Neurologische Universitätsklinik Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. C. Weiller Die Bedeutung der Ultraschalldiagnostik in der Akutphase des Schlaganfalles PD Dr. Matthias Reinhard
Warum Notfallsonographie? % 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Verfügbare Methoden zur Gefäßdarstellung n=166 deutsche Krankenhäuser welche regelmäßig Schlaganfallpatienten aufnehmen CT-A MR-A TCCD Barucani et al. Stroke 2009 Überblick über Gefäßpathologie und Therapierelevanz (z.b. Lokalisation des Verschlussses) in kürzester Zeit Wichtig wenn CT-/MR-Angiographie nicht 24/7 verfügbar Ergänzung zu MRA / Interpretation PWI: extrakranielle Pathologie! Differenzierung Stenose versus Verschluss Erkennung akuter Blutungen (Entscheidung über Bildgebung)
Notfallsonographie kostet doch nur Zeit? Parallele Durchführung im Kopf-/Halsbereich während Grundversorgung am Körper des Patienten Maximale Dauer 10 min., Idealerweise keine Sonographie ohne dass simultan andere notwendige Prozeduren am Patienten laufen
Untersuchungsverfahren Dringlichste Frage: Besteht ein akuter Gefäßverschluss der für eine Lysetherapie (i.v.), oder eine zusätzliche akute interventionelle Therapie (i.a. Lyse, Stent) in Frage kommt? Untersuchungsverfahren in Akutsituation: Extrakraniell: Duplexsonographie obligat Intrakraniell: Farbkodierte Duplexsonographie (TCCD) Transkranielle Dopplersonographie (erfahrene Untersucher)
Konkreter Untersuchungsablauf Prinzipiell: Gewichtung der Untersuchung nach klinischer Verdachtsdiagnose (vorderes / hinteres Stromgebiet) Anderes Stromgebiet immer orientierend mituntersuchen Klassisch: erst extrakraniell, dann intrakraniell Fast track protocol Chernyshev et al. Stroke 2005 STEP 1: intrakraniell because acute occlusion responsible for the neurological deficit is likely located intracranially STEP 2: extrakraniell
Untersuchungsablauf extrakraniell Beginn auf Seite der vermuteten Lokalisation vorne Farb-B-Bild ACC und ACI: Plaques, Thromben, (Dissekate) Dopplersignal aus ACC und ACI (Abgang und submandibulär) Verschluss, Stenose, prästenotisches Dopplersignal? hinten V2-Segment der A. vertebralis: Farb-B-Bild: Hypoplasie (<0.2 mm)? Verschluss? Prä-/poststenotisches Dopplersignal? Wiederholen des Ablaufs für die Gegenseite Relevante Seitendifferenz der mittleren Flussgeschwindigkeit in den Vertebralarterien 50%, für ACC bzw. ACI 20%!
Untersuchungsablauf: transtemporal 1. zuerst kurzer B-Bild-Check (Leitstrukturen, ICB) 2. Farbduplex der ACM (Hauptstamm), ACA (A1-Segment), distale ACI 3. A. cerebri posterior (P1, P2) und des Basilariskopfes 4. Stets Wiederholung für die Gegenseite. Auf Seitenunterschiede im Dopplersignal achten (relevant: >20%)
Untersuchungsablauf: transnuchal Transtemporal 1. Y der Hirnstammgefäße im B-Bild 2. Doppler V4-Segment der A. vertebralis beidseits 3. Doppler A. basilaris (soweit distal wie möglich)
Graduierung M1-M2 Verschlüsse TIBI-Klassifikation (Thrombolysis in acute brain ischemia) (TCD!) Burgin et al. Stroke 2000, Demchuk et al. Stroke 2001 Positiv prädiktiver Wert im Vergleich mit Angiographie für Grad 0-1 / Grad 4-5 gut, für Grad 2-3 ca. 50%
M2-Verschluss: Zanette-Index Indirekter Nachweis: Seitendifferenz der A. cerebri media MV 2 = 17 cm/s MV 1 = 28 cm/s MCA right Asymmetry Index (Zanette) MV 1 -MV 2 AI = x100 (MV 1 + MV 2 )/2 MCA left AI = 48,8% AI >21% = MCA branch occlusion Zanette et al., Stroke 1989
74-jähriger Patient Koma seit 3 h Fallbeispiel Angiographie: Verschluss der mittleren A. basilaris
Primärdiagnostik hinteres Stromgebiet Ausschluss Basilaristhrombose? TCCD + KM mit Ableitbarkeit bis 100 mm Tiefe und normaler Darstellung des Basilariskopfes transtemporal nicht etabliert Studienlage insgesamt schlecht Kontrastmittel: Diagnose-Genauigkeit von 60% auf 93% Stolz E et al. 2002 AJNR
Validität Akutdiagnostik vorderes Stromgebiet Transkranieller Doppler (TCD) vs. Angiographie Zanette et al. 1989 /1995 Gute Übereinstimmung für Mediahauptstamm- und Hauptastverschluss, weniger gut für distale Astverschlüsse Vergleich TCCD (+KM) vs. DSA (n=132) Kunz et al. 2006
Sonographie bei ICB Sonomorphologie: Akute Blutung erscheint sonographisch homogen hyperechogen. Ab Tag 6 Abnahme der Echogenität zunächst im Zentrum der Blutung. Studienlage: Blutung vs. Ischämie: in größter Serie (n=151) korrekte Differenzierung in 95% der Fälle Mäurer et al. 1998 Bedside-Monitoring: Hämorrhagische Transformation wird sonographisch durch Hyperintensität in ca. 90% erkannt Seidel et al. 2009 Nachteil: Insuffizientes Schallfenster in 12% Kleine (<1 cm) und hochparietal gelegene Blutungen können dem Nachweis häufig entgehen Starke SAE kann als Hyperintensität ICB vortäuschen
Fallbeispiel 39-jährige Frau akutes Psychosyndrom 3 Tage n. Resektion Hirntumor kurz darauf zunehmende Vigilanzminderung, komatös Ultraschall Neurochirurg: V.a. Basilaristhrombose Dopplerprofil A. vertebralis beidseits, A. basilaris
ACM rechts ACM links? Fallbeispiel
Fallbeispiel 1 Tag später... ACM rechts ACM links A. basilaris
Notfallsonographie bei Schlaganfall Ultraschall + schnell, auch bei unruhigen Patienten + bettseitig durchführbar + breit verfügbar + extrakranieller Status miterfasst + TCCD mit Information über Parenchym + im Mediastromgebiet sehr valide für Verschlüsse - untersucherabhängig - methodische Grenzen (A. basilaris, Auflösung) Frühe Steuerung des weiteren diagnostischen und therapeutischen Weges durch den Stroke Unit-Arzt selbst!