Zuhören beobachten und fördern Nadine Tuor & Nora Kernen Tagung Unterricht konkret 2013
Übersicht Was bedeutet Zuhören? Was gehört zur Zuhörkompetenz? Teilkompetenzen: Beschreibung, Aufgabenbeispiele 2
Zuhören vs. Hören Hören: akustische Verarbeitung, Registrierung und einfache Kategorisierung Zuhören: Bewusste, intentionale Informationsverarbeitung, kognitiver Prozess höherer Ordnung 3
Zuhören als eigenständige, komplexe Leistung Zuhören ist geprägt durch spezifische Merkmale der gesprochenen Sprache die Besonderheiten der Situationen besondere Verarbeitungsbedingungen akustischer Reize Merkmale der gesprochenen Sprache: Flüchtigkeit, Verarbeitung in Echtzeit, Kontinuität (wir hören keine Wortgrenzen) Variabel, Qualität unzuverlässig para- und nonverbale Informationen räumliche Einbettung, Präsenz der Sprechenden 4
Zuhörprozess Auswählen Interpretieren Aus: Imhof, M. (2010): Zuhören lernen und lehren. Psychologische Grundlagen zur Beschreibung und Förderung von Zuhörkompetenzen in Schule und Unterricht. In: Bernius, V. & Imhof, M. (Hrsg.): Zuhörkompetenz in Unterricht und Schule. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Edition Zuhören, Bd. 8), S. 15-30. 5
Was gehört zur Zuhörkompetenz? Hörästhetik und Hörgenuss Aufmerksamkeitssteuerung: Zuhörmotivation, auditive Aufmerksamkeit Zuhören im Gespräch Zuhören und Hörverstehen (Selbst-)Reflexion: Was bedeutet Zuhören? Wie gut kann ich zuhören? Zuhör-Wissen: der eigene Körper, Lärm-Schutz 6
Hörästhetik und Hörgenuss Kinderreime hören und nachsprechen Hörspiel zum Genuss Musik hören Selber Hörtexte herstellen 7
Hörverstehen zum Genuss (Hörästhetik) Lesen mit Hörbüchern Steigerung der Leseflüssigkeit und des lesebezogenen Selbstkonzepts, Erleichterung des Leseverstehens Erst hören, dann lesen:. Anfang einer Ganzschrift hören, weiteren Verlauf antizipieren. Einen Text zunächst vor allem hinsichtlich seines Klangs wahrnehmen Erst lesen, dann hören:. Kürzungen oder Erweiterungen wahrnehmen und diskutieren. Zusätzliche Dimension «Klang» wahrnehmen (und diskutieren) 8
Hörverstehen zum Genuss (Hörästhetik) Simultan lesen und hören:. Hörbuch zu einem Bilderbuch hören Hörtexte und -medien beschreiben, bewerten In: Müller, K.: Hörtexte im Deutschunterricht. Poetische Texte hören und sprechen. Seelze: Kallmeyer und Klett, 98ff. 9
Voraussetzungen für gelingendes Zuhören 1. Zuhörmotivation (Bereitschaft zuzuhören) 2. Auditive Aufmerksamkeit Quelle Folien 10 bis 13 sowie 16 bis 20: Karla Müller (2012): Hörtexte im Deutschunterricht: Poetische Texte hören und sprechen. Klett Kallmeyer. 10
Ansätze für die Förderung der Zuhörmotivation (1) 1. Generellen Schwierigkeiten beim Zuhören begegnen Entspannungsübung; Fantasiereise Erinnerung an positiv besetzte Zuhörsituationen entschulte Situation schaffen ( Sitzordnung, Sitzhaltung) kurze Zuhörphasen langsam steigern; Dauer ankündigen Lernende an Hörmedien-Auswahl beteiligen Aktivitäten beim Zuhören zulassen (Bewegen, Malen) 2. Umgang mit Unverständlichem, Ungewohntem Vorbereitung, Vorentlastung Zuhörauftrag mehrmaliges Hören 11
Auditive Aufmerksamkeit fördern (2) Die Konzentration auf das Hören lässt sich verbessern durch: Raumakustik Störungsfreie Zeitfenster ohne ablenkende Tätigkeiten Entschulte, gesammelte Sitzposition; Sitzordnung; Hörhaltung Konzentrationsfördernde Spiele; Augen bedecken Rhythmisierung; Hörpausen; Rituale 12
Auditive Aufmerksamkeit fördern (2) Die auditive Aufmerksamkeit lässt sich verbessern durch: Hörsensibilisierung - Übungen zur Körperwahrnehmung, Atemübungen - Lausch-, Horch-, Stilleübungen (Richtungshören, Hörspaziergänge) - Spiele rund um das aufmerksame Hören (Stille Post, Memory) - Geräusche herstellen - Töne und ihre Botschaften thematisieren Hörabsicht, bewusstes Hören fördern - Ziel des Zuhörens immer genau bezeichnen - Zuhörabsicht beschreiben 13
Auditive Aufmerksamkeit fördern (2) Beispiel: Hörclubs 14
Zuhören im Gespräch Sprecher Zuhörer = abwechselnde, komplementäre Rollen Wechselseitige Wahrnehmung und Beeinflussung; Rückmeldeverhalten der Zuhörenden Zuhören = aktiv, gesprächssteuernd Kontext entscheidend Handlungsroutinen In: Spiegel, C. (2009): Zuhören im Gespräch. In: Krelle, M. / Spiegel, C. (Hrsg.): Sprechen und Kommunizieren. Entwicklungsperspektiven, Diagnosemöglichkeiten und Lernszenarien. Hohengehren: Schneider, S. 189-203. 15
