Neuere Erkenntnisse über die Folgen sich verändernder Arbeitszeiten mit Blick auf den Arbeitsschutz DGB Bildungswerk Hessen 17. März 2016 Brigitte Göbel TBS ggmbh brigitte.goebel@tbs-rlp.de 1
Veränderungen der Arbeitszeiten Die Zunahme der Flexibilitätsanforderungen Überstunden Beschäftigte die Schichtarbeit, Nachtarbeit, Wochenendarbeit leisten ständigen Erreichbarkeit Arbeitsverdichtung führt zu hohen Belastungen der MitarbeiterInnen 2
Wie viel Arbeit soll es sein? 3
Wie viel Arbeit soll es sein? 4
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Arbeitszeitlage Quelle WSI, HBS, Statistisches Bundesamt eigene Berechnungen Q 6
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Erreichbarkeit und Entgrenzung (DGB Index Gute Arbeit 2011) 27 Prozent der Beschäftigten haben auch in ihrer Freizeit sehr häufig oder oft für betriebliche Belange erreichbar zu sein 37 Prozent der Beschäftigten müssen auch zu Hause an Schwierigkeiten bei der Arbeit denken 15 Prozent der Beschäftigten arbeiten auch in ihrer Freizeit sehr häufig oder oft für ihren Betrieb 8
Zunahme mobiler Arbeit Durch die Entwicklung und Verbreitung mobiler Endgeräte können viele Mitarbeiter fast überall und jederzeit arbeiten "Früher gingen wir ins Büro, heute nehmen wir es überall mit hin" 9
Arbeitsfähigkeit Die Arbeitsfähigkeit wird u.a. beeinflusst durch die Dauer, die Lage und die Verteilung der Arbeitszeit Mit zunehmender Dauer erhöht sich die Unfallgefahr (ab 8 Stunden) und die Effektivität vermindert sich Die Lage der Arbeitszeit führt z.b. bei Nacht- und Schichtarbeit zu gesundheitlichen Belastungen Die Verteilung der Arbeitszeit kann gesundheitlich negative Folgen haben, so haben Studien gezeigt, dass variable Arbeitszeiten (auch unabhängig von Schichtarbeit) negative Wirkungen auf die Gesundheit haben können Positiv bewerten Beschäftigte selbst bestimmte Formen variabler Arbeitszeiten 10
Gesundheitliche Auswirkungen Steigendes Schlaganfallrisiko durch Überstunden bei 41 bis 48 Stunden pro Woche um 10% erhöht bei 49 bis 54 Stunden pro Woche um 27% erhöht bei mindestens 55 Wochenstunden um 33% erhöht Fachzeitschrift»Gute Arbeit«(GA) 10/2015, Betriebliche Praxis, S. 26 Kontinuierlicher Anstieg der AU Tage durch psychische Erkrankungen Psychische Erkrankungen haben im Jahr 2013 13,4 Prozent der AU-Tage verursacht. Dritthäufigster Grund für Fehltage 11
Gesundheitliche Auswirkungen Risiken von (Nacht)Schichtarbeit Erhöhtes Risiko von Erkrankungen des Muskel-Skelett- Systems, Verdacht eines erhöhtes Risiko an bestimmten Krebsarten zu erkranken Herz-Kreislauf Erkrankungen Übersterblichkeit Beeinträchtigung der kognitiven Leistung Psychovegetative Störungen: chronische Ermüdung, innere Unruhe, sexuelle Störungen, Depressionen, Nervosität, Angstzustände, Gereiztheit Nach B. Bürger "GdP FORUM GESUNDHEIT Gesunde POLIZEI - leistungsstarke POLIZEI" 3.11.2015, BauA, Nachreiner 12
Artikel 31: Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen. (2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub 13
Begrenzung der Höchstarbeitszeit Das Arbeitszeitgesetz begrenzt die werktägliche Arbeitszeit auf maximal 8 Stunden Sie kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb eines halben Jahres oder innerhalb eines Zeitraums von 24 Wochen 8 Stunden im Durchschnitt nicht überschritten werden ( 3 ArbZG) (bei Nachtarbeitnehmern innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen Ausgleich erforderlich) ( 6 ArbZG) Durch Tarifverträge können die Ausgleichszeiträume verändert werden 14
Begrenzung der Höchstarbeitszeit Verstöße insbesondere möglich durch Rufbereitschaftseinsätze In Bereich von "Vertrauensarbeitszeit" Durch Auszahlung von Überstunden/Zeitkonten Durch Neben/Zweitjobs Durch Schichttausch Durch Abstechen und Weiterarbeiten 15
Ruhepausen Das Arbeitszeitgesetz verlangt mindestens 30 Minuten Pause nach 6 Stunden Arbeitszeit und mindestens 45 Minuten Pause nach 9 Stunden Arbeitszeit. ( 4 ArbZG) Durch Tarifverträge können die Pausen in Schicht und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufgeteilt werden ( 7 Abs. 1) 16
Ruhepausen Verstöße insbesondere möglich durch Arbeitsverdichtung Nicht ausreichenden Personalstand "Flexible" Pausen Maschinendurchlauf Wer kontrolliert die Einhaltung? 17
Ruhezeiten Das Arbeitszeitgesetz verlangt eine mindestens 11 stündige Ruhezeit nach Beendigung der Arbeit ( 5 ArbZG) Verkürzung um 1 Stunde z.b. in Krankenhäusern, in Gaststätten, Verkehrsbetrieben wenn der Ausgleich innerhalb eines Monats oder innerhalb von 4 Wochen erfolgt Durch Tarifverträge können die Ruhezeiten um bis zu 2 Stunden gekürzt werden ( 7 Abs. 1) bzw. verändert werden 18
Ruhezeiten Verstöße insbesondere möglich durch Rufbereitschaftseinsätze Mobile Arbeit/ständige Erreichbarkeit "kurze Wechsel" im Schichtbetrieb Zeitkappung im Gleitzeitbereich "Vertrauensarbeitszeitregelungen" 19
Arbeitszeitgestaltung Was ist zu tun? Gefährdungsbeurteilungen ( 5 ArbSchG) einfordern/überprüfen (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind... (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch. 4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,. 6. psychische Belastungen bei der Arbeit. 20
Arbeitszeitgestaltung Was ist zu tun? Regelungen durch Betriebsvereinbarungen bzw. Tarifverträge Erfassung aller Arbeitszeiten auch für "Mobile Arbeit" Möglichkeit von Zeitzuschlägen bei höherer Belastung Zeitausgleich statt/und Geldausgleich für belastende Arbeitsbedingungen Zeitzuschläge für Arbeit in der Nacht oder zu sozial ungünstigen Zeiten Flexibilitätsspielräume der Beschäftigten erhöhen Höhere zeitliche Handlungsspielräume für Beschäftigte Möglichkeiten der Arbeitszeitanpassung an unterschiedliche Lebenssituationen (z.b. reduzierte Vollzeit, Möglichkeit des Home Office) 21
Arbeitszeitgestaltung Was ist zu tun? Regelungen durch Betriebsvereinbarungen bzw. Tarifverträge Vorhersehbare, planbare Arbeitszeiten regeln (insb. bei Schichtarbeit) Überprüfung der Schichtpläne Ausdünnung von Nachtarbeit Ausreichende Erholzeiten Möglichst lange Ankündigungszeiten bei Änderungen Auszahlung von Arbeitszeitkonten bzw. Kappung von Arbeitszeiten verhindern Begrenzung der abweichenden Regelungen des ArbZG durch Tarifverträge 22
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 23