Geschicke des Unternehmens lenkt. Die Finanzierer erhalten so bei Eintritt des Sicherungsfalls Zugriff auf die Anteile des Unternehmens. Insofern ist die doppelnützige Treuhand eine atypische Kreditsicherheit. Die Gesellschafter hingegen sollen vor der Insolvenz bewahrt werden. Grundlage der doppelnützigen Treuhand ist die Übertragung der Unternehmensanteile auf einen Treuhänder bzw. auf eine Treuhandgesellschaft (daher "Treuhand"). Treuhänder und Gesellschafter schließen hierfür einen Treuhandvertrag, mit dem der Treuhänder zivilrechtliches Eigentum ("Vollrecht") über die Geschäftsanteile erlangt. Dieser Vertrag regelt u.a., dass der grundsätzlich neutrale Treuhänder die Geschäftsanteile verwaltet und die Gesellschafterrechte ausübt, wobei verschiedene Ausgestaltungen denkbar sind. Der Treuhänder erlangt damit nicht unerhebliche unternehmerische Verantwortung im Sanierungsprozess. Aus steuerlicher Sicht verbleibt das wirtschaftliche Eigentum an den Gesellschaftsanteilen in aller Regel bei den bisherigen Gesellschaftern. In der Regel wird die finanzierende Bank als Begünstigter des Treuhandvertrages eingesetzt. Bei Eintritt eines vorher festgelegten Bedingungseintritts erhält der Finanzierer damit Zugriff auf die treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile. Die Übertragung auf einen Treuhänder dient demnach nicht nur den Gesellschaftern, sondern auch der finanzierenden Bank (daher: "doppelnützig"). Juristisch handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter ( 328 BGB). Die Bank wird jedoch nicht selbst Partei des Treuhandvertrages. Durch entsprechende Gestaltung der Treuhandabrede werden ihr in der Regel keinerlei Weisungs- oder Gesellschafterrechte eingeräumt. Andernfalls liefe die Bank Gefahr eine sog. gesellschafterähnliche Stellung zu erlangen, was zahlreiche negative insolvenz-, gesellschafts- und steuerrechtliche Folgen hätte, beispielsweise im Hinblick auf die Ausreichung nachrangiger Gesellschafterdarlehen im Sinne des 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und hinsichtlich einer Anfechtbarkeit von Leistungen auf derartige Darlehen gemäß 135 InsO. Verläuft die Restrukturierung erfolgreich, so werden die Gesellschaftsanteile wieder an die Gesellschafter zurück übertragen.

9 Hogan Lovells Automotive News Banken Darlehen Begünstigung Treuhänder Gesellschaft Gesellschaftsanteil Treuhandvertrag Aus Sicht der Gesellschafter kann die doppelnützige Treuhand ein förmliches Insolvenzverfahren verhindern. Damit trägt das Modell zu einem Werterhalt der Unternehmensanteile bei und vermeidet einen vollständigen Kontrollverlust der Gesellschafter. Während des Sanierungsprozesses bleibt der Gesellschafter wirtschaftlicher Nutznießer der Geschäftsanteile. Etwaige Gewinne sind weiterhin an ihn abzuführen. Gelingt die Sanierung, erhalten die Gesellschafter die Anteile und ihre Gesellschafterrechte zurück. Die Gesellschafter haben damit die realistische Chance, nach erfolgreicher Sanierung das Unternehmen wie gewohnt fortzuführen und von der Wertsteigerung ihrer Anteile zu profitieren. Ein Reputationsverlust bei Banken, Gewerkschaften, Lieferanten etc. ist im Gegen- Treuhänderische Übertragung Gesellschafter Gesellschaftsanteil Der so gestaltete Sanierungsprozess erfolgt unter der Kontrolle des Treuhänders als unabhängigem Dritten. Dieser fungiert gleichsam als Mediator zwischen Gesellschafter, Management und Kreditgeber und kann entscheidend bei der Auflösung von Konflikten mitwirken. Er kann darüber hinaus mit der Identifizierung von potentiellen Investoren beauftragt werden und den Sanierungsprozess aktiv steuern. Insgesamt wird durch die Einsetzung eines Treuhänders als neutralem Sachwalter Transparenz für alle Beteiligten geschaffen. Die hier dargestellte Variante der doppelnützige Treuhand ist nur eine mögliche Ausgestaltung. Es gibt viele Möglichkeiten die Gegebenheiten des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen und das Modell im Rahmen eines nachhaltigen finanz- und leistungswirtschaftlichen Sanierungskonzepts einzusetzen. Den Kern des Treuhandvertrags bilden in der Regel Inhalt und Umfang der Befugnisse des Treuhänders, wie etwa die Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte. Ebenfalls sinnvoll sind Regelungen, wonach dem Treuhänder bestimmte Berichtspflichten auferlegt werden, Haftungsmaßstäbe für den Treuhänder vereinbart werden und die beteiligten Parteien zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Zudem lässt sich regeln, unter welchen Umständen ein Investor die Gesellschaftsanteile erwerben darf. Ferner kann vereinbart werden, dass die Gesellschaftsanteile wieder zurück zu übertragen sind, wenn bestimmte Finanzkennzahlen wieder eingehalten werden und der Liquiditätsengpass überwunden wurde. Ist der Verkauf der Geschäftsanteile an einen Investor geplant, so sollte geregelt werden, wie der erzielte Kaufpreis zu verteilen ist (sog. "Waterfall-Regelung"). Verletzt der Treuhänder seine Pflichten aus dem Treuhandvertrag und überschreitet er seine darin gesetzten Grenzen, so macht er sich schadensersatzpflichtig ( 280 Abs. 1 BGB). Der Abschluss des Treuhandvertrags ist grundsätzlich formfrei möglich, es sei denn, dass zwingend eine notarielle Beurkundung (wie im Fall der Übertragung von GmbH- Geschäftsanteilen) vorgeschrieben ist. Aus steuerlicher Sicht ist schließlich noch zweierlei zu beachten: Zum einen können steuerliche Folgen eintreten, wenn die Gesellschaft, deren Anteile an den Treuhänder übertragen werden, Grundstücke hält. Sofern mindestens 95% der Geschäftsanteile übertragen werden, löst der Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer aus ( 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG). Hier wird es angezeigt sein, eine Konstruktion zu wählen, mittels derer eine Grunderwerbsteuerpflicht vermieden wird, insbesondere durch Zwischenschaltung einer Personengesellschaft mit einem Anteil von 6% (sog. "RETT-Blocker"). Zum anderen könnte es wegen der Anteilsübertragung jedenfalls im Rahmen der Weiterveräußerung durch den Treuhänder an einen Dritten zum Wegfall von Verlustvorträgen gemäß 8c KStG kommen. Inwieweit hier das (aufgrund eines laufenden Beihilfeverfahrens der Kommission) aktuell mit einem Nichtanwendungserlass des BMF (vom 30. April 2010) belegte Sanierungsprivileg des 8c Abs. 1a KStG bei Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen eingreift, ist derzeit offen (vgl. dazu auch Beitrag "Aussetzung des steuerlichen Sanierungsprivilegs Droht ein Scheitern des Sanierungserwerbs am Europarecht?" in diesem Newsletter). 2. DIE CHANCEN Für die finanzierende Bank werden die Risiken einer Sanierung minimiert. Die Fremdkapitalgeber erhalten im Falle des Verkaufs der Geschäftsanteile einen erheblichen Anteil am Erlös. Dadurch wird die Bereitschaft der Banken erhöht, einen Sanierungsversuch zu wagen. Darüber hinaus ist die doppelnützige Treuhand grundsätzlich insolvenzfest, d.h. die Geschäftsanteile sind im Falle einer Insolvenz des/der Gesellschafter als Treugeber gesichert, da dem Treuhänder in der Insolvenz des Treugebers ein Absonderungsrecht an den Geschäftsanteilen zusteht. Eine bilanzrechtliche Pflicht zur Konsolidierung der Gesellschaft wird vermieden.

10 Hogan Lovells Automotive News satz zu einem gerichtlichen Insolvenzverfahren unwahrscheinlich. Im Interesse aller Beteiligten lässt sich im Falle eines Verkaufs an einen Investor durch die doppelnützige Treuhand ein möglichst hoher Erlös realisieren. Zudem besteht auch das sei erwähnt aus Sicht der Gläubigerbank Gewissheit, dass der/die Gesellschafter bei einem späteren (oder von Anfang an geplantem) Einstieg eines Investors den Verkauf nicht mehr verhindern können. Bei der Vertragsgestaltung können die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt und Risiken vermieden werden. Richtig ausgestaltet führt die doppelnützige Treuhand demnach zu einer klassischen "Win-Win-Situation" sie ist also im besten Sinne "doppelnützig". Die Vorteile auf einen Blick: Insolvenzvermeidung Verschwiegenheit Reputation bleibt unbelastet Verbesserte Verhandlungsposition mit Geldgebern Zugang zu "Fresh Money" Vermeidung eines vollständigen Kontrollverlustes Diese Vorteile dürfen freilich nicht den Blick dafür verstellen, dass die grundsätzliche Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführung ( 15a InsO) bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung allein durch die Implementierung eines Treuhandmodells nicht beseitigt wird. In aller Regel sind deshalb weitere flankierende Maßnahmen zur bilanziellen oder liquiditätsmäßigen Restrukturierung notwendig, wie insbesondere Rangrücktritte oder Haircuts. 3. DIE EINSATZMÖGLICHKEITEN Für die doppelnützige Treuhand gibt es aufgrund ihrer flexiblen Gestaltungsweise vielfältige Einsatzmöglichkeiten: Vor allem in Krisenzeiten hilft die doppelnützige Treuhand kurzfristige Liquiditätsengpässe zu verhindern. Alle Beteiligte können dabei von der Expertise eines professionellen Sanierungstreuhänders profitieren. Zudem kann die doppelnützige Treuhand weitere Sanierungsinstrumente, z.b. einen Debt-to-Equity-Swap vorbereiten, indem zumindest eine entscheidende Schwachstelle des Debt-to-Swap-Swaps, der nicht gegen den Willen der (Alt-)Gesellschafter durchsetzbar ist, kompensiert wird. Bei der Suche nach einem Investor: Die Treuhand kann zu einer Vereinfachung eines Bieterprozess beitragen und so den Verkauf "aus einer Hand" ermöglichen. Zur Lösung von Problemen auf Gesellschafterebene: 4. FAZIT Die Einsetzung eines Treuhänders ermöglicht eine einheitliche Willensbildung, wo aufgrund von unterschiedlichen strategischen Interessen und Renditeerwartungen der einzelnen Gesellschafter Entscheidungsstillstand herrscht oder Gesellschaftergruppen zerstritten sind. Der Erfolg einer doppelnützigen Treuhand hängt ganz entscheidend davon ab, dass bereits im Planungsstadium die Weichen richtig gestellt werden. Das Modell entfaltet seine volle Wirkung nur, wenn es konsensual auf die Akzeptanz aller Beteiligten und insbesondere der finanzierenden Bank stößt. Sind jedoch die rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren bekannt, so ist die doppelnützige Treuhand in vielerlei Hinsicht eine attraktive Alternative zu herkömmlichen Sanierungsinstrumenten. Richtig ausgestaltet bietet sie nicht nur für die finanzierende Bank, sondern auch für die Gesellschafter erhebliche Vorteile. Die Finanzierer erhalten eine zusätzliche auch in der Insolvenz der Gesellschafter rechtsbeständige Sicherheit. Die Gesellschafter haben die Chance nach überwundener Krise, Inhaber ihrer Gesellschaftsanteile zu bleiben und die Gesellschaft nach einer erfolgreichen Sanierung unabhängig fortzuführen. Im Rahmen einer Restrukturierung bzw. Sanierung:

11 Hogan Lovells Automotive News Aussetzung des steuerlichen Sanierungsprivilegs Droht ein Scheitern des Sanierungserwerbs am Europarecht? Dr. Ingmar Dörr Counsel, Steuerrecht München T +49 89 29012 295 ingmar.doerr@hoganlovells.com Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist an der Automobil- und Zuliefererindustrie nicht spurlos vorbeigegangen. Einsparungen, Restrukturierungen und Refinanzierungen waren und sind an der Tagesordnung. Der Steuergesetzgeber unterstützte im vergangenen Jahr sanierungswillige Investoren und Gesellschafter beim Erwerb insolvenznaher Unternehmen mit dem sog. Sanierungsprivileg, was die Verlustvorträge der Körperschaft, also künftiges Steuerminderungspotenzial, vor dem Untergang bewahrte. In der Praxis wurde diese Vorschrift bei einer Vielzahl von konzerninternen Beteiligungsrestrukturierungen oder bei Unternehmenskäufen im Wege des Share-Deals in Anspruch genommen, i.d.r. beantragte man hierzu im Vorfeld eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung. Nachdem die EU-Kommission erst kürzlich ein Beihilfen-Prüfverfahren im Hinblick auf das Sanierungsprivileg einleitete, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) dessen Anwendung nun vollständig ausgesetzt mit möglicherweise verheerenden Folgen für die betreffenden Unternehmen. 1. VERLUSTVERRECHNUNGSBESCHRÄNKUNG BEI KÖRPERSCHAFTEN UND SANIERUNGSPRIVILEG Mit der Unternehmensteuerreform 2008 wurde ab dem 1. Januar 2008 die folgende Verlustverrechnungsbeschränkung bei Körperschaften ( 8c Abs. 1 KStG) eingeführt: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% (bis zu 50%) der Anteilsrechte an einer Körperschaft auf einen Erwerber oder eine Erwerberhand übertragen (schädlicher Beteiligungserwerb), so kommt es zu einem anteiligen Wegfall der bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste der Körperschaft. Werden mehr als 50% der Anteile an der Körperschaft übertragen, so sind die nicht genutzten Verluste vollständig nicht mehr abziehbar. Die Rechtsfolgen gelten entsprechend für gewerbesteuerliche Verluste und Zinsvorträge einer Körperschaft sowie einer der Körperschaft nachgeordneten Personengesellschaft. Die Regelung führt praktisch bei fast jeder (auch konzerninternen) Umstrukturierung mit Anteilsbewegung, M&A- und Private Equity-Transaktionen und bei Kapitalerhöhungen mit entsprechender Veränderung der Beteiligungsquoten zum vollständigen oder teilweisen Verlustwegfall. Sie erwies und erweist sich damit gerade in der Finanz- und Wirtschaftskrise als ein bedeutendes steuerliches Restrukturierungshindernis. Zur Abhilfe wurde vom Steuergesetzgeber Mitte des Jahres 2009 eine Sanierungsausnahme in 8c Abs. 1a KStG mit Rückwirkung zum 1. Januar 2008 eingeführt, die das Engagement eines Neugesellschafters bei Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen einer sanierungsbedürftigen Körperschaft mit dem Erhalt der Verlustvorträge belohnt. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) wurde das ursprünglich auf Anteilsübertragungen in den Jahren 2008 und 2009 zeitlich befristete Sanierungsprivileg mit einer unbefristeten Fortgeltung versehen, so dass auch Sanierungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 von der Ausnahme profitieren konnten. 2. SANIERUNGSPRIVILEG AUF DEM PRÜFSTAND DER EU-BEIHILFENKONTROLLE Die EU-Kommission hat mit Beschluss vom 24. Februar 2010 ein förmliches Prüfverfahren in Bezug auf das Sanierungsprivileg eingeleitet. Nach erster Einschätzung geht sie von einer unzulässigen steuerlichen Beihilfe aus, da die Sanierungsausnahme nur für Körperschaften einschlägig ist, bei denen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen oder drohen, nicht aber für wirtschaftlich "gesunde" Unternehmen mit Verlustvorträgen. Zur Begründung wird im Eröffnungsbeschluss zum förmlichen Prüfverfahren (Art. 108 Abs. 2 AEUV) die Grundregelung des 8c Abs. 1 KStG als das "Referenzsystem" herangezogen, das für alle Körperschaften gleichermaßen Anwendung finde. Die spätere Abweichung hiervon mit der Sanierungsausnahme lediglich zugunsten einzelner Unternehmen sei (vorläufig) eine selektive Maßnahme, die auch systematisch nicht zu rechtfertigen wäre. Diese Auffassung der Kommission ist äußerst bedenklich, nimmt sie doch dem Steuergesetzgeber jede Möglichkeit, eine in ihren Wirkungen ausufernde Vorschrift durch sinnvolle Ausnahmen im Nachhinein einzuschränken. Anders ausgedrückt stünde die Klausel nach dieser Begründung wohl nicht auf dem Prüfstand, wenn sie zeitgleich mit der Grundnorm erlassen worden wäre und Anwendung gefunden hätte. Sollte die EU-Kommission im Rahmen dieses Verfahrens eine unzulässige steuerliche Beihilfe feststellen, so wäre Deutschland nach EU-Recht verpflichtet, weitere derartige Maßnahmen zu unterlassen und bereits gewährte Beihilfen rückgängig zu machen.

12 Hogan Lovells Automotive News 3. REAKTION DES BMF: NICHTANWENDUNGSERLASS VOM 30. APRIL 2010 Das BMF hat auf diese Verfahrenseröffnung mit einem Nichtanwendungserlass (vom 30. April 2010, IV C 2 - S 2745- a/08/10005:002) reagiert: Danach ist die Sanierungsklausel ab der in Kürze zu erwartenden Veröffentlichung des Erlasses im Bundessteuerblatt bis zu einem abschließenden Beschluss der EU-Kommission nicht mehr anzuwenden. Dies hat folgende Auswirkungen: Es werden vorerst keine verbindlichen Auskünfte zur Sanierungsklausel mehr erteilt werden. Körperschaftsteuer-/Gewerbesteuer- und Verlustfeststellungsbescheide werden künftig unter Außerachtlassung einer etwaig eingreifenden Sanierungsausnahme erlassen, so dass ein entsprechender schädlicher Beteiligungserwerb trotz Vorliegens der Sanierungsvoraussetzungen zu einer Kürzung der laufenden Verluste bzw. der Verlustvorträge führt (sofern nicht die mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingeführten neuen Ausnahmen der Konzernklausel oder Stille-Reserven- Klausel eingreifen). Wir werden den Fortgang des weiteren Verfahrens bei der EU-Kommission beobachten und Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten. Erfahrungsgemäß dürfte das Kommissionsverfahren ca. 6-8 Monate dauern, so dass spätestens im Herbst mit einer Entscheidung der EU- Kommission zu rechnen ist. Der Ausgang scheint offen, nachdem bereits am 30. September 2009 die für Wagniskapital vorgesehene Privilegierung in 8c Abs. 2 KStG idf. des MoRaKG als unzulässige Beihilfe "gekippt" wurde. Eventuell hat die Bewertung der EU-Kommission im Hinblick auf die Sanierungsklausel mittelbare Auswirkungen. In Frage stünde dann z.b. das mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz erst kürzlich eingefügte Konzernprivileg ( 8c Abs. 1 Satz 5 KStG), das nur bei Konzernunternehmen Anwendung findet, oder die Fortgeltung des in der Praxis ebenfalls in Restrukturierungsfällen bedeutsamen Sanierungserlasses des BMF (vom 27. März 2003, BStBl. I S. 240). Der Sanierungserlass stellt Gewinne aus Sanierungsmaßnahmen (z.b. Forderungsverzichte) unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Insoweit muss die weitere Entwicklung sorgfältig beobachtet werden. Die Nichtberücksichtigung in den künftigen Veranlagungen gilt auch in den Fällen, in denen bereits zuvor eine positive verbindliche Auskunft erteilt worden ist. Die betroffenen Bescheide werden dann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ( 164 AO) erlassen. Bereits unter Anwendung der Sanierungsklausel durchgeführte Veranlagungen bleiben einschließlich der entsprechenden Verlustfeststellungen bis auf weiteres bestehen. Diese potenziellen Beihilfeempfänger werden seitens der Finanzverwaltung benachrichtigt und darauf hingewiesen, dass im Falle einer Negativentscheidung durch die Kommission alle rechtswidrigen Beihilfen von den Empfängern zurückgefordert werden müssten. Ferner werden sie über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens durch Übermittlung einer Kopie des Schreibens der Kommission vom 24. Februar 2010 informiert.

13 Hogan Lovells Automotive News Strategien der Banken bei der Restrukturierung von Krediten Dr. Wolfram Desch Senior Associate, Restrukturierung & Insolvenzrecht München T +49 89 29012 158 wolfram.desch@hoganlovells.com Wenn Unternehmen sich nicht mehr an Kreditvereinbarungen halten können, stehen Banken zahlreiche rechtliche Handlungsoptionen zur Verfügung. Für Unternehmen ist es wichtig, diese zu kennen und zu wissen, was sie selbst in einem solchen Fall tun müssen. Gerät ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, wird die Bank oft vom passiven Finanzierer zum aktiven Gestalter der Geschicke des Unternehmens. Die Banken müssen daher bei einer Restrukturierung eingebunden werden. Dafür ist es nötig, die wesentlichen rechtlichen Handlungsoptionen der Banken in einer Krise zu verstehen. Je nach wirtschaftlicher Lage des Unternehmens werden Banken entweder ihre Sicherheiten verwerten, schlicht abwarten, ihre Darlehensforderungen verkaufen oder aktiv die Restrukturierung bestimmen. Regelmäßig verfügen Kreditgeber über Sicherheiten für ihre Kredite wie Grundschulden oder Kontoverpfändungen. In einer Krisensituation sind die Banken oft berechtigt, ihre Darlehen fällig zu stellen und in der Folge die Sicherheiten zu verwerten. Von der Werthaltigkeit der rechtlich durchsetzbaren Sicherheiten wird dann die Strategie der Banken wesentlich bestimmt. Übersteigen die Werte der Sicherheiten in einem Insolvenz- oder Vollstreckungsszenario die ausgereichten Kredite, sind die Banken in der Regel zu Zugeständnissen nicht bereit, denn auch im Worst-Case-Szenario erhalten sie eine vollständige Rückzahlung des Kredits. Normalerweise besteht aber angesichts des generell zu erwartenden Wertverlusts in einer Insolvenz oder einem Vollstreckungsfall ein großes Risiko für die Banken, dass die Verwertung der Sicherheiten die ausgereichten Darlehen nicht deckt. In diesem Fall werden die Banken Alternativen zu einer Fälligstellung der Darlehen und damit nach einer Alternative zum Vollstreckungs- oder Insolvenzszenario suchen. In der derzeitigen Wirtschaftskrise verfolgen Banken gelegentlich eine abwartende Haltung, wenn noch kein akuter Sanierungsfall vorliegt. Selbst wenn ein erster Verstoß gegen Covenants (Kreditklauseln, die dem Unternehmen die Erfüllung bestimmter Finanzkennzahlen auferlegen) erfolgt, werden die Banken nicht zwingend die damit einhergehenden Rechte ausüben. Oft sind sie bereit, Covenants für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen, aus dem konkreten Covenant-Bruch keine Rechte herzuleiten oder aber eine Covenant-Definition neu festzulegen. Meist fordern Banken bei wirtschaftlichen Problemen des Unternehmens aber eine Verkürzung der Überprüfungsintervalle bezüglich der Financial Covenants. Zudem drängen sie oft darauf, dass das Unternehmen Maßnahmen zur Abwendung des Covenant- Verstoßes trifft, etwa die Liquiditätssituation verbessert, indem die Gesellschafter weiteres Eigenkapital nachschießen. Bei nachhaltigen Covenant-Verstößen aber üben die Banken meist ihnen zustehende Rechte aus, zum Beispiel verweigern sie die Ziehung weiterer Kreditlinien oder fordern Nachbesicherungen. Bei einem Covenant-Bruch wird zudem oft die Einsetzung von auf Restrukturierungen spezialisierten Unternehmensberatern gefordert. Die Kosten dafür trägt das Unternehmen. Vom Untersuchungsergebnis machen die Banken ihre weitere Strategie abhängig. Um im Einzelfall ein Zeitfenster für eine konsensuale Restrukturierung zu öffnen, kann es auch sein, dass Banken ihre Forderungen aus dem Darlehen für einen bestimmten Zeitraum stunden. In allen diesen Fällen wird die Bank auf Grund des erhöhten wirtschaftlichen Risikos durchsetzen wollen, dass der Zinssatz erhöht wird und dass dem gesteigerten Bearbeitungsaufwand durch eine gesonderte, oft nicht unerhebliche Bearbeitungsgebühr Rechnung getragen wird. Banken ziehen es ferner oft in Betracht, in einer Krise der Gesellschaft ihre Darlehensforderung mit einem Abschlag zu veräußern, etwa an andere Banken. Je nach Kreditvertrag ist es auch möglich, an Nicht-Banken, wie alternative Finanzinvestoren, zu veräußern. Aus Unternehmenssicht ist dies insofern von Bedeutung, als sich dadurch die Strategie der Fremdkapitalgeber ändern kann, zum Beispiel wenn die Veräußerung an einen aggressiven Investor erfolgt. Sind die Banken der Ansicht, dass ein bloßes Zuwarten zur Vermeidung der Krise nicht ausreicht, beteiligen sie sich eventuell auch aktiv an der Restrukturierung. Um dem Betrieb das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen, ist es dann eventuell nötig, dass die Banken auf Forderungen verzichten. Oft einigt man sich auch auf einen Erlass mit Besserungsabrede, also in der Regel einen Erlass unter der auflösenden Bedingung, dass dieser bei Besserung der Vermögensverhältnisse entfällt und die Forderung zumindest in einem bestimmten Umfang wieder auflebt. Eine Alternative ist der Rangrücktritt, also eine Vereinbarung, dass eine bestehende Forderung gegen das schuldnerische Unternehmen nur nach-

14 Hogan Lovells Automotive News rangig aus künftigen Gewinnen, Liquidationserlösen oder freiem Vermögen befriedigt wird. Ein Rangrücktritt hat den Vorteil, dass die Forderung in der Steuerbilanz angesetzt werden kann, bei der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung aber nicht berücksichtigt werden muss. Gewähren die finanzierenden oder neuen Banken frisches Geld, erfolgt das durch einen Sanierungskredit. Diesen wird eine Bank aber nur ausgeben, wenn zuvor ein neutraler Dritter ein positives Sanierungsgutachten erstellt hat, da sie sonst gegenüber weiteren Gläubigern haften könnte und ihre Sicherheiten für das Darlehen gefährdet wären. Für ein Überbrückungsdarlehen, also ein Darlehen für die Zeit der Erstellung des Sanierungsgutachtens, gelten die vorgenannten Voraussetzungen allerdings nicht. In Ausnahmefällen entscheiden sich Banken auch, sich selbst am Eigenkapital der Gesellschaft zu beteiligen. Dies kann durch eine Umwandlung ihrer Darlehen in Eigenkapital erfolgen. Dieses Vorgehen kann zwar gewisse rechtliche Risiken bergen, ermöglicht der Bank aber, am wirtschaftlichen Erfolg einer Restrukturierung durch eine eventuelle Werterhöhung der Anteile teilzuhaben. Außer dem Tausch der Darlehen in Eigenkapital existieren weitere Varianten, wie der Tausch in Vermögensgegenstände oder mezzanines Kapital. Gerade wenn Banken aktiv in die Restrukturierung eingreifen, treten widerstreitende Interessen zwischen den Gesellschaftern und den Banken hervor. Die Banken betrachten sich wirtschaftlich als Eigentümer der Gesellschaft, während die Gesellschafter noch formal die Eigentümer sind. Die Banken versuchen in dieser Situation teilweise, die Gesellschafter zur Übertragung ihrer Anteile auf einen Treuhänder anzuhalten, der dann die Anteile nach bestimmten, im Vorhinein festgelegten Regeln im wirtschaftlichen Interesse der Banken und der ehemaligen Gesellschafter hält. So kann der Einfluss der Gesellschafter beschränkt und ein eventueller Verkaufsprozess vorbereitet werden. Weigern sich die Anteilseigner, ihre Anteile zu übertragen, kann es sein, dass die Banken die ihnen verpfändeten Anteile an der Gesellschaft im Wege der öffentlichen Versteigerung verwerten, um die Gesellschafter aus ihrer Position zu drängen. Pflichten Wie sich das Management verhalten muss Wenn Kredite restrukturiert werden (müssen), hat das Management zahlreiche Verhaltenspflichten, unter anderem diese: Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, oder Auszahlungen an Gesellschafter bei Unterbilanz sind untersagt. Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist Insolvenz zu beantragen und es sind (bis auf Ausnahmen) die Zahlungen einzustellen. Bei einem Verlust der Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals einer GmbH beziehungsweise AG ist eine Gesellschafter- beziehungsweise Hauptversammlung einzuberufen. Insbesondere aus Kreditverträgen sowie Cash-Pool- Verträgen können sich Informationspflichten gegenüber Banken oder anderen Unternehmen ergeben. Strafrechtlich sind insbesondere Betrug, Insolvenzverschleppung sowie die Bankrottdelikte relevant. Zusammenfassende Empfehlung Erkennt das Management, dass ein Verstoß gegen Kreditklauseln (Covenant-Bruch) droht, sollte es sich auf eine Aussprache mit den Kreditgebern vorbereiten. Dafür müssen die wirtschaftlichen Daten aufbereitet werden sowie Wege zur Beseitigung des Bruchs aufgezeigt werden. Die Kreditgeber sind früh einzubinden, damit genügend Zeit für Verhandlungen bleibt. Nur wenn die Darlehensgeber nachhaltig auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens vertrauen können, wird eine Restrukturierung erfolgreich sein.

15 Hogan Lovells Automotive News Gestalten mit Interessenausgleich Andreas Ege Partner, Arbeitsrecht München T +49 89 29012 141 andreas.ege@hoganlovells.com Dr. Hendrik Kornbichler Partner, Arbeitsrecht München T +49 89 29012 151 hendrik.kornbichler@hoganlovells.com Ein Interessenausgleich ist kein zwingendes, aber oft geeignetes Instrument zur praxisgerechten Abwicklung von Betriebsänderungen. Infolge der Wirtschaftskrise sehen sich viele Unternehmen gezwungen, Kapazitätsanpassungen vorzunehmen oder ihre Geschäftsprozesse umzustrukturieren. Damit einher geht oft die Notwendigkeit zu einem Personalabbau, der im Regelfall im Rahmen eines Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahrens mit den Betriebsratsgremien zu besprechen ist. DIE PFLICHT ZUM INTERESSENAUSGLEICH In Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, diese mit ihm zu beraten und über einen Interessenausgleich zu verhandeln, 111 S. 1, 112 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Durchführung der Maßnahme und damit insbesondere der Ausspruch der Kündigungen wird in der Regel erst nach ordnungsgemäßer Durchführung dieses Verfahrens erfolgen. Denn andernfalls riskiert der Arbeitgeber eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Betriebsänderung seitens des Betriebsrats, Nachteilsausgleichsansprüche seitens der Arbeitnehmer ( 113 Abs. 1, 3 BetrVG) und die praxisferne Verhängung eines Bußgelds ( 121 BetrVG). Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Verhandlungen alle Möglichkeiten einer Einigung auszuschöpfen. Er ist auch verpflichtet, die Einigungsstelle anzurufen, soweit keine Einigung erzielt werden kann. Eine Pflicht zum Abschluss eines Interessenausgleichs besteht aber nicht. Nicht selten scheitern die Verhandlungen und es wird nur ein Sozialplan abgeschlossen. INHALT DES INTERESSENAUSGLEICHS Wird jedoch ein Interessenausgleich abgeschlossen, regelt er das ob, wann und wie einer Betriebsänderung. Im Gegensatz dazu regelt der Sozialplan den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die die im Interessenausgleich niedergelegte Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer mit sich bringt. Zum Beispiel in Form von Abfindungen für gekündigte Mitarbeiter oder Mobilitätsausgleich für Mitarbeiter, die versetzt werden. Im Grundsatz stellt der Interessenausgleich anders als der Sozialplan keine Betriebsvereinbarung dar. Arbeitnehmer können daher nur dann individuelle Rechte aus dem Interessenausgleich herleiten, wenn er ausdrücklich als Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. Ein Interessenausgleich ist schriftlich niederzulegen und vom Arbeitgeber sowie vom zuständigen Betriebsrat zu unterschreiben. Die für Arbeitgeber und Betriebsrat unterzeichnenden Personen müssen dabei natürlich auch zur Vertretung berechtigt sein. Andernfalls ist die Vereinbarung unwirksam. WELCHES GREMIUM IST ZUSTÄNDIG? Oft stellt sich hier die Frage, welches Betriebsratsgremium eigentlich für Verhandlung und Abschluss des Interessenausgleichs zuständig ist. Die Antwort auf die Frage nach dem nach dem richtigen Verhandlungspartner ist vor allem für Arbeitgeber wichtig. Fände die Verhandlung nicht mit dem zuständigen Gremium statt, so ist das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. In diesem Fall kann das zuständige Betriebsratsgremium sein Beteiligungsrecht einfordern und die Durchführung der Betriebsänderung (über eine Unterlassungsverfügung) verhindern. Im Ergebnis müsste der Arbeitgeber müsste neu verhandeln und hätte wertvolle Zeit verloren. Die Frage stellt sich insbesondere, wenn Konzern-, Gesamtoder örtliche Betriebsräte als Verhandlungspartner zur Verfügung stehen. Dann ist auf Grundlage der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nach dem BetrVG zu entscheiden, mit welchem Gremium zu verhandeln ist. Grundsätzlich ist der örtliche Betriebsrat zuständig; verfolgt eine Betriebsänderung jedoch ein unternehmenseinheitliches Konzept beziehungsweise wurde eine betriebsübergreifende Entscheidung getroffen (zum Beispiel zur Zusammenlegung zweier Betriebe), so ist der Gesamtbetriebsrat zuständig. Handelt es sich um ein

16 Hogan Lovells Automotive News konzernweites und mehrere Konzernunternehmen betreffendes Projekt, kann auch der Konzernbetriebsrat zuständig sein. Es ist wichtig zu wissen, dass bei der Zuständigkeitsprüfung Interessenausgleich und Sozialplan getrennt zu behandeln sind. Aus der Zuständigkeit zum Abschluss des Interessenausgleichs folgt nicht ohne Weiteres auch die Zuständigkeit zum Abschluss des Sozialplans. Es existiert keine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhang. Die Verhandlungspartner bei Interessenausgleich und Sozialplan können daher auseinanderfallen, wenngleich in der Praxis regelmäßig (dennoch) mit nur einem Gremium verhandelt wird. ZWEI GESTALTUNGSVARIANTEN NUTZEN Soweit Arbeitnehmern bei Umsetzung der Betriebsänderung betriebsbedingt gekündigt werden soll, ist für die Rechtmäßigkeit der Kündigung wichtig, dass bei der Auswahl des Arbeitnehmers die sozialen Kriterien ausreichend berücksichtigt werden (vergleiche 1 Abs. 3 KSchG). Diese Prüfung ist oftmals die Achillesferse einer betriebsbedingten Kündigung. Gerade um die hierbei entstehenden Risiken zu minimieren, kann der Interessenausgleich genutzt werden. Gestaltungsmittel bilden hier die Vereinbarung einer Auswahlrichtlinie und/oder einer Namensliste. VARIANTE EINS: AUSWAHLRICHTLINIE Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, dass die Betriebsparteien festlegen, wie die bei der Sozialauswahl zu berücksichtigenden sozialen Kriterien im Verhältnis zueinander zu bewerten sind (sogenannte Auswahlrichtlinie). Soweit eine Auswahlrichtlinie wirksam vereinbart ist, kann diese Bewertung von einem Arbeitsgericht nur noch auf ihre grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (vergleiche 1 Abs. 4 KSchG). Dieser eingeschränkte gerichtliche Prüfungsmaßstab bezieht sich jedoch nur auf die Bewertung der Auswahlkriterien zueinander, nicht auf sonstige Aspekte der Sozialauswahl. Beispielsweise bleibt die Festlegung des in die Sozialauswahl einzubeziehenden Personenkreises voll überprüfbar. Auswahlrichtlinien bieten zur Absicherung der Sozialauswahl daher einen guten, aber einen inhaltlich nur begrenzten Schutz. VARIANTE ZWEI: NAMENSLISTE Eine weitreichendere Wirkung kommt der Namensliste zu. Bei einer solchen Liste, in der die zur Kündigung vorgesehenen Mitarbeiter namentlich bezeichnet werden, wird nicht nur vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Auch kann die (gesamte) Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit hin überprüft werden (vergleiche 1 Abs. 5 KSchG). Diesem beschränkten Prüfungsmaßstab unterliegt die Sozialauswahl in jeder Hinsicht, mithin auch die Festlegung des in die Sozialauswahl einzubeziehenden Personenkreises (oftmals die höchste Hürde bei der Sozialauswahl) sowie die Nichteinbeziehung von Arbeitnehmern in die Sozialauswahl (vergleiche 1 Abs. 3 S. 2 KSchG). Die Namensliste hat jedoch bestimmten Erfordernissen zu genügen, um diese Wirkung zu haben: So muss die Namensliste im Text des Interessenausgleichs selbst enthalten oder ihm als Anhang beigefügt sein. Im letztgenannten Fall ist im Interessenausgleich ausdrücklich auf die Anlage Bezug zu nehmen. Zudem muss der Anhang mit dem Interessenausgleich fest verbunden sein. Wird die Namensliste getrennt von dem Interessenausgleich erstellt, haben sie von die Betriebsparteien zu unterzeichnen und in ihr oder im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen werden. Eine erst nach Abschluss des Interessenausgleichs erfolgte Einigung auf die Namensliste ist nach der neuesten BAG- Rechtsprechung nur zulässig, wenn zwischen Namensliste und Interessenausgleich in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht ein hinreichender Bezug besteht. Die absolute zeitliche Grenze für die Vereinbarung einer solchen nachträglichen Namensliste bildet der Ausspruch der Kündigungen. Ob eine Namensliste, die die zu kündigenden Arbeitnehmer nur teilweise benennt (sogenannte Teilnamensliste) geeignet ist, den beschränkten Prüfungsmaßstab auszulösen, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch angedeutet, dass dies regelmäßig nur bei einer abschließenden Aufzählung aller von der Betriebsänderung beziehungsweise von Kündigungen betroffenen Mitarbeiter der Fall sein soll. Ausnahmen sind nur bei abgegrenzten Regelungskomplexen denkbar. Keinesfalls dürfen solche Arbeitnehmer in die Namensliste aufgenommen werden, die nur bei Gelegenheit der Betriebsänderung freiwillig ausscheiden. Ob und inwieweit der Interessenausgleich zur rechtlichen Absicherung der Sozialauswahl genutzt werden kann, hängt vor allem von der Verhandlungssituation ab. Wenn die Betriebsratsgremien dem Arbeitgeber insoweit entgegenkommen, werden sie hierfür auch eine Gegenleistung verlangen. Häufig wird in derartigen Fällen das Sozialplanvolumen höher ausfallen. Es hängt somit von vielen Faktoren ab, ob der Arbeitgeber bereit ist, diesen Preis zu zahlen.