Direktzugang zur Physiotherapie: Erfahrungen anderer Länder und Einstellung von Physiotherapeuten in der Schweiz Mandy Scheermesser, Lara Allet,

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Transkript:

Direktzugang zur Physiotherapie: Erfahrungen anderer Länder und Einstellung von Physiotherapeuten in der Schweiz Mandy Scheermesser, Lara Allet, Irina Nast, Elisabeth Bürge, Cordula Stegen & Astrid Schämann

Definition: Direktzugang zur Physiotherapie Direkter Zugang zu physiotherapeutischen Behandlungen ohne ärztliche Überweisung und vorgegebene ärztliche Diagnose; Übernahme der Kosten durch obligatorische Grundversicherung 2

Hintergrund Steigende Gesundheitskosten (BFS, 2011) Alterung der Gesellschaft (BFS, 2010) Zunahme Erkrankungen des Bewegungsapparates (Schweizerischer Diagnosen Index, IMS Health, 2007) Personalmangel im Gesundheitswesen (Obsan, 2009) 3

Hintergrund Kosteneinsparungen (Holdsworth, Webster & McFayden, 2008) Schaffung eines weiteren Zugangs zu Sekundärleistungserbringern (Huber et al., 2011) Stärkung der Profession Physiotherapie (Beyerlein, Stieger, von Wietersheim, 2011, Jette et al., 2006) 4

Ziel und Methode Analyse der Erfahrungen anderer Länder mit dem Direktzugang Literaturreview und Analyse der Webseiten internationaler Physiotherapieverbände: Internationale Entwicklungen Erfahrungen mit dem Direktzugang 5

Ziel und Methode Analyse der Bedingungen einer Einführung des Direktzugangs in der Schweiz seitens der Physiotherapeuten/-innen Nationale Querschnittstudie bei Physiotherapeuten/-innen in der Schweiz (in Anlehnung an das Modell von Jette et al., 2006): Einstellung, Zutrauen und Kompetenzen Einschätzung verschiedener Fallbeispiele im Szenario des Direktzugangs 6

Internationale Entwicklungen und Erfahrungen mit dem Direktzugang 1976 1985 1992 1999 2004 2005 2006 Australien Nevada/ USA Florida/ USA Kanada Schweden N.Y./USA Norwegen Niederlande 7

Internationale Entwicklungen und Erfahrungen mit dem Direktzugang Positive Erfahrungen: Verringerung der Wartezeiten im Vergleich zu Ärzten (S) Verbesserung der Zusammenarbeit mit Ärzten, z.b. Radiologen (N) Reduktion der Verordnung und Verabreichung von Medikamenten im Vergleich zu den Kontrollregionen (N, GB) effizienter Umgang mit finanziellen Ressourcen (S) Hohe Zufriedenheit der Patienten/-innen (N, GB) 8

Internationale Entwicklungen und Erfahrungen mit dem Direktzugang Herausforderungen: sicheres Auftreten der Physiotherapeuten/-innen im Erstkontakt mit Patienten/-innen (S) Anpassung der Ausbildungsinhalte, z.b. Gesprächsführung, interdisziplinäre Kommunikation, Differentialdiagnostik (S) Informationsdefizit der Bevölkerung über die Rolle der Physiotherapeuten/-innen und den direkten Zugang (USA) 9

Stichprobe der Befragung zum Thema Direktzugang in der Schweiz 7874 Mitglieder des Schweizer Physiotherapie Verbands physioswiss im Mai 2010 angeschrieben 2137 gültige Fragebögen Rücklaufquote: 27 % 10

Stichprobe der Befragung zum Thema Direktzugang in der Schweiz (1) Anzahl Arbeitsjahre als Physiotherapeut 7% 6% 15% 30% 42% 0% 100% < 3 Jahre 3-5 Jahre 6-10 Jahre 11-20 Jahre < 20 Jahre 11

Stichprobe der Befragung zum Thema Direktzugang in der Schweiz (2) 100 80 83 Spezialisierung 60 Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen 40 20 33 30 24 18 10 6 0 muskuloskelettal Neuromotorik und Sensorik Sport innere Organe und Gefässe Geriatrie Pädiatrie keine Spezialisierung 12

Einstellung der Befragten gegenüber dem Direktzugang Mehrheit (86 %) der befragten Physiotherapeuten/-innen befürwortet die Einführung des Direktzugangs in der Schweiz 100 80 86 60 40 Angaben in Prozent 20 0 Ja 14 Nein 13

Zutrauen der Befragten in ihre eigenen Kompetenzen bezogen auf die Praxis des Direktzugangs 84 % trauen sich den Direktzugang zu 100 80 84 60 40 Angaben in Prozent 20 0 Ja 16 Nein 14

Notwendige Kompetenzen für die Praxis des Direktzugangs 61 % der Befragten sehen zusätzliche Qualifikationen für unabdingbar. 0 20 40 60 80 100 umfassendes Wissen über Pathologie ("red flags") Differentialdiagnostik 75 91 Teilnahme an Weiterbildungen Austausch in einem Physiotherapie- Netzwerk mit Fachkolleginnen Röntgenbilder lesen und verstehen 21 34 65 pharmakologisches Grundverständnis evidence-based Studien lesen und verstehen können (Evidence based Practice) akademischer Abschluss 5 18 17 Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen 15

Schlussfolgerungen Erste Schritte in anderen Ländern: Pilotprojekte, Evaluation Bisher insgesamt vorwiegend positive Erfahrungen mit dem Direktzugang Physiotherapeuten/-innen in der Schweiz zeigen eine positive Einstellung zum und Interesse am Direktzugang. Weitere Schritte sind notwendig, um den Direktzugang in der Schweiz voranzubringen, z.b. die Durchführung von Pilotprojekten 16

Aktuelle Publikation Scheermesser, Mandy; Allet, Lara; Bürge, Elisabeth; Stegen, Cordula; Nast, Irina; Schämann, Astrid (2011). Direktzugang zur Physiotherapie in der Schweiz: Kulturelle Validierung eines Fragebogens und Untersuchung der Einstellung von Physiotherapeuten. physioscience, 7, 4. 143-149. 17