Zuhören im Gespräch Zuhören im Unterricht Zuhören in Gruppengesprächen Verbesserung der Zuhörfähigkeit durch: Beobachtungsgruppen Videoaufnahmen 16
Zuhören und Hörverstehen: Einschätzung und Passung von Hörtexten und Aufgaben Beurteilung hinsichtlich der Schülerinnen und Schüler: Entsprechen die Hörmedien den Verstehensvoraussetzungen? Sind sie den Rezeptionsweisen angemessen und attraktiv für SuS? der Gegenstände Schwierigkeitsgrad? Inhaltlich, sprachlich, auditiv, technisch gut gemacht? Unterricht Intention? Zweck-Mittel-Verhältnis? Übungs- oder Testaufgaben? 17
Schwierigkeitsbestimmende Merkmale von Aufgaben beim Lesen & Hören Textoberfläche Satzlänge; Silbenzahl pro Wort Überlappung mit Grundwortschatz Verhältnis von Inhalts- und Funktionswörtern Wiederholung wichtiger Informationen Textinhalt Notwendigkeit von Vorwissen Aufgabe Aufgabenart (Itemtyp) Komplexität des Aufgabeninhalts: Was wird verlangt? 18
Schwierigkeitsbestimmende Merkmale: Hörmedien Aufnahmequalität Deutlichkeit der Aussprache Pausen zwischen Sätzen und Satzteilen Dialekt, Regiolekt, Soziolektfärbung Zahl der Sprecherinnen Unterscheidbarkeit der Sprecherstimmen Überlappende Sprecherwechsel Sprechgeschwindigkeit an wichtigen Stellen Hinweis darauf, dass wichtige Information folgt Betonung wichtiger Informationen 19
Medien und Materialien sollen 1. vielfältige Anreize zur Eigenaktivität bieten (Aufforderungscharakter zu wiederholter aktiver Auseinandersetzung; Impulscharakter (Spitta, 1991) 2. selbstständiges Handeln ermöglichen 3. soziale Ko-Konstruktionen anregen 4. Reflexion und Dokumentation herausfordern 20
Zuhörstrategien und -techniken vor dem Zuhören störungsfreien äusseren Rahmen, Konzentration Informationen einholen (Cover, Booklet) Vorwissen aktivieren, Zuhörabsicht definieren während des Zuhörens Hörmedium stoppen, erneutes Hören gegebenenfalls Notizen machen in Hörpausen Fragen und Erwartungen formulieren nach dem Zuhören Ergebnisse formulieren, vergleichen, überprüfen gegebenenfalls zweiter Durchgang: neue Zuhörabsicht formulieren mit früheren Hörerlebnissen vergleichen 21
Reflexion Aus: Bittins, Petra (2008): Hör- und Gesprächskultur als Entwicklungsschwerpunkt im schulinternen Curriculum. In: Grundschulunterricht Deutsch, Oldenbourg, H 01. S. 6. 22
Reflexion: gutes vs. schlechtes Zuhören Merkmale eines guten Zuhörers/einer guten Zuhörerin: fragt nach, wenn nötig reagiert nonverbal auf das Gesagte stellt von sich aus Fragen ist offen für das, was ich sagen will nimmt sich Zeit zum Zuhören Merkmale schlechten Zuhörens: ist in den eigenen Gedanken verhaftet zeigt Ungeduld wirkt abgelenkt unterbricht mich wechselt das Thema Aus: Imhof, Margarete (2004). Zuhören und Instruktion. Münster: Waxmann. S. 61. 23
Reflexion: eigene Gewohnheiten, Kompetenzen Hörtagebuch: Simone Hotz (2011): Zentrum Mündlichkeit der PHZ Zug 24
Reflexion: eigene Gewohnheiten, Kompetenzen Selbstbeobachtung Simone Hotz (2011): Zentrum Mündlichkeit der PHZ Zug 25
Reflexion: eigene Gewohnheiten, Kompetenzen 26 Ausschnitt aus: Die Sprachstarken 6, Beobachtungsblatt Sprechen und Zuhören
Wissen übers Hören/Zuhören: der eigene Körper, Schutz vor Lärm Vergleich der Sinne Wissen über Gehörorgan Sensibilisierung für Schutz vor Lärm Gute Hörbedingungen: Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und Lehren! 27
Unterstützung beim Zuhören Aufmerksamkeit, Zuhörmotivation herstellen Inhalte vorbereiten durch Schlüsselwörter Zuhörsteuernde Fragen Inhalte multimodal und widerspruchsfrei vermitteln Lokal Redepausen einlegen Aktivierungsphasen einbauen (aktive Verarbeitung und Verankerung von Wissen) In: Spiegel, C. (2009): Zuhören im Gespräch. In: Spiegel, C. / Krelle, M. (Hrsg.). Sprechen und Kommunizieren. Entwicklungsperspektiven, Diagnosemöglichkeiten und Lernszenarien in Deutschunterricht und Deutschdidaktik. Hohengehren: Schneider, S. 200. 28
Besten Dank fürs Zuhören! Kontakt: Nora Kernen, Zentrum Lesen, FHNW: nora.kernen@fhnw.ch, http://www.zentrumlesen.ch/ Nadine Tuor, Zentrum Mündlichkeit, PH Zug: nadine.tuor@phzg.ch, zm.phzg.ch 